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Gauting > Lindau > Bregenz > Höchst (Österreich) > Chur (Schweiz) > San Bernardino Pass > Bellinzona > Lugano > Como (Italien) > Milano > Tortona > Genua > Recco (Hotel Manuelina)
Wir waren noch nie im Süden mehrere Tage unterwegs. In den vielen Jahren seit unserer Ausreise war einfach noch keine Zeit dazu. Nun sollten endlich Träume wahr werden. Der Traum vom freien Reisen war einer der Hauptgründe, unsere Heimat in Sachsen zu verlassen. Doch Job, Uni und das liebe Geld verhinderten bisher, diesen Traum zu leben.
Auf den Tag genau 2 Monate alt, die Reise kann beginnen.
San Bernardino, Schnee vom Vorjahr oder schon neu?
Kurzentschlossen hatten wir am Vortage unseren neuen Ford Scorpio Kombi gepackt, wohl wissend, dass wir nicht zu lange weg sein konnten. Mein kleines Dokumentations-Büro bringt keinen Pfennig, wenn nicht gearbeitet wird. Wegen einer Auftragslücke war die Gelegenheit günstig.
Eine Hotel-Reservierung oder etwa einen sonstigen Reiseplan hatten wir nicht. Wir wussten nur, die Mittelmeerküste musste es sein, zuerst Genua, vielleicht bis Rom.
Übrigens, das Reisen ohne Buchung haben wir bis heute beibehalten. Sich treiben lassen, ohne Zeitdruck, einfach neugierig sein, sich freuen auf das Kommende – eine Reiseart, die befreiend ist. Vielleicht waren wir doch zu lange in der DDR eingesperrt.
Gauting liegt südlich von München, deshalb waren wir ohne großen Verkehr schnell auf der Autobahn Richtung Lindau. Eigentlich wollten wir, wie es sich gehört, zeitig aufbrechen. Doch es kam wie immer an freien Tagen, das Frühstück zog sich hin und vergessen durften wir auch nichts. Gegen 10 Uhr ging es los.
Nun ist es zwar für die meisten Menschen nichts Besonderes, in den Süden zu fahren. Wir fühlten uns aber wie Privilegierte. Im neuen Auto, herrlichster Sonnenschein und keinen Termin – man musste uns ansehen, wie froh und frei wir waren. Den Ford hatten wir erst im Juli gekauft, er war noch nicht mal richtig eingefahren.
Eigentlich wollte ich wieder einen Opel Omega, doch der Scorpio hatte mich mit seinem Hubschrauber-Cockpit sofort überzeugt. So viele Schalter und Instrumente, dem Fahrer zugeneigt, und das Ganze noch mit Wurzelholz verziert: Ich fühlte mich schon in Aachen beim Probefahren wie ein Pilot.
Und jetzt fuhren wir Richtung Süden. Lindau, Bregenz, Schweiz – alles war neu für uns.
Kurz vor dem San Bernardino Pass in der Schweiz hatten wir die erste größere Rast. Die Scheiben mussten geputzt werden und gegessen hatten wir auch noch nichts. Auf dem Parkplatz hätten wir zwar essen können, aber wie schon früher in der DDR waren wir Selbstversorger und sind es bis heute geblieben. Vom Raststätten-Essen halte ich sowieso nichts, abgesehen von den Preisen, die meist nichts mit dem Gebotenen zu tun haben.
Rasten, essen und putzen. Parkplatz San Bernardino.
Wenn das Wetter so bleibt, ist alles gut.
San-Bernardino-Tunnel, Eingang Nord 1
(Urheber Adrian Michael 2015, © nach CC BY-SA 3.0)
Ein wenig stolz war ich schon aufs neue Auto. Es war übrigens das erste fabrikneue. Bisher hatten wir uns immer mit Gebrauchten zufrieden gegeben. Außer, ich erinnere mich gerade, einmal haben wir in der DDR einen Trabant-Kombi aus Zwickau geholt. Der war auch fabrikneu, und vor allem relativ billig.
Dazu muss man wissen, gebrauchte Autos, Trabant oder Wartburg, waren in den meisten Fällen teurer als neue. Selbst für einen sechs Jahre alten Trabi musste man noch 12 Tausend Mark (DDR-Mark, d.h. MDN, Mark der Deutschen Notenbank) hinblättern. Bei einem durchschnittlichen Facharbeiterlohn von 800 Mark im Monat kein Betrag aus der Porto-Kasse. Unser neuer Trabant-Kombi hatte den gleichen Preis. Dieses Missverhältnis war Ergebnis der DDR-Mangelwirtschaft. Es gab einfach nicht genug Autos (und viele andere Dinge auch nicht). Zwölf Jahre Wartezeit auf ein Auto, noch länger auf einen eigenen Telefonanschluss in der Wohnung, dies war die bittere Realität.
Auch deshalb waren wir glücklich, auf einem Parkplatz in der Schweiz bei Sonnenschein unseren neuen Ford-Kombi putzen zu dürfen.
Das muss man erleben! Mitten in Genua, vollgestopfte Straßen um 17 Uhr in der Hauptverkehrszeit, Stop-and-Go und die Hitze im Genua-Kessel. Ich hatte schon manchen Verkehr in München mitgemacht, aber das hier Erlebte sprengte alle Grenzen. Und dann noch die stoische Mentalität der Italiener. Hielten doch zwei Autos auf einer Kreuzung (die Ampel hatte schon längst auf Grün geschaltet) mit heruntergekurbelten Fenstern, um sich in aller Seelenruhe das Neueste auszutauschen. Das Hupkonzert ringsherum störte die beiden jungen Fahrer überhaupt nicht. Ungewohnt waren auch die vielen Mopeds und Motorroller, die sich jede Lücke nutzend durch den Verkehr schlängelten.
Andere Länder, andere Sitten!
1 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:San_Bernardino_Eingang_Nord.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de,
Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Die Autobahn bei Recco ist nötig, aber nicht schön.
Das 4-Sterne-Traum-Hotel, nie wieder!
Der schönste Name nützt nichts, wenn nichts drin ist, was einem begeistern könnte. Das Hotel heißt eigentlich Hotel La Villa Manuelina. Nun, die alte auch zum Hotel gehörende Villa steht daneben. Wir übernachteten aber in dem hässlichen später gebauten Hochhaus.
Froh, dem aufreibenden Stadtverkehr in Genua entkommen zu sein, stellte sich nun langsam die Frage nach einem Bett. Wir hofften, ein Quartier in einem günstigen Restaurant oder in einer Privatunterkunft zu bekommen. Besonders Privat hatten wir in Österreich gute Erfahrungen gemacht. Warum sollte das nicht auch in Italien möglich sein?
Aber weit und breit war kein Anhaltspunkt für eine Übernachtungsmöglichkeit. Vielleicht hätten wir in einer der zahlreichen schmalen Seitenstraßen suchen sollen oder hinunter zum Meer fahren. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es hier, in einem wahrlich gut besuchtem Touristengebiet an der ligurischen Küste, keine Bleibe geben sollte.
Einige Male haben wir gefragt, ohne Italienisch zu können ein heikles Unterfangen. Niemand konnte uns wirklich helfen. Vielleicht haben wir uns aber auch nur etwas zu unerfahren (um nicht zu sagen zu dumm) angestellt. Oder wir hätten in die Berge fahren sollen. Abgelegene Restaurants sind ja bekanntlich oft recht günstig. Das wussten wir. Jedenfalls bereute ich fast, im Vorfeld keine Übernachtungs-Recherchen vorgenommen zu haben. Aus heutiger Sicht wäre dies besser gewesen.
Später haben wir immer vor solchen Fahrten im Internet recherchiert. Zwar buchen wir nicht, aber wir wissen wenigstens, wo man übernachten könnte. Anmerkung: Ich schreibe diese Zeilen jetzt im Jahre 2017 auf Basis weniger Aufzeichnungen und aus meiner Erinnerung heraus. Seit damals hat sich viel geändert und man ist klüger geworden. Heute ist das Web stetig präsent und hilft, Informationen in Windeseile zu bekommen.
Wieder erkundigte ich mich, diesmal bei einer alten Frau mit Küchenschürze vor dem schon in die Jahre gekommenen Haus. Sie zeigte nur in die Berge, 5 Minuten verstand ich. Tatsächlich, ein großes Hotel protzte mit 4 Sternen auf dem Dach. Das Betonhaus war aber wirklich nicht nach unserem Geschmack. Uns blieb aber keine Wahl, es dunkelte schon.
Die Anmeldung war schnell erledigt, an der Rezeption konnte man Deutsch. Aber wohin mit dem Auto? Die Dame verwies uns auf eine Seitenstraße. Das Hotel selbst hatte zwar eine breite Treppe vor dem Eingang, aber keinen eigenen Parkplatz. Der Zimmerpreis hatte uns schon geschockt, und nun mussten wir auch noch außerhalb des Hotelgeländes parken.
Die Hoteleinfahrt, daneben die kleine Straße zum Parken.
Donnerstag, die Sonne hat uns wieder froh gestimmt.
Wir fahren weiter an der ligurischen Küste entlang.
Mit gemischten Gefühlen stellten wir unser neues Auto in der schmalen unbelebten Straße ab, nahmen zwei Taschen und gingen zurück zum Hotel. Schlimmer kann es nicht kommen, so dachten wir. Das Zimmer würde uns entschädigen, wir hatten es uns vorher nicht zeigen lassen. Das war übrigens auch ein Fehler, der uns heute nicht mehr passiert.
Schon im Fahrstuhl, den ich hasse, hatten wir ein ungutes Gefühl. Die Beschriftung der Bedientasten war kaum noch zu erkennen, auch sonst war alles schäbig (im wahrsten Sinne des Wortes: abgeschabt). Das Zimmer mit Bad sah besser aus. Hier hatte man offensichtlich neu renoviert. Dusche und Bett waren jetzt das Wichtigste. Ein Dinner fiel aus Kostengründen sowieso aus. Unser Mitgebrachtes musste reichen.
Am nächsten Morgen freuten wir uns aufs Frühstück, es war im Preis enthalten, bei 180 Mark die Nacht keine besondere Leistung. Soviel hatten wir für eine Übernachtung noch nie gezahlt. Das darf auch nicht wieder vorkommen, war unser fester Vorsatz (den wir seither auch eingehalten haben).
Das Frühstück ließ auf sich warten, zuerst kamen ein paar Brötchen, die aber frisch waren. Dann kam die Katastrophe. Lauwarmer Kaffee mit Sicht bis auf den Tassengrund, wir hätten mehr erwartet.
Brötchen, Kaffee und wo blieb der Rest? Erst auf Nachfrage besann man sich, dass noch einiges fehlte. Die Konfitüre (um nicht zu sagen Marmelade) kam, 4 Scheiben Wickelwurst und, welch Überraschung, für jeden noch ein gekochtes Ei. Das war's. Wir hatten die Nase voll.
Ich erinnere mich an das Hotel Chavannes de Bogis in der Schweiz am Genfer See. Es war im Juni des folgenden Jahres (1998). Wir hatten auf einer Spanienreise geplant, in der Nähe der Autobahn auf einem Campingplatz zu übernachten. Leider hatte dieser geschlossen, so dass wir wieder gezwungen waren, im Hotel zu schlafen.
Trotz des halben Preises, den wir dort bezahlten, erlebten wir das glatte Gegenteil. Der Service vom Feinsten und ein Frühstücks-Büfett, das keine Wünsche offen ließ. Nicht nur, dass es jede Menge Getränke, Wurst-, Käse- und Müslisorten gab. Man hatte sich auch Gedanken zur Vermeidung von Verpackungsmüll gemacht. Die üblichen Butter- Honig- und Konfitürepäckchen fehlten, man konnte sich alles selbst aus größeren Gebinden nehmen. Auch gab es spezielle Angebote für Vegetarier (Veganer waren noch nicht in Mode.) und für Leute, die eine Mehlallergie haben. Jedenfalls hätte man bei Sicht auf den Genfer See den ganzen Vormittag mit dem Frühstück verbringen können, es wäre nicht langweilig geworden.
Recco > San Margherita > La Spezia > Massa > Marina di Massa > Viareggio > Maggiano (Restorante La Perla)
Donnerstag früh packten wir unsere Sachen zusammen und verließen das Nobel-Hotel. Nein, das durfte sich nicht wiederholen. Schließlich waren wir losgefahren, um Urlaub zu machen. Entlang der ligurischen Küste fuhren wir in Richtung La Spezia.
Die ligurische Küste ist dicht besiedelt.
Hinter jeder Straßenbiegung eine neue Aussicht
Jede Bucht hat ihren eigenen Reiz.
Von der hoch gelegenen Straße gibt es herrliche Ausblicke.
Die Straße ist schmal, kurvenreich und viel befahren. Manchmal ist man fast am Meer, ein anderes Mal im Wald am nahen Gebirge. Zu sehen gibt es nach jeder Kurve etwas. Die Ausblicke sind traumhaft. Die dichte Besiedlung der gesamten Küstenlinie versteckt sich meist im Grün der reichlich vorhandenen Bäume. Wir haben Rast in den Bergen kurz vor La Spezia gemacht, ein Platz mit Tischen und Bänken hatte uns regelrecht dazu eingeladen.
La Spezia entstand als Fischerdorf im 12. Jahrhundert und liegt am östlichen Ende Liguriens, nahe der Toskana. Die Berge rund um La Spezia drängen die Stadt auf einen schmalen Streifen an die Küste. Kein Wunder, dass viele Häuser in die Berge gebaut worden sind. Der Golf (die Bucht) von La Spezia ist vom Meer durch einen über 2 Kilometer langen Wellenbrecher geschützt. Vom Ponte Parodi, dem höchsten Berg westlich vom Stadtzentrum, kann man diese Barriere sehen. Oberhalb der Altstadt thront das älteste noch erhaltene historische Gebäude, das Castello San Giorgio aus der Gründerzeit von La Spezia. Als wir diese Reise machten, wurde das Castello gerade restauriert und war für Besichtigungen gesperrt. Seit 1998 ist das Kastell wieder geöffnet. Auch die Stadt selbst haben wir nicht erkundet, wir wollten weiter, um irgendwo einen weniger belebten Strand zu finden.
Massa gehört schon zur Toskana und liegt am sogenannten Frankenweg, einem alten Pilgerweg von England nach Rom. Der mittelalterliche Kern von Massa liegt zwar in Meeresnähe, doch viele zugehörigen Ortsteile erstrecken sich bis weit in die dahinter liegenden Apuanischen Alpen. Auch die Autobahn A12 stelzt sich durch den Ort. Massa war früher ein Fürstentum, so wie auch das nahe Carrara. Massa und das durch seinen Marmor bekannt gewordene Carrara sind die größten Städte in der Umgebung und bilden die Provinz Massa-Carrera. Wir haben Massa ignoriert und sind zum Meer nach Marina di Massa gefahren.
Marina di Massa, veduta 2
(Urheber "I, Sailko" 2008, © nach CC BY-SA 3.0)
Die Vegetation zeigt, wir sind im Süden.
Die meisten Hotels sind nicht sehr hoch, hinten die Berge.
Massa di Marina ist ein gepflegter Badeort.
Der Badeort Marina di Massa ist ein Ortsteil von Massa. Nur zwei Kilometer sind es vom historischen Massa bis zur Küste. An der schnurgeraden Uferstraße des mehrere Kilometer langen Marina di Massa reiht sich ein Hotel an das andere, allerdings nicht ganz so hoch, wie man es in vielen anderen Touristengebieten sieht. Weiter südlich gibt es einige Campingplätze.
Bootshäfen und privat bewirtschaftete Strandabschnitte (öffentlich unzugänglich) bestimmen das Bild. Alles ist auf den internationalen Ferientourismus ausgelegt. Bars, Cafés, Restaurants, Villen mit Ferienwohnungen und Touristen-Shops säumen die Uferpromenade. Besonders aus Osteuropa kommen immer mehr Touristen und auch Immobilien-Interessierte, die sich die nicht geringen Preise leisten können.
Marina di Masse ist sicherlich als Seebad beliebt. Doch bei uns löste die Geschäftigkeit um die Gunst der Touristen leichtes Unbehagen aus. Es ist zwar bestimmt schön, in der ersten Reihe frühmorgens auf dem Balkon zu sitzen, das Frühstück zu genießen und dabei aufs Meer zu schauen. Aber die Unzugänglichkeit ganzer Strandabschnitte wegen privater Hotel-Nutzung (auch Hotels der zweiten Reihe) ist für Tagestouristen, vorsichtig ausgedrückt, eine Zumutung.
2 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Marina_di_massa,_veduta_01.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de,
Zuschnitt: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Auf der Suche nach einem Meereszugang lasen wir das Schild "Spiaggia Comunale Custodita", welches wohl auf einen Strandplatz der Gemeinde hinwies. Und tatsächlich, der Strand war nicht abgesperrt und wir konnten bis zum Wasser laufen. Doch das Auto durften wir nicht längere Zeit im Parkverbot stehen lassen. Also zurück zum Auto, Parkplatz gesucht, Badesachen geschnappt und wieder zum Strand.
Hinter Absperrungen sind die Hotelgäste geschützt.
Die Mole ist frei zugänglich, wenigstens das.
Spiaggia Comunale Custodita – der Gemeindestrand
Vorteil des öffentlichen Strands: Man hat genügend Platz.
Die reparaturbedürftige Mole ist Eldorado für Hunde.
Von der Mole hat man einen schönen Blick aufs Meer und den Küstenverlauf, aber auch auf die Anlagen am Wasser. Jeder Meter ist touristisch oder von Bootseignern genutzt, überall versperren halbhohe Zäune den Weg. Das die Hotels ihre Areale nötig haben, beweisen die vielen Badegäste in diesen Bereichen. Doch was machen solche Leute wie wir, die nur auf der Durchreise sind und kurz mal schwimmen möchten?
Die Beliebtheit des recht ungepflegten kommunalen Strands ließ sich an den relativ wenigen Leuten ablesen. Wir waren etwas enttäuscht. Sonne uns Wasser halfen, uns bald wieder besser zu fühlen. Lange blieben wir nicht, die Reise ging weiter.
Von Marina di Massa südwärts ist die Küste lückenlos über 30 Kilometer bebaut bzw. bewirtschaftet. Teils neben, teils unter der Autobahn fuhren wir am Meer entlang Richtung Viareggio. Es war inzwischen später Nachmittag geworden. Die Sorge, bald irgendwo einen Schlafplatz zu finden, zeichnete sich schon im Gesicht meiner Frau ab. Diesmal wollten wir uns mehr Zeit nehmen, eine angemessene Unterkunft zu finden.
Restaurant La Perla in Maggiano kurz vor Lucca
19.9.1997 wieder Sonnenschein für das nächste Ziel: Lucca
Ein Stadttor von Lucca mit eisernem Falltor
Viareggio ist ein weiteres Seebad direkt am Meer. Seine Name kommt von Castrum de Via Regia, einem Kastell von 1172 zur Verteidigung von Genua und Lucca gegen Pisa. Via Regia bezeichnet die Königsstraße des römischen Kaisers Friedrich Barbarossa.
Im 18. Jahrhundert von Moor und Sumpf trockengelegt ist das Gebiet bis einige Kilometer ins Hinterland sehr flach. In Viareggio gibt es viele schöne Villen im alten italienischen Jugendstil aus den 20-igern. Ein Brand im Jahre 1917 hatte die meisten der Holzhäuser zerstört, so dass ein völlig neues vornehmes Urlaubsparadies für reichere Nordeuropäer entstand.
Die Promenade ist etwa drei Kilometer lang mit einer riesigen Mole, die ca. 600 Meter ins Meer reicht. Der Pineta del Ponente, Rest eines Pinienwaldes, und die sich anschließenden drei Regionalparks sind ein angenehmer Kontrast zur Uferbebauung.
Maggiano, ein kleiner Vorort von Lucca, wurde rein zufällig unser Übernachtungsort. Am Restaurant La Perla waren wir schon vorbeigefahren, als wir wieder einmal nach einer Unterkunft fragten. Empfohlen wurde uns ein größeres Hotel kurz vor Lucca. Das wollten wir natürlich nicht, und so fuhren wir die wenigen Kilometer zurück.
Das kleine Zimmer mit Bad entsprach bei ebenfalls kleinem Preis genau unseren Ansprüchen. Für das Auto war ein wenig Platz direkt vor dem Eingang, aber wenigstens nicht auf der Straße. Am nächsten Tag war die mittelalterliche Kleinstadt Lucca geplant, danach wollten wir noch nach Pisa, zum Schiefen Turm.
Lucca hat eine riesige Stadtmauer und einige schöne Kirchen aus dem 12. Jahrhundert. Davon hatten wir im Reiseführer gelesen. Und nun waren wir gespannt, was uns dort morgen erwarten würde.
Maggiano > Lucca > Pisa > Marina di Pisa > Livorno > E80 Ri Rom bis Abfahrt Gavorrano > Ri Ribolla > Hotel Etrusco
Lucca ist eine Festungsstadt mit bewegender Vergangenheit. Enge Gassen und große Plätze mit riesigen Kirchen wechseln sich ab. Laut Reiseführer prägen rund 30 Kirchen das Stadtbild, gezählt habe ich sie nicht.
Überall enge Gassen, abgelöst von großen Kirch-Plätzen
Kirche "Chiesa di San Michele", beeindruckend
Die Fassade mit variantenreichen Säulengalerien
Markt muss sein, aber unbedingt vor der Kirche?
Eingang fanden wir durch ein großes gebäudeähnliches Tor, das Teil der Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert ist. Von Stadtmauer kann man eigentlich nicht sprechen, es ist ein vielleicht 30 Meter breiter Stadtwall, in dem u.a. auch Truppen zur Verteidigung untergebracht waren. Das Auto muss man mangels Parkmöglichkeiten außerhalb stehen lassen, von der Innenstadt sieht man zu Fuß sowieso am meisten.
Die Kirche "Chiesa di San Michele" ist wie die Öffnung des Himmels, wenn man aus einer der schmalen Gassen auf den weiträumigen Plazza San Michele tritt, in dessen Mitte sich der riesige Bau erhebt. Die Kirche hat eine gegenüber dem Mittelschiff relativ hohe romanische Fassade. Grund dafür sind nicht realisierte Baupläne zur Erhöhung des Mittelschiffs. Der prächtige Carrara-Marmor leuchtet weithin in der Sonne und ist ein starker Kontrast zu den doch recht düsteren alten Häusern in den umliegenden Straßen.
Auch der Glockenturm am hinteren Ende der Kirche erscheint durch seine Größe disproportioniert, gehört aber gerade deshalb zum markanten Bild des ganzen Bauwerks.
Warum ausgerechnet vor einer so ehrwürdigen Kirche Marktbuden stehen müssen, will mir nicht so richtig einleuchten.
Die Säulengalerien der Fassade sind recht variantenreich gestaltet. Sie sind mit Tieren, menschlichen Köpfen und Blumen geschmückt. Den krönenden Abschluss auf der Fassadenspitze bildet Erzengel Michael, dessen Name die Kirche trägt. Besonders die Details sind immer wieder interessant.
Spitze der Fassade mit Erzengel Michael
Auch im Schatten muss sich diese Kunst nicht verstecken.
Den Eingang schmückt eine schöne Rosette.
Wie überall im Süden gibt es massig Tauben.
Das Kircheninnere ist ähnlich einer Basilika. Beeindruckt hat uns u.a. die "Madonna mit dem Kind" von Andrea della Robbia, die sich rechts am ersten Seitenaltar befindet.
Beim Verlassen des kühlen Kirchenraumes schlug uns die Mittagshitze entgegen. Bei 32°C hatten wir für größere Erkundungen in Lucca nicht mehr so die richtige Lust. Sicherlich wären noch einige Dinge interessant gewesen. Westlich von der Kirche Sankt Michael steht das Geburtshaus von Giacomo Puccini mit Museum und Denkmal vor dem Haus.
Auch ist ganz in der Nähe von Lucca die Grotta del Vento (Grotte des Windes bzw. The Wind Cave) ein lohnendes Ausflugsziel. Sie liegt nördlich in etwa 48 Kilometer Entfernung mitten in den Bergen. Sie ist eine weitverzweigte Tropfsteinhöhle mit strahlend weißen Stalagmiten und Stalaktiten. Fünf verschiedene Rundwege sind möglich, auch im Sommer bei nur 10°C. Man sollte sich also warm anziehen. Leider wussten wir damals noch nichts davon.
Lucca, Parkplätze nur für Anwohner
Alte Bausubstanz, im Kernbereich mit hohen Mieten.
Stadtmauer als Flanierweg der Luccheser und Touristen
In der erhöhten Wehranlage sind viele Räumlichkeiten.
Unser zielstrebiger Weg durch Lucca zurück zum Auto führte uns wieder über die zur Promenade ausgebauten Stadtmauer. Sie umschließt den Stadtkern mit ihren 4 Kilometern komplett. Den Zugang erhält man über 4 große Tore.
Mit dem Bau dieser riesigen Befestigungsanlage wurde im Jahre 1504 begonnen. Grund waren die Expansionsversuche von Florenz. Erst 141 Jahre später sollte der gigantische Verteidigungswall fertig sein. Allerdings war der ursprüngliche Baugrund, nämlich die Bedrohung durch Florenz, nicht mehr vorhanden.
Zunehmend wurde die teilweise 12 Meter hohe Wehranlage ein schmückender Rahmen für die Stadt. Auf dem Rundweg hat man nicht nur eine gute Aussicht. Rund 2000 Bäume, auch Gartenbänke und ein kleines Café laden dazu ein, die Stadt zu umrunden.
Die Bäume wurden anfangs gepflanzt, um das Erdreich zu festigen. Es wuchsen hauptsächlich heimische Baumarten wie Platanen, Pappeln und Ulmen. Später ergänzte man den Bestand mit exotischen Arten wie z.B. Tulpenbäume und Paulownien, die aufgrund des ausgeglichenen mediterranen Klimas sehr gut gedeihen.
So entstand ein grüner Ring, der heute anziehend für Luccheser und vor allem für die Touristen ist. Der Wall ist auch mit dem Fahrrad zu erkunden, das man sich vor Ort ausleihen kann.
Schon als Kind habe ich vom Schiefen Turm gehört und Fotos gesehen. Mich hat immer gewundert, wieso ist der Turm nicht schon längst umgefallen? Und überhaupt, wieso ist der Turm so schief? Wir hatten überhaupt keine Vorstellung, was das Bauwerk bedeutet, wie es aussieht und wo es steht.
Die 20 Kilometer von Lucca nach Pisa waren schnell gefahren, in Pisa ist eine Ausschilderung, die zum Turm führt. Überraschend war für uns die restliche Bebauung. Von einer Kathedrale, Basilika oder Kirche hatten wir vorher nie gehört.
Neben dem Parkplatz empfing uns ein Jahrmarkt – natürlich nicht, es sah im ersten Augenblick nur so aus. Es gab etliche Verkaufsbuden und einige dunkelhäutige junge Männer, die als fliegende Händler etwas verkaufen wollten. Meiner Frau wurde ein Ring angeboten, die Ablehnung quittierte der Schwarzafrikaner mit einer schnellen Handbewegung – und schwupps, hatte sie den Ring auf dem Finger.
Das ist fast unglaublich, aber es geschah genau so. Es begann ein Gezetere zwischen ihr und dem Mann. Er wolle den Ring schenken. Da griff ich ein, zwar nicht händisch aber mit Worten und mit allem Nachdruck. Der Ring landete wieder auf der Lade des Anbieters. Wir beeilten uns, weg zu kommen. Die ganze Kommunikation lief Englisch, teilweise vom Anbieter auch in Deutsch.
Es war aufregend. Wir sprachen später noch einige Male über den Vorfall. Vermutlich wollte der Afrikaner, dass jemand die Geldbörse öffnet, um dann zu stehlen. Oder er wusste, dass sich Touristen nicht unbedingt goldene Ringe schenken lassen wollen und deshalb von sich aus einen Obolus geben.
Dass der Ring nicht aus Gold war, ist klar. Andererseits ist es bedauerlich, dass die Anbieter mit einer solchen Dreistigkeit ihre Waren an den Mann (die Frau) bringen müssen (?). Offensichtlich klappt es manchmal, sonst würden sie es nicht versuchen.
Wahrzeichen von Pisa sind zweifellos der Dom mit Glockenturm und die Taufkirche, alles auf dem Piazza dei Miracoli, das Ziel der meisten Touristen. Weniger bekannt sind die Bildungseinrichtungen (Uni, Elitehochschulen) mit ihren 40.000 Studenten. Es sind fast genau so viel, wie Pisa ständige Bewohner hat. In den Semester-Ferien wird es deshalb ruhig innerhalb der Stadt, trotz Sommer und Sonne.
Pisa, oben rechts der Schiefe Turm und Kathedrale 3
(Pisa, veduta dall'aereo, Urh. (I) Luca Aless 2014, © nach CC BY-SA 4.0)
Piazza dei Miracoli mit viel Platz um den Dom
Dom Santa Maria Assunta, Dom-Weihe war 1118
3 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Pisa_-_veduta_dall'aereo_4.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de,
Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Beim Näherkommen stößt man zuerst auf den Dom, erst dahinter zeigt sich der freistehende schiefe Glockenturm (Campanile) in voller Größe. Tatsächlich, der Turm war wirklich so schief wie auf den Fotos – unglaublich.
Die Neigung des Turms in Richtung Südosten begann schon 12 Jahre nach der Grundsteinlegung (1173). Es waren erst 3 Etagen fertig. Man hörte mit dem Bau auf. Erst 100 Jahre später wurde weitergebaut, allerdings mit einem geringeren Neigungswinkel und auch nur 4 Stockwerke. Dann war wieder Baustopp bis schließlich 1372 die Glockenstube (der oberste Turmteil) fertiggestellt wurde.
Eigentlich sollte der Turm 100 Meter hoch werden, 55 Meter sind es geworden. Immerhin im Durchmesser 12 Meter und mit über 14.000 Tonnen Carrara-Marmor nicht gerade leicht, steht der Turm noch heute. Die Schieflage wird durch den zu weichen Untergrund aus Lehm und Sand verursacht.
Schon im Mittelalter fanden verschiedene Rettungsversuche statt, allerdings ohne bleibenden Erfolg. Aufgrund exakter Messungen wurde festgestellt, dass sich die Neigung langsam, aber stetig vergrößerte. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Turm einstürzen würde. Erst durch neuere Maßnahmen in den Folgejahren des Erdbebens von 1997 konnte der Turm nicht nur stabilisiert werden, sondern es konnte sogar die Neigung verringert werden. Dies geschah durch Materialentfernung unter nördlichen Fundament, so dass sich der Turm von selbst um 1,5 Grad nach Norden aufrichtete. Damit beträgt die Schieflage zur Zeit 4 Grad. Man glaubt, dass nun der Turm für die nächsten 300 Jahre gesichert ist.
Seit 2001 ist der Turm nach 11 Jahren Sperre für Besucher wieder freigegeben. Viertelstündlich dürfen maximal 40 Leute den Turm für die Dauer von 15 Minuten besteigen. Mittags um 12 Uhr kann man auch die Turmglocken wieder läuten hören, zusätzlich vor jeder Messe. Es gibt insgesamt 7 Glocken, die aber zur Vorsicht nicht mehr von Hand, sondern mittels elektromagnetischer Hämmer betätigt werden.
Der Schiefe Turm ist nicht nur ein Wahrzeichen von Pisa. Der Legende nach soll Galileo Galilei, der aus Pisa stammt, die Fallgesetze entdeckt haben, als er Versuche vom Turm aus vornahm. Auch soll der Turm als Zufluchtsort für den Klerus (kirchliche Amtsträger) gedient haben, wenn äußere Gefahr drohte.
Heute ist das ganze Ensemble (Turm, Dom, Baptisterium und Friedhof) ein UNESCO-erklärtes Weltkulturerbe.
Der Glockenturm des Doms, genannt der Schiefe Turm
Auch er hat die vorgesetzten Arkaden im gotischen Stil.
Der Turm ist seit 2001 wieder begehbar.
Den Turm konnten wir 1997 nicht besteigen, im Dom Santa Maria Assunta waren wir aber. Schon von außen wirkt der Dom durch seinen weißen Carrara-Marmor wie ein weißes Segelschiff im vollen Wind, vergleichbar mit der Arche Noa oder einem Kreuzfahrtschiff der Luxusklasse.
Die Dom-Weihe durch Papst Gelasius II. war 1118 nach nur 55-jähriger Bauzeit, zumindest ein Teil davon stand. Später wurde der Dom immer wieder umgebaut und erweitert. Die Überlieferungen dazu sind unvollständig bzw. nicht gesichert. Die größten späteren Veränderungen erfuhr der Dom, nachdem ein Brand im Jahr 1595 das Dach und auch die Tore vernichtet hatte.
So wie der Schiefe Turm sackte auch der östliche Teil des Doms im weichen Untergrund etwas ein, allerdings durch seine große Ausdehnung nur minimal. Das ganze Gebiet lag vor langer Zeit im Meer, später sank der Meeresspiegel und es wurde auf der Versandung zwischen einer Insel und dem Festland gebaut. Das ist dem Glockenturm (der Schiefe Turm) und eben auch der Kathedrale nicht gut bekommen.
Äußerlich sind am Dom verschiedene Baustile zu erkennen. Bemerkenswert fanden wir die an der Fassade aufgesetzte Säulenstruktur (Arkaden), wie sie auch an der Chiesa di San Michele zu finden ist. Wenn man wie wir gerade aus Lucca kommt, fällt einem das sofort auf.
Auch beim Dom hatte Galileo Galilei seine Hände im Spiel, zumindest der Legende nach. In der Holzkuppel zwischen Haupt- und Querschiff betrachtete er die Schwingungen einer Hängeleuchte und formulierte seine "Theorie über den Isochronismus des Pendels". Die heutige Ersatzlampe wird als "Galileo Lampe" bezeichnet.
Das Innere des Doms überwältigt durch seine Größe. Zahlreiche Fresken, überall weißer und schwarzer Marmor, eine vergoldete Kassettendecke und wahrlich künstlerisch gestaltete Fußböden fallen zuerst auf. Man könnte stundenlang in einem solchen Prachtbau verweilen.
Das Wahrzeichen von Pisa, Dom mit Turm
Die vergoldete Kassettendecke des Doms
Fresken, Arkaden und überall Carrara-Marmor
Auch das Dom-Innere ist mit Arkaden geschmückt.
Die freistehende Taufkirche des Doms ist das dritte ehrwürdige Gebäude auf dem Gelände. Baubeginn war 1152, danach aus finanziellen Gründen Baustopp bis 1260 und erst 1334 die Vollendung der heutigen Form. Der Rundbau ist 54 Meter hoch bei einem Durchmesser von etwa 34 Metern.
Die Taufkirche ist "Johannes dem Täufer" geweiht, dessen 3 Meter hohe Bronzestatue aus dem 15. Jahrhundert auf der Kirchenspitze steht. Auch das Hauptportal wird von 2 Reliefs eingerahmt, die seine Lebensgeschichte darstellen.
Insgesamt hat die Kirche 4 Tore, das Hauptportal liegt dem Eingang zur Domkirche gegenüber. Auch bei dieser Taufkirche sind, wie beim Dom, die vorgesetzten Arkaden im gotischen Stil zu entdecken.
Im Inneren gibt es das achteckige Taufbecken von Guido Bigarelli aus dem 13. Jahrhundert mit einer weiteren Statue von "Johannes dem Täufer" aus dem Jahre 1929.
Die Marmorkanzel mit zahlreichen Reliefs, die von 7 Säulen getragen wird, stammt ebenso aus dem 13. Jahrhundert, genauso der Fußboden.
Die Emporen und das Kuppeldach sind über Treppen erreichbar. Die Taufkirche soll durch die zylindrische Bauweise ein besonderes Echo haben. Wir konnten das aber mangels geeignetem Sänger nicht nachprüfen.
Der monumentale Friedhof bildet als Begräbnisstätte der einstigen Adligen von Pisa den nördlichen Abschluss des Piazza dei Miracoli. Gebaut wurde das rechteckige Gebäude mit Innenhof und umlaufendem Kreuzgang von 1278 bis 1358, wie so oft mit Unterbrechungen. Im Inneren befinden sich herrliche Statuen und Freskenzyklen, die nach der Zerstörung des Gebäudes im 2. Weltkrieg wiederhergestellt wurden.
Das freistehende Baptisterium, die Taufkirche des Doms
Arkaden der Gotik sind in Italien weit verbreitet.
Friedhof, Gräber des 18. Jahrhunderts, Pisa Campo Santo 4
Urheber Georg Schelbert 2010, © nach CC BY-SA 3.0)
Besonders im Sommer strömen Tausende in den Dom.
4 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Pisa_Campo_Santo_GS_P1010996.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de,
Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Wir hatten in 1997 den historischen Friedhof am Dom bei unserer Tour einfach ausgelassen, wohl wegen der Hitze und dem Drang zum Meer. Doch der Weg zum Meer sollte sich nicht so einfach gestalten. Nach Karte konnte ich den Zugang einfach nicht finden. Wir waren schon außerhalb von Pisa, bis wir schließlich eine jüngere Italienerin fragten. Mit Gesten und dem Wort "Mare" verstand sie uns endlich. Doch ihrem Redeschwall im typischen italienischen Tempo konnte ich nicht entnehmen, wie wir fahren mussten.
Plötzlich bedeutete sie uns mit einer Handbewegung (Was wohl soviel heißen sollte wie: "Mir nach Kanaillen!".), ihr zu folgen. Auf schmalen sandigen Straßen im leicht hügeligen Gelände ging es durch unübersichtliches Terrain. Vom Meer war weit und breit nichts zu sehen. Mir kamen schon Zweifel, dass die Frau mich auch richtig verstanden hatte.
Dann stoppte sie an einer Weggabelung, wir natürlich auch. Sie zeigte in die westliche Richtung, schwang sich wieder in ihr recht kleines Auto und fuhr schnell mit Staubwolken am Heck in südliche Richtung davon. Kaum einen Kilometer weiter kamen wir nahe dem Meer auf eine Hauptstraße, die Uferpromenade von Marina di Pisa.
Marina di Pisa, eine kleine Gemeinde direkt am Meer
Das Wasser war warm, am Strand nur wenig Leute.
Direkt an der Uferstraße gibt es genügend Parkplätze.
Der Rest des Nachmittags war angenehm. Das Auto in Sichtweite konnten wir uns am wenig besuchten und vor allem sauberen Strand von den Strapazen in Recco und Pisa-Stadt erholen. Das Wasser war klar und warm, mit wenig Wellen auch wegen der weiter draußen aufgeschütteten Wellenbrecher.
So hatte ich mir eigentlich die italienische Küste vorgestellt, nämlich mit freiem Zugang zum Meer und vor allem ohne Hotel-Abgrenzungen. Zum Kommunalstrand in Marina di Massa nur wenig weiter nördlich bringen mich, wie man so sagt, keine 10 Pferde mehr hin.
Wohlwissend, dass die Betten am Meer nicht die günstigsten sind, packten wir nach vielleicht zwei Stunden unsere Sachen zusammen, um weiter südlich eine Bleibe zu finden. Großes Ziel war ja Rom. Schon noch in der DDR hatten wir davon geträumt, einmal auf dem Petersplatz stehen zu dürfen. Nun war das Ziel gewissermaßen zum Greifen nah.
Doch bis Rom wäre es noch weit gewesen, jetzt mussten wir uns erst einmal um die nächste Nacht kümmern. Von Marina di Pisa zur Küstenstraße war es nicht weit, und wir freuten uns, vielleicht schon morgen in Rom zu sein. Es kam aber alles ganz anders.
Die Sonne warf schon lange Schatten, als wir auf dem Weg Richtung Rom, aber noch ein ganzes Stück vor Grosseto ein Schild am Straßenrand bemerkten. Das abgebildete Bett verstanden wir, mit dem Namen Etrusco wussten wir nichts anzufangen. Der Pfeil zeigte in die Berge, weg von der Küste.
Wie wir später erfuhren, wäre nur wenige Kilometer weiter ein sehr schöner Küstenstreifen zu besuchen gewesen, und zwar die Strände bei Follňnica und Punta Ala. Beide Orte liegen am Golf von Follňnica. einer Bucht mit mehr als 9 Zeltplätzen. Gegenüber der Bucht liegt die Insel Elba. Der Golf ist für sauberes Wasser, lange Strände und besonders mildes windgeschütztes Klima bekannt.
Doch wo Licht, da ist auch Schatten. Die Kleinstadt Follňnica entstand aus einer Industrieansiedlung (Eisenverarbeitung) und hat heute mehr als 20 Tausend Einwohner. Der größte Badeort der Toskana hat ein modernes Stadtbild. Nicht unbedingt das, wonach wir uns sehnen.
Dem Schild folgend kamen wir erst durch den Ort Etrusco Ittica und danach weg von der Landstraße auf einen Sandweg, der uns durch Oliven- und Pinienhaine über hügeliges Land bergauf führte.
Der mehrfachen Ausschilderung vertrauend folgten wir brav jeder Abzweigung, obwohl der Weg immer schmaler wurde. Schließlich landeten wir mitten im Wald auf einem umzäunten Parkplatz, auf dem vielleicht 10 PKWs standen. Von einem Hotel oder sonstigen Anwesen war noch nichts zu sehen. Die Aufschrift "Residence Etrusco" am Parkplatz-Tor bestätigte uns aber, dass wir richtig waren.
Nach einer Wegbiegung staunten wir. Ein schöner Landsitz, flach mit mehreren Anbauten, Terrassen, Grillplatz und parkähnlichem Umfeld passte so garnicht in dieses toskanische Abseits. Uns konnte das nur recht sein.
Noch überraschter waren wir, deutschsprachig empfangen zu werden. Später erfuhren wir, der Chef und Besitzer des Anwesens hat viele Jahre in München sein Geld in einem Hotel verdient, seine Frau ebenfalls als Kellnerin. Dann hatten beide das Land mit Gutshof gekauft und zur Ferien-Oase umgebaut. Mit der Ausrichtung auf gehobene Gästebetreuung mitten in der Natur hat er umgesetzt, was sich viele der deutschen Urlauber wünschen.
Das Landgut hat 16 Zimmer mit Dusche, WC, SAT-TV und WLAN und ist ganzjährig buchbar. Ganz in der Nähe (3 km) liegt der kleine See Lago dell'Accesa, der mitten in der Natur auch zum Baden einlädt. Das Landgut selbst hat aber eine Menge zu bieten, so dass man gewissermaßen nicht außer Haus muss.
Jedes Zimmer hat Zugang zu einer Terrasse.
Die Südterrasse mit Blick auf den Pool.
Die Berge laden auch zum Wandern ein.
Man kann mit Pferden ausreiten, Fahrräder ausleihen, im großen Pool hinter dem Anwesen schwimmen, grillen, Pizza backen, die Kinder zum Kinderspielplatz oder zum Kinder-Pool bringen, gemeinsam mit anderen Gästen die Mahlzeiten verbringen und im Garten oder auf der Terrasse den Wein aus der Region oder den Fisch des nahen Tyrrhenischen Meeres genießen. Wer unbedingt zum Meer muss, die schönen Strände sind nur 14 Kilometer entfernt.
Nach Freizeitaktivitäten war uns nicht zumute. Den Abend verbrachten wir am Pool, bis die Sonne hinter den Bergen verschwand. Die Preise waren angemessen, für uns auf längere Zeit aber etwas zu hoch. Außerdem waren wir ja gewissermaßen nur auf der Durchreise. Nur eine Nacht haben wir uns gegönnt.
Frühmorgens waren wir immer noch in Gedanken auf der Fahrt nach Rom. Nach der Unterhaltung mit einer deutschen Familie änderte sich das. Uns wurde Siena empfohlen. Dort müsse man unbedingt gewesen sein. Es sei die schönste Stadt der Toskana, schöner als Florenz. Wir konnten uns das nicht so richtig vorstellen. Siena sei besonders durch seinen mittelalterlichen Charakter ein "Muss" für jeden Toskana-Besucher. Nun, wir kannten beide Städte nicht. Rom würde uns ja nicht weglaufen.
Unserer Skepsis begegnete der Deutsche mit einem Stadtführer, den ich gerade jetzt vor mir auf dem Schreibtisch liegen habe. Er hatte mir das Buch geschenkt. Siena sei "Die Stadt des Palio". Das steht auch auf dem Buch. Ich konnte damit nichts anfangen. Jetzt weiß ich: Palio heißt Pferderennen (frei übersetzt). In Siena wird jedes Jahr mitten in der Stadt auf dem zentralen Platz Piazza del Campo zweimal ein Reiterspiel ausgetragen. Das nicht, aber das Mittelalterliche hat uns überzeugt. Wir fuhren Richtung Siena.
Auf der Fahrt nach Siena genossen wir die schöne und vor allem abwechslungsreiche Landschaft der Toskana. Es gibt viele alte kleinere Ortschaften und Burgen. Vom Landhaus Etrusco bis Siena sind es etwa 80 Kilometer.
Zum Pool führt ein Weg, teilweise mit Stufen.
Oben die Landhaus-Residenz, unten der Pool mit Café
Die schöne Toskana auf der Fahrt nach Siena
Der Landhaus-Parkplatz liegt etwas abseits.
Etrusco > Ribolla > Roccastrada (73) > Monticiano > Frósini > Siena > AB Ri Florenz bis Abfahrt Lornano > Lornano > San Leonino > Castellina > Radda (429) > Villa > Montevarchi (408) > San Giovanni (69) > Pontassieve > Rúfina (67) > Contea > Dicomano > Carbonile (67) > San Godenzo (Ristorante)
Siena ist tatsächlich eine Reise wert, weniger geeignet für nur ein paar Stunden, sondern empfehlenswerter ist, man bleibt mindestens eine Nacht oder noch besser eine Woche.
Siena geht auf eine alte etruskische Siedlung zurück und hatte als römische Kolonie den Namen Saena lulia. Im 12. und 13. Jahrhundert wurden die meisten der noch heute erhaltenen Kirchen und Gebäude gebaut.
Durch die engen Gassen dem Zentrum zustrebend kamen wir zuerst am Palazzo Salimbeni (Sitz der Bank Monte dei Paschi) vorbei, vor dem das Denkmal des italienischen Erzpriesters Sallustio Antonio Bandini steht. Bandini lebte im 17. Jahrhundert und war nicht nur Priester, sondern auch Politiker und Wissenschaftler der Wirtschaft. In Siena geboren und studiert schenkte Bandini der Uni Siena seine Privatbibliothek, die über 2800 Bände umfasste. Die heute erweiterte Bibliothek in der Straße des Wissens (Via della Sapienza) kann man unter dem Namen Biblioteda comunale degli besuchen.
Nicht weit vom Bandini-Denkmal öffnet sich der riesengroße (gemessen an der restlichen dichten Bebauung von Siena) Hauptplatz Sienas, der Piazza del Campo. Er hat die Form eines Freilicht-Theaters, die Backstein-Bepflasterung ist vergleichbar mit der Form einer Jakobs-Muschel angelegt. Der Platz wurde im 14. Jahrhundert anstelle eines antiken Theaters gebaut und ist heute der Austragungsort des Palio di Siena, des Pferderennens von Siena.
Als erstes bedeutendes Bauwerk ist der Palazzo Pubblico (Rathaus) zu nennen, der schon immer Sitz der Herrschenden in Siena war. Übrigens, gleich rechts daneben war früher das Gefängnis des "Großen Rates", wie praktisch! Im Rathaus selbst befinden sich große Fresken berühmter Meister, z.B. auch die Darstellung der "Guten und Schlechten Regierung im Saal der Neun" (Sala della Pace) von Ambrogio Lorenzetti. Eine "Gute und Schlechte..." Regierung als Fresko darzustellen war früher bestimmt nicht leicht, heute nahezu unmöglich, oder doch?
Siena liegt auf hügeligem Gelände, ganz oben der Dom.
Bandini-Denkmal, ein italienischer Priester
Piazza del Campo, Blick auf das Rathaus
Links neben dem Rathaus ragt der insgesamt 102 Meter hohe schmale elegant aussehende Turm des Palastes empor und ist deshalb weithin sichtbares Wahrzeichen von Siena. Der Torre del Mangia stammt aus dem 14. Jahrhundert, ist öffentlich über den Hof zugänglich und bietet einen hervorragenden Blick auf die Stadt und Umgebung. Die Turmbesteigung lohnt sich auf jeden Fall, vor allem wegen der Fotos bzw. Videos, die man machen kann. Der Piazza del Campo liegt einem zu Füßen, und das Dom-Ensemble z.B. kann von keinem anderen Standort aus so schön überblickt werden.
Der schlanke Turmrumpf besteht aus Backstein. Die harmonisch gestaltete Spitze des Turms ist zweiteilig und besteht aus der Travertinkrone (unterer Teil) mit den beiden Stadtwappen und darüber aus dem Glockenhaus. Der Entwurf stammt von Lippo Memmi. 1665 wurde die Turmglocke gegossen, die Mariä Himmelfahrt geweiht ist. Bis 1780 schlug ein Automat die vollen Stunden.
Vor dem linken Flügel des Rathauses (vor dem Rathausturm) steht eine kleine gotische Kapelle, die Cappella di Piazza. Sie wurde als Dank für eine überstandene Seuche (Pest 1348 bis 1352) gebaut und über 100 Jahre später mit der noch heute erhaltenen Renaissance-Dekoration versehen. Auch die Rundbögen zeugen vom Baustiel der Renaissance.
Das Dach entstand Mitte des 15. Jahrhunderts und wurde von Antonio Federighi geschaffen.
Eine Sehenswürdigkeit gegenüber dem Rathaus ist der Fonte Gaia, der Anfang des 15. Jahrhunderts anstelle eines antiken Brunnens (4. Jahrhundert) gebaut wurde.
Das Wasserbecken, immer von vielen Tauben belagert, wird 3-seitig von einem schönen Relief umschlossen. Dem Brunnen wurde deshalb der Name "Brunnen der Freude" gegeben, weil es im Jahre 1342 erstmals gelungen war, die Stadt über eine 25 Kilometer lange Leitung mit Wasser zu versorgen. Bis dahin hatte Siena wegen der bergigen Lage im Sommer ständig Wassermangel.
1858 wurden die Figuren des Brunnens von Tito Sarrocchi durch Nachbildungen ersetzt. Die originalen Teile sind im Museum von Santa Maria della Scala zu besichtigen.
Gut erhalten ist das originale Relief Madonna mit dem Kind. Anderen Darstellungen fehlt teilweise der Kopf. Die Nachbildungen am Brunnen wurden natürlich vervollständigt.
Piazza del Campo, Siena, rechts der Rathausturm 5
(Urheber Massimo Catarinella 2006, © nach CC BY-SA 3.0)
Piazza del Campo, Siena, Brunnen Fonte Gaia 6
(Urheber Meri Sabater 2007, © nach CC BY 3.0)
5 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:PiazzadelCampoSiena.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de,
Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
6 Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Placa_Siena_-_panoramio.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.en,
Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen (Creative Commons Attribution 3.0 Unported license)
Erstaunlich ist die architektonische Einheitlichkeit der den Platz umfassenden Gebäude. Das ist den Regierenden Sienas zu verdanken, die schon in den Satzungen von 1309 präzise Vorgaben für die Gebäude machten. So waren Balkone, Vordächer und Fassadenvorsprünge verboten. Fenster mussten 2- oder 3-bögig sein, auch die Haushöhe war festgelegt. So ergab sich eine Harmonie der Gebäudefront, die heutzutage oft sträflich verletzt wird. Damals wie heute obliegt es aber den Stadtvätern, sich im Interesse des Gemeinwohls gegen manche Maßlosigkeit der Bau-Lobby durchzusetzen.
Der Palast Sansedoni ist ein Beispiel für die harmonische Architektur. Sein Ursprung ist das Jahr 1216. Auf dem Grund stand eine Anzahl unterschiedlicher Häuser, die schon 1339 funktionell zusammengefasst, verändert und erweitert wurden. Die vereinheitlichte Fassade entstand nach der Zusammenfassung zu einer einzigen Residenz im Zuge eines Wiederaufbaus um 1600.
Der Palazzo ist gekennzeichnet durch die einheitlichen 3-bögigen Fenster der 3 Stockwerke, durch die gekrümmte Fassadenform, die der Platzkrümmung folgt und durch den reduzierten Turm in der Mitte, der damit das Gebäude-Ensemble nicht mehr allzu hoch überragt. Im Inneren sind an den Decken verschiedene Fresken von Gian Domenico Ferretti aus dem 18. Jahrhundert zu bestaunen.
Eigentlich ist der Piazza del Campo nur der zweite Mittelpunkt der Stadt. In der Etruskerzeit war Siena schon eine bedeutende Handelsstadt, der "Campo" aber nur ein Feld für den Abfluss des Regenwassers und den Verlauf einer Handelsstraße. Am heutigen Piazza del Campo kreuzte sich die Handelsstraße mit einer weiteren, und es entwickelte sich ein Marktplatz.
Bis 1270 wurde der Platz für Handel und Messen genutzt. Da sich aber die städtische Obrigkeit zunehmend immer unabhängiger vom Bischof machte, entwickelte sich der Campo neben dem Domplatz zum zweiten Stadtzentrum. Auf dem Campo fanden die weltlichen, auf dem Domplatz die kirchlichen Feste statt.
Der Piazza del Campo wurde zunehmend politisches Zentrum. In der Folge wurde das Rathaus gebaut und somit im Ausgleich zur kirchlichen Macht die städtische Verwaltung gestärkt. Der Campo hat sich im Laufe der Zeit zum eindrucksvollsten kommunalen Platz Italiens entwickelt, wobei im Gegensatz zu anderen Machtzentren italienischer Städte keine Kirche auf dem Platz steht. Handel, Handwerk, Kunst und Politik bestimmen den Alltag, natürlich besonders früher immer in Abhängigkeit von der Kirche Sienas.
Piazza del Campo, rechts mit Turm der Palazzo Sansedoni
Dichte Bebauung und enge Gassen prägen das Bild Sienas.
Dom mit Kuppel und Glockenturm. Der Domplatz vereint das religiöse Machtzentrum Sienas.
Domplatz und Dom wurden auf einem Hügel gebaut, der den historischen Teil von Siena überragt. Bekannt ist, dass dort eine dreischiffige romanische Basilika aus dem 9. Jahrhundert stand. Gesichert ist nur die Wahl des Gerhard von Burgund zum Papst Nikolaus II im Jahre 1058. Der Dombau nahm im 13. Jahrhundert seinen Anfang und zog sich zwei Jahrhunderte hin. Baufehler (konstruktiv, teilweiser Einsturz) und die wirtschaftliche Not durch Pest und Herrschaftswechsel waren Ursache für manchen Stillstand. Über viele Jahre hinweg wurde umgebaut, angebaut und später restauriert.
Im Jahre 1196 wurde der Neubau beschlossen. Dokumentiert sind für 1215 Steinlieferungen, für 1226 die Lieferung von Marmor. Baubeginn des heutigen Doms war 1229. Allerdings wird in anderer Quelle das Jahr 1215 genannt, in dem der Dom "an einem guten Punkt" fertig gewesen sein soll. Die Fertigstellung eines großen Teils des heutigen Doms ist mit 1263 (1264) datiert. 1259 bis 1264 wurde das Mittelschiff gewölbt, das Querhaus gebaut und die Kuppel über der Vierung (dort wo sich Mittelschiff und Querhaus kreuzen) fertiggestellt. Die Kuppel erhielt 1263 ein Bleidach.
Im Jahre 1270 wurde beschlossen, das Mittelschiff zu erhöhen. In der Folge entstand auch der gotische Chor des Doms mit dem Rosettenfenster. Die Glasmalereien des Fensters zählen zu den ältesten erhaltenen Italiens. Sie wurden von Duccio die Buoninsegnas entworfen.
1284 begann Giovanni Pisano, die bisherige Fassade durch eine prächtigere zu erneuern. Der heutige untere Teil wurde 1296 im Stil der toskanischen Gotik fertig. Es sind die drei Portale mit jeweils einem Giebel darüber.
Der Glockenturm ist 1313 fertig geworden. Das Baptisterium (San Giovanni Battista) wurde zwischen 1316 und 1325 im Zuge der Verlängerung der Dombasis (Dom-Unterbau) gebaut. Das Taufhaus ist also keine eigenständige Taufkirche, sondern ist in Form einer Krypta unterhalb des Hochaltars angeordnet. Nachdem die 6 Dom-Gewölbe über dem Baptisterium fertig waren, wurde ab 1355 jahrzehntelang die Fassade im sienesich-gotischen Stil verkleidet. Die Leitung hatte Domenico di Agostino. Die Fassade wurde erst 1382 zusammen mit der Apsis vollendet.
Der Dom war immer noch nicht richtig fertig, da hatte man schon Pläne für einen noch größeren Bau. Die neue Kathedrale (Duomo Nuovo) sollte fast doppelt so groß werden wie der alte Dom und das bisher Gebaute mit einschließen. Es sollte die größte Kirche der Welt werden.
Dom Siena, Sicht vom Torre del Mangia (Rathausturm) 7
(Urheber Oke, 2005, © nach CC BY-SA 3.0)
Man hatte vor, eine neue Kirche mit drei Schiffen auf der rechten Seite des schon vorhandenen Doms zu bauen. Der bisher gebaute Dom hätte nur als Querhaus gedient.
Man begann die Erweiterung im Jahre 1339, musste das Vorhaben aber bald nicht nur abbrechen, sondern, die Geschichte zeigt es, völlig aufgeben. Es gibt mehrere Gründe dafür. Die Pest von 1348 wird genannt, der nachgiebige Baugrund, aber auch Dürreperioden und Geldmangel. Geblieben von diesem großen Vorhaben ist eine schon mit Marmor belegte Mauer, die einmal die Fassade der Kathedrale werden sollte.
Nachdem die Dom-Erweiterung zur neuen Kathedrale in 1356 (nach anderen Quellen 1357 bzw. schon 1355) endgültig aufgegeben wurde, wandte man sich wieder dem bisherigen Bau zu. Unter Leitung von Domenico di Agostino wurden vom Einsturz gefährdete Kirchenteile abgerissen und die Wölbungen erneuert. Zwischen 1356 und 1359 wurde die Westfassade erhöht. Sie war 1310 unter der Leitung von Orvieto begonnen worden. Es entstand bis 1376 (1380) der obere Teil mit dem großen Rundfenster, dem großen mittleren Giebel und zwei seitlichen Giebeln. Die drei heute sichtbaren Giebelmosaiken wurden aber erst im Jahre 1878 hinzugefügt.
7 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Duomo_Siena_Italia.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de,
Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Der Dom ist der Heiligen Maria gewidmet.
Die Domfassade mit dem riesigen Rundfenster
Rechts Tor des Baptisteriums, ähnlich der Domfassade
172 Büsten vergangener Päpste zusammen mit der Büste Jesus Christus ruhen auf einem Kranzgesims zwischen den Bögen, die von den Säulen des Mittelschiffs getragen werden, und dem Dachgewölbe. Weitere 26 Büsten vergangener Kaiser vervollständigen die Sammlung der wichtigsten Persönlichkeiten der abendländischen Christenheit.
Die Apsis (Abschluss des Chorhauses mit dem Hochaltar) wurde 1382 vervollständigt. Damit war der Dom vorläufig fertig.
Das Äußere des Doms ist geprägt vom weißen Marmor mit Einfügungen im Rot von Siena und im Grün von Prato. Viele plastische Elemente glorifizieren die Heilige Maria und deren Geschichte aus dem Alten und Neuen Testament.
Die Fassade wird von drei großen Portalen getragen, mit Spitzen über den Rundbögen. Das obere Portal mit der großen Rosette ist im blühendgotischem Stil erbaut. Das Rundfenster ist quadratisch umgeben von 34 Büsten der Propheten und Patriarchen der Kirche.
Das Glasfenster der Rosette von 1549 stellt das letzte Abendmahl dar.
Im oberen großen Dreieck ist die Krönung Marias, im linken Dreieck die Vorstellung und im rechten Dreieck die Krippe dargestellt. Auf der Spitze des zentralen Giebels steht ein Engel von Tommas Redi (1639). Den Boden vor den Portalen schmücken Marmor-Einlegearbeiten.
Der Glockenturm aus dem Jahre 1313 ist im romanischen Stil gebaut. Weißer und schwarzer Marmor wechseln sich ab und verleihen dem Turm sein prägnantes Äußere. Interessant sind die Öffnungen, die von unten beginnend mit einem Einzelbogenfenster bis hinauf zum 6-Bogen-Fenster realisiert wurden.
Eine zentrale große achteckige Pyramide bildet das Dach des Turms, umgeben von vier kleinen Pyramiden auf Eckpfeilern.
Die Domkuppel über der Vierung ruht auf sechsdiagonalem Grund über einer Säulenetage. Ihre innere Bemalung bildet das Himmelsdach nach. Kreisförmig angeordnete Engel stellen die Himmelspforte dar.
In den Dom eingetreten wird man sofort von den riesigen Abmessungen des Mittelschiffs überrascht. Das Grundriss-Kreuz ist 89 Meter lang, 24 Meter breit und das Querschiff misst 54 Meter. Die Säulen sind wie der Turm ebenfalls querstreifig aus weißem und schwarzen Marmor.
Dieses Muster bildet einerseits eine kontraststarke Dissonanz zur aufgestreckten Schlankheit der Säulen, andererseits verliert sich dadurch das Deckengewölbe nicht in maßloser Höhe.
Der Fußboden ist zu wertvoll, als dass er von den Touristenmassen malträtiert werden dürfte. Besonders die abgesperrten Bereiche bestechen durch Einlegearbeiten verschiedenster Perioden vom hohen handwerklich-künstlerischem Schaffen in der Vergangenheit. Vor Licht- und anderen Einflüssen soweit wie möglich geschützt sind die schönsten Arbeiten abgedeckt und nur jährlich zeitweise zu sehen (in 1997 nur Mitte August mit Mitte September).
Einen besonders schönen Anblick bietet die Kapelle der Madonna del Voto im rechten Querschiff im barocken Stil, von Gian Lorenzo Bernini in 1661 realisiert. Vieles ist vergoldet und reich an Dekorationen. Auf dem Altar ist eine Abbildung der Madonna des Gelöbnisses mit bronzenen Engeln ringsum. Rechts steht die Statue der Santa Caterina, links die Statue vom Heiligen Bernhardt, beide überlebensgroß.
Im linken Querschiff gibt es eine Kanzel, die ähnlich gebaut ist wie die sechseckige Kanzel im Dom zu Pisa, die aber Pisa übertreffen sollte.
Die achteckige Kanzel von Siena wurde von Nicola Pisano und seinen Schülern um 1267 geschaffen. Sie repräsentiert eine wichtige stilistische Epoche der gotischen Skulptur in Italien.
Rechts ein Palazzo, links normale Wohnungen
Auf Wiedersehen Siena!
Themen der Schnitzereien sind u.a. die freien Künste (Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Philosophie, Arithmetrie, Geometrie, Astronomie und Musik), Statuen der Tugend, Propheten und Engel. Die reich dekorierte Treppe mit runden Geländerstützen stammt von Riccio.
Geschnitzte Reliefs auf der Kanzel, funktionell als Geländer, beinhalten die 7 Christus-Geschichten:
Das meine ich wörtlich. Wir haben nur ganz wenige Ausschnitte aus dem sehenswerten Angebot Sienas erleben dürfen. Allein den ganzen Dom auch nur oberflächlich anzuschauen würde einen Tag dauern.
Und dann sind noch der Erzbischöfliche Palast, das Krankenhaus von Santa Maria della Scala mit der Kirche von Santa Maria della Scala (Santissima Annunziata) und ganz in der Nähe die Kirche San Sebastiano in Valle Piatta aus dem 16. Jahrhundert.
Wir waren ziemlich kaputt, vom Laufen, Stehen und von der Mittagshitze. Doch andererseits ist Siena so interessant, dass wir die Stadt nochmals besuchen müssen – irgendwann.
Wer hätte das gedacht? Rom liegt nun wirklich nicht an der Adria! Doch schon der Tipp für Siena war ein Geschenk. Die Karte auf der Kühlerhaube ausgebreitet stellten wir fest, wir waren mitten in der Toskana. Florenz, die Berge und dann Rimini – das wäre doch sicherlich auch nicht schlecht. Rom würde uns auch ein zweites Mal nicht weglaufen. Von Florenz als schönste Stadt Italiens hatten wir schon gehört, von Rimini als Urlaubsort an der Adria erst recht.
Also stand unser Entschluss fest: Wir fahren Richtung Adria, auf die andere Seite des italienischen Stiefels.
Ausgebrannt, durstig und hungrig mussten wir erst einmal weg von Siena, um im Irgendwo in den Bergen Rast zu machen. Wir befanden uns im sogenannten Chianti-Gebiet, die zentrale Gebirgskette der Toskana. Hier wird schon seit Jahrhunderten der Chianti-Wein gewonnen. Die Etrusker und später die Römer hinterließen nicht nur Klöster, Burgen und Festungen, sondern auch Weinberge als traditionelle Erwerbsquelle dieses Gebietes. Allerdings fielen den Weinbergen und Olivenhainen viele Waldgebiete zum Opfer, so dass sich heute ein an sich waldreiches Gebiet mit großen Lücken für die landwirtschaftlich Nutzung zeigt.
Trotzdem, und vielleicht gerade deshalb, die Toskana ist ein schönes, abwechslungsreiches Land mit herrlichen Flusstälern, Bergen und historischen Dörfern. Das Klima ist in Meeresnähe mediterran, d.h. der heiße Sommer ist durch das Meer angenehm zu ertragen und der kalte Winter ist nicht ganz so kalt. Das Meer wirkt also immer ausgleichend.
Im Landesinneren dagegen ist das Klima örtlich sehr verschieden. Es bilden sich je nach Höhe und Lage örtliche Mikroklimata heraus, die ganz unterschiedliche Temperaturen beinhalten. In den Bergen, vor allem im Winter, kann es sehr kalt werden, in den niederen Weinanbaugebieten ist das Klima ausgeglichener.
Für den Toskana-Urlaub bietet sich das zeitige Frühjahr an, mit herrlicher Blütenpracht und oft schon sehr milden Temperaturen. Im Hochsommer kann die Temperatur schon mal über 40°C steigen, das ist für eine Stadtbesichtigung eigentlich zu heiß.
Im Herbst dagegen muss man ab Mitte September mit starkem Regen rechnen, der aber meist nicht lange anhält. Wir hatten Glück, die Sonne schien unentwegt und es war kein Wölkchen am Himmel zu sehen.
Toskana, Land der Trauben und Oliven
Rast mitten in der Toskana
Unsere rote Decke aus DDR-Zeit, der ständige Begleiter
Auf der Fahrt in die immer höher werdenden Berge änderten wir unsere Pläne, wieder einmal! Wir ließen Florenz links liegen, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir fuhren also rechts an Florenz vorbei. Unser Drang zur Adria war zu groß, als das wir uns jetzt mit einer Stadtbesichtigung hätten aufhalten lassen.
Die Apenninen sind rund 1500 Kilometer lang (vom Norden nach dem Süden Italiens) und mit dem Gran Sasso d'Italia (Berg in den südlichen Abruzzen) 2912 Meter hoch. Warum schreibe ich das? Nun, ich will betonen, wie mächtig das Gebirge zwischen dem ligurischen Meer im Westen und der Adria im Osten eigentlich ist. Die vor uns liegende Bergwelt ist zwar nicht ganz so hoch, aber doch schon mit etwas kühleren angenehmen Temperaturen.
Wir kamen in das Bergdorf San Godenzo, das mit der Gründung einer Benediktinerabtei schon im Jahre 1028 entstand. Dementsprechend gibt es viele alte historische Gebäude, wenngleich auch Neubauten zu sehen sind, die aber garnicht so recht in die Landschaft passen.
Unser Rundgang in San Godenzo war relativ kurz, wir mussten weiter, vor allem hatten wir noch kein Bett.
Linker Hand am Ortsausgang steht ein Restaurant mit ca. 10 Zimmern, für uns genau richtig. Um diese Jahreszeit war es fast leergefegt, das zeigten die zugezogenen Fenster. Das Zimmer mit Dusche war nicht fürstlich, aber für uns ausreichend. Es roch muffig, wenig gelüftet und wahrscheinlich schon länger nicht benutzt. Ein wenig Zeit bis zum Sonnenuntergang blieb uns noch, deshalb machten wir noch einen kleinen Spaziergang.
Das Restaurant Silvano liegt direkt an der Straße, die nach Osten in die Berge führt. Wir waren vom Besuch in Siena müde und nun froh, uns ausruhen zu können. Florenz (so wie auch Rom) konnte warten.
Die Nacht war ruhig, dafür aber der nächste Morgen um so aufregender.
San Godenzo, ein über 1000 Jahre altes Toskana-Dorf
Endlich für uns ein Bett
Hotel Silvano an der Via Forlivese (SS67), 69, 50060 San Godenzo FI, Italien (43.92894, 11.62178)
Die Dusche war zwar wie eine Dusche zu sein hat, aber mit dem Fußboden stimmte etwas nicht. Die Taschen gepackt und fertig für die Weiterfahrt traten wir vom Zimmer in den Flur. Der kleine Bach vom Bad in den Flur fiel uns erst auf, als wir den riesigen Wasserfleck auf dem Flurteppich sahen. Wasserfleck ist untertrieben, es war eine richtige Pfütze.
San Godenzo > San Benedetto > Bocconi (67) > Pórtico > Rocca > Dovadola > Forli > Cesena > San Mauro Mare (bei Rimini, Bellária-Marina) > Ravenna > Forli > Ri Bologna > Faenza > Marradi (302) > Fantino > Crespino > Ronta Mugello (Hotel Marrani)
Zwar hatten wir auch schon am Vorabend geduscht, aber auf dem Flur waren wir nicht mehr (Wozu auch?). Deshalb sahen wir erst am Morgen die Überschwemmung.
Meine Frau bekam einen gehörigen Schreck, ich beruhigte. Es war ja schließlich nicht unsere Schuld, wenn die Badtür nicht richtig schließt und das Wasser unterhalb der Tür bis auf den Flur laufen kann.
Wir beeilten uns, weg zu kommen. Es musste ja nicht sein, mit dem Hotel-Personal zu diskutieren. Unsere Eile sollte sich rächen. Wenige Kilometer bergan fiel es meiner Frau ein, dass ihre Weste noch im Schrank hängt. Auch das noch!
Mit blödem Gefühl in der Magengegend fuhren wir zurück und meldeten am Empfang unsere Vergesslichkeit. Den Schlüssel in der Hand beeilte ich mich, das wertvolle Kleidungsstück zu holen, immer hoffend, dass mich niemand anspricht wegen des Wassers im Flur. Der Fleck war natürlich immer noch da, allerdings noch größer. Die Feuchtigkeit hatte sich ausgebreitet.
Schnell verschwanden wir wieder. Offensichtlich war noch niemand vom Personal im 1. Stock gewesen. Es kann natürlich auch sein, die kennen das Problem.
Noch in Gedanken beim Wasser im Flur fuhren wir die Serpentinen hinauf, nur Wald und Natur pur. An der Toskana-Grenze zur Emilia-Romagna beginnt ein Naturschutzgebiet. Wenig später fährt man nach einigen Höhen und Tiefen endgültig hinab in Richtung Adria. Ich hätte mir dieses Waldgebiet nicht so geschlossen vorgestellt. Offensichtlich gedeiht hier an der Ostseite des Gebirges der Wein nicht so gut und der Wald blieb erhalten.
In der Ebene angelangt kamen wir, südlich in Richtung Rimini fahrend, zuerst im Badeort San Mauro an.
So schnell wie möglich zum Meer, das war unsere Devise. Ohne Probleme konnten wir mit dem Auto bis in Strandnähe fahren.
Blick zurück auf San Godenzo mit dem Wasser-Hotel
Letzter Pass vor der Talfahrt Richtung Adria
San Mauro, nördlich von Rimini
San Mauro Mare gehört zur Gemeinde San Mauro Pascoli, ist ein typischer Badeort, allerdings vorteilhafterweise ohne hohe Bebauung. Es gibt zwar viele Hotels und Ferienhäuser, aber man hat es unterlassen (sicherlich untersagt), Hochhäuser zu bauen. Der Strand ist, wie in Italien üblich, in Abschnitte aufgeteilt und einzelnen Hotels zugeordnet. Allerdings waren keine Absperrungen, so dass der ganze Strand für alle zugänglich bleibt.
Wir freuten uns aufs Wasser, waren zufrieden mit dem strahlenden Blau des Himmels und dachten deshalb, es sei alles OK. Das Meer war aber alles andere als sauber. Es war kein Schmutz, es war vor allem am Ufer eine braune Lehmbrühe. Unweigerlich kam mir die Erinnerung an meine Kindheit. In einer Ziegelei aufgewachsen bin ich als 7-jähriger oft im aufgewühlten Schlammwasser der Lehmgrube baden gewesen. Man konnte beim Tauchen keine Augen öffnen, außerdem hätte man sowieso nichts gesehen. Wie gesagt, es war kein Schmutz, sondern nur fein gelöster Sand und Lehm.
Im Vergleich zur ligurischen Küste mit dem klaren Wasser war der Strand von San Mauro eine Katastrophe. Grund genug, die Lösung in der Rückfahrt über die Berge Richtung Westen zu suchen. Wir hatten die Adria gekostet und für nicht akzeptabel gefunden, zumindest nicht in San Mauro. Rimini würde wahrscheinlich ähnliches Wasser haben, probiert haben wir es aber nicht. Rimini war keine Option mehr für uns.
Ohne uns lange aufzuhalten packten wir unsere 7 Sachen wieder zusammen und fuhren Richtung Berge. Nach etwa 115 Kilometern passierten wir den ersten Pass, den Passo della Colla, in 913 Metern Höhe. Es war inzwischen schon ziemlich spät und Zeit, eine Schlafgelegenheit zu suchen. Nur 9 Kilometer später kamen wir nach Ronta Mugello, ein Ort mitten in den Bergen.
Mugello ist Landschaftsgebiet mit mehreren Gemeinden, zu denen auch Ronta gehört. Mit dem Auto sind es bis Florenz nur noch etwa 70 Kilometer (Straße SR302).
San Mauro Mare (44.164358, 12.448245)
Das Lehmwasser veranlasst zur Umkehr
Und schon sind wir wieder in den Bergen, der 1. Pass
Als wir das Hotel Marrani sahen glaubten wir, das ist nichts für uns – zu groß, zu teuer. Wir wurden eines Besseren belehrt. Das Haupthaus an der Straße ist zwar weniger attraktiv, aber es gibt auch noch Gästehäuser ähnlich wie bei Motels, an die man mit dem Auto heranfahren kann. Das war nach unserem Geschmack.
Das Hotel selbst hat ein großes Restaurant mit über 400 Plätzen, auch geeignet für Kongresse und andere Meetings. Angrenzend ist ein weiterer Raum mit vielen Sitzplätzen. Es gibt freies WLAN, Parkplätze im Hof, einen großen Pool (Freilandbad, zusätzlicher Kinder-Pool), einen Tennisplatz und einen eigenen Park. Das Hotel liegt auf etwa 400 Meter Höhe und ist das ganze Jahr über geöffnet. Zusammen mit den Gästehäusern hat das Hotel 210 Betten, alle Zimmer sind ausgestattet mit Bad und Heizung.
Ronta hat sogar einen Bahnhof. Man kann auch mit dem Zug in das 40 km entfernte Florenz fahren. Parkprobleme in Florenz entfallen dann.
Hotel Marrani, Via Faentina 128, 50032 Ronta Mugello (44.00863, 11.43587)
Hecke am Weg zu den Hütten, zum Park und zum Freibad
Frühstück am nächsten Morgen (22.9.97)
Hütten sind die bessere Alternative zum Hotel-Zimmer.
Das Auto vor der Tür, ideal!
Aufgrund der Gästehäuser, des Schwimmbades mit Kinder-Pool und Liegewiese, der moderaten Preise (selbst für die schmackhafte toskanische Küche) und der sehr zuvorkommenden Service-Kräfte kann man den ganzen Hotel-Komplex als äußerst familienfreundlich bezeichnen.
Wir waren mit unserer Unterkunft zufrieden. Mit Spaghetti und Weißwein (aus der Region) im großen Restaurant beendeten wir den Tag.
Ronta Mugello (302) > Borgo San Lorenzo > Petrona (551) > San Piera > Novoli > Collebarucci > Cavallina > Croci di Calenzano (Pass) > Calenzano > dann A11 und E76 Ri Westen > Prato (A11) > Pistoria (A11) > Montecatini (A11) > Lucca (A11) > Viareggio > Motrone di Versilia > Tonfano > Forte dei Marmi > Marina di Massa > Massa > Carrara > Ceserano (446) > Rometta (63) > Aulla > Villafranca in Lunigiano > Pontrémoli (Hotel Napoleon)
Heute hatten wir vor, nach Florenz zu fahren. Es lag ja am Weg. Doch wie schon mehrmals auf dieser Reise wurde nichts daraus. Die Temperaturen waren frühmorgens schon so hoch, dass wir doch glatt an Florenz vorbeigefahren sind. Das Meer hatte jetzt Priorität. Keiner von uns beiden wollte in der Stadt schwitzen.
Nach etwa 130 Kilometern waren wir wieder am Meer, vor allem am sauberen Wasser. Viareggio kannten wir schon. Auf der Fahrt vom Norden Richtung Süden waren wir vorigen Donnerstag erst in Marina di Massa, dann in Viareggio ein kurzer Rundgang. So schnell vergeht die Zeit, vor allem so schnell ändert sich alles. Am Donnerstag war noch Rom unser Ziel. Und jetzt fuhren wir schon wieder Richtung Norden, ohne Rom.
Viareggio ist total auf Tourismus getrimmt, hat aber auch einiges zu bieten. Die Uferpromenade ist gepflegt, es gibt viele Villen, es gibt aber auch viele Urlauber. Besonders Viareggio soll hohe Preise haben. Nachgeprüft haben wir das nicht. Einen kleinen Eindruck bekamen wir vor der Preistafel eines Liegestuhl-Verleihers. Sicherlich ist es in kleineren Orten weiter weg vom Meer für die Übernachtung günstiger.
Nur wenige Kilometer weiter nördlich fanden wir einen günstigen Strand, der etwas ruhiger war.
Viareggio
Viareggio
Strand von Versilia
Viareggio
Das Wasser war ausgezeichnet, vor allem sauber. San Mauro Mare an der Adria drängte sich als schlechte Erinnerung auf. Motrone di Versilia ist Teil der Küstenlandschaft der Provinzen Lucca und Massa-Carrara, genannt die Versilia. Es gibt auch den gleichnamigen Fluss Versilia.
Wir genossen den Aufenthalt am Meer und machten Pläne für die nächsten Tage. San Remo fiel uns ein, auch Monaco und Nizza. Wenn wir schon in Italien sind, sollten wir auch diese bekannten Orte besucht haben. Doch wie gesagt, es waren Pläne. Mal sehen, was davon wahr werden würde. Gegen Abend verstauten wir unsere Sachen im Auto und fuhren weiter Richtung Norden. In dieser doch recht teuren Urlaubsgegend wollten wir auf keinen Fall übernachten.
Da keine für uns angemessene Übernachtungsmöglichkeit in Sicht war, bogen wir in Höhe von La Spezia ab in Richtung Berge. Dort würden wir bestimmt etwas finden. So dachten wir, aber wie so manchmal, es blieb beim Denken. Langsam verschwand die Sonne hinter den Bergen und wir wurden unruhig. Übrigens, auf späteren Reisen mit dem Auto sollte uns das nicht mehr passieren. Seit dieser ersten Newcomer-Fahrt durch Italien haben wir gelernt. Wir haben immer ein kleines Zelt dabei. Auch die Möglichkeit, im jetzt etwas größeren Auto zu schlafen, nutzen wir, wenn keine angenehmere Bleibe zu finden ist.
Doch zurück zu damals. 75 Kilometer fuhren wir, da endlich in den Bergen ein kleines Nest mit großem Hotel mit großem Namen: NAPOLEON. Schon von außen war klar, hier ist es nicht billig. Die fortgeschrittene Dämmerung ließ uns keine Wahl. Wir wurden zwar keine 180 Mark die Nacht los, aber 90 Mark sind für uns auch viel Geld (Damals gab es noch keinen Euro.).
Strand von Versilia
Pontrémoli-Panorama (52.51618, 13.37693) 8
(Urheber Alessandro Vecchi 2007, © nach CC BY-SA 3.0)
Hotel Napoleon in Pontrémoli
Pontrémoli ist ein sehr zerrissener Ort, eigentlich ist es eine Ansammlung von Dörfern und das auch noch zwischen 230 und 900 Metern über NN. Die Gemeinde Pontrémoli besteht aus über 60 Ortsteilen. Ursprünglich entstand der Ort um das Castello del Piagnaro herum, die Römer nannten den Ort Apua. Sehenswert ist der Duomo di Pontrémoli, auch Concattedrale di Santa Maria del Popolo genannt, aus dem 17. Jahrhundert.
Das Castello del Piagnaro aus dem Ende des 1. Jahrhunderts kann man besichtigen. Es ist eine auf einem Hügel gebaute Burg über der Stadt, besteht aus mehreren Häusern und ist von einer dicken Mauer umgeben. Ein Museum gibt es auch. Das Castello wurde 1975 gründlich restauriert. Die umgebende Mauer ist begehbar und man hat einen herrlichen Blick über die Stadt.
8 Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pontremoli_panorama.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en,
Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Pontrémoli > A15 Ri Küste > La Spézia (A15/A11) > Genua (A11) > A11-Abfahrt Genua Voltri > Arenzano > Cogoleto > Varazze > Savona > Loano > Albenga > Alássio (Villa Banksia)
Der kurze Ausflug in die Berge war nur zum Schlafen da. Uns zog es wieder ans Meer. Wir fuhren auf der A15 zurück bis La Spezia und dann weiter auf der Autobahn an Genua vorbei immer in Küstennähe bis Savona.
Savona liegt an der Riviera etwa auf der Höhe von Lucca, aber eben auf der anderen Seite des ligurischen Meeres.
Savona ist mit über 60 Tausend Einwohnern die drittgrößte Stadt der Region Ligurien. Savona hat eine Festung, deren Besuch sich lohnen soll. Wir glauben das gerne, uns interessierte aber nur das Meer bzw. die Uferpromenade. Und die hat einiges zu bieten. Alles sieht sehr gepflegt aus, die allgegenwärtigen afrikanischen Palmen lassen vergessen, dass es in Europa auch noch kältere Gegenden gibt.
Wenige Meter von der Uferstraße entfernt kann man in kleinen Läden allerlei kaufen und auch handeln. Allerdings haben ab Mittag die meisten Geschäfte geschlossen (Siesta) und öffnen erst wieder ab 16 oder 17 Uhr. Genau das ist uns passiert, somit fiel der geplante Einkaufsbummel buchstäblich ins Wasser. Wir flanierten also soweit wie möglich am Meer entlang.
Savona, drittgrößte Stadt Liguriens
So ziemlich alle Läden haben über Mittag geschlossen.
Die Anlagen sind gepflegt, der Brunnen funktioniert.
Afrikanische Palmen gedeihen hier gut.
Ein kleines Geschäft unweit der Uferstraße hatte aber doch geöffnet. Eine Frau im mittleren Alter war sehr um uns bemüht. Wir waren die einzigen Kunden. Als sich meine Frau für eine Tasche entschied, bot sie sogar Kaffee an. Wir waren so etwas nicht gewöhnt. Als wir dankend ablehnten, ließ sie uns die Tasche für 5 Mark billiger. Danke nochmals!
Die ewig nette Frau, eine interessante Dekoration.
Savona ist uns in bester Erinnerung.
Der weitere Küstenverlauf ist geprägt von steilen Felsen und einer schmalen, aber atemberaubend schönen Küstenstraße. Schade, dass es nur sehr wenige Haltepunkte gibt. Der Verkehr war zwar nicht sehr groß, aber man muss beim Blick aufs Meer höllisch aufpassen. Es sind keine Randstreifen da, eine Autopanne wäre fatal.
Küste vor Alássio mit nur wenigen Haltepunkten
Der Tag ging langsam zu Ende, ein Bett hatten wir noch nicht. Langsam fahrend scannten wir den Straßenrand, um irgendeinen Hinweis für die Nacht zu finden. In Alássio war der Teufel los. Es ist schon so, abends werden die Südländer erst so richtig wach. Vor allem die Jugendlichen mit ihren Mopeds bzw. Motorrollern rasten die Straße entlang, zwischen und neben den Autos, teils sogar auf dem Fußweg. Offensichtlich waren wir mit unserer Fahrweise nur ein Hindernis.
Schon in Genua hatten wir das zweifelhafte Vergnügen, die Gepflogenheiten des italienischen Straßenverkehrs kennenzulernen. Hier ebenso.
Bisher die schönste Küstenstraße
Abend in Alássio
An einem Zaun sahen wir ein kleines Schild mit Bett. Wir folgten dem Pfeil, doch keine Einfahrt oder dergleichen war zu sehen. Es sah aus wie ein Park, aber eben umzäunt. Zwei Ecken weiter zeigten sich zwei schöne Häuser, Villa Banksia und Villa Fiorenza. Das ist nichts für uns, bestimmt zu teuer, dachte ich. Doch die Straßenlaternen brannten schon. Es wurde dunkel.
Da war endlich ein Tor, ein schmiedeeisernes Tor mit Pfeilspitzen wie aus römischer Limes-Zeit, allerdings verschlossen. Ein blankgegriffener Löwenkopf war wohl die Klinke, oder? Es war die Klingel. Es dauerte eine ganze Weile, bis ein gut gekleideter älterer Herr zum Tor kam, ohne es jedoch zu öffnen. Erst nachdem wir ihm bedeuteten, übernachten zu wollen, war der Weg frei. Durch den schmalen Eingang und Weg entlangzufahren war bei der nun schon dunklen Nacht nicht so einfach. Sofort hinter uns wurde das Tor wieder geschlossen. Wir kamen uns fast vor wie auf Mafia-Gelände. Eine Wegbeleuchtung gab es auch nicht.
Um so heller strahlte der Eingang der uns zugewiesenen Villa Fiorenza. Das Auto wurde mit Hilfe des älteren Herrn zu einem Parkplatz dirigiert, ohne das ich eine Wahl gehabt hätte. Gleich hinter der Eingangstür gab es eine Art Empfang, nur recht klein. Auch hier war anfangs kein Mensch zu sehen, dann wurden wir überrascht.
Villa Fiorenza in Alássio
Sehr schöner Privatbesitz
Eine hübsche Italienerin, vielleicht 17 und mit langem dunklen Haar, begrüßte uns, und das auf Deutsch! Sie war wohl schon vom Nummernschild unseres Autos unterrichtet worden.
Ob mit oder ohne Frühstück war gar keine Option, es gab nur Preise mit Frühstück. Alle Zimmer mit Bad und kleinem Balkon waren einheitlich. Froh, überhaupt für die Nacht versorgt zu sein, akzeptierten wir auch den Preis, 60 Mark war nicht zu viel. Wir freuten uns schon auf die ruhige Nacht, die uns inmitten dieses parkähnlichen Grundstücks erwarten würden. Man muss dazu sagen, dass dieses Anwesen inmitten der doch recht dicht bebauten Stadt lag, unweit des Meeres.
Die Ausstattung des Zimmers war, wie man es von einer alten Villa erwarten konnte, zwar in die Jahre gekommen, aber vornehm und von alter Eleganz. Wir fühlten uns wohl.
Gegen 11 (23 Uhr) erschreckte uns Geknatter, Singen und Heulen von hochgezogenen Motoren. Ein Moped- bzw. Motorradrennen war im Gange. Man konnte die Grenzen des Grundstücks geradezu hören. Der Moped-Pulk umrundete es. Selbst die mittlerweile geschlossene Balkontür konnte den Lärm nicht dämmen. Na Prost Mahlzeit! Wenn das die ganze Nacht so gehen sollte, hätten wir uns gewünscht, nie nach Alássio gekommen zu sein.
Der Spuk verschwand so schnell, wie er gekommen war. Vielleicht 5 Umrundungen, dann war wieder Stille. Ganz leise, wie sehr weit entfernt, hörten wir das Klatschen der Wellen. Jetzt ging es uns wieder richtig gut.
Am nächsten Morgen gab es im kleinen Restaurant (vielleicht 5 Tische) ein vernünftiges Frühstück und als Zugabe wieder die junge deutschsprachige Italienerin. Wären wir nicht nur auf einem Wochentrip, wir hätten es dort noch ein paar Tage ausgehalten, trotz nächtlicher Rennen.
Alássio > Imperia > San Remo > Bordighera > Ventimiglia > Menton (Frankreich) > Monte Carlo > Monaco > Nizza > wieder zurück durch Monaco > Bordighera (Residence Baia La Ruota)
Die Küstenstraße an der Riviera di Ponente ist wirklich eine Fahrt wert, abgesehen vom meist lebhaften Stadtverkehr.
Als nächster bekannter Ort (vom Hörensagen) begrüßte uns San Remo. Eng und verkehrsreich ging es zu, es gibt viele alte Villen und Hotels aus der Boom-Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts. Früher war San Remo ein kleines römisches Fischerdorf. Geblieben ist der Fischmarkt am Alten Hafen mit der 700 Meter langen Mole. Heute assoziiert man San Remo natürlich sofort mit Spielcasino. Das Casinň Municipale sahen wir nicht, ohne Stopp ist das auch schlecht möglich.
In diesem staatlich geführten Casino wird nicht nur gespielt, es gibt auch ein Theater, ein Restaurant, ein Café auf dem Dach, einen Nachtclub und Festsäle, in denen jedes Jahr das italienische Schlagerfestival stattfindet. Wir wären gerne einmal hineingegangen, nur um erzählen zu können: "Wir waren im Casino in San Remo!".
Der Stop-and-Go-Verkehr hatte wenigstens den Vorteil, die vielen schönen Hotels, herrschaftlichen Villen und sonstigen prunkvollen Gebäude beim Vorbeifahren betrachten zu können. Allgegenwärtig sind auch hier die afrikanischen Palmen, die übrigens an der ganzen italienischen Küste zu finden sind.
Eigentlich nicht vorgesehen, aber nun standen wir an, nein wir fuhren einfach über die italienisch-französische Grenze. Es ist schon eine feine Sache, wenn man keine Papiere zeigen muss, und oft merkt man nur am veränderten Straßenschilder-Design, dass man in einem anderen Land ist.
Bis dahin waren wir noch nie in Frankreich. Wir hatten gehört, dass nicht alle Franzosen gut auf die Deutschen zu sprechen sind. In 1997 war das vielleicht tatsächlich noch so. Nun ja, Vorurteile hatten wir nicht. Wir waren neugierig, was auf uns zukommen würde. Und es sollte etwas auf uns zukommen!
An der Küste kurz vor San Remo
San Remo, im Casino waren wir nicht.
An der französischen Küste, im Hintergrund Menton
Kurz nach der Grenze in Menton teilt sich die Küstenstraße in zwei durch Palmen getrennte Fahrbahnen auf. Allerdings hatte ich meine rechte Seite als abzweigende Straße interpretiert und landete deshalb auf der Gegenfahrbahn. Die Quittung kam sofort: Hupen, Vogel zeigen und Lichthupe.
Natürlich hatte ich meinen Irrtum, als Falschfahrer unterwegs zu sein, sofort korrigiert. Ich konnte richtig hören, wie man dachte: Diese Deutschen!
Der salzige Duft des nahen Meeres, die Sonne und ein kleiner Streifen Sandstrand machte uns die Entscheidung nicht schwer, unsere Badesachen zu nehmen und die wenigen Stufen von der Straße weg zum Wasser zu gehen. Herrlich, zwar war der Strand nur etwa zwei Meter breit und vielleicht 30 Meter lang, uns hat es gereicht. Der Rest der Küste zurück Richtung Grenzübergang und weiter westlich Richtung Menton-Zentrum war aufgrund der riesigen Steine unzugänglich. Allerdings sah man viele Angler.
Die Aufregung als Falschfahrer war schnell vergessen, wir nahmen erst ein schönes Bad in der riesigen Badewanne Mittelmeer und danach war Brotzeit angesagt. Vorteilhaft und für uns ungewöhnlich war die Dusche am Strand, zwar kalt aber Süßwasser. Sie war einfach da, jeder benutzte sie, bezahlen musste man nichts. Das würde ich mir auch aus heutiger Sicht öfters wünschen. (Ich meine die Dusche, nicht das Nicht-Bezahlen.)
Vielleicht zwei Stunden haben wir am Wasser zugebracht, ewig in der Sonne braten war schon immer nicht unsere Sache.
Hinten der Grenzübergang Italien - Frankreich
Wenig Sand an dieser Küste
Wir fahren weiter Richtung Monaco und Nizza
Die Uferstraße führt oberhalb an Monaco vorbei.
Nicht weit von Menton ist Monaco, der nächste bekannte Ort vom Hörensagen. Wir hatten überhaupt keine Vorstellung, was das Fürstentum Monaco ist. Bekannt war uns nur, dass alles sehr teuer ist. Nun wir wollten nicht unbedingt etwas kaufen, aber ein Besuch war Pflicht.
Die Uferstraße verläuft oberhalb Monacos und erlaubt eine herrliche Sicht auf den Stadtstaat. Wir hatten die Abfahrt zur Stadt verpasst, fuhren deshalb oberhalb weiter und schon war Monaco zu Ende. Monaco ist nur etwa 5 Kilometer lang. Nun gut, Monaco läuft nicht weg, so dachten wir. Auf der Rückfahrt würden wir hinab fahren und uns das Fürstentum aus der Nähe anschauen.
Nach einer Brotzeit mit Blick aufs Meer fuhren wir weiter, um Nizza kennenzulernen. Jedenfalls hatten wir die Absicht.
Nizza ist nur 30 Kilometer von der italienischen Grenze und 10 Kilometer von Monaco entfernt. Es ist eine für europäische Verhältnisse sehr große Stadt, die sich bis weit in die Berge hinzieht. Eigentlich wollten wir zum Hafen und vielleicht einen Stadtbummel machen.
Die Aussicht über die Stadt hatte jedoch eine ganz gegenteilige Wirkung. Nach 8 Tagen Fahrt durch Italien hatten wir plötzlich keine Lust mehr auf Stadtverkehr und Besichtigungstouren.
Nizza, in Urzeiten Jagdgebiet der Neandertaler
Nizza, Hafen (Urheber "Martinp1", 2010 © nach CC BY-SA 3.0 9
Dunst über der Bucht von Nizza
Nizza zieht sich bis weit in die Berge hin.
Wir entschieden uns, den Heimweg anzutreten. Monaco lag ja auch noch am Rückweg, das Fürstentum interessierte uns in diesem Moment mehr als die Millionenstadt Nizza.
9 Nizza, Hafen. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Nice_Port_1.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de,
Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Diesmal passten wir auf und bogen rechts ab, um in das Fürstentum zu gelangen. Vielleicht würden wir den Fürstenpalast aus der Nähe sehen können, oder sogar die Bank von Monte-Carlo. Näheres zum Stadtstaat Monaco hatten wir erst im Nachhinein erfahren (Reiseführer u.ä.). Monaco ist klein, noch kleiner ist nur Vatikanstadt in Rom, wohin wir eigentlich auf dieser Reise wollten.
Monaco, Hafen und Felsen, vom Aussichtspunkt nahe Dorf La Turbie (Urheber "Tobi 87", 2011, © nach CC BY-SA 3.0) 10
Monaco ist dicht bebaut und teuer.
Monaco war schon immer ein Handelsplatz, schon in der Antike. Der Name Monaco kommt ja eigentlich von Monoikos (einzelnes Haus), bezogen auf den Herkules-Tempel, den die Griechen hier bauten. Da war noch Platz an der Küste. Heute sind keine Grundstücke mehr zu bekommen, man baut in das Meer (Landgewinnung) und in die Höhe. Monaco ist eigentlich nur die Bezeichnung für Monaco-Ville, den Stadtbezirk Monaco-Stadt. Das ist die Altstadt direkt am Meer mit dem Fürstenpalast. Das gesamte Fürstentum ist in 9 Stadtbezirke aufgeteilt (seit 2013), natürlich nur verwaltungsrechtlich. Außer Monaco dürfte der Stadtbezirk Monte Carlo bekannt sein, wenigstens dem Namen nach. Der Besucher merkt von den Stadtbezirken nichts, fast jeder Quadratmeter ist bebaut.
Zwar gilt in Monaco als Amtssprache Französisch, doch die Einheimischen sprechen monegassisch, ein romanischer Dialekt ähnlich dem Dialekt, der im italienischen Ligurien gesprochen wird. Natürlich ist normales Italienisch und vor allem Englisch überall in Gebrauch. Als Währung gilt heute (2017) der Euro, obwohl Monaco kein Mitglied der EU ist.
10 Monaco, Hafen und Felsen. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hafen_und_Felsen_von_Monaco-La_Turbie.jpg,
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de, Zuschnitt: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Auf rund 2 Quadratkilometer Fläche leben fast 40 Tausend Menschen (2016), selbst Singapur hat nicht eine so hohe Bevölkerungsdichte. Grund ist die liberale Steuerpolitik. Monaco gehört nicht zur EU, nur Unternehmen müssen Steuern zahlen. Das lockt natürlich die Super-Reichen an, die Geld sparen müssen, damit sie sich in Monaco eine Wohnung für eine Million Dollar kaufen können. Und dabei müssen die Zugereisten nicht einmal monegassisch werden, die Steuerfreiheit gilt für alle mit angemeldetem Wohnsitz.
Als Steueroase steht Monaco auf der schwarzen Liste, davon lassen sich aber die Luxus-Gewohnten und Super-Reichen nicht abhalten.
Interessant ist, warum es überhaupt Monaco gibt. Dort wo heute an der Küste der Fürstenpalast steht, wurde 1215 eine Grenzfestung vom bis hierher herrschenden Genua gebaut. Kämpfe um diese Region ließen in der Folge mehrmals den Besitzer wechseln. Bedeutend für das heutige Fürstentum ist die Herrschaftsübernahme durch Familie Grimaldi, deren Familienmitglieder bis zum heutigen Tage (mit Unterbrechungen) die Monaco-Herrschaft inne haben. Allerdings starben die Grimaldi in männlicher Linie aus, und der Besitz ging an die eingeheiratete Familie Goyon de Matignon über.
Erst 1861 erkannte Frankreich die volle Unabhängigkeit Monacos an und billigte dessen volle Souveränität. Die Spielbank Monte-Carlo wurde aber schon 8 Jahre früher gegründet. Nun begann der Tourismus, damals immer mehr die Haupteinnahmequelle Monacos. Heute lebt Monaco hauptsächlich von Unternehmenssteuern und Einkommen durch Immobilien.
Trotzdem gehört zur ganzen Wahrheit, dass aufgrund des Aussterbens der Familie Grimaldi und eines Vertrages von 2002 mit Frankreich das Fürstentum nicht als uneingeschränkt souveräner Staat gelten kann. In wichtigen Fragen besteht Konsultationspflicht gegenüber Frankreich, Der Fürst muss z.B. die Auswahl des Staatsministers bestätigen lassen. International wird aber Monaco als eigenständiger Staat behandelt.
Hochhäuser wie in Manhattan
Herrschaftliche Parkanlagen gibt es noch.
Monaco, Kathedrale Notre-Dame-Immaculée 11
(Urheber: "Berthold Wernerld Werner", 2011, © nach CC BY-SA 3.0)
Monaco ist seit 1993 Mitglied der Vereinten Nationen und seit 2004 im Europarat vertreten. Das Schengener Abkommen (keine Kontrollen an den Grenzen) gilt auch in Monaco.
Monacos Bischofs-Kathedrale ist die Notre-Dame-Immaculée. Der Erzbischof untersteht direkt dem Heiligen Stuhl in Rom. Die römisch-katholische Kirche macht 90 Prozent der Monegassen aus.
11 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Monaco_BW_2011-06-07_16-07-20.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de,
Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Es stellt sich die Frage, wie sichert Monaco sein Staatsgebiet und wie sieht es mit der inneren Sicherheit aus? Denn Platz für eine riesige Armee hat Monaco nicht und die vielen Super-Reichen müssen beschützt werden.
Die äußere Verteidigung obliegt lt. Vertrag Frankreich, obwohl das Fürstentum neben einer kleinen Militäreinheit auch eine paramilitärische Einheit unterhält. Beide sind aber nicht für die Landesverteidigung zuständig, sondern für Feuerwehr und Zivilschutz, für den Personenschutz des Fürsten und für die Palast-Ehrenwache. Monaco hat sogar eine Militärkapelle, eine Motorradstaffel und eine Tauchereinheit.
Für die sogenannte öffentliche Sicherheit sollen neben den vielen Videokameras (privat und öffentlich, mit der Polizei verbunden) vor allem über 500 private Sicherheitsleute sorgen. Wenn man durch Monaco fährt, sind viele unterschiedlich Uniformierte zu sehen. Sie sorgen aber nicht nur für die allgemeine Sicherheit. Kein Super-Reicher muss sich Gedanken machen, wie er vom Grundstück (meist die Tiefgarage) in den fließenden Verkehr kommt. Da ist immer einer da, der hilft und bei Notwendigkeit auch mal den Verkehr stoppt. Das haben wir selbst erfahren müssen. Monaco wird von bestimmten Leuten vorgeworfen, ein Überwachungsstaat zu sein. Nun gut, aber die weltweit niedrigste Kriminalitätsrate und die niedrigen Unfallzahlen sprechen für die Wirksamkeit der Maßnahmen. Monaco ist die sicherste große Stadt der Welt.
Dabei ist Monaco kein abgeschotteter Staat. Täglich fahren ungefähr so viele Menschen von außerhalb nach Monaco zur Arbeit, wie in Monaco Einwohner gemeldet sind. Die meisten Pendler sind im Dienstleistungssektor beschäftigt. Viele kommen mit dem Zug, andere mit dem Auto oder Zubringer-Bussen. Der weitaus größte Teil sind Franzosen, die in Monaco arbeiten. Aber auch Italiener sind vertreten, die Grenze ist nur 15 Kilometer entfernt.
Monaco von der Umgehungsstraße aus fotografiert
Das höchste Haus mit dem höchsten Quadratmeter-Preis
Der Fürstenpalast sieht fast aus wie eine Miniatur.
Aber auch der Bausektor braucht viele Arbeiter. Es ist davon auszugehen, dass fast alle beim Bau Beschäftigten von außerhalb kommen. Die Super-Reichen werden sich kaum selbst damit beschäftigen. Monaco baut ständig, trotz fehlendem Platz. Es ist ein "Manhattan am Mittelmeer" entstanden. Das Meer wird kleiner und Monaco dafür größer. Ganze Stadtviertel wurden und werden auf künstlichem Grund gebaut (Aufschüttung). Der geschaffene schwimmende Pier aus Beton (352 Meter lang 28 Meter breit) dient zwar als Wellenbrecher und Anlegesteg für Kreuzfahrtschiffe, ist aber gleichzeitig eine Garage mit 360 Stellplätzen und ein 25-Tausend-Kubikmeter-Lagerraum.
Monaco hatte auch eine Bahnlinie die das Land zerschnitt und viel Platz brauchte. Heute ist die Bahn und der zugehörige Bahnhof unter die Erde verschwunden, oben drüber ist die Bebauung schon fast vollständig. Bezweifelt werden darf aber, dass diese Bautätigkeit immer so weiter gehen kann. So wie wir nur eine Erde haben (das Hauptargument der Umweltschützer), so hat auch Monaco nur einen Raum zu Lande, in der Erde und in der Luft. Bliebe das Meer, dass aber ziemlich steil abfällt und es daher schwierig macht, weiter aufzuschütten.
Die folgenden Bilder zeigen gewissermaßen "von innen", wie dicht Monaco bebaut ist. Es gibt zwar frei gehaltene Grünanlagen und weiter oben einen botanischen Garten, aber kein Bauland mehr.
Der Fürstenpalast zum Greifen nah, aber kein Parkplatz
Monaco-Ville ist touristisch überlaufen.
Häuserschluchten mit exorbitanten Mietpreisen
Die schönen Fassaden des alten Monaco
Die hässlichen Fassaden des neuen Monaco
Die Berge im Hintergrund gehören zu Frankreich.
Ozeanografisches Museum Monaco 12
(Urheber "Wahrig2003", 2008, © nach CC BY-SA 3.0)
Interessant ist, dass der bekannte französische Forscher und Meeresbiologe Jacques-Yves Cousteau der Direktor des Ozeanographischen Museums in Monaco war. Er starb 1997 in Paris. Seine Unterwasserfilme sind eine Augenweide. Das Museum war 1889 von Fürst Albert I. gegründet worden. Es befindet sich in exponierter Lage in 85 m Höhe auf dem Felsen neben dem Yacht-Hafen. (Parkplatz: 43.73089, 7.42511)
In dem prunkvollen Bau befinden sich ca. 4000 Fischarten und viele Vertreter der Wirbellosen. Riesige Skelette von Walen zeigen beeindruckend die Tierwelt des Meeres. Gleich neben dem Museum ist ein Denkmal des Gründers und Ozeanologen zu besichtigen.
Monaco, das Manhattan des Mittelmeeres
Das ist schon wieder in Italien (Bordighera).
Wir waren schnell wieder aus Monaco heraus, zu schnell. Parken war ohne Gebühr unmöglich. Die Stadt brodelte nur so von Autos, Fußgängern, Polizisten und Hotel-Portiers, die ihre Gäste einwiesen oder auch selbst die Autos der Gäste wegbrachten bzw. holten. Service ist in Monaco allgegenwärtig, man muss nur das Geld dazu haben.
Die Steilküste hat relativ wenig Strände, dafür aber ganze Wälder mit afrikanischen Palmen.
12 Museum Monaco, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Monacomuseum.jpg Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Horizont-Begradigung/Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Bordighera > Autobahn nach Genua > Ovada > Alexandria > Vercelli > Gravellona > Pallanza am Lago Maggiore > Locarno (Schweiz) > San Bernardino > Viamala-Schlucht > Chur > Bregenz > Lindau > Gauting
Zwischen Bordighera und San Remo gibt es mehrere schmale Ressorts ähnlich Motels. Die kleinen Häuschen stehen direkt am Wasser, das Auto gleich dahinter. An der hochgelegenen Uferstraße SS1 übersieht man die Hinweisschilder schnell. Die Strände kann man von oben nicht einsehen. Die Abfahrt hinunter ist ein Abenteuer, vor allem die Kehren sind so eng, dass wir gestern mit unserem Scorpio Kombi Mühe hatten, die steilen Kurven zu schaffen. Es dunkelte schon, als wir auf dem losen Schotter den Berg hinab holperten.
Residence Baia La Ruota, Bordighera (43.79373, 7.69404)
Küste vor Ospedaletti (Richtung San Remo)
Gleich hinter den Häuschen verläuft die Bahnlinie, die immer wieder im Uferhang verschwindet, wenn die Küste zu steil ist. Die Bahn hat uns aber nicht gestört. Die kleinen Hütten für bis zu 4 Personen sind mit Kochnische und Dusche ausgestattet. Highlight ist die Nähe zum Meer. Ich glaube, hier würden wir es auch länger aushalten. Der uns empfangende Platzwart und Kassierer in Einem war Deutscher, er arbeitet den ganzen Sommer bis in den späten Herbst hinein in Italien. Die wenigen Wintermonate macht er garnichts. Eigentlich nicht schlecht, so ein Job.
Ende September unter einem blühenden Baum bei Sonnenschein an einer Straße mit Meerblick zu rasten, ist nicht alltäglich. Ein paar Pfirsiche hatten wir noch, ansonsten war der Lebensmittelvorrat aufgebraucht. Das war zwar kein Grund, die Tour zu beenden, doch wir wollten sowieso nach Hause.
Ende September blühen die Bäume.
Küste zwischen Monaco und Bordighera
Die weitere Fahrt über Genua und an Mailand vorbei in Richtung Schweiz absolvierten wir Dank der Autobahnen recht zügig. Am wunderschön gelegenen Lago Maggiore ließ ich es mir nicht nehmen: Ich musste ins Wasser. Oben 30 Zentimeter warm und dann eiskalt. Bei 372 Meter Tiefe war das kein Wunder. Aber, ich kann wenigstens zu Hause erzählen, ich war im "Langen See" schwimmen.
Die Erfrischung und unsere letzte Brotzeit auf dieser Reise dauerte nicht lange, wir hatten noch viele Kilometer vor uns. Besonders schön ist der nördliche Teil des Sees mit den hohen Bergen ringsum.
Lago Maggiore, Grenze zwischen Italien und der Schweiz
Schweiz, Richtung San Bernardino Pass
Die Landstraße führt direkt durch San Bernardino.
Schweiz, Richtung San Bernardino
San Bernardino, umgeben von Bergen
Wegen Sperre des Bernardino-Tunnels war die Fahrt durch die Berge schöner als gedacht. Die Schweiz ist wirklich ein Traumland, vor allem im Sommer. Der 2066 Meter hohe San-Bernardino-Pass ist die Sprachgrenze zwischen Deutsch und Italienisch. Im 15. Jahrhundert wurde zu Ehren des Heiligen Bernhardin von Siena eine Kapelle gebaut und so bekam der historisch Mons avium (Vogelberg) genannte Pass den Namen Bernhardinpass, heute San-Bernardino-Pass.
Da der Pass relativ leicht zu bewältigen war, nutzten ihn schon die Römer. Teilweise ist der alte Passweg noch erhalten. Der Verlauf der heutigen Landstraße orientiert sich am Wegverlauf von 1770, allerdings teilweise begradigt. Der San-Bernardino-Tunnel, durch den wir zu Beginn unserer Reise in Nord-Süd-Richtung gefahren waren, ist erst ab Januar 1968 im großen Umfang für den Verkehr freigegeben worden. Der fast 7 Kilometer lange Tunnel schont Natur und Umwelt an der alten Straße.
Heute (in 2017) ist der Tunnel mit dem Erstbau nicht mehr vergleichbar. Die 1991 begonnenen Restaurierungs-, Umbau- und Erweiterungsarbeiten wurden in 2006 abgeschlossen. Dazu gehört auch ein separater Flucht- und Rettungsstollen.
Schweiz
Schweiz
Schweiz
Schweiz
Schweiz
Schweiz
Der Zufall wollte es, dass wir wegen einer Straßensperrung durch die Viamala-Schlucht kamen. Noch nie etwas davon gehört hielten wir an dem Häuschen, um zu erkunden, was es hier wohl geben würde. Der Einstieg war gerade noch möglich, später hätten wir nicht kommen dürfen. Die Treppen in die Tiefe schienen kein Ende zu nehmen. Das direkte Sonnenlicht war schon lange weg. Schummrig und fast schon gruselig empfingen uns die schwarzen Schieferwände mit den vom Wasser ausgehöhlten Wirbellöchern.
Es ist schon unheimlich zu sehen, was die Wasser des Rheins hier geschaffen haben. Noch interessanter ist der Ort, wenn man sich mit der Geschichte um die Viamala beschäftigt.
Die eigentliche Viamala-Schlucht beginnt nach den letzten Häusern von Unterrongellen und endet 2,5 Kilometer weiter unten bei der dritten südlichsten Viamala-Brücke. Dabei steigen die Hänge bis zu 900 Meter an. Das Wasser des Rheins mehrend stürzen sich zahlreiche Wildbäche in Richtung Viamala und helfen so zusätzlich mit, das Schluchten-Design zu verändern.
Urkundlich ist belegt, dass es schon 1219 einen Weg durch die Viamala von der Kapelle St. Ambrosius aufwärts bis nach Splügen gab. Die Kapelle stand etwa 100 Meter oberhalb der zweiten Brücke am südlichen Ende des Engpasses. Doch Transporte für den Markt in Thusis bzw. Splügen mussten noch zu Fuß durchgeführt werden. Erst im Jahre 1473 wurde der Weg so ausgebaut, dass zumindest auch einachsige Karren benutzt werden konnten.
1793 wurde eine neue Trasse eingeweiht, die durch den Bau der "hohen" Brücke möglich wurde. Bereits 1818 bis 1823 wurden die Zugänge nördlich und südlich der Hauptschlucht geändert. Die Straße über Oberrongellen nach Thusis wurde geschlossen. Stattdessen wurde dank der zwischenzeitlich entwickelten Sprengtechnik die San-Bernardino-Straße gebaut, die auf direktem Wege per Tunnel durch die Schlucht folgt. Auch der südliche Ausgang der Schlucht wurde stark verändert und längere Strecken wurden in den Fels gesprengt.
Den Hauptstrom des heutigen Verkehrs nimmt aber die Umgehung der Viamala-Schlucht in Form der Nationalstraße A13 auf. Dazu führt die A13 durch einen Tunnel und künstliche Stützen am Fels an der Schlucht vorbei, so dass der Reisende garnicht mehr mit diesem grandiosen Rheineinschnitt in Berührung kommt.
Eingang zur Viamala-Schlucht, direkt an der Landstraße
Via Mala, von Johann Ludwig Bleuler, um 1825 13
(© Gemeinfrei, Public domain)
13 Via Mala 1825. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Via_Mala_1825.jpg (Kostbarkeiten aus den Sammlungen des Rätischen Museums, Chur),
Zuschnitt: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos: Frei von bekannten Beschränkungen durch das Urheberrecht (lt. Wikipedia-Quelle)
Felsschluchten und Klammen sind zu Recht oft besuchte Touristenattraktionen. Jeder vom Wasser durchflutete Felsspalt und jede vom Wasser überflutete Schwelle mit anschließender Leere vor dem tiefen Grund zieht die Menschen magisch an, teils neugierig und staunend, teil schaudernd und ängstlich vor der Naturgewalt der Elemente. Ganz besonders trifft das für die Viamala zu.
Steht man auf einer der atemberaubend luftigen Brücken oder auf der Galerie zwischen den schroffen Wänden und schaut man hinunter in die tosenden Wirbel des Rheins, glaubt man nicht, dass Wasser dermaßen kraftvoll den Fels so bearbeiten kann, dass wahre Kunstwerke entstehen.
Der an sich klare Alpenfluss schmeichelt bei Niedrigwasser dem Stein und beide vertragen sich. Doch wehe der Strom schwillt zum Mittel- oder Hochwasser an, weil er keinen Platz mehr in der schmalen Rinne hat. Mit voller Wucht schleudert der dann stark getrübte Fluss sein Geschiebe, Steine, Sand und anderes Geröll gegen den Fels und seine sonst friedliche Eintracht mit dem schmalen Bett ist dahin.
Brüllend, gurgelnd, zischend und rauschend schreit dann der Fluss durch die Schlucht. Dem Stein bleibt nichts anderes übrig, als im Laufe der Zeit nachzugeben. Schicht für Schicht trägt das Wasser den Stein ab, nagt und schleift und formt seinen Weg, um mit möglichst wenig Widerstand ins Tal zu stürzen. Es entstehen Wirbel- und Strudeltöpfe, muschelartige Aushöhlungen, sich spiralförmig einbohrende Rinnen und spiegelglatt geschliffene Wände und Hohlformen.
Dabei schwillt der sonst nur einen Meter tiefe Fluss in der Schluchtenge bis zu 25 Meter an. Besuchergalerie und Treppen werden überschwemmt. Natürlich ist dann jeglicher Besucherverkehr gesperrt.
Vom Bahnhof in Thusis kann man bald abseits der Straße über Hohen Rätien und Traversinertobel auf einem Wanderweg durch die Viamala laufen. Man muss nur der Ausschilderung "Kulturraum Viamala" folgen. Die Wanderzeit bis Viamala beträgt maximal 3 Stunden.
Zuerst geht der Weg entlang der alten Landstraße bis hinauf zum Verlorenen Loch. Dann kommt man auf die andere Seite der Schlucht. An der engsten Stelle ist der Einstieg zu einem einstündigen Rundgang durch die Schlucht. Über die Wildener Brücken führt der Weg dann fast bis ganz hinunter zum blaugrünen Hinterrhein. Danach geht es wieder über die Suransuns-Brücke auf die andere Seite. Dann folgt der Aufstieg zum malerisch gelegenen Reischen und der Abstieg nach Zillis.
Brücken über die Viamala-Schlucht
Strudeltopf, in Jahrtausenden vom Wasser geformt
Grund der Viamala-Schlucht mit dem blaugrünen Rhein
Die Steilheit, Unwegsamkeit und Tiefe der Viamala verbunden mit Wetterkapriolen der schlimmsten Art hat in der Vergangenheit viele Opfer gefordert. Allein zwischen 1913 und 1963 haben 9 Menschen ihr Leben verloren, 4 davon durch Selbstmord und 5 durch Unfall. Auch in den alten Chroniken sind schauerliche Geschichten zu finden. Das fängt an bei vollbesetzten Wagen, die in die Tiefe mitsamt der durchgegangenen Pferde stürzten, und hört auf bei im Unwetter hinabrutschenden Hütten, die samt Bewohner nie mehr gefunden worden sind. Auch von Mordtaten wird berichtet.
Jedes Frühjahr ist der Teufel los. Ab und zu stürzen große schwarze Schieferplatten mit Gepolter in die Tiefe und schlagen dumpf im unsichtbaren Nichts auf. Ursache ist der Frost, der den Schiefer spaltet. Dem Leben Entfliehende muss das Einladung gewesen sein, es dem Schiefer gleich zu tun. Es wird auch von Liebenden berichtet, die ihre ewige Verbindung im Abgrund suchten.
Dem bei Niedrigwasser leicht gurgelndem Rheinbach zwischen den steilen Wänden traut man nicht zu, solche Naturkräfte und menschliche Abgründe entfalten zu können.
Eine Geschichte lässt bis in die heutige Zeit die Fantasie der Besucher entflammen. Im Jahre 1800 bei grimmiger Kälte und massenhaftem Schnee musste ein französisches Heer von 15 Tausend Mann von Chur kommend die Viamala überwinden. Sie verschlang einen Teil von Mannschaft, Tross und Waffengerät. Besonders ärgerlich war, dass ein Pferd mit der vollen Kriegskasse in die Schlucht abrutschte. Ein Felsvorsprung hielt das Ross auf. Eine Bergung der Kasse schien nahezu unmöglich. Fünf mutige Männer versuchten wegen der ausgesetzten Belohnung das Geld zu bergen, alle fünf fanden den Tod. Schließlich stürzten Pferd und Kassette vollends in die Tiefe, so dass man jegliche Suche und Bergung aufgeben musste.
Die ständige Feuchtigkeit lässt Moose wachsen.
Die goldenen Münzen sollen noch heute auf dem Grund des Rheins in einer der unzugänglichen Gletschermühlen liegen. Es wäre zu schön, solch einen Schatz finden und heben zu können.
Die Schlucht ist auch für Normal-Touristen begehbar.
Blau reflektiert das Rheinwasser das spärliche Licht.
Der Aufstieg ist mühsamer als der Abstieg.
Auf der Heimfahrt strömten mir viele Gedanken durch den Kopf. War das die Art zu reisen, die ich mir wünschte? Schon damals hatte ich das Gefühl, Hotels und belebte Strände und Shopping-Miles nehmen mir die Luft. Oder war alles nur Einbildung? Hatte ich mehr erwartet von der neuen Freiheit – ohne staatliche Beobachtung, wie wir sie zu DDR-Zeiten selbst in Ungarn erleben mussten.
Ich weiß, Freiheit ist nicht nur durch administrative Einschränkungen beschnitten, sondern auch durch die eigene Einstellung zu den unvermeidlichen Notwendigkeiten des menschlichen Miteinanders. Doch wenn man sich auch dort Freiheiten schaffen kann, indem man einfach solchen Einschränkungen aus dem Weg geht, ist das doch legitim, oder?
Bei Reisen in späteren Jahren wurde mir bestätigt, dass Unabhängigkeit ein hohes Gut ist, vor allem, wenn die Verbindung zur Natur dazukommt. Freilich ist es so, dass man bei naturnahen Trips (Wandern, Zelt, Meer, Himmelsdach als Schlafdecke usw.) manche Notwendigkeit anerkennen muss. Aber wie heißt es so schön: Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit. Somit hängt also der Grad der Freiheit (sofern man Freiheit überhaupt graduell beurteilen darf) vom Grad der Einsichten ab.
Der blauschwarze Schiefer spielt mit dem Dämmerlicht.
Auf Wiedersehen Viamala!
Fahrt nach Hause über Chur, Bregenz und Memmingen.
Niemand hält mich aber davon ab, die eine Notwendigkeit nicht einzusehen und die andere doch. Maßgebend dabei ist, die Freiheit des Anderen nicht zu beschneiden. Nur so kann man dem nahe kommen, was als Glück bezeichnet wird. Einfluss nehmende unglückliche Menschen im eigenen Umfeld sind die schärfste Waffe im empfindlichen Fleisch der eigenen Glückseligkeit. Freiheit des Anderen beschneiden heißt immer, auch die eigene Freiheit zu reduzieren. Das gilt für beide Seiten.
Gegen 23 Uhr kamen wir zu Hause an, zwar etwas ärmer im Geldbeutel, dafür aber reicher an mancher Erfahrung. Dafür hat es sich gelohnt!