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Dune du Pilat
Mont-Saint-Michel
© 2022 Peter E. Burkhardt. Alle Rechte vorbehalten, außer gekennzeichnete Werke. Ausgabe Web. Hinweise bitte an www.pegons-web.de/Aktuelles
Chemnitz > Weiden > Regensburg > Gewerbegebiet Degernpoint in Moosburg an der Isar, Hausler-Getränke (48.46973, 11.96327) > Rastanlage Vaterstetten West (AB Münchner Ring Ri Salzburg) > Augsburg > Ulm > Stuttgart > Pforzheim
Die Überschrift täuscht, ein richtiges Reiseziel hatte ich nicht. Fakt ist nur, am Mittwoch hatte ich mit R. telefoniert. Seine Einladung zum Grillen nahm ich gerne an, der Süden stand sowieso noch auf meiner Tagesordnung. Pforzheim bringt mich Spanien schon etwas näher, so dachte ich. Die Strecke quer durch Frankreich kannte ich zwar, aber das sollte mich nicht davon abhalten, wieder über Bayonne nach Spanien zu fahren.
Diesmal wollte ich im Norden Spaniens möglichst in Küstennähe bis nach Santiago de Compostela und dann weiter bis zum "Ende der Welt", nach Fisterra, fahren. Dort hatte ich im Jahr 2009 schon einmal die Mystik des Jakobsweges erleben dürfen. Nun zogen mich die Kathedrale in Santiago und das Ende der Welt wieder an.
Ich würde dabei durch die Berge von Cantabrien und Asturien fahren sowie die Städte Bilbao, Santander, Oviedo und La Corunia streifen. In dieser Gegend war ich noch nie.
Zwar war es schon reichlich spät für diese Reise. Schließlich hatten wir schon die vierte Septemberwoche. Bald würde es auch in Spanien ab und zu regnen. Von Chemnitz über Pforzheim bis Bayonne an der spanischen Grenze wären es rund 1700 Kilometer gewesen, dann nochmals 820 Kilometer bis an den westlichsten Punkt Spaniens am Atlantik. Allerdings müsste ich bis zum 17. Oktober wieder zu Hause sein, den wichtigen MRT-Termin am 18. durfte ich keinesfalls verpassen. Ich ahnte schon, es wird knapp. Dass dann wieder einmal alles ganz anders wurde, wusste ich noch nicht.
Das Auto war wie immer fast voll, Matratze mit Schlafsack, Zelt, Wanderklamotten, Rucksäcke, Campingstuhl, Verpflegung und normale Kleidung nahmen viel Platz weg, zumal der Dacia Kombi doch etwas schmaler als der frühere Omega Caravan ist. Da ich aber allein reiste, blieb für die Nächte im Auto noch genug Freiraum. Die Rückenlehne der hinteren Sitze hatte ich diesmal nicht im Keller verstaut, sondern nur umgeklappt. Auch die hinteren Kopfstützen lagen im Fußraum. Später sollte sich herausstellen, wie vorteilhaft das ist.
Die Kathedrale in Santiago de Compostela im Jahr 2009.
Ich wollte sie wiedersehen und Jakob um Hoffnung bitten.
Ende des Jakobsweges am "Ende der Welt" am Kap Finisterre. Von Santiago bis hierher sind es nochmals rund 80 km, ein Muss für jeden ernsthaften Pilger. (Foto 2009)
Kilometer Null, Ende der Reise und Neubeginn zugleich. Kein Weg endet wirklich. Wäre dem so, gäbe es keine Hoffnung. Und nur sie trägt uns fort von Ausweglosigkeit und Verzweiflung. (Foto 2009)
Dieser Weg ist getan, der neue beginnt mit Zuversicht. Wir sind immer auf einem Weg, der Ziel ist und nicht endet. Wer glaubt, den Weg nur zu (be)treten, um ein Ziel zu erreichen, übersieht die Blumen am Wegrand und ist oft enttäuscht bei der vermeintlichen Ankunft. Alles ist im Fluss.
Jedenfalls holte ich wie geplant das Kuchlbauer Weißbier (Alte Liebe), diese bayerische Spezial-Sorte gibt es in Sachsen nicht. Von der Autobahn bis zum Getränkehändler im Gewerbegebiet Degernpoint (Moosburg) ist es nur ein Katzensprung.
Kurz vor dem Münchner Ring wollten die Beiden aussteigen, da ich weiter Richtung Stuttgart fahren musste. Doch der Parkplatz war wenig frequentiert, sie meinte nur: "Hier kommen wir nie weg.". Eine gewisse Erfahrung hatten die Beiden beim Trampen. Sie wussten genau, wo die meisten Chancen für eine Weiterfahrt bestehen. Schon im Vorjahr waren sie gemeinsam in Slowenien, auch nur eine Woche, um sich dort mit Freunden zu treffen und um zu klettern. Alles ohne öffentliche Verkehrsmittel und mit sehr wenig Geld. Ich hätte nicht gedacht, dass dies in der heutigen Zeit noch möglich ist. Vor 50 Jahren war die Tramperei noch üblich, aber heute? Jedenfalls sah ich eine gewisse Ratlosigkeit in ihren Augen. Mein Angebot, sie bis zur Autobahnraststätte Vaterstetten zu fahren, nahmen die Beiden dankbar an. Für mich bedeutete dies allerdings, ich musste Richtung Salzburg fahren. Österreich war zwar für die Beiden das nächste Ziel, für mich aber nicht.
Auf dem Rastplatz Vaterstetten war viel Betrieb. Noch als ich nach einem Bedürfnis zurück zum Auto kam, sah ich das Mädel mit einem LKW-Fahrer verhandeln. Für mich bestand kein Zweifel, die beiden Tramper würden von hier aus vielleicht noch ihr heutiges Ziel, Salzburg, erreichen. Übrigens berichteten sie mir, mit Zelt sei es kein Problem, unterwegs zu sein. Notfalls muss eben ein Park als Zeltplatz herhalten. Sie hatten darin Erfahrung. Mir gefällt das.
Aldi, Geldautomat und Tankstelle waren schnell erledigt. Kurz nach 10 strebte ich der Autobahn zu, diesmal allerdings mitten durch Chemnitz Richtung Auffahrt Süd. Auf der Zwickauer Straße bekam ich Zuwachs. Zwei Tramper standen an einer Bushaltestelle mit Schild "München". Das war zwar genau meine Richtung, aber normalerweise lasse ich niemand ins Auto. So fuhr ich auch dieses Mal an den beiden vorbei ohne anzuhalten, aber betont langsam, um zu sehen, was das für Typen sind. Ein junger Mann und eine noch jüngere Frau, zwei riesengroße Rucksäcke und Taschen, ordentlich gekleidet, vielleicht Studenten, dachte ich.
Mich ritt der Teufel, so sagt man doch, wenn man Dinge tut, die man sonst nie tut. Vielleicht sollte ich etwas Gutes tun, den beiden und auch mir. Schließlich hatte ich eine lange Fahrt vor mir und etwas Unterhaltung wäre deshalb nicht schlecht. In Aufbruchstimmung und Abenteuerlaune war ich sowieso.
An der nächsten Wendemöglichkeit fuhr ich zurück, jetzt mit der Befürchtung, sie könnten schon weg sein. Aber nein, sie standen noch brav da, er mit dem Schild vor der Brust und sie etwas abseits, die Rucksäcke noch weiter weg. Man muss ja nicht gleich zeigen, was da alles mit soll.
Es dauerte ein Weilchen, bis alles verstaut war. Zum Glück kam kein Bus. Vor allem musste erst die Rückwand wieder montiert und wenigstens ein hinterer Sitz freigemacht werden. Nun war das Auto wirklich voll. Das Mädel saß etwas eingezwängt hinten rechts, der recht große Kerl neben mir. Hinten stapelte sich allerlei Gepäck. Im Stillen machte ich mir Gedanken, wo der Kasten Bier noch hin sollte, den ich für R. in Bayern mitnehmen wollte.
Meine Vermutung war richtig. Hatte ich doch zwei Studenten der Chemnitzer Uni aufgegabelt, die für eine Woche nach Slowenien wollten. Insgeheim war ich froh, es hätten ja auch Leute mit schlechtem Background sein können. Meine Menschenkenntnis und mein Vertrauensvorschuss wurden nicht enttäuscht. Die Fahrt wurde die kurzweiligste, die ich je von Chemnitz nach München hatte. Sie erzählten mir viel, ich erzählte von meinen Reisen, fragte auch viel, selbst die Politik kam nicht zu kurz.
Da dies hier der Bericht fürs Web ist, unterbleiben weitergehende Informationen.
Wieder allein dachte ich noch lange über unsere Gespräche nach. Immer wieder wird einem bewusst, wie wertvoll der Gedankenaustausch mit anderen Menschen ist. Keinesfalls bereute ich, die Beiden mitgenommen zu haben.
Von Vaterstetten musste ich in Richtung Salzburg fahren ehe die Möglichkeit bestand, in der Gegenrichtung meinem eigentlichen Ziel näher zu kommen. Erst 17.20 Uhr erreichte ich die Autobahn Richtung Stuttgart. Nach dem stockenden Verkehr auf dem Münchner Ring hatte ich nun freie Fahrt. Die Autobahn ist jetzt durchgängig dreispurig. Nach jahrelangem Ausbau hat man es also tatsächlich geschafft, auch in Westrichtung von München aus dem ständig steigenden Verkehr Rechnung zu tragen. Es war manchmal eine Katastrophe, vor allem von München bis Augsburg wegen der vielen Pendler.
Nach dem Navi müsste meine Ankunft in Pforzheim um 19.15 Uhr sein, zeitig genug, um noch gepflegt zu Abend speisen zu können. Auf R. und M. freute ich mich, und natürlich auf das Grill-Wochenende. Da der Wetterbericht Sonne versprach (so wie heute), konnte eigentlich nichts mehr schief gehen.
An dieser Stelle füge ich ein paar Pforzheimer Impressionen vom August 2016 ein, gewissermaßen als Ersatz für die Erlebnisse vom Samstag und Sonntag, die nur dem privaten Zugriff vorbehalten sind.
Der Wallberg in Pforzheim war früher als natürlicher Berg wesentlich niedriger. Durch Aufschüttung in den 50iger Jahren mit Millionen von Tonnen Kriegstrümmern und Bauschutt stieg seine Höhe auf 417 Meter an. In den Jahren 1966 und 1967 wurde dem Berg eine ordentliche Form gegeben, mit der Voraussicht, den Berg wieder einer vernünftigen Verwendung zuzuführen. Den krönenden Abschluss der Sanierung bildete die Einweihung zum "Mahnmal Wallberg" im Februar 2005. Damit wurde ein würdiges Denkmal zum Gedächtnis an die vielen Toten des fast völlig ausradierten Pforzheim durch die britischen Bomber geschaffen.
Mächtige Stelen aus nichtrostendem gebürsteten Stahl fordern sofort die ganze Aufmerksamkeit des Besuchers, wenn er die Bergspitze erreicht. Man wird förmlich angezogen, um die Schrifttafeln zu lesen. Darauf ist die Entstehung des Mahnmals geschildert, einige Fakten zur Bedeutung und auch die vielen Namen der Spender.
Der Wallberg (48.89572, 8.66821) in Pforzheim (2016)
Seit 2005 ist der Wallberg auch Mahnmal an Kriegsopfer.
370 m Berghöhe versprechen eine gute Rundumsicht.
Erster Eindruck: Mächtige Stelen fordern Aufmerksamkeit.
Auf einer der Tafeln wird auf den britischen Dresden-Trust verwiesen, der vor allem den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche gefördert hat. Darüber hinaus wurde von ihm auch das Projekt des Wallberg-Mahnmals unterstützt.
Der britische Dresden-Trust, der den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche zum Gedächtnis der Opfer der im Zweiten Weltkrieg in Europa stattgefundenen Luftangriffe fördert, unterstützt die Errichtung dieses Mahnmals und schreibt:
"In Demut vor Gott drücken wir unser tiefstes Bedauern aus, dass durch britische Kriegshandlung am 23. Februar 1945 so viele Menschem ums Leben kamen und das alte Pforzheim dabei völlig ausradiert wurde. Ebenso wie die Dresdner Frauenkirche symbolisieren diese Stelen unseren festen und gemeinsamen Willen, alle Opfer zu ehren und alles in unserer Kraft Stehende zu tun, um eine humanere Welt zu schaffen. Wir mahnen mit und entbieten die Hand der Freundschaft. Mögen wir auch mit dem Herzen aufeinander zugehen und uns Gottes Segen zu immer besserer Verständigung gewiss sein."
Die Kirchenglocken in Coventry/England und Pforzheim läuten am 14. November und am 23. Februar jeden Jahres an den Tagen der jeweiligen Stadtzerstörung als Zeichen der Versöhnung.
Mich erinnerte dieser Text sofort an die Ruine der Dresdner Frauenkirche, die zwar aus Kostengründen zu DDR-Zeiten weder verschwand noch als Grundlage für einen Kirchen-Neubau diente. Die Ruine gehörte einfach zum Stadtbild und erinnerte so an die schreckliche Bombennacht am 13. Februar 1945, in der die alliierten Bomber Dresden in ein einziges Flammenmeer verwandelten. Nur 10 Tage später traf es Pforzheim.
Die Stelen tragen Tafeln zur Entstehung des Wallberges.
Eine der Stelen-Tafeln, Originaltext des oberen Teils:
"Natürliche Höhe des Berges: 378 Meter.
1952 bis 1966 Aufschüttung des Wallbergs mit ca. 1,65 Millionen cbm Trümmern und Bauschutt auf 417,5 Meter.
Februar 1988 Anbringung einer Gedenktafel.
1966 bis 1967 Land-Art-Modellierung der Kuppe zum mahnenden Gedenken an den Luftangriff vom 23. Februar 1945. Februar 2005 Errichtung Mahnmal Wallberg."
Die neue Dresdner Frauenkirche nach 11 Jahren Bauzeit, geweiht am 30. Oktober 2005 (Foto 2006)
Der Bestand der Ruine war ein Glücksfall. Nach der Wende entstand in jahrelanger Bautätigkeit und mit weltweiter finanzieller Unterstützung die Frauenkirche neu, nach rekonstruierten Bauunterlagen originalgetreu und schöner denn je.
Originaltext einer weiteren großen Kupfertafel:
"Trümmerberg, 23. Februar 1945
Dieser künstliche Berg entstand auf dem Wallberg aus Trümmern Pforzheims. Er erinnert an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges, besonders an den 23. Februar 1945. In weniger als 20 Minuten wurde die Stadt fast völlig zerstört. Mehr als 18.000 Menschen fanden den Tod.
Der totale Krieg – vom nationalsozialistischen Deutschland entfacht – richtete sich nun auch gegen unsere Stadt."
Aber nicht nur der historische Bezug der Gedenkstätte ist interessant. Vom Wallberg aus hat man einen herrlichen Rundumblick auf Pforzheim und das Umland. Es lohnt sich, an einem schönen Tag die kleine Wanderung zu machen und somit auch etwas für die eigene Gesundheit zu tun.
Es gibt eine Parkmöglichkeit ca. 300 Meter unterhalb der Bergkuppe direkt an der Straße "Auf der Wanne". Die Zufahrt erfolgt von der Wallbergallee aus über die Kuppenheimstraße. Wer zu Fuß ist, erreicht vom Bahnhof Pforzheim aus den Wallberg nach 3,5 Kilometern. Der Wanderweg führt teilweise durch steiles Gelände, aber auch durch erholsamen Wald.
Pforzheim Gewerbegebiet Wilferdinger Höhe
Pforzheim, südlich vom Gewerbegebiet Wilferdinger Höhe
Pforzheim Zentrum
Bahnhof Durlacher Straße, hinten der Hauptbahnhof
Pforzheim Gewerbegebiet und Einkaufszentrum
Gewerbegebiet Wilferdinger Höhe (südwestlicher Rand)
Pforzheim Zentrum
Christuskirche mit Pfarrhaus in Brötzingen (rechts)
Besonders beliebt und auch für Fotos bzw. Videos lohnenswert ist der Wallberg zu Silvester. Das sich bietende Feuerwerk über der Stadt ist atemberaubend. Zeitiges Kommen sichert den besten Platz.
Nordstadt, im Hintergrund der Wartberg (Mitte)
Blick vom Fuße des Wallbergs (Auf der Wanne)
Pforzheimer Wasserturm auf dem Wartberg (Nordstadt)
Sparkassenturm (rechts), Bezirksamtsturm (Mitte)
Der Wallberg ist auch geschichtlich interessant. Der Südhang bot schon zur Zeit der alten Römer hervorragende Bedingungen für den Weinanbau. Später wurde der Muschelkalkboden auch in Steinbrüchen genutzt. Früher gab es für Spaziergänger und Naturfreunde auf der Kuppe ein Lokal.
Damals wie heute war der Wallberg ein Erholungsgebiet und Aussichtspunkt. Die Zeit vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis 1967 war nur ein böses Zwischenspiel. So wie in vielen anderen deutschen Städten musste auch in Pforzheim ein Platz für die Trümmer gefunden werden. München, Stuttgart und Augsburg hatten noch höhere Schuttberge aufgetürmt. Der Ausbau zur Gedenkstätte ist wichtiger Baustein zur Bewältigung der deutschen Geschichte und mahnt uns, diese düstere Zeit nicht zu vergessen.
Nach dem gemeisamen obligatorischen Samstag-Einkauf mit R. und M. verbrachten wir fast die ganze restliche Zeit des Wochenendes im Garten, mit Familie. Das Bier hat wie immer geschmeckt, ich kann die "Alte Liebe" nur empfehlen. Standesgemäß hat auch das Wetter mitgespielt, Samstag und Sonntag. Schön wäre es, wenn es so bliebe. Leider war der Mann vom Wetterbericht anderer Meinung. Am Montag sollte ein Tief vom Westen kommen, genau dort wollte ich hin.
Nun musste ich mich langsam entscheiden, wo die Reise hingehen sollte. Es kam, wie es kommen musste: Mein vorerst neues Ziel war die Düne von Pilat (Dune du Pilat) südwestlich von Bordeaux. Diese Düne ist riesengroß und kann begangen werden, für mich genau das Richtige. Ich würde dort wandern gehen, das Meer genießen und den Sonnenuntergang mittels Video festhalten. So waren jedenfalls die Empfehlungen lt. Internet. Entsprechend Recherche sollten es von Pforzheim bis zum Zeltplatz an der Düne ca. 1330 Kilometer sein. Dort könnte ich mir dann das nächste Ziel ausdenken. So war mein neuer Plan.
Pforzheim > Ettlingen > Offenburg > A36 Mulhouse > D83 Belfort > D683 Besançon (Stadtdurchfahrt) > D673 Dole > D673 > N73 S-Umfahrg. Chalon sur Saone > N80 > N70 > N79 S-Umfahrg. Digoin > N7 > D707 Moulins, F1-Hotel
Montag früh 10.15 Uhr Abfahrt in Pforzheim, blauer Himmel, starker Westwind, 2 Baustellen, noch kein Ziel im Navi und der Tank war auch fast leer. Ich brauchte fast 30 Minuten durch die Innenstadt. An der Jet-Tankstelle kurz vor der AB-Auffahrt Wilferdinger Höhe löste ich einen Teil meiner Probleme: Tanken, Toilette und die Zieleingabe. In Bordeaux gibt es nicht nur im Osten, sondern auch an der Westumfahrung ein F1-Hotel. Das liegt näher an der Düne. So würde ich früh entspannt zum Atlantik fahren können, ohne mir schon wieder Gedanken um die nächste Nacht machen zu müssen.
Das Navi zeigte 1020 Kilometer bis zum F1-Hotel Bordeaux-West. Da es erfahrungsgemäß unwahrscheinlich war, es an einem Tag auf mautfreien Straßen bis dorthin zu schaffen, plante ich einen Zwischenstopp im F1-Hotel in Moulins ein. Dort hatte ich schon auf meiner Portugal-Reise in 2015 übernachtet.
Die Fahrt führte auf der deutschen Seite über Ettlingen, Offenburg und dann in Richtung Mulhouse (Mülhausen) in Frankreich. Kurz nach der nicht sofort erkennbaren Grenze ging garnichts mehr, Stau, Geschwindigkeitsbegrenzung auf 10 km/h, Radar und andere Polizei-Überwachung am Autobahnrand der A36. Vor mir hatten drei deutsche Motorradfahrer Mühe, sich bei der langsamen Fahrt auf den schweren Maschinen zu halten. Was war los? Nach etwa zwei Kilometern hätte man denken können, die gesamte französische Polizei der Region macht einen Ausflug. Schwer bewaffnete Leute eines Einsatzkommandos in mir nicht bekannter Uniform (ähnlich dem SEK in Deutschland) fischten verschiedene Autos aus dem Stau und leiteten sie auf einen großen Parkplatz. Ich habe 9 Polizeiautos gezählt. Zwei der drei Motorradfahrer hatten Pech und wurden ebenfalls zur Kontrollstelle dirigiert. Vielleicht hatten dem Polizisten die Sturzhelme im Stahlhelm-Look nicht gefallen. Aus Solidarität fuhr der dritte einfach hinterher. Der hatte einen normalen Sturzhelm auf. Ich selbst blieb verschont. Man muss mir angesehen haben, dass ich Sachse und brav bin.
In Pforzheim war noch blauer Himmel, aber windig.
Auf dem Weg zum Stadtzentrum
Innenstadt von Pforzheim
Zum großen Teil ist Pforzheim gut begrünt.
Nach dem Parkplatz war der Spuk vorbei. Wahrscheinlich hing die ganze Geschichte mit der anhaltenden Terrorbedrohung in Frankreich zusammen. Seit den Anschlägen in Paris im November 2015 war immer noch Ausnahmezustand. Im weiteren Verlauf meiner Reise sollte ich noch mehrmals mit der besonders angespannten Lage in Frankreich konfrontiert werden.
Inzwischen schien die Sonne wieder, es hatte einen Schauer gegeben. Nach der kleinen Aufregung wollte und musste ich eine Pause machen, die am Samstag gekauften Weintrauben lagen auch noch im Kofferraum. Ein weiterer Parkplatz war zwar nicht in Sicht, doch das Navi führte mich kurz nach Mulhouse aufgrund der beginnenden Maut-Autobahn auf eine Landstraße. Meine Pause war gerettet. Sogar Tische und Bänke hatte man für mich hingestellt, dahinter ein kleiner Wald. Inzwischen zeigte die Uhr 13.40.
Die Fahrt war trotz der Landstraßen angenehm. Wie schon in anderen Berichten geschildert sind französische Landstraßen allgemein im guten Zustand und oft 2-spurig pro Fahrtrichtung. Vor allem die Parkmöglichkeiten sind besser als in Deutschland. Natürlich hat das mautfreie Fahren seine Konsequenzen. Nicht immer ist eine Stadtumfahrung da. In Besançon z.B. bin ich voll im Berufsverkehr durch das Zentrum geleitet worden, dem Navi sei Dank.
Lange Zeit fährt man auf der gut ausgebauten N70/E607, dann auf der N79/E62, teilweise ähnlich einer Autobahn. Natürlich wird überall gebaut und dann ist unvermeidlich auch Staugefahr, aber allgemein bin ich recht entspannt bis nach Moulins gekommen.
Im Hotel checkte ich 20 Uhr ein. Ich wusste, was mich in der aufs Nötigste beschränkten Unterkunft erwartet. Mit 33,40 Euro war der Preis gegenüber 2015 leicht gestiegen, natürlich wie immer ohne Frühstück. Entschädigt wurde ich aber vom diesmal sehr freundlichen Empfang.
Die junge Französin sprach gutes Englisch (soweit ich dies beurteilen kann) und begleitete mich sogar bis zu meinem Zimmer. Das ist in F1-Hotels nicht üblich. Beim Holen des Gepäcks tat mir die Vertrautheit der Umgebung gut. Es ist schon bemerkenswert, dass man sich besser und vor allem auch sicherer fühlt, wenn einem das Umfeld bekannt ist. Dabei muss die Sicherheit objektiv garnicht vorhanden sein. Wie üblich stand das Auto im abgesperrten Terrain. Nachts ist das Tor geschlossen.
Adresse: HotelF1 Moulins Sud, ZI Michelet, Le Petit Godet, 03400 YZEURE France (46.53250, 3.34976)
Der Eingangsbereich, Frühstück im Freien ist möglich.
Es wird schon dunkel, hinten ist eine Bahnlinie.
Internet-Zugang und Fakten festhalten sind mir wichtig.
Im französischen F1-Hotelführer ist übrigens auch vermerkt, ob der Parkplatz des jeweiligen Hotels verschließbar ist. Leider war auch dieses Jahr kein Führer mit Navi-Daten zu bekommen.
Moulins (F1-Hotel Moulins Sud) > Montluçon > Guéret > Angoulême (A10) > A630 N-Umfahrg. Bordeaux > Bordeaux (F1-Hotel West) > A630 W-Umfahrg. Bordeaux > Ri Süden/Arcachon A63/A660 > Camping de la Dune
Den gestrigen Abend verbrachte ich, neben der nötigen Mahlzeit und Dusche, mit dem Checken meiner E-Mails und dem Aufschreiben der Reisefakten. Man kann sich ja nicht alles merken. Das ist ebenfalls einer der großen Vorzüge: F1-Hotels bieten schon sehr lange freien Zugang zum Internet.
Die Hotel-Anlage mit großzügigen Platzverhältnissen
Oben rechts war mein Zimmer, das Auto im Blick.
Eigentlich wollte ich früher aufbrechen. Wie so oft wurden gestern aus einer Computer-Stunde drei. Heute war ich erst 9.30 Uhr startklar, nach den letzten Fotos in der frühen Morgensonne. Vom Westen kam eine Wolkenwand. Ich konnte nur hoffen, dass der starke Wind den Regen verhindert.
Das Tor ist nachts verschlossen, ein Stück Sicherheit mehr.
Die Straße führt nach Moulins Zentrum, Richtung Norden.
Fast alle Gäste sind schon auf Tour. Kein Wunder: 9.30 Uhr
Geradeaus Moulins, rechts und links Gewerbepark
Bis zum nächsten F1-Hotel in Bordeaux-West sollten es nur 430 Kilometer sein. Demzufolge war keine Eile angesagt. Mit Verzögerungen hätte ich nur durch die Landstraßen und Ortsdurchfahrten rechnen müssen, da Mautstrecken nicht in Frage kommen. Die Sonne schien auch ab und zu wieder.
Aus welchen Gründen auch immer, meine Navi-Chefin befahl bei Ausfahrt vom F1-Hof: Biegen Sie rechts ab. Nun gut, dachte ich, dann eben rechts. Die Straße D707 führt zwar direkt in die Stadt Moulins, aber vielleicht ist das interessanter als der Weg zurück auf die N7, von der ich gekommen war.
Moulins ist Hauptstadt des Départements Allier. Die Altstadt, die im 15. Jahrhundert ihre Blütezeit hatte, liegt am rechten Ufer des Flusses Allier. Die linke Seite grenzte an Felder, Wiesen, Wald und Bauernhöfe. Erst später entwickelte sich dort ein Siedlungsgebiet mit dem heutigen Ortsteil La Madeleine. Beide Stadtteile sind mit der Pont Régemortes verbunden, weit und breit die einzige Brücke. Früher hauptsächlich nur Handels- und auch Pilgerweg ist heute die Brücke die Hauptverkehrsader zwischen dem östlichen und westlichen Allier-Ufer.
Meine Route führte ebenfalls über diese Brücke, von der man einen herrlichen Blick auf die Kirchtürme der Altstadt von Moulins hat. Bei richtigem Standort auf der Westseite der Allier sieht man nahe beieinander vier große Kirchturmspitzen. Es scheint, sie gehören zu einer einzigen Kirche. Doch das täuscht. In Wirklichkeit ist die Kathedrale Notre-Dame 660 Meter von der Kirche Sacré-Coeur entfernt (mit dem Auto). Die zwei helleren Türme im neugotischen Stil gehören zur "Notre-Dame de Moulins" aus dem 15. Jahrhundert. Sie erhielt 1949 von Papst Pius XII. den Titel einer päpstlichen Basilica minor. Die im spätgotischen Flamboyant-Stil errichtete Notre-Dame war auf dem Abrissgrund der romanischen Vorgängerkirche gebaut worden, da die Residenzstadt Moulins immer größer wurde. Die Notre-Dame ist seit 1817 Bischofskirche des Bistums Moulins.
Im weiteren Verlauf meiner Route kam ich durch die Gemeinde Souvigny, die um die 1900 Einwohner zählt. Durch den etwa zwölf Kilometer südwestlich von Moulins liegenden Ort führt der von Deutschland kommende Jakobsweg nach Santiago de Compostela.
Bedeutungsvoll ist die Klosterkirche Église Prieurale Saint-Pierre & Saint-Paul de Souvigny, einst geistiges und kulturelles Zentrum der Region. Die Kirche befindet sich mitten im Ort, nur etwa 150 Meter von der Durchgangsstraße D945 entfernt (46.53506, 3.19299).
Eine Besichtigung lohnt sich bestimmt. Leider war mir die Existenz trotz Info-Tafel am Ortseingang unbekannt. Man sollte sich eben doch besser vorbereiten und bestimmte Sehenswürdigkeiten in die Reise-Planung einbeziehen.
Moulins mit Kathedrale Notre-Dame (Türme links) und Kirche Sacré-Coeur (Türme rechts). Original: Vue depuis la rive gauche: Pont Règemortes, clochers du Sacré-Coeur, de la Cathédrale, et beffroi du Jacquemart (Urheber Alphanumeric, 2008, © nach CC BY-SA 4.0) 1
Straße D945 von Moulins über Coulandon nach Souvigny
Ortseingang Souvigny (von Moulins aus) mit Info-Tafel
Souvigny, kleiner Ort mit sehenswerter Klosterkirche
1 Moulins mit Kathedrale Notre-Dame und Kirche Sacré-Coeur, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Moulins_-_Perspective3.JPG, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Was gibt es Schöneres als bei Sonnenschein, milden Temperaturen, wenig befahrenen Landstraßen und mit dem Hochgefühl des Entdeckers quer durchs Land zu fahren? Abseits der Hauptverkehrswege erinnerte mich diese flache Landschaft mit den verstreut liegenden Bauernhöfen, den Viehweiden und den kleinen Äckern an die Umgebung in meiner Kindheit.
Die Landstraße D11 Richtung Montluçon ist wirklich empfehlenswert. Ab und zu sieht man auch ein Schild mit Übernachtungsangebot (Chambre), eine Urlaubsfahrt in dieser Region wäre also kein Problem, und zwar ohne Hotels.
Gegen 11 Uhr war ich wieder auf einer Autobahn und recht müde. Am liebsten hätte ich irgendwo halten und ein Nickerchen machen wollen. Die letzte Nacht im F1-Hotel war wohl doch zu kurz (oder der Computer-Abend zu lang). Das Navi sagte, noch 353 Kilometer bis zum Ziel.
Nun endlich, an der N145 ist eine Parkmöglichkeit. Es war inzwischen 12 Uhr geworden, Zeit zum Mittagessen. Der Parkplatz ist großzügig angelegt mit Bänken, Tischen, neben dem Toilettenhaus zusätzlich ein Info-Häusl, in dem man sich Videos über die Region anschauen kann. Separat von der PKW-Parkmöglichkeit existiert ein großer LKW-Parkplatz mit Wasserversorgung.
Alles sah relativ neu aus, bei der späteren Ausfahrt entdeckte ich die alte unbenutzte Toilettenanlage, die in den nächsten 30 Minuten meines Aufenthaltes noch eine besondere Rolle spielen sollte. Zunächst machte ich Brotzeit, mit frisch gebrühtem Instant-Kaffee, belegten Brötchen und dem Rest Weintrauben. Den Gaskocher wollte ich nicht erst anwerfen. Schon bei meiner Ankunft strich ein Mann mittleren Jahrgangs um das Toilettenhaus herum, mit einem Handtuch über der Schulter nach irgend jemand Ausschau haltend. Ein weiterer PKW war aber nicht zu sehen, der diesem Mann gehören könnte. Zwischendurch kam ein älteres Ehepaar, die aber bald wieder verschwanden. Abgesehen von den LKWs weiter oben war ich allein auf dem Platz.
Es ist pure Erholung, auf diesen Landstraßen zu fahren.
Kein Verkehr, ab und zu ein Bauernhof, die D11 mag ich.
Ein alter Sandbruch, der einzige Hügel in dieser Gegend.
Parkplatz an der N145, neu und recht ruhig.
Der Mann mit dem Handtuch wartete immer noch, telefonierte und hielt dann weiter Ausschau. Sein Blick glitt oft zu mir herüber. Mir wurde es langsam unangenehm. Was wollte der Kerl? Man denkt ja in solchen Situationen an alles Mögliche. Weiter oben am LKW-Parkplatz ließ ein Fahrer Wasser in seine Kanister laufen. Ich ging hin. Einerseits wollte ich auch meinen Wasservorrat ergänzen, andererseits war ich froh, mit jemand reden zu können.
Der LKW-Fahrer war ein Spanier und meinte auf meine Frage nach der Wasserqualität, er wäre schon oft hier gewesen und das Wasser sei OK, ansonsten läge er schon längst eine Etage tiefer. Sein Deutsch war mit Spanisch und Englisch gemischt, aber gut verständlich. Meine Flaschen waren nun auch gefüllt, da kam ein französischer Lieferwagen, dem ein Mann entsprang, der zielstrebig zu dem Mann mit dem Handtuch lief. Nach kurzer gestikulierender Diskussion liefen beide Richtung Parkplatzausfahrt zu der alten Toilettenanlage. Ich glaubte, das Geräusch eines eisernen Riegels und das Türknarren zu hören. Beide verschwanden für etwa 15 Minuten, kamen dann wieder heraus und jeder ging seiner Wege. Der Lieferwagen-Fahrer brauste vom Parkplatz, der Mann mit dem Handtuch verschwand nun im neuen Toilettenhaus. Seltsam. Ich packte meine wenigen Sachen und wollte gerade losfahren. Da sah ich den Handtuch-Mann wieder vor dem Toilettenhaus stehen, telefonieren und warten.
Wieder auf der N145 kreisten meine Gedanken um das eben Erlebte. Offensichtlich diente der Parkplatz als Treffpunkt, für was auch immer. Mir konnte es egal sein, meine Reise ging weiter. Noch 100 Kilometer Autostraße (N145) lagen vor mir, rund 340 Kilometer bis zum Ziel. Ein bisschen Wehmut beschlich mich angesichts der letzten halben Stunde, zu zweit sind solche Situationen besser zu verkraften.
Es war gegen 14 Uhr auf der Landstraße D951, die oft durch Wald führt. Die Sonne schien, und da kam auch endlich eine Tankstelle. Mir erschien der Literpreis recht hoch, der Tankwart kam angerannt und fragte vor dem Tanken: "Cash?". Ich bejahte, zeigte ihm 30 Euro und ließ den Sprit einfüllen. Die Euros nahm der Mann, nach einer Quittung konnte ich garnicht erst fragen, da war er schon wieder weg. Dem Bulli-Fahrer an der anderen Säule ging es genauso. Es war ein Schweizer mit Familie. Unsere Blicke kreuzten sich. Er zuckte nur mit den Schultern. Der Tankwart saß inzwischen schon wieder in seinem Häuschen.
Das Info-Häusl mit Video, hinten oben der LKW-Parkplatz
Einsamkeit mit seltsamer Begegnung (siehe Text)
Die Anlage ist groß und leer, im Sommer sicher nicht.
So ein Umfeld sollten alle Parkplätze bieten.
Nur noch 151 Kilometer bis zum Ziel. Das Meer war schon in Sicht, ich sah es von der A10 aus. Den Bulli hatte ich längst zurückgelassen, er konnte wohl nicht so schnell fahren. Da es erst 14.50 Uhr war, fuhr ich langsamer. Zu zeitig am Hotel zu sein, hätte auch keinen Zweck gehabt. Die jetzt vertrödelte Zeit hätte ich später noch gebrauchen können. Das wusste ich aber noch nicht. Langes Hupen neben mir erschreckte mich fast, es war der Schweizer. Mit kurzem Winken zog er an mir vorbei. Keine Kunst, ich selbst fuhr ja nur 90.
Auf der Nordumfahrung von Bordeaux war dicker Verkehr. Das Navi brachte mich zielsicher bis knapp vor das F1-Hotel Bordeaux West, nur konnte ich es weder sehen noch den Eingang finden. Ich stand in einem Gewerbegebiet mit dichter Bebauung. Von den anderen F1-Hotels war ich einen großen Parkplatz gewöhnt und auch die Hotels selbst waren nicht zu übersehen. Ich gab nochmals die Zieldaten ins Navi ein, das Ergebnis war gleich: kein Eingang zu sehen. Zu Fuß machte ich mich auf die Suche, vielleicht konnte ich jemand fragen. Endlich, um die nächste Ecke, verdeckt mit Buschwerk und hohen Bäumen, war ein gerade mal PKW-breiter Eingang, der zu einem recht kleinen F1-Hotel führte, fast wie der Zugang zu einem Hinterhof.
Der junge Mann am Tresen bedauerte, kein Platz mehr frei. Zuerst glaubte ich, sein Englisch nicht zu verstehen. Doch langsam wurde mir klar, es war wirklich nichts mehr frei. Das hätte ich nicht erwartet. Ziemlich enttäuscht fiel mir das andere F1-Hotel im Osten von Bordeaux ein, in dem ich 2015 auf der Fahrt nach Portugal geschlafen hatte. Er rief an, und siehe da es klappte. Ob er eine Reservierung für mich auslösen solle? Natürlich, so hatte ich wenigstens ein Bett sicher. Einziger Nachteil war, ich hätte wieder quer durch ganz Bordeaux fahren müssen oder alternativ den recht großen Umweg über die Nordumfahrung.
Nicht so recht wissend, was ich tun sollte, fuhr ich trotzdem erst einmal auf den Bordeaux-Ring zurück. Der Verkehr wurde so stark, dass ich bequem am Navi hantieren konnte. In Gedanken und im Stau stehend hatte ich längst entschieden, nicht in die Stadt reinzufahren. Schon in 2015 hatte ich Probleme, im dichten Berufsverkehr das Hotel im Osten zu erreichen. Den Stress wollte ich mir nicht noch einmal antun.
Ich sollte mich südlich halten, um dann über den Autobahnzubringer A660 Richtung Arcachon fahren zu können. Arcachon ist der nächste größere Ort nahe der Düne. Ich gab also die neuen Daten ein und ließ mich zwar stockend, aber zielsicher Richtung Atlantik navigieren.
Um 17.48 sah ich auf der A660 das erste Schild "Dune du Pyla", 12 Kilometer. Der Verkehr war zwischenzeitlich wieder normal. Vielleicht könnte ich irgendwo im Wald oder auf einem Parkplatz im Auto schlafen, oder sogar auf einem Zeltplatz. Zu dem Zeitpunkt war noch alles offen.
Über den großen Kreisverkehr am Ende der Autobahn fuhr ich Richtung Süden, wohl wissend, dass rechts hinter dem Wald die Düne lag. Im Wald musste ein Zeltplatz sein. Auch das wusste ich. Nur wenige Kilometer weiter stand ich im Eingangsbereich eines großen Zeltplatzes.
Eingang zum Zeltplatz La Forêt (Am Wald) an der D218
Bei meiner Ankunft 18.50 hatte der Zeltplatz geschlossen.
Die Schranke war geschlossen, das Empfangshäusl war geschlossen, niemand vom Zeltplatz-Personal war zu sehen. Obwohl entsprechend der ausgewiesenen Öffnungszeiten an einer Info-Tafel die Anmeldung noch möglich hätte sein müssen, sah es düster aus. Es war 10 Minuten vor 19 Uhr. Was nun?
Am Straßenrand im Auto zu schlafen getraute ich mich nicht. Überall stehen Parkverbotsschilder, wohl genau um das zu verhindern. Noch während ich überlegte, kamen zwei weitere Autos, ein PKW und ein Wohnmobil. Auch sie hatten bestimmt damit gerechnet, noch einchecken zu können. Ich ging hin, vielleicht wussten sie weiter. Mit dem PKW waren zwei Japaner gekommen, das WoMo hatte ein spanisches Kennzeichen. Wie ich mühsam erfuhr, hätte der Zeltplatz tatsächlich noch bis 19 Uhr geöffnet sein müssen, hatte aber vorzeitig schon ganz dicht gemacht und war in Winterruhe gegangen. Letzteres hatte der Spanier übers Handy erfahren. Nun war wirklich guter Rat teuer.
Ich fuhr weiter südwärts, vielleicht war doch noch irgendwo ein Waldweg, auf dem ich von der Straße aus nicht sichtbar hätte übernachten können. Etwa einen Kilometer weiter stand ich vor einem weiteren Zeltplatz, dem "Camping de la Dune" mit Namen "Les Flots Bleus" (Die blauen Wellen). Im Empfangshäusl sah ich Licht brennen. Ohne Zeit zu verschwenden, ging ich rein. Yes, man habe viel Platz und "Welcome your Family". So so, sie nahm also an, dass ich mit Familie da sei. Die junge Französin war sehr nett.
Es war für mich zwar etwas schwierig, die nötigen Infos zu bekommen, aber schließlich hat doch alles reibungslos geklappt. Sie bot mir einen festen Bungalow an für 35 Euro pro Nacht. Ein Platz fürs Auto und ein Zelt sollte 17 Euro kosten. Natürlich entschied ich mich fürs Letztere. Nachdem ich mir den Platz an Ort und Stelle ausgesucht hatte, bekam ich den Öffnungscode für die Schranke und schon war ich Zeltplatz-Kunde. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Es war inzwischen nach 20 Uhr geworden.
Camping de la Dune "Les Flots Bleus" (44.58113, -1.21231)
Dieser Platz ist der mittlere von drei Campingplätzen.
Unmittelbar hinter dem Zeltplatz beginnt die Düne.
Es gibt feste Bungalows und "Mobil-Homes".
Der ACCUEIL (Empfang bzw. Rezeption)
Mein Platz (E25) hat Tisch und Bänke, optimal für mich.
Mein Platz war optimal wegen dem Tisch unmittelbar neben dem Auto. So konnte ich direkt aus dem Auto leben. Mein eigenes Zelt aufzubauen war garnicht nötig. Einen Elektroanschluss hätte ich auch nutzen können, allerdings mit Aufpreis. Der Wasserhahn war kostenlos. Ringsherum war kein einziger Platz belegt. Am nächsten Tag änderte sich das. Die sanitären Anlagen waren in Ordnung, normaler Durchschnitt. Allerdings dauerte es lange, bis das heiße Wasser floss, wahrscheinlich wegen der geringen Benutzerzahl. Nach der heißen Dusche, der Linsensuppe aus der Büchse und dem Cappuccino war ich angekommen. Nun konnte mein Dünenabenteuer beginnen.
Heute wollte ich aufsteigen und endlich den eigenen Blick von oben erleben. Auf Bildern und im Web hatte ich zwar schon gesehen, was mich erwarten würde, aber mit allen Sinnen selbst die Welt zu erleben, kann keine noch so gute Beschreibung vermitteln.
Die Nacht war angenehm, trotz meiner Rückenbeschwerden vom miserablen Dacia-Sitz, der sich überhaupt nicht für stundenlange Autofahrt eignet. Er ist im Rückenprofil zu sehr ausgearbeitet und dazu noch viel zu hart. Die resultierende unangenehme Druckbelastung führt zu Rückenschmerzen. Selbst die behelfsweise aufgelegte Decke im mittleren Lehnenbereich half nur begrenzt. Eine Lösung für das Problem habe ich bis heute noch nicht gefunden.
Das hat aber alles nichts mit den Zeltplatzbedingungen zu tun. Es war absolut ruhig in der Nacht, manchmal glaubte ich das Brausen des nahen Meeres zu hören, vielleicht war es aber auch nur der Wind, der recht kräftig über die Düne fegte, sich aber auf dem Zeltplatz nur ganz abgeschwächt bemerkbar machte. Die Temperatur war nachts ziemlich niedrig, der Jogginganzug mit Decke reichte gegen die aufkriechende Kälte nicht. Erst im Schlafsack war alles gut.
Erst kurz nach 9 Uhr kroch ich aus meinem Autobett. Die heiße Dusche brachte meinen Kreislauf wieder in Schwung. Bei Tisch hatte ich Gesellschaft. Eine Schar Spatzen kam immer näher, einzelne besonders Mutige flogen auf die gegenüberliegende Bank und schließlich auf den Tisch. Sie pickten meine Brotkrümel auf, einer nahm sich vom aufgeschnittenen Brot ein größeres Stück und flog zu seinen Brüdern und Schwestern. Er hatte Mühe, die schwere Last zu tragen. Ich musste regungslos sitzen, um das Schauspiel nicht zu unterbrechen. Offensichtlich sind die Spatzen auf dem Zeltplatz die Menschen gewöhnt und wissen, dass sie nichts zu befürchten haben. Mit Tischdecke und den servierten Brotkrumen kam die Party dann richtig in Schwung.
Die Show wurde aber abrupt durch zwei größere schwarze Vögel unterbrochen. Sie sahen aus wie Amseln, waren aber etwas größer, so etwa zwischen Amsel und Krähe. Diese sich wichtig tuenden Vögel kamen zwar nicht bis auf den Tisch, beobachteten mich aber im gebührenden Abstand. Sie warteten wohl darauf, bis ich weg sein würde. Die Spatzen waren nicht mehr zu sehen.
Das Frühstück vor der Dünenwanderung
Mit dem Tisch neben dem Auto geht es auch ohne Zelt.
Die Spatzen bekamen von mir extra eine Tischdecke.
Jeder holt sich soviel und so schnell er kann.
Heute Morgen sah ich mich ein wenig auf dem Zeltplatz um. Insgesamt machte er einen gepflegten Eindruck. Leider waren nur noch wenige Leute da. Vielleicht waren deshalb der kleine Shop und das Restaurant geschlossen. Später erfuhr ich, dass Anfang Oktober die Wintersaison beginnt und der Campingplatz geschlossen wird. Ich hatte also Glück gehabt.
Mein Nachbar kam heute früh sehr zeitig, ich schlief noch.
Sanitäranlage ohne Beanstandungen
Die Eis- und Cola-Bar, ebenfalls geschlossen
Heute geschlossen, also kein Baguette zum Frühstück
Hier hätte ich es auch länger ausgehalten.
So sieht ein Autobett am frühen Morgen aus.
Die Düne schützt den Campingplatz vor Westwind.
Ende September waren alle Bungalows leer.
Ein Fahrrad kann man sich auch ausleihen. Damit wäre es leicht möglich, die 3 Kilometer bis zum Strand am Nordende der Düne zu fahren, ohne das Auto benutzen zu müssen. Es gibt sowieso überall Probleme mit dem Parken, so dass sich ein Radl lohnt.
Mein Nachbar auf dem nächsten Stellplatz war schon da, als ich aus dem Auto kroch. Es war ein Franzose mit Wohnmobil sozusagen auf Durchreise. Wie ich später erfuhr, wohnt er zwar auch in Meeresnähe, aber etwa 400 Kilometer weiter nördlich. Wegen der kommenden schlechteren Witterung in Frankreich wollten er und seine Frau nach Spanien und dann vielleicht noch nach Portugal. Sie blieben nur eine Nacht. Außer diesem Nachbar war der Campingplatz so gut wie leergefegt.
Mein neuer Nachbar, ein Franzose auf Durchreise
Mein Weg Richtung Düne und leere Bungalows.
Diese Anlage war schon geschlossen.
Mächtig, dieser Sandhaufen mit Leiter
Feste und mobile Hütten für 3, 4, 5 oder 6 Personen
Nicht mehr lange, und die Düne frisst das Haus.
Einige der Plätze sind mit Hecken abgeschirmt.
10.30 Uhr. Nun war es wirklich Zeit, den Aufstieg zu beginnen. Direkt hinter dem Zeltplatz beginnt die Düne. Das ist aber auch nicht ganz richtig, die Düne ist zum Teil schon auf dem Zeltplatz präsent. Jedes Jahr rückt der Sand durch die starken Westwinde in Ostrichtung vor und begräbt alles, was auf dem Wege liegt. Man sieht, dass einige Stellplätze schon Opfer der Sandmassen geworden sind. Auch deshalb wird die Eisentreppe, die vom Zeltplatz bis zum oberen Drittel der Düne liegt, jedes Jahr abgebaut und zu Saisonbeginn neu montiert. Sie würde sonst im Flugsand verschwinden.
Die Treppe ist eine sehr gute Aufstiegshilfe. Ohne sie wäre es beschwerlich, die etwa 30 Grad steile Dünenwand zu überwinden. An manchen Stellen sollen es sogar bis zu 40 Grad sein. Zusätzlich macht es der sehr lockere Sand mit relativ kleiner Korngröße nahezu unmöglich, die Düne raufzuklettern. Man versinkt im Sand und rutscht oft wieder abwärts. Festes Schuhwerk ist sowieso Pflicht. Eine Alternative wäre es, barfuß den Sandberg zu bezwingen.
Insgesamt sind zwischen Düne und der Waldstraße D218 drei Campingplätze, zwei weitere nach dem südlichen Ende der Düne. Ich habe aber nur an meinem Platz eine Treppe gesehen. Eine weitere Plastiktreppe befindet sich noch am nördlichen Dünenende, die zum zentralen großen Parkplatz führt. Das wusste ich aber nicht, ich war ja erst am Beginn meiner Erkundungen.
Auf der Treppe wird der Gleichgewichtssinn auf eine harte Probe gestellt. Man sollte diesbezüglich auf keinen Fall Defizite haben. Die Steilheit und die fehlenden Anhaltspunkte für das Auge fordern hohe Aufmerksamkeit, um ohne Schwierigkeiten den Weg nach oben zu meistern. Am besten ist es, man konzentriert sich auf die vor einem liegenden Stufen. Für Unterbrechungen zum Ausruhen oder für Fotos sollte man stehenbleiben. Ich habe später Leute auf allen Vieren die Treppe hochkrabbeln sehen. Die Treppe aus Kunststoff am nördlichen Dünenende ist günstiger, mit breiten waagerechten Stufen und sogar mit Geländer. Dort schaffen es auch Ältere bis zum Dünenkamm. Auch diese Treppe wird für jede Saison neu aufgebaut.
Leider habe ich vergessen, die Stufen zu zählen.
Beim Aufstieg ist der Gleichgewichtssinn gefordert.
Mit jedem Meter Höhe wird die Düne größer. Im Bild zu sehen sind etwa zwei Drittel, in Richtung Süden der Rest.
Ende der Eisentreppe bedeutet noch nicht Dünenkamm.
Gespannt hastete ich nach oben, um das Meer zu sehen.
Das letzte Drittel bis zum Kamm der Düne musste ich ohne Treppe auskommen. Sie endet, sobald die Steilheit des Hangs geringer wird. Auch ist der Sand hier oben etwas fester. Am Dünenkamm-Horizont sieht man den fast immer vorhandenen Treibsandnebel nordwestwärts ziehen. Was würde mich hinter dem Kamm erwarten? Ein tosender Ozean oder ein ruhiges und sanftes Meer? Gespannt nahm ich die letzen Höhenmeter mit keuchendem Atem fast im Laufschritt.
Das Bild war völlig unerwartet, unerwartet schön. Mit sanftem Gefälle breitet sich die Düne in kurvigen Rundungen fast wie in der Wüste bis zum flachen Meeresufer aus. Mein erhöhter Standort ließ die Welt klein erscheinen.
Die Dune du Pilat ist riesengroß und traumhaft schön, links der Atlantik und rechts der Kiefernwald des Naturparks.
Ein Stück weiter draußen liegen Sandbänke, die das offene Meer von der großen Düne abgrenzen. Zwischen dem Dünenufer und den Sandbänken wird Austernzucht betrieben. Oft sind Boote der Fischer, aber auch Sport- und Segelboote auf dem türkisfarben schimmernden Wasserspiegel unterwegs. Auch eine Hütte ist zu sehen und ein kleines Zelt. Teilweise sind die Sandbänke zweireihig. Erst weiter draußen sind die Schaumkronen der Brandung erkennbar.
Die Sandbank (Banc d'Arguin) liefert Sand für die Düne.
Man sollte und muss sich unbedingt die Zeit nehmen und wenigstens einige Minuten die Aussicht genießen. Der atlantische Ozean ist hier beides: sanft und zahm wie ein erschrecktes Rehkitz im Getreidefeld, weiter draußen vom Wind aufgewühlt mit rollenden Wellenbergen und Schaumkronen. Die Sandbank insgesamt nennt sich Banc d'Arguin und misst bei Ebbe über 8 Quadratkilometer. Diese Sandmassen sind Quelle der aufgetürmten Dune du Pilat.
Austernzucht im seichten Wasser, hinten das Cap Ferrét
Mit Blick Richtung Norden wird einem erst einmal richtig bewusst, wie groß die Düne ist. Und auch der Blick zurück auf Treppe und Zeltplatz zeigt, dass der Aufstieg nicht umsonst soviel Anstrengung gekostet hat. Dabei ist der Höhenunterschied auf der Zeltplatzseite wesentlich kleiner als auf der Seite zum Meer.
In Längsrichtung erscheint die Düne endlos.
Linke Seite des Campingplatzes Les Flots Bleus
Ende der Eisentreppe, die jährlich neu montiert wird
Rechte Seite des Campingplatzes Les Flots Bleus
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass sowohl im Internet als auch in Reiseführern, Prospekten und sogar auf örtlichen Verkehrsschildern die Düne mit dem Namen "Dune du Pyla" (richtig Dune du Pilat) bezeichnet wird. Dieser Name ist schlichtweg falsch. Der Name nimmt Bezug auf den Badeort Pyla sur Mer, der sich im Norden an die Düne anschließt und erst um 1920 gegründet wurde. Der richtige Name Dune du Pilat wird schon im 18. Jahrhundert erwähnt. Pilat leitet sich vom historischen "pilàt" ab und bedeutet "Haufen", ein Sandhaufen eben. Neuerdings wird dem falschen Namen schrittweise entgegengewirkt. Die Tourismusämter verwenden einheitlich den richtigen Namen, die Schilder und gedruckten Unwahrheiten werden nach und nach ausgetauscht. Eine zusätzliche, eher beschreibende Bezeichnung ist La Grande Dune du Pilat (Die Große Düne aus Sand), die natürlich ihre Berechtigung hat, denn groß ist die Düne wirklich mit fast 3 Kilometer Länge.
Es gibt mehr Miethäuser als WoMo-Stellplätze.
Der Campingplatz belegt auch Teile des Kieferwaldes.
So ein riesiger Sandhaufen ist garnicht so selten auf unserem Planeten. Man denke nur an die Sahara-Sandmassen oder auch an die großen Dünenlandschaften in der Namib-Wüste, die Rub al-Chali, in der die höchste Sanddüne der Erde ist, die Tel Moreeb mit etwa 300 Metern Höhe.
Aber auch in Europa gibt es wüstenähnliche Gebiete, zum Beispiel in Spanien nördlich von Almeria.
Eine der Dune du Pilat ähnliche Wanderdüne liegt an der Ostsee im Slowinski Nationalpark bei Leba. Diese "polnische Sahara" ist zwar nicht ganz so hoch (nur maximal 55 m), verschlingt aber ebenfalls jährlich einige Meter des dahinter liegenden Landes. Entsprechend Berechnungen ist der heutige neue Ort Leba in 400 Jahren wieder verschüttet. Schon das alte Leba, das mit seinen Fischerhäusern nordwestlich vom heutigen Leba lag, wurde Opfer der Sandmassen. Mitten im Wald sind noch Überreste der mittelalterlichen Nikolaikirche zu sehen.
Auch die Dune du Pilat wird eines Tages die Zeltplätze vollends verschlingen und auch nicht vor der Straße halt machen. Aber das ist noch lange hin und nicht mehr in meinem Leben. Vielleicht ist man eines Tages in der Lage, durch geographische Veränderungen vor der Küste (seewärts) oder hinter der Küste (landwärts) den stetig vorrückenden Sand aufzuhalten.
Dünen entstehen simpel gesagt durch Anhäufung von Sand, aufgrund verschiedenster Ursachen, schrittweise und meist über Tausende von Jahren hinweg. Die Dune du Pilat wurde in jüngster Zeit (im Jahr 2000) geologisch näher untersucht. Sie entwickelte sich über rund 4000 Jahre hinweg, ist aber keineswegs ein gleichmäßig gewachsener Sandberg, sondern besteht wegen der wechselvollen klimatischen Bedingungen aus mehreren Schichten.
Begonnen hat der Aufbau des Untergrundes mit der Ablage von Schotter, Sand und Kies bereits vor 18.000 Jahren, als der Meeresspiegel rund 120 Meter unter dem heutigen lag. Durch die Eisschmelze nach der letzten kalten Klimaperiode stieg das Wasser an und überdeckte alles mit Sand, Kies und Ablagerungen der damaligen im Meer lebenden Tier- und Pflanzenwelt.
Rund 4 bis 5 tausend Jahre ist es her, da bestand das heutige Dünengebiet aus sumpfigem Wald und Buschwerk. Dies belegen Funde zahlreicher Baumstamm- und andere Vegetationsreste in einer untersten schwarzen Schicht. Es konnten Pinien, Haselsträucher, Erlenbirken und Weiden nachgewiesen werden. Dieser Schicht ist auch das Süßwasser zuzuordnen, das in etwa einem Meter Höhe bei Ebbe vom Land ins Meer fließt. Es handelt sich also um uraltes Grundwasser. Am Strand wachsen heute in diesem Bereich Pflanzen, die ohne diese Süßwasserquelle nicht existieren würden.
Einige weitere Sandschichten etwa 3 bis 4 Meter über dem heutigen Meeresspiegel enthalten Pflanzenreste aus der Zeit 1.300 bis 1.200 Jahre vor Christus. Die menschliche Besiedlung dieses Bodens erfolgte etwa 1.000 bis 600 Jahre vor Christus. Es wurden Tongeschirr, Werkzeuge und Münzen gefunden.
Im Mittelalter vor 1.500 bis vor 500 Jahren gab es in einer Kälteperiode häufig heftige Stürme, die zu weiteren Sandanhäufungen, den neuen Dünen, führten. Der Sand schichtete sich übereinander und verschlang Felder und Dörfer. Auch schob sich im Laufe der Zeit das nordwestlich gelegene Cap Ferrét, das das Becken von Arcachon begrenzt, um mehr als 4.000 Meter in südliche Richtung vor. Die Halbinsel Lège-Cap-Ferrét mit dem Cap bildet die westliche Begrenzung des Beckens von Arcachon.
Die Hafeneinfahrt zum Becken war mit Sandinseln blockiert. Diese geologischen Veränderungen formierten zusammen mit den starken Winden und der fortschreitenden Küstenerosion die heutige Düne. Maßgebend sind natürlich die Gezeitenunterschiede, durch die immer wieder riesige Mengen Wasser und damit Sand bewegt werden. Eine Meeresströmung, die parallel zur Küste vom Norden nach Süden verläuft, führt ebenfalls viel Sand mit sich. Aushöhlungen und Anlagerungen im Küstenverlauf sind die Folge.
Die Sandbank vor der Dune du Pilat liefert den Sand, der vor allem bei starkem Westwind und Ebbe auf die Düne getrieben wird. Die Düne wuchs zeitweise auf bis zu 118 Meter an, andere Quellen sprechen von 127 Metern.
Schon früh wurden vom Menschen Anstrengungen unternommen, dem Vormarsch des Sandes etwas entgegenzusetzen. Es wurden Seekiefernwälder angelegt. Damit stabilisierte sich die Dune du Pilat zu Beginn des 19. Jh. auf dem Niveau der noch heute vorhandenen Kiefernwälder. Um 1860 begann sich die Düne heutigen Ausmaßes zu bilden, deren Vormarsch langsam aber stetig Richtung Osten erfolgt. Dabei ist der Norden weniger betroffen als der Süden.
In der Gemeinde La Teste-de-Buch am nördlichen Ende stabilisierte man 1994 einen Teil der Düne mit Planierraupen durch Veränderung des Dünenprofils und schaffte damit geänderte Angriffsflächen für Wind und Erosion. Man stellte auch Palisaden auf, pflanzte Sträucher, Pinien und verschiedene Ginsterarten und festigte so den nördlichen Teil der Düne.
Versuche, im südlichen Teil den Vormarsch der Sandmassen zu stoppen, schlugen fehl. Die hier ebenfalls im Jahr 1994 aufgestellten Zäune hielten Wind und Sand nicht stand. Der dahinter liegende Wald wird zunehmend mit Sand verschüttet, viele abgestorbene Bäume zeugen davon. Die Düne ist in diesem Bereich sehr aktiv.
Es hat sich am jetzigen Dünenende eine Schneise gebildet, durch die der Westwind pfeift und immer mehr Sand im dahinter gelegenen Wald ablagert. Auch hier sind die Campingplätze gefährdet, vielleicht später auch die Straße.
Sogar schwere Betonbunker aus dem Zweiten Weltkrieg sind ins Wasser gerutscht. Sie lagen früher weiter oben auf der Düne. Zwei der Bunker liegen halb im Wasser, einer ist noch außerhalb. Weitere 10 bis 15 Objekte des Westwalls sollen sich unterhalb der Wasseroberfläche befinden. Auch am nördlichen Dünenende sind Betonteile zu sehen, die auf dem Strand liegen.
Abgerutschte Westwall-Bunker am nördlichen Dünenende
Vorgenommen hatte ich mir, die Düne insgesamt zu erwandern. Welche Ausmaße dieser Sandhaufen hat und wie beschwerlich das Laufen auf dem weichen Untergrund sein kann, wurde mir erst nach und nach bewusst. Zuerst wandte ich mich dem südlichen Dünenende zu. Immer wieder blieb ich stehen, fotografierte, machte Videos und freute mich über die schöne Aussicht. Der Himmel war zumindest in Richtung Meer wolkenlos. Wie so oft bildete die Küste eine Grenze zwischen bewölktem Himmel im Osten und blauem Horizont im Westen. Der Wind war nicht nur auf dem Dünenkamm recht stark, sondern auch draußen auf dem Meer zeugten die weißen Wellenkronen von der steifen Prise. Schützen in solchen Situationen sollte man seine Kameraausrüstung. Schnell ist die Objektivverstellung wegen Sandstaub schwergängig oder gar unbrauchbar.
Draußen die bei Ebbe über 8 qkm große Sandbank
Das südliche Ende der Düne bildet eine Windschneise.
Der sich ausbreitende Sand läßt den Wald sterben.
Die Sandbank Banc d'Arguin besteht aus mehreren Teilen.
Der Wind treibt Sand durchs Tal bis in den Kiefernwald.
Eine Baumspitze, der Rest ist zugeweht und vergraben.
Von weitem sah ich knorrige Baumreste aus dem Sand ragen. Im langsam abfallenden Gelände kam ich näher. Viele abgestorbene Bäume waren schon teilweise oder fast ganz vom Sand zugeweht. Im oberen Teil des Waldes am südlichen Dünenende sind die Kiefern noch saftig grün, aber wie lange noch? Die Düne endet gewissermaßen in einem Tal, man kann auch sagen Schneise, wobei auf der anderen Seite im Wald ebenfalls schon angewehter Sand zu sehen ist. Verschiedene Wegbefestigungen, Zäune, Hecken und flache Plätze deuteten auf einen Campingplatz hin. Später erfuhr ich, es handelt sich um den ersten der beiden Plätze südlich der Düne. Es gibt also in unmittelbarer Dünennähe insgesamt 5 Campingplätze.
Offensichtlich ist die Sandbank für jedermann zugänglich.
Eine Bootsfahrt wäre nicht schlecht.
Blick vom Dünenende bis zum Bassin d'Arcachon
Über dem Meer hängen dicke Wolken, Blick nördlich
Die Sandbank verändert ständig ihre Größe und Form.
Durch diese Schneise pfeift der Sandsturm bis zum Wald.
Zeltplatz am südlichen Dünenende (Camping Panorama)
Auch hier gibt es viele feste Mietbungalows.
Irgendwelche Tiere habe ich nicht entdecken können. Ich bin mir aber sicher, dass an den Dünenrändern im Sand etliche Tierarten leben. Man muss sich nur Zeit nehmen und lange genug hinschauen. Und wenn man keine sieht, würde ein Bekannter von mir sagen: "Weil Du nicht richtig hinguckst!". Es sind oft die verborgenen Dinge die interessantesten. Vor allem im abgestorbenen Holz finden sich viele Käfer und Würmer. Nicht umsonst klopft der Specht an. Allerdings habe ich ihn hier trotz des vielen Totholzes nicht gesehen.
Bis hinunter zum Meer wollte ich heute nicht gehen. Es war inzwischen 12 Uhr geworden. Der Rückweg bis hinauf zum Kamm in Höhe meines Campingplatzes war lang, und der weitere Weg auf dem Kamm bis zum nördlichen Dünenende würde noch länger sein.
Blick Richtung Norden, auf dem Kamm zum ersten Hügel
Das Waldgebiet ist als geschützter Naturpark deklariert.
Die Bungalows stehen teilweise ziemlich dicht.
Rechts mein Campingplatz Les Flots Bleus
Die Leiter ist nur in der Saison vorhanden.
Ich musste suchen, um das Auto fotografieren zu können.
Wie in der Wüste, dachte ich. Schwitzend und keuchend stapfte ich bergan. Links der Wind und in der Ferne das Meer, rechts die steil abfallende Dünenschräge, auf der ich nicht ins Rutschen kommen wollte. Anzumerken ist, dass mir genau dies später passieren sollte. Ein Auf- oder Abstieg wäre hier sowieso nicht möglich, ich war auf meinem Zeltplatz mit der Leiter also genau richtig. Bald müsste ich meinen Platz sehen, vielleicht sogar das Auto. Wenig später entdeckte ich es, teils verborgen hinter einem Baum. Es war inzwischen 12.30 Uhr. Von oben hat man eine herrliche Sicht auf den Campingplatz inmitten des Waldes, der sich bis zum Horizont erstreckt.
Auf dem Campingplatz entdeckte ich einen Pool. Sehr günstig, über die Düne sind es bis zum Meer zwar nur etwa 500 Meter, aber man muss dann den Osthang hinauf (Treppe) und den Westhang wieder runter.
Ziel war eigentlich der höchste Punkt der Düne im nördlichen Drittel. Vorher, durch ein sanftes Tal vom höchsten Punkt getrennt, war ein großer Dünenberg. Diesen ersten Hügel musste ich noch schaffen, erst dann wollte ich mir eine richtige Pause gönnen. Die Sonne meinte es wirklich supergut, nur weit über dem östlichen Land war ein Wolkenfeld zu sehen. Allein war ich nicht unterwegs. Ab und zu begegneten mir Leute, teilweise mit Hund. Gespräche zu führen war aber heute nicht mein Ding, ich war zu sehr mit mir und den Mühen des Weges beschäftigt.
Der Weg gestaltete sich tatsächlich beschwerlich. Mit Stativ, sonstiger Ausrüstung und Wasservorrat hatte ich ganz schön zu schleppen. Mein Kreuz meldete sich auch wieder, der Magen ebenso. Leider hatte ich versäumt bzw. es war mir garnicht möglich, ein Brötchen oder so etwas mitzunehmen. Ich hatte einfach nichts mehr. Die letzte Schnitte heute früh hatten die Vögel gefuttert, und der Laden auf dem Zeltplatz hatte aus unerfindlichen Gründen geschlossen.
Der erste Hügel am Horizont war mein vorläufiges Ziel.
Der direkt an der Düne nördlichste Campingplatz La Forêt
Der Landvorsprung markiert das nördliche Dünenende.
Licht und Schatten werfen ein surrealistisches Dünenbild.
Der bewachte "Corniche Beach", dahinter das "Blockhaus"
Ob der Hund weiß, dass er gut aussieht?
So zog ich also heute früh nur mit Wasser und einem letzten Apfel los, auch in der Hoffnung unterwegs etwas kaufen zu können. Auf der Düne ist aber leider weit und breit kein Laden, dachte ich selbstironisch. Da wusste ich noch nichts von dem Strandcafé "Blockhaus".
Ein größeres Propeller-Flugzeug brummte über mir, insgesamt zwei Runden drehend. Es war bestimmt ein Rundflug, vielleicht kann man so etwas mieten? Etwa zwei Stunden später kreiste es wieder über mir. Auch waren kleine Sportflieger unterwegs. Ein Flugplatz konnte also nicht weit sein.
Auf dem Dünenkamm entlangzugehen ist ein Erlebnis, das man nicht vergisst. Links die frische Meeresluft, die der Wind mit feinem Sand mischt und die Düne herauftreibt, rechts der steile Hang zum Wald mit dem losem Treibsand, in dem man nur schwerlich vorwärts kommt. Direkt auf dem Kamm ist der Untergrund relativ fest, auch in hohen Wanderschuhen lässt es sich gut laufen. Die Düne hat sanfte Erhebungen und Täler, die manchmal freien Blick in die Runde erlauben, und manchmal ist man von Sandbergen umgeben.
Die Düne mit 60 Millionen Kubikmeter und 500 m Breite
Der Blick aufs Meer entschädigt alle Strapazen.
Auf der Dünenspitze in 118 m Höhe bin ich nicht allein.
Am nördlichen Dünenende ist wieder Wald.
Für gute Videoaufnahmen ist das Stativ unentbehrlich.
Die Panorama-Schwenks gelingen nur mit Stativ.
Blick zurück in Richtung Süden auf den ersten Hügel
Blick zurück in Richtung Süden zur Dünenspitze
Die Dünenspitze ist der mittlere der drei Hügel. Dorthin wollen fast alle Dünenbesucher. Man muss eben oben gewesen sein, sonst war man nicht da. Die vielen Spuren im Sand zeigten, dass der Wind nicht allzu stark wehte. Trotz der Sonne und der geschätzten 24 Grad musste ich ein zweites T-Shirt drüber ziehen. Die Luft vom Meer war kühl, vielleicht schon polaren Ursprungs.
Hier bin ich auf dem Weg zum Restaurant "Le Blockhaus"
Bunker Arcachon, die Strandwacht und das Blockhaus
Die Reste des Westwalls sind abgerutscht und versinken.
Das Blockhaus bietet Snacks, Getränke und Meeresblick. Dahinter beginnt die Küste von Pyla sur Mer, die Teil der Meeresöffnung des Bassin d'Arcachon ist.
Vor dem Dünenende führt ein Weg hinunter zum Wald.
Durch den Wald erreicht man den großen Parkplatz.
Rechts das Haus der Strandwacht (Place de la Corniche)
Der Beton des Zweiten Weltkrieges wird als Kunst-Plattform genutzt, für mich allerdings nicht deutbar. Im Hintergrund liegt das Kap Ferrét des Beckens von Arcachon.
Die Erkundung des weiteren Küstenverlaufs rund um das Becken von Arcachon wäre sicherlich interessant gewesen, vor allem das Cap de Ferrét (Teil der Halbinsel Lège-Cap Ferrét) mit weiteren Bunkeranlagen und endlosen Sandstränden. Aber für heute hatte ich genug. Der Rückweg unterhalb der Düne am Meer entlang war angenehm. Ich hatte all meine Sachen am und im Rucksack verstaut und konnte so im T-Shirt und Badehose einige Kilomenter im Meer laufen. Hier unten blies der Wind nicht so stark.
Küste hinter dem Blockhaus (Pyla sur Mer, Ri Arcachon)
Rechts ist die weiße Bunkertür zu sehen.
Mein Weg führt wieder zurück Richtung Süden.
Auch dieser Betonklotz wird irgendwann im Meer landen.
Auch der dickste Stahl hat nichts genützt, gut so!
Auf der Meeresseite steigt die Düne nur langsam an.
Am Meer ist der Schichtaufbau der Düne deutlich zu erkennen. Etwa ein bis drei Meter über dem Meeresspiegel (je nach Gezeitenzustand) haben sich Pflanzen angesiedelt, die vom austretenden urzeitlichen Süßwasser leben. Diese Schicht ist eine stark verdichtete kohlenstoffhaltige Sperrschicht, die aus früherer Vegetation entstand. Auf ihr hat sich das Tiefen-Grundwasser gesammelt.
Ich wusste nicht genau, wann ich die Düne hochlaufen musste, um wunschgemäß an der Leiter meines Zeltplatzes wieder rauszukommen. Beim schweißtreibenden Aufstieg stellte ich dann fest, ich war doch zu weit nach Süden abgekommen. Der Wind frischte auf, die Wellen zwischen Düne und vorgelagerter Sandbank waren jetzt für einige Surfer hoch genug. Besonders die Gleitschirmflieger schienen sich über die aufsteigenden Winde am Westhang der Düne zu erfreuen. Da das Gelände flach und damit ungefährlich ist und auch bei günstiger Witterung mit einem stets konstantem Aufwind zu rechnen ist, eignet sich die Düne hervorragend auch für Neulinge.
Ich war froh, wieder den Wald auf der anderen Seite der Düne zu sehen. Der Zeltplatz war nicht mehr weit. Nur noch die Leiter hinunter, dachte ich. Doch barfuß war es gefährlich auf den Eisenstufen. Deshalb blieb ich neben der Leiter und ließ mich im losen Treibsand mehr rutschend als laufend nach unten treiben. Müde und hungrig, aber zufrieden, kam ich zum Auto.
Blick wieder Richtung Norden, Standort oberhalb des Zeltplatzes Camping de la Dune. Unglaublich diese Aussicht!
Nur noch die Leiter hinunter und ich bin wieder zu Hause.
Die Abendsonne wärmt noch, im Windschatten der Düne.
Es war 17.30 Uhr, immer noch super Wetter.
Ein Zeltplatz-Besucher auf dem Weg zum Abend-Fressen.
Es war ein schöner Abend, vor allem nach der Dusche und der warmen Mahlzeit aus der Büchse. Besuch hatte ich auch, die Wildsau war keine 10 Meter von mir entfernt und suchte nach Futter. Sie schien sich hier besser auszukennen als ich.
Die Dünenwanderung steckte mir in den Knochen. Nach dem Abendbrot wollte ich deshalb möglichst schnell zur Ruhe kommen. Morgen würde ja wieder ein anstrengender Tag werden. Der Weg zur Dusche war nur noch schemenhaft erkennbar, trotz des sternenklaren Himmels. Ich sah nur ganz wenige Lichter aus Wohnmobilen bzw. Bungalows. Nicht dass ich Angst gehabt hätte, aber komisch kam es mir schon vor, so allein (fast) auf dem Campingplatz mitten im Wald in finsterer Nacht. Auch dachte ich an das Wildschwein, dass hoffentlich schon längst wieder weit weg war. Jedenfalls beeilte ich mich auf den 100 Metern zwischen Dusche und Auto.
Ich war gerade dabei, mich bettfertig zu machen, da krachte und schepperte es durch die Nacht. Es klang fast wie ein Autounfall. Dann war wieder Stille. Ich hielt inne, lauschte und strengte mich an, jedes Geräusch zu sortieren. Doch außer dem leisen Rauschen der Baumwipfel und einem ganz weit entfernt kläffendem Hund war nichts zu hören. Langsam, aber sehr aufmerksam, fuhr ich fort, mein Nachtlager herzurichten. Da wieder Ruhe war, sorgte ich mich nicht weiter. Und trotzdem, irgend etwas oder jemand musste das Geräusch verursacht haben. Die Straße war ja auch nicht weit, vielleicht hatte es doch einen Unfall gegeben. Irgendein Motorgeräusch war aber auch nicht zu hören. Vielleicht war das Wildschwein noch auf dem Gelände? Ich beruhigte mich, das Licht meiner Kopflampe würde bestimmt jedes Tier in die Flucht schlagen.
Dann zog ich die letzte Autotür von innen zu. Hundemüde streckte ich mich aus und begann, noch ein paar Tages-Notizen in meinen Voice Tracer zu sprechen. Mein Licht war auch aus, der Fensterspalt ließ zumindest akustisch eine gewisse Kontrolle der Außenwelt zu.
Mein Geist war schon im Land der Träume, als scharrende Geräusche meine Ohren spitz werden ließen. Hellwach saß ich im Schlafsack, versuchte die Dunkelheit zu durchdringen um mitzukriegen, was draußen vor sich ging. Da – wieder das Scharren, und jetzt, ganz deutlich, ein schnaufendes Grunzen. Nun war alles klar. Das Schwein musste ganz in meiner Nähe sein. Na prima, dachte ich. Vorsichtig kroch ich zum vorderen Fenster, das wegen der fehlenden Dunkelfolie bessere Sicht bieten würde. Ich sah aber nichts, nur schwach den staubigen Sand des Weges und über der Düne die leuchtenden Sterne.
Mit größter Helligkeitsstufe schaltete ich meine Stirnlampe an. Am Bungalow schräg gegenüber fiel der Müllbehälter um, natürlich nicht von selbst. Zwei Schweine trotteten am Auto vorbei den Weg hinauf zum Sanitärhaus. Ich wusste, dort stehen weitere Müllkübel. Nochmals hörte ich allerlei tierische Laute und dann schnelle Laufgeräusche – schließlich war wieder Ruhe.
Noch mindestens 10 Minuten saß ich im Auto, inzwischen wieder ohne Licht, und lauschte. Was nun? Sollte ich schlafen, was mir aber sowieso nicht gleich gelingen würde, oder sollte ich versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich entschied mich für Letzteres. Ich musste wissen, was vorn los war. Mit Stirnlampe und einem Trekkingstock bewaffnet ging ich zum Sanitärhaus, natürlich mitten auf dem Weg.
Schon von weitem sah ich die Bescherung. Zwei der großen Müllkübel lagen da, die Deckel offen. Papier und anderes Zeug war verstreut, eine wirkliche Sauerei im wahrsten Sinne des Wortes. Die Schweine hatten ganze Arbeit geleistet. Ich leuchtete umher, nichts Besonderes war zu sehen, nichts war zu hören. Die Schweine waren weg. Überhaupt schien ich der einzige Campingplatz-Gast zu sein. Die wenigen Lichter vor einer Stunde waren nun auch erloschen.
Am Auto setzte ich mich noch auf die Bank, löschte das Licht und lauschte gespannt in die Umgebung. Na gut, dachte ich, jetzt beginnt die Nachtruhe, hoffentlich ohne weitere Aufregung. Plötzlich wurde es ein wenig weniger dunkel, der Mond kam hinter einem schwarzen Wolkenband hervor. Die Wolken im Osten hatte ich garnicht bemerkt, da meine Aufmerksamkeit immer zum Himmel über der Düne gerichtet war. Jetzt hörte ich auch wieder das leise Rauschen der Baumwipfel. Die Sterne blinkerten, als wollten sie mir zuzwinkern. Vielleicht war ich auch nur etwas zu müde. Jedenfalls genoss ich die angenehm frische Luft, die Ruhe und das Sternenzelt. Ich glaubte sogar, das Band der Milchstraße zu erkennen. Einen derart klaren Nachthimmel hatte ich zuletzt im Jahr vorher in Sagres in Portugal gesehen.
Während ich so saß, begannen meine Augen ihre Läden dicht zu machen. Die Anstrengung des Tages setzte sich immer mehr durch. Wenig später kuschelte ich mit dem Schlafsack und war bis zum Morgen im Land der Träume, ohne es auch nur ein einziges Mal zu verlassen.
Das Land der Träume sollte mich bis nach 9 Uhr festhalten. Die umgestürzten Kübel am Duschhaus erinnerten mich an die Besucher vom gestrigen Abend. Sie hatten ganze Arbeit geleistet. Papier, leere Büchsen und anderes Zeug war verstreut, eine im wahrsten Sinne des Wortes große Sauerei. Das Zeltplatz-Personal hatte noch nicht aufgeräumt. Obwohl die Müllbehälter einen ziemlich robusten Deckel haben, wussten die Wildschweine genau, wie man an Fressbares kommt. Ich denke, es war nicht ihr erster Besuch. Offensichtlich hatten sie in der Vergangenheit schon oft Erfolg.
Mir knurrte der Magen. Wenn der Zeltplatz-Laden wieder zu haben würde, müsste ich mich auch auf die Suche nach etwas Essbaren machen. Eine Suppe aus der Dose mit Kaffee wäre zwar noch möglich gewesen, aber ein Brötchen zum Frühstück ist mir lieber.
Ich hatte Glück. Der Laden war auf. Zwar waren die Regale fast alle leer (wohl wegen des Saisonendes), doch mit zwei Baguettes und etwas Schmierkäse war ich zufrieden. Ich hätte mir etwas Obst oder Weintrauben gewünscht. Auch war nur noch eine Flasche Wasser im Auto. Ein richtiger Supermarkt musste her.
Beim Frühstück erfuhr ich von meinem neuen Nachbar nebenan, ein in Deutschland lebender Pole, dass vor dem nächsten Zeltplatz (Route de Biscarrosse, D218 südlich) ein größerer Laden sei. Nun stand fest: Den Supermarkt besuchen, dann Wandersachen anziehen und auf der Düne zum nördlichen Ende laufen. Gestern war ich am Dünenende links hinunter zum Meer gegangen. Heute wollte ich rechts hinunter, um die Gegend in Nähe des großen Parkplatzes zu erkunden.
Fertig zum Wandern. Der Pole hat geknipst.
Anspruchsvolle Ziele, Santa Monica wäre nicht schlecht.
Eine jetzt verwaiste Bühne (Nähe Pool)
"Ukulélé SALOON" (Ukulele = ähnlich einer Gitarre)
"Bal des Flots Bleus"
Noch vor dem Supermarkt-Besuch interessierte mich vor allem der Zeltplatz-Pool. Vielleicht würde ich ihn doch mal nutzen. Auch sonst finde ich den Campingplatz nicht schlecht. Im Sommer wird hier zwar alles voll sein, doch als Alternative zum F1-Hotel in Bordeaux könnte man durchaus auch hier die Nacht verbringen. Auf der Fahrt nach Spanien bzw. Portugal liegt der Zeltplatz fast am Weg.
Das Empfangshäusl (Rezeption) von hinten
Fahrrad-Verleih
Zugang zur Bar von der Straße aus
Die Straße D218 Ri Süden (Biscarrosse) mit Fahrradweg
Der Pool ist nicht groß, maximal 25 Meter.
Rezeption
Eingang, rechts der Fahrrad-Verleih
Der nächste Campingplatz Pyla mit dem Supermarkt
Pech gehabt! Als ich zum Supermarkt kam war er geschlossen. Er schließt um 12 Uhr (9 bis 12) und öffnet erst wieder am späten Nachmittag (17 bis 19), natürlich nur in der Saison. Ich hätte die Zeit nicht vertrödeln sollen. Die Fotos vom Zeltplatz hätte ich auch noch später machen können. Pech nur, dass ich jetzt wirklich bald am Hungertuch nagen musste. Vielleicht ist unterhalb des nördlichen Dünenendes eine Gelegenheit einzukaufen, so hoffte ich.
Eingang vom Campingplatz Pyla, zur Zeit noch geöffnet
Der Supermarkt macht schon Mittagspause.
Rezeption Campingplatz Pyla
Auch der Zeltplatz Pyla ist in den Wintermonaten von Oktober bis einschließlich März geschlossen. Mich wundert das ein wenig. Ich würde es reizvoll finden, bei Kälte oder gar bei Frost und Schnee auf der Düne zu laufen. Zumindest ist die Winterluft sehr gesund, man kennt das von der Ostsee. Aber wahrscheinlich sind nicht so viele Leute meiner Meinung und die Öffnung der Campingplätze lohnt sich wirklich nicht.
Camping Pyla hat etwas höhere Preise als mein Zeltplatz Les Flots Bleus. Ich hatte also, ohne es zu wollen, bei meiner Ankunft den günstigsten Platz erwischt.
Nach dem ergebnislosen Shopping-Versuch blieb mir nichts anderes übrig, als zurück zu laufen und meine Tour mit karger Marschverpflegung zu beginnen. Ein Baguette hatte ich noch, und die letzte Flasche Wasser musste reichen. Von der Straße aus sah ich viele Leute auf der Düne, mehr als gestern. Ich war gespannt, was kommt.
Ich laufe wieder zurück, ohne Einkauf.
Heute ist viel los auf der Düne.
Heute früh hatte mir der Nachbar gesagt, es soll vom Nordwesten her eine Regenfront kommen. Das fand ich nicht so gut. Ich hatte ja schon die Fahrt Richtung Süden aufgegeben und wollte ersatzweise zur Klosterinsel Sant Michel fahren. Aber genau von dort kam das schlechte Wetter. Was nun? Vielleicht würde es hinter der Schlechtwetterfront wieder schön werden. So hoffte ich zumindest. Der Pole wollte am nächsten Tag (Freitag) abreisen. Er meinte, der Campingplatz würde sowieso schließen.
Die schlechten Aussichten laut Wettervorhersage hatte ich schnell vergessen, kein Wunder bei diesem strahlenden Himmel. Mein Aufstieg zum Dünenkamm war diesmal leichter, vielleicht auch, weil ich nicht soviel dabei hatte. Ohne Stativ, mit wenig Gepäck, in kurzen Hosen und vor allem nach einer erholsamen Nacht ließ es sich besser laufen.
Dieses Mal hatte ich das Navi mitgenommen, um selbst die Dünenhöhe zu bestimmen. Es gibt ja ganz unterschiedliche Angaben. Nicht jedes Navi zeigt permanent die aktuelle Höhe an, mein Garmin-Navi tut es. Am Fuße der Leiter auf dem Campingplatz waren es 65 Meter, auf dem Kamm oberhalb der Leiter 98 Meter. Die Differenz beträgt also nur 33 Meter. Ich hätte mehr geschätzt. Später auf dem mittleren höchsten Berg der Düne habe ich dann 126 Meter gemessen. Das ist also mehr als die 117 Meter, die in verschiedenen Prospekten und auch im Web angegeben sind.
Nun, ich weiß natürlich nicht, wie genau das Navi misst und was angezeigt werden würde, wenn ich mich unterhalb der Düne auf Meereshöhe befinden würde. Alle Höhenangaben beziehen sich auf den Meeresspiegel. Doch dieser hängt von Ebbe und Flut ab und ist auf der Welt auch sonst nicht überall gleich hoch. Die Erde ist ja keine gleichförmige Kugel sondern eher eine Kartoffel mit ziemlich großen Eindellungen und Ausstülpungen. Die Gebirge sind da schon herausgerechnet. Ich hoffe ja, dass der aktuelle Meerespiegel am Standort des Navis den Null-Bezug darstellt. In Südportugal hatte ich an einer Küstenstraße in Höhe des Meeres 2 Meter gemessen. Aber auch dort gibt es Ebbe und Flut.
Bis zum Kamm sind es nur 33 Meter Höhenunterschied.
Camping de la Dune mit dem Pool (hinten)
Der Pool liegt am Ostrand, hinter der Hecke die Straße.
Die winzigen Punkte auf dem Kamm sind Menschen.
Nachtrag: Im Web ist zu lesen, dass GPS-Geräte bei der Höhenbestimmung auch auf bestimmte Bezugssysteme referenzieren (in Europa z.B. WGS 84). Es gibt weltweit keine einheitlich definierte Meereshöhe, nicht einmal in Europa. Die zur Anwendung kommende Meereshöhe orientiert sich an bestimmten, willkürlich festgelegten Referenzpunkten (z.B. der Felsblock "Pierre du Niton" im Genfer See mit 373,6 m über NN).
Wissenschaftliche Basis sind Geoid und Ellipsoid. Geoid ist gewissermaßen der weltweite Meeresspiegel (NN), der sich aus einer Erde mit regelmäßiger Gravitation ergibt, wenn sie komplett mit Wasser bedeckt wäre. Der Ellipsoid versucht den Geoid für bestimmte Gebiete der wirklichen Erde zu beschreiben. Die Erde insgesamt ist ein Ellipsoid. Er passt aber nicht überall, da die Erde sehr unterschiedliche Oberflächenformen und Gravitation aufweist. Deshalb sind Ellipsoide für kleinere Gebiete definiert, die dann auch bei der GPS-Höhenbestimmung berücksichtigt werden.
Wie schon von unten erkennbar waren tatsächlich viele Leute auf der Düne unterwegs, einige mit Hund. So auch zwei Italiener (Vater mit Sohn), die ein besonders schönes Exemplar dabei hatten. Ich selbst habe keine Ahnung von Hunden. Sie erzählten mir aber, der Labrador sei ein guter Jagdhund. Seine Urahnen stammen nicht von der gleichnamigen Halbinsel Kanadas, wie anzunehmen wäre, sondern von Neufundland. Der Labrador sei kinderlieb und sehr bedacht, seinem Herrchen alles recht zu machen. Als Wachhund sei er weniger geeignet. Mir ist das alles ziemlich egal, mir gefiel der Hund einfach. Er nahm sofort Kontakt mit mir auf, als ich mich mit seinen beiden Herren unterhielt.
Früher wäre ich in solchen Situationen zurückhaltender gewesen, um nicht zu sagen, ich hätte Angst gehabt, einen fremden Hund zu berühren. Seit aber ein Hund in der Familie ist, habe ich ein wesentlich entspannteres Verhältnis zu solchen Begegnungen. Schwierig wird es immer dann, wenn ein Hund meint, seinen Bereich oder seinen Herrn beschützen zu müssen. So kann es durchaus vorkommen, dass ein Hund im Auto aggressiv wird, wenn man auch nur in die Nähe des offenen Fensters kommt. Sitzt man mit drin und ist das Herrchen (oder das Frauchen) dabei, ist alles gut. Man gehört dann dazu.
Ein Labrador in den Farben der Düne
Ein Familienhund, ein Jagdhund, aber kein Wachhund.
Auch ich muss (will) in diese Richtung.
Die Düne scheint endlos, zumal es wieder 26°C sind.
Auf meiner fast täglichen Fahrradtour (wenn ich nicht gerade z.B. in Frankreich unterwegs bin) komme ich in einem Dorf an einem Grundstück vorbei, in dem ein freilaufender Hund jedes Mal mit lautem Gekläffe und Rennen bis in die letzte Gartenecke auf seine Besitzrechte hinweist. In Gedanken versunken und sowieso immer nach Luft schnappend (es geht dort bergan) bin ich manchmal richtig erschrocken. Eines Tages platzte mir der Kragen. Ich stieg ab, ging zum Zaun und brüllte den Hund mit Worten an, die ich hier nicht wiederholen möchte. Das Kläffen hörte auf. Ich erzählte ihm noch irgendetwas von Unverschämtheit und Ruhestörung (Hoffentlich hat es niemand gehört!), und siehe da, der ziemlich große schwarze Kerl mit stechenden Augen blickte schon freundlicher und wedelte sogar mit dem Schwanz. Armes Vieh, dachte ich, bist wohl zu viel allein und brauchst Aufmerksamkeit.
Bis hier ist das vielleicht eine normale Geschichte. Aber am nächsten Tag war ich doch überrascht. Blacky (wahrscheinlich heißt er anders) sah mich kommen, lief auch am Zaun entlang, allerdings ohne zu Bellen. Das musste ich belohnen. Ich ging also wieder zu ihm hin, lobte ihn und hielt ihm einen Vortrag über den Umgang zwischen Tier und Mensch. Seitdem werde ich nicht mehr erschreckt, selbst wenn ich vorbeifahre und ihn nicht am Zaun begrüße. Wir kennen uns.
Mitten in der Bucht von Arcachon liegt die unter Naturschutz stehende Vogelinsel (Ile aux Oiseaux). Sie ist etwa 1000 Hektar groß und für die zahlreichen Vögel reserviert. Neben den Zugvögeln, die jedes Jahr hier einen Zwischenstopp einlegen, gibt es auch viele heimische Arten, die vor Ort brüten, wie z.B. die Brandseeschwalben. Die Insel ist relativ schwer zugänglich. Wohl dem, der einen einheimischen Naturfreund mit Boot kennt.
Mitten im Becken von Arcachon liegt die Vogelinsel.
Restaurant Le Blockhaus und oben Hotel La Corniche
Südende der Düne mit den Bunkern im Wasser (li. oben)
Vielleicht 10 Leute mühten sich, über den steilen Hang auf die Düne zu kommen. Anfangs dachte ich, die sind aber unsportlich, die hätten lieber die Treppe nehmen sollen. Erst aus der Nähe sah ich, es waren Menschen mit Behinderung. Ich half einer etwas dickeren Frau, die letzten Meter zu schaffen. Allgemeines Klatschen, als alle oben waren. Meine Hochachtung gilt den beiden jungen Betreuerinnen, die solch eine Tour mit der Gruppe machten.
Einfahrt zum Becken von Arcachon, hinten das Cap Ferrét
Der Aufstieg ohne Treppe ist mühsam.
Manche muten sich vielleicht etwas zuviel zu.
Geschafft, Lohn der Mühe ist die schöne Aussicht.
Eigentlich ist es keine Spitze, sondern ein Hügel, aber der mittlere und höchste von den drei Sandbergen, die den Rest des Dünenekamms überragen. Es war genau 13.47 Uhr und Brotzeit. Die Aussicht zurück nach Süden, wo ich herkam, ist herrlich. Die Düne scheint kein Ende zu haben.
Blick zurück Richtung Süden von der Dünenspitze aus. Die Spuren verschwinden wegen des Windes schnell.
Höchster Hügel der Düne (Dünenspitze mit 117 m)
Blick zurück Richtung Süden auf die Dünenspitze
Blick Richtung Nordwesten, hinten Becken von Arcachon
Viele laufen barfuß, vor allem Jüngere.
Nun war nur noch die nördlichste Erhebung zu meistern, dann ging es bergab Richtung Treppe am Dünenende. Trotz der Nachsaison war ich nicht einsam hier oben. Das Sandmeer zieht die Menschen magisch an. Oft zu zweit aber auch in größeren Gruppen haben alle wie ich das gleiche Ziel, nämlich die Aussicht, die Natur und die Freiheit zu genießen. Ich hoffe es.
Fotos zu machen kann ich verstehen, ich bin ja selbst Vielknipser und Videomat. Wie man aber auf die Idee kommen kann, bei herrlichstem wolkenlosen Himmel einen Regenschirm als Wind- und/oder Sonnenschutz benutzen zu wollen, ist mir ein Rätsel. Die Frau mühte sich redlich, der doch recht ordentlichen Brise aus westlicher Richtung etwas entgegen zu setzen. Später sah ich, wie der Schirm sich mehrfach unbrauchbar teilte.
Der erste Hügel von der Nordtreppe aus, Fototermin.
Blick vom nördlichsten Hügel zurück auf die Dünenspitze
Das Cap Ferrét, auf dem auch alte Bunkeranlagen sind.
Links der Leuchtturm der Halbinsel Ferrét. Die Halbinsel ist bewohnt, man kann mit dem Auto bis zum Kap fahren.
Der Wind mag keine schwarzen Sonnenschirme.
Das Dünengras nützt wenig gegen die Sandwanderung.
Blick Richtung Süden mit "meinem" Zeltplatz
In der Bucht sind viele Bootsanlegestellen. Die ganze Gegend wird hochgradig touristisch genutzt, der Naturschutz kommt aber nicht zu kurz.
Die Treppe am nördlichen Dünenende ist der eigentliche Zugang für die vielen Auto- und Bus-Touristen, die jedes Jahr die Düne stürmen nach dem Motto: "Wir waren auch dort." Meist lässt es die vom Bus-Reiseveranstalter geplante Zeit garnicht zu, die Düne näher zu erkunden oder auch nur ansatzweise die einzigartige Natur mental zu genießen. Vom Parkplatz bis zum Dünenaufgang sind es etwa 400 Meter.
Die Treppe ist vom großen Parkplatz aus erreichbar.
Viele Ältere und Bus-Touristen nehmen die stabile Treppe.
Die Treppe wird im späten Herbst abgebaut.
Vom Parkplatz aus geht auch ein Weg direkt auf den ersten Dünenhügel, allerdings ohne Treppe.
Die meisten Dünenbesucher nutzen die Plastiktreppe mit Geländer, steigen auf den ersten Hügel, staunen über die schöne Aussicht und das war es auch schon. Den zweiten höchsten Hügel, die Dünenspitze, spart man sich. Es ist ja auch nur Sand und das gleiche Meer, was man sieht. Die Düne in ihrer gesamten Länge und Gewaltigkeit erkunden die wenigsten. Zum Meer hinunter gehen noch weniger. Offensichtlich ist die pure Natur vielen Menschen zu mühsam oder man hat (nimmt sich) einfach keine Zeit. Mindestens 3 Stunden, eher 4 Stunden, sollte man Zeit einplanen, wenn der gesamte Dünenkamm hin- und zurück abgewandert werden soll. Ist der Sand trocken, der Wind stark und die Luft heiß, wird's noch schwieriger. Ausreichend Wasser sollte man dabei haben, auf der Düne gibt es keine Shops.
Die Düne muss jährlich etwa eine Million Besucher aushalten, an anderer Stelle werden bis zu 1,5 Millionen genannt. Das ist zwar weniger als die Besucherzahl des Eifelturms, aber immerhin die drittmeist besuchte Sehenswürdigkeit Frankreichs. Davor kommt nur noch die Klosterinsel Mont-Saint-Michel in der Normandie. Das große Interesse ist vielleicht auch den Filmen zu verdanken, die im Dünenbereich gedreht wurden. 2006 kam der Film "Camping" in die Kinos, seine Fortsetzung im Jahr 2010. Im gleichen Jahr erschien auch die Tragigkomödie "Les Petits Mouchoirs" (Kleine wahre Lügen) vom Regisseur Guillaume Canet, dessen Drehort allerdings die Halbinsel Lège-Cap-Ferrét war. Die Hauptrolle war von der Frau des Regisseurs, Madam Marion Cotillard, besetzt. Sie ist übrigens eine Oscar-Preisträgerin.
Für Gleitschirm- und Drachenflieger ist die Düne ebenfalls eine der ersten Adressen, wenn es um sicheres (Anfänger) und akrobatisches Gleitschirmfliegen geht. Es soll sich um eine der schönsten Fluggebiete Europas handeln. Der flache Dünenhang zum Meer mit dem stetig vorhandenem vom Westen kommenden Aufwind bietet günstige Bedingungen. Die Unfallgefahr ist vergleichsweise zum Gebirge (Alpen) gering.
Für Kurzbesucher interessanter scheinen die Verkaufsstände und Snackbars zwischen Düne und Parkplatz zu sein. Ich ging den seitlichen Weg hinunter (nicht über die Treppe) zum Waldweg, an dessen Rand beidseitig in einer Art von Jahrmarkt die Souvenir-Läden stehen. Außer typischen Touristen-Angeboten gab es nichts, für das es sich gelohnt hätte, Geld auszugeben. Allerdings fiel mir ein Hut ins Auge, den ich mir schon länger kaufen wollte. Die 12 Euro habe ich gerne ausgegeben, woanders hatte ich das gute Stück wesentlich teurer gesehen.
Am Weg zum Parkplatz sind viele Tingeltangel-Läden.
Es gibt auch zu Essen und zu Trinken.
Die Menschenleere auf den Fotos trügt. Ich habe Momente ohne Leute abgepasst, damit die Web-Veröffentlichung leichter fällt. In Wirklichkeit war wesentlich mehr los. Ich möchte nicht wissen, wieviel Leute sich hier während der Hochsaison drängeln.
Überhaupt ist es nicht ratsam, die Düne während der Saison zu besuchen. Manchmal hat man den Eindruck, im Sommer ist halb Europa unterwegs. Vor allem die Parkmöglichkeiten sind dann sehr eingeschränkt. Gegen die Saison spricht weiterhin, dass auch die Zeltplätze voll sind. Und bei 30 Grad auf die Düne zu klettern ist auch nicht jedermanns Sache. Für solche Aufenthalte verbunden mit Wanderungen und/oder Sport ist sowieso das Frühjahr oder der Herbst die bessere Wahl. Allerdings kann man dann schnell vor verschlossenem Campingplatz stehen, was mir selbst beinahe passiert ist. Wohl dem, der seinen eigenen "Schlafwagen" mithat.
Das Hutsortiment, schaut aus wie Honeckers Garderobe.
"Couleurs Nature" (Steht oben drüber.)
Links ist der Weg durch den Wald zur Düne.
Einer von den Hüten gehört bald mir, nur noch bezahlen.
Der große Parkplatz, kostenpflichtig und nachts gesperrt
Der Platz ist umzäunt und nur über Schranke erreichbar.
Links die öffentlichen Toiletten, geraudeaus Weg zur Düne
Das Parkplatz-Areal ist mit 950 Stellplätzen relativ groß, allerdings kostenpflichtig und dazu noch nur am Tag erlaubt. Zwischen 2 und 7 Uhr in der Nacht ist das Parken verboten, wohl um Übernachtungen im Wohnmobil oder Auto zu unterbinden. Wer in dieser Zeit auf dem Parkplatz ist, zahlt am Automaten 40 Euro. Ohne diesen Obolus kommt man nicht mehr vom Platz, die Schranken bleiben zu. Besonders raffiniert (und ärgerlich) ist, dass die Schranke nach dem Ziehen des Tickets in der besagten Zeit bei der Einfahrt trotzdem aufgeht, geradeso, als sei das Parken erlaubt.
Am Tag ist das Parken für eine halbe Stunde kostenlos, zu kurz, um auf die Düne zu kommen. Die Zeit reicht höchstens für einen Gang zu den nahegelegenen öffentlichen Toiletten, oder für einen Snack. Bis 4 Stunden kosten 4 Euro, bei mehr als 4 Stunden muss man 6 Euro bezahlen. Außerhalb der Saison, die vom April bis Mitte November geht, reduziert sich der Preis auf 1 Euro (4 Stunden) bzw. 2 Euro (mehr als 4 Stunden). Diese Preise waren in 2016 gültig, an der Einfahrt stehen die aktuellen Preise. Die öffentlichen WCs sind übrigens kostenlos und ganzjährig geöffnet. Allerdings besteht hier die einzige Möglichkeit der WC-Benutzung.
Eine Alternative zum großen Parkplatz bietet der nach dem südlichen Dünenende gelegene ebenfalls recht große Parkplatz in Nähe des Strandes Le petit Nice. Dieser Parkplatz ist kostenlos und liegt zudem noch relativ schattig inmitten des Kiefernwaldes. Nachteil ist, man muss etwa eine halbe Stunde laufen, um das südliche Ende der Dune du Pilat zu erreichen. Vorteil ist, die Gegend ist besonders in der Saison nicht so überlaufen. Auch hier gibt es mehrere Campingplätze. Ob auf dem Parkplatz auch eine Übernachtung im Auto (bzw. Wohnmobil) möglich ist, habe ich nicht gecheckt.
Wer zum Strand will, kann auch am Kreisverkehr (von Bordeaux kommend) in Richtung Arcachon abbiegen und beim nächsten Kreisverkehr nach links in Richtung Corniche fahren. An dieser Straße gibt es beidseitig einige kostenlose Parkplätze, die aber in der Saison immer belegt sind. Wenig später gelangt man über eine Holztreppe hinunter zum bewachten Strand "La Corniche". Von dort aus ist der Dünenkamm vom Meer her erreichbar. Der Westhang ist lang, ca. 500 m.
Aber auch die Wanderung am Meer entlang bis zum südlichen Dünenende ist empfehlenswert. Über das südliche Dünenende hinaus kommt man dann nach ca. 1,6 Kilometern zum weiter oben erwähnten großen kostenlosen Parkplatz mitten im Wald. In dieser Gegend liegen auch die alten Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, teils über, meist aber unter Wasser.
Vom Parkplatz aus musste ich nun den Weg zum Campingplatz finden, denn auf die Düne wollte ich nicht wieder. Entlang der Straße wollte ich auch nicht gehen, dies wäre zu unattraktiv gewesen. So bog ich den ersten möglichen Weg nach rechts ab, der mich in den Wald führte. Die Düne rechter Hand gab mir die grobe Orientierung. Verlaufen konnte ich mich also nicht. Es würden ja höchstens drei Kilometer bis zum Campingplatz sein, eher weniger.
So licht wie hier war der Wald nicht überall, teilweise war er sogar ziemlich undurchdringlich.
Der Wald ist kein eintöniger Kiefernwald, sondern mit kleineren Bäumen und Buschwerk durchsetzt. Was mir auffiel, war der zahlreich vorhandene Farn, teilweise regelrechte Farnfelder. Die Baumwipfel über mir schlossen sich manchmal, so dass der schmale Pfad recht duster war, trotz des herrlich blauen Himmels.
Ab und zu verharrte eine Eidechse auf dem Sandweg, um es sich auf einem verbleibenden sonnigen Fleck gut gehen zu lassen. Sobald ich näher kam, verschwanden sie raschelnd im nahen Laub und Pflanzwerk. Es waren auch einige größere Exemplare dabei, so etwa 15 Zentimeter lang. Ansonsten war von Tieren nichts zu sehen. Ab und zu schimpfte ein Vogel aus den Baumkronen, der sich wohl durch mich gestört fühlte. Die Luft war hitzig und stand regelrecht im Windschatten der Düne. Ich wünschte, mir würde der Wind vom Meer um die Ohren blasen.
Hoher Farn, teilweise den Pfad zuwachsend.
Den Weg scheinen nicht viele Leute zu benutzen, zumindest nicht in der Zeit meiner Anwesenheit. Jedenfalls konnte ich im weichen Sandboden keinerlei Fußspuren entdecken. Teilweise war der Pfad an tieferen Senken von flachem Pflanzwerk überdeckt. Das deutet einerseits auf Feuchtigkeit, andererseits auf geringe Pfadbenutzung hin.
Plötzlich sah ich tiefe Aufwühlungen, wie sie nur von Wildschweinen gemacht werden. Aha, dachte ich, hier ist also das Zuhause der nächtlichen Besucher auf dem Campingplatz. Nicht dass ich etwa Angst gehabt hätte, aber jetzt lauschte ich beim Laufen auf jedes Geräusch aus der undurchdringlichen Umgebung. Nun schien es mir, ich werde beobachtet und jeder meiner Schritte wird verfolgt. Das war natürlich Unsinn, doch einer Wildsau wollte ich jetzt nicht unbedingt begegnen.
Mir fiel die Geschichte ein, die mir vor vielen Jahren meine Mutter erzählt hatte. Ein Heidelbeer-Sammler war im Königsfelder Wald (in dessen Nähe ich aufwuchs) tief ins Unterholz gekommen. Er hörte das Gequiekse von jungen Schweinen und dachte wohl, dass daraus ein Braten werden könnte. Später hatte man in der Nähe eine blutige Eisenspitze gefunden. Jedenfalls musste er versucht haben, einen der Frischlinge zu töten. Die Bache nahm ihm das sehr übel. Man fand den über 60-jährigen Mann am nächsten Tag mit schlimmen Gesichtsverletzungen leblos im eigenen schon getrockneten Blut liegen. Es muss grausam ausgesehen haben.
Ich ging, ohne eine Menschenseele zu treffen.
Die Düne, ständiger Begleiter und Wegweiser.
Hinten rechts geht es bergan zur Straße.
Wie meine Mutter sagte, stand das Ereignis in allen regionalen Zeitungen. Ich selbst war gerade mal 6 Jahre alt. Meine Mutter versuchte, mir die Streifzüge mit meinem älteren Bruder durch die nahen Wälder zu verbieten, allerdings vergeblich. Ich hatte zwar Angst, aber mein Bruder würde jeden Angriff abwehren. Davon war ich überzeugt. Man muss wissen, dass mein Bruder ein Waldmensch war. Er scheute sich nicht, die noch nicht flüggen jungen Holztauben (wilde Tauben, die im Wald leben) aus den Nestern zu holen, um sie dann zu Hause einzusperren und solange zu füttern, bis daraus kleine Mahlzeiten wurden.
Ich bin also bezüglich Wildschweine etwas vorbelastet, wenngleich mir später nur in Ferch (bei Potsdam) eine ganzes Rudel über den Weg gelaufen ist, um die Müllkübel auszuräumen. Natürlich darf man den Besuch in der letzten Nacht nicht vergessen.
So in Gedanken merkte ich, dass sich der Wald lichtete. Mir wurde wohler zumute.
Der Weg schlängelte sich im Abstand von etwa 200 Metern parallel zur Düne durch das durchweg flache Gelände. Ab und zu hörte ich ein Auto, die Straße war also auch in der Nähe. Begegnet bin ich keinem einzigen Menschen. An einer lichten Weggabelung wusste ich nicht genau: rechts oder links? Ich lief rechts, und prompt stand ich vor der Düne. Ein Holzzaun versperrte den Weg. Ich hätte am Dünenfuß über Zeltplatzgelände weitergehen können, was ich aber nicht wollte, also war umkehren angesagt, um den anderen Weg Richtung Straße zu nehmen.
Nach wenigen Minuten stand ich dann auf der Straße nach Biscarrosse. Es war am Anfang des Campingplatzes La Forêt, der erste der drei Plätze von Bordeaux kommend. Mir blieb nichts weiter übrig, als an der Straße weiterzulaufen.
Der Waldweg mündet auf der Strasse Richtung Biscarrosse, kurz vor dem Campingplatz La Forêt. Dieser Campingplatz liegt ebenfalls mitten im Pinienwald am Fuße der Düne. Er ist familiengeführt und hat Einiges zu bieten: Tennis, Minigolf, Volleyball, Boccia, Kinderclub, Kinderspielplatz, Supermarkt, Bar mit TV, Wäscherei, Kühlschrankvermietung, Fahrradverleih, Take-Away-Restaurant, Snackbar, freies WiFi usw. Schlafen kann man in Mobilheimen, im Wohnwagen, im Zelt und natürlich auch im Auto. Es darf auch gegrillt werden (Gas oder elektrisch), was nicht auf jedem Campingplatz erlaubt ist. Hunde sind kein Problem.
So schön blau kann der Himmel im September sein. Die Solitär-Kiefer steht am Zeltplatzeingang La Forêt.
Wer allerdings nur Ruhe sucht, dem dürften die gelegentlichen Disco- und Tanzabende in der Saison nicht so recht sein. Außerdem gibt es Animationsprogramme, dessen Teilnahme ist aber keine Pflicht.
Zum Strand am Meer (Place de la Corniche) sind es etwa 3 Kilometer. Man muss auf der Straße bis zum nördlichen Ende der Düne laufen, dann am großen Parkplatz vorbei, um schließlich an das Meer zu gelangen. Es gibt einen Shuttle-Bus, der recht oft zwischen Badestrand und den Zeltplätzen an der D218 verkehrt. Kürzer, aber schweißtreibender ist der Weg über die Düne.
Der Campingplatz La Forêt ist allerdings etwas teurer (3 Sterne von den möglichen 5 Sternen). Man bietet zwar allerhand, vor allem auch für Familien mit Kindern, doch ich denke, auf meinem Platz (Camping de la Dune) bin ich besser aufgehoben. Ich mag es lieber einfacher, vom animierten Urlaub und viel Rummel halte ich nichts.
Parken vor dem Campingplatz La Forêt
Offene Schranken, also doch noch kein Saisonende.
Gegen 16 Uhr erreichte ich meinen Zeltplatz, vom Campingplatz La Forêt aus sind es keine 10 Minuten. Der gesamte Marsch über die Düne und dann zurück durch den Wald war kräftezehrend, vor allem wegen der Hitze. Kein Wölkchen am Himmel, hinter der Düne fast windstill und etwa 26 Grad: für September sicherlich auch hier ein Ausnahme-Wetter.
Mein hilfsbereiter polnischer Nachbar ist ein Deutscher mit polnischem Akzent.
Noch eine Stärkung vor dem späten Aufstieg zum Dünen-Sonnenuntergang. Es würde der letzte Abend werden. Morgen geht es weiter Richtung Norden zur Klosterinsel Sant Michel.
Ein kleines Ärgernis hatte ich trotzdem, der Aufnahme-Schalter meines Voice-Recorders klemmte. Gerade dieser Schalter wird laufend benötigt. Später nach eingehender Untersuchung stellte sich heraus, dass ein Sandkörnchen die Schiebefunktion hemmte. Eigentlich dürfte das nicht sein, aber das Gerät ist bestimmt nicht unter dem Gesichtspunkt des Outdoor-Einsatzes auf Sanddünen entwickelt worden. Nach Zerlegen, Reinigung und leichtem Einfetten der Reibeflächen funktionierte der Recorder wieder tadellos.
Ich möchte das Gerät nicht mehr missen, es ist wesentlich komfortabler als mein altes Diktiergerät mit Mikrokassetten. Man kann den Recorder stundenlang auch einfach durchlaufen lassen, ohne befürchten zu müssen, dass der Speicher voll wird.
Heute hatte ich noch Großes vor. Ich wollte auf der Düne den Sonnenuntergang erleben und filmen. Im Web hatte ich dazu Berichte gelesen, die vielversprechend waren. Natürlich muss das Wetter mitspielen, heute wahrscheinlich kein Problem. Allerdings war mir nicht genau der Zeitpunkt des Sonnenuntergangs bekannt. Ich habe mich dann bei meinem polnischen Nachbar erkundigt. Er hat Internet über Satellit und auch TV im Wohnmobil. Bis gegen 20 Uhr war noch Zeit, genügend, um zu essen und sich auszuruhen.
Interessant ist, dass der Pole mit Frau vor vielen Jahren nur deswegen in Deutschland hat sesshaft werden dürfen, weil die Mutter des Polen eine Deutsche war. Sie war geblieben und hatte die Vertreibung im Februar 1945 nicht mitgemacht. Die Russen rückten immer näher, sie wollte aber ihre Heimat nicht verlassen. So wurde sie gewissermaßen zwangsweise zur Polin, fügte sich in ihr Schicksal und gebar einen Sohn. Mit diesem Sohn ging sie dann später nach Deutschland und konnte die neue (alte) deutsche Heimat noch einige Jahre im Allgäu erleben.
Somit ist mein polnischer Nachbar mit immer noch deutlichem polnischen Akzent in Wirklichkeit eigentlich ein Deutscher, musste in der Kindheit aber polnisch sprechen. Den Deutschen in der späteren Volksrepublik Polen war es anfangs in der Öffentlichkeit verboten, ihre deutsche Muttersprache zu pflegen. Die Frau meines Nachbars ist aber eine echte Polin, es war seine frühe Jugendliebe, die so auch in den Genuss der deutschen Staatsbürgerschaft kam.
Schrecklich, was das Verschieben von ganzen Völkern samt der Landesgrenzen für den einzelnen Menschen bedeutet. Vertreibung, Umsiedlung, Flucht, Auswandern, Einwandern — dies alles dürfte es garnicht geben, zumindest nicht zwangsweise und schon garnicht aufgrund ethnischer Zugehörigkeit. Immer müssen diejenigen leiden, die am wenigsten an den vermeintlichen Kriegsgewinnen der Mächtigen partizipieren.
Der Aufstieg war angenehm, die Kraft der Sonne hatte schon nachgelassen. Sie übergoss die Düne zunehmend mit goldgelber Farbe. Ich musste mich beeilen. Bis zur Spitze war es noch weit. Nicht nur ich hatte die Idee, die letzte Stunde des Tages auf der Düne zu verbringen. Mit Stativ, Kamera und Fotoapparat hatte ich ganz schön zu schleppen. Immer wieder musste ich stehenbleiben, um die zunehmende Änderung des Farbspiels zu verewigen, d.h. zu fotografieren.
Je später der Abend, desto schöner die Farben. Die Sonne verzaubert, einfach so und überall. Sie weiß nichts von uns.
Das war die Spitze, nach kurzer Zeit mit vielen Leuten.
Weiter unten am Meer genossen die Pärchen das Schauspiel, weit weg vom Trubel auf der Dünenspitze.
Noch rechtzeitig konnte ich die Kamera aufstellen.
Der Sonnenuntergang ist immer wieder faszinierend, besonders hier in dieser nicht alltäglichen Umgebung.
Wenn die Sonne langsam in den Horizont taucht geht trotzdem alles viel zu schnell. Tröstend ist nur die Sicherheit der Wiederkehr. Am nächsten Abend würde sich alles wiederholen. Sie geht abends und kommt morgens wieder. Nicht so das immer schnellere Verrinnen der eigenen Zeit. Die Stunden, Minuten und Sekunden sind unwiederbringlich, einfach weg. Was ist das bloß für ein Gefühl. Ich möchte das Schöne festhalten, die wenigen Minuten des Sonnen-Abschieds zu Stunden werden lassen. Doch nein, sie tut mir nicht den Gefallen — ich meine die Zeit. Sie schwindet, sie kommt kein zweites Mal, so wie das Wasser im Fluss kein zweites Mal vorbeiströmt, nicht rückholbar. Doch sie hinterlässt Spuren, prägt unser Leben. Sie rinnt unaufhörlich. Das was vorher war, wird länger, das was noch kommt, immer kürzer. Was bleibt, ist der Augenblick, mit allem, was ihn füllt.
Die eigene Vergänglichkeit ist festgeschrieben, da hat es die Sonne besser, zumindest noch einige Milliarden Jahre.
Mit dem Verschwinden des roten Balls hinter der fernen Wolkenschicht über dem Meer saß ich im Sand und hing meinen Gedanken nach. Unfähig aufzustehen hallte mir im Kopf das Klatschen der Leute nach, das dem Sonnenuntergang galt. Es war wie ein als Ohrwurm bezeichneter Schlager, so durchbrach das wie in weiter Ferne geborene Klatschgeräusch meine eigene Reflexion auf das Verschwinden des letzten Sonnenlichts.
Und wieder ging es mir durch den Kopf: Alles ist vergänglich, so auch das Licht dieses Tages. Was bleibt, ist das Jetzt in der Hoffnung auf den nächsten Tag, ohne sich aber in der Hoffnung zu verlieren. Wer nur hofft, ist genauso gefangen, wie derjenige, der nur zurückdenkt. Beides bindet die Gedanken und läßt weniger Raum für das Jetzt. Also lasst uns, notfalls auch mit Tränen, Freud und Leid des Jetzt erleben, es kommt kein zweites Mal.
Warum wohl haben die Leute geklatscht? Später habe ich irgendwo gelesen, das sei auf dieser Düne immer so. Intuitiv würde ich eher zum Sonnenaufgang klatschen. Oder ist das Ganze ein Theaterstück, bei dem die Leute auch erst am Ende klatschen? Man freut sich, wenn der Vorhang aufgeht und die Schauspieler kommen. Sie müssen kommen, man hat ja schließlich dafür bezahlt. Aber dann will man etwas sehen. Honoriert wird am Ende, deshalb der Beifall.
Aber der Tag ist doch kein Theaterstück, schon garnicht eine Show. Die Sonne sendet ihre Strahlen nicht, um uns zu gefallen. Und einen Preis hat sie sowieso nicht. Sie schien und wärmte schon, als wir noch nicht da waren. Sie wird auch weiter ihre Arbeit tun, selbst wenn wir Menschen wieder von dieser Erde verschwunden sind. Sie braucht unser Klatschen nicht. Es ist eine Handlung, die höchstens uns selbst nützt.
Mir wurde kalt. Nur noch ein heller Streifen markierte den Horizont, wo sich Meer und Himmel treffen. Das schmale Wolkenband war nicht mehr da. Klar grenzte sich jetzt das dunkle Wasser vom schwachen Schein der verschwundenen Sonne ab. Langsam tauchte ein Stern nach dem anderen an der zunehmend schwarzen Kuppel auf. Die Düne war nur noch als Silhouette zu erkennen. Auf der vorgelagerten Sandbank glimmten zwei schwache Lichter. Oder vielleicht war es auch ein festgemachtes Boot. Im Norden und auf dem Cap Ferrét markierten die Lichtpunkte der Häuser das flache Ufer.
Ich hatte Mühe, Stativ und Kamera ordentlich zu verstauen, da der Mond sich im Osten hinter Wolken versteckt hielt. Außer einem Pärchen weit unten am Meer hatten sich alle Theaterbesucher entfernt. Ihre Show war zu Ende. Meine Gedanken hingen am Vergehen, als wenn es mein letzter Sonnenuntergang gewesen wäre. Den doch recht langen Weg zurück nahm ich kaum war. Vor mich hin stapfend schob sich ab und zu wieder der Klatsch-Ohrwurm in den Vordergrund.
Ja, schön war der Tag und des Klatschens würdig. Nein, es würde nicht der letzte sein! Also genieße auch diesen Marsch, dachte ich. Mir war inzwischen warm geworden, sehr warm sogar. Ohne darauf zu achten, hatte ich es plötzlich eilig. Die Treppe hinunter fand ich zwar, ließ sie aber links liegen (im wahrsten Sinne der Worte). Es war sicherer und bequemer, schreitend im Sand hinunter zu schieben. Die Stufen hätte ich sowieso nicht mehr erkannt.
Der Campingplatz spendete ein wenig Helligkeit. Einzelne Wegbeleuchtungen brannten, ganz vereinzelt war Licht hinter einem WoMo-Fenster zu sehen. Auch das polnische Ehepaar war noch wach. Mich zog es unter die Dusche. Das warme Wasser würde mir gut tun. Hunger hatte ich auch wieder.
Die Nacht war lau, ein Grund also, sie noch etwas zu genießen. Beim Cappuccino bekam ich an meinem Freilandtisch Besuch. Der Pole hatte wohl Lust, noch ein wenig zu schwatzen. Seine Frau hatte den Fernseher an. Morgen würde vom Norden die Regenfront kommen, meinte er.
Meinen Plan, trotz der schlechten Aussichten zur Insel Mont-Saint-Michel zu fahren, fand er gut. Am Atlantik würden Wolken schneller wieder abziehen als anderswo. Hoffentlich hat er Recht, dachte ich. Vor der Klosterinsel könne man auf einem großen Parkplatz auch gut im Auto übernachten. Er wäre mit seinem Wohnmobil schon dort gewesen. Das war für mich eine gute Info. Überhaupt sei der Besuch lohnenswert.
Langsam fiel kühle Luft vom Meer die Düne herunter. Der Mond half mir mit seinem fahlen Schein, den Tisch aufzuräumen und alles im Auto zu verstauen. Auf keinen Fall durfte ich irgendetwas Fressbares liegen lassen. Der Besuch letzter Nacht sollte sich nicht wiederholen. Es war halb zwölf, als ich in den Schlafsack kroch.
Camping de la Dune > Ri Bordeaux A660/A63 > A630 O-Umfahrg. Bordeaux > A10 Ri Saintes > Abzweig Angoulême (N10/E606) > Bressuire > Cholet > Nantes > Aire de Puceul (2 km vor Nozay, N137/E3, etwa 30 km nach Nantes)
Der Vormittag war fast weg, erst 10.30 Uhr passierte ich die Schranke des Zeltplatzes. Nach einer ruhigen Nacht zog sich mein Frühstück hin, diesmal mit frischem Baguette vom Zeltplatzladen. Heute war eigentlich der letzte Zeltplatz-Öffnungstag. Da aber in der Folgewoche noch eine Gruppe junger Leute kommen würden, hätte ich auch noch länger bleiben können.
Die 3 Nächte haben mich 45 Euro gekostet (mit Staub). Das war es mir wert. Vor allem Dusche und geschütztes Parken sind wichtig, abgesehen von der Nähe zur Düne und den diversen Bekanntschaften, die man machen kann. Ich kann den Campingplatz empfehlen, zumindest bezogen auf meine Bedürfnisse. Die Polen sind schon kurz nach 9 Uhr weg, da saß ich noch in der Morgensonne beim Frühstück. Gute Fahrt! Meine Website-Adresse hat er. Vielleicht meldet er sich einmal.
Erwähnen muss ich, dass ein Müllkübel am Sanitärhaus wieder umgekippt war. Die Sau (oder mehrere) war also wieder da. Gehört hatte ich diesmal nichts.
Vor mir lagen nun 656 Kilometer bis zur Klosterinsel (lt. Navi). Ich zweifelte schon jetzt, ob ich noch heute ankommen würde. Einen Supermarkt musste ich auch noch besuchen, die Speisekiste war fast leer. Bei Ankunft hätte ich sowieso nicht auf die Insel gekonnt, sowas muss man früh angehen. Ich musste also vorher noch übernachten. Dass die Fahrt mit Stau und Tankproblemen gespickt war, wusste ich noch nicht.
An der A660 nach Bordeaux hatte ich bei der Herfahrt einen Lidl gesehen. Das war im Augenblick mein vorläufiges Ziel.
Nach etwa 13 Kilometern sah ich schon linker Hand das Lidl-Schild. Ich musste die Ausfahrt nach Gujan-Mestras nehmen, das zwischen der A660 und dem Arcachon-Becken liegt. Der Supermarkt befindet sich direkt an der Autobahn im Gewerbegebiet von Gujan-Mestras (Adresse: Lidl, Avenue de Césarée, 33470 Gujan-Mestras) (44.61511, -1.07612).
11.30 Uhr stand auf dem Kassenzettel. Weintrauben, Wasser und einiges mehr hatte ich nun wieder genügend. Auf dem Zeltplatz war das Wasser leicht chlorhaltig und deshalb für den Kaffee nur bedingt nutzbar. Der Lidl ist ziemlich groß, dafür waren aber nur 2 Kassen besetzt bei riesigem Andrang. Auch die Franzosen scheinen Freitags alle einzukaufen. Dazu kommt, dass die Franzosen offensichtlich Zeit haben, mehr als man das von den deutschen Kassiererinnen gewöhnt ist.
Beim Kunden vor mir war der Stuhl erst einmal leer. Die Kassiererin lief hinter bis in die letzte Ecke der Halle und schaute nach einem Käsepreis. Telefonisch konnte man das nicht erledigen, oder? Vielleicht war einfach kein Personal verfügbar. Obwohl, an den Backöfen hatte ich ein Mädel gesehen. Frisch gebackene Fruchttaschen hatte ich natürlich auch mitgenommen, die kannte ich noch vom Lidl in Portugal.
Trotz des Lidl-Aufenthalts, um 12.18 Uhr war ich schon auf der Bordeaux-Ostumfahrung, um dann auf der A10/E606 Richtung Paris fahren zu können. Es war wie zu erwarten: viel Verkehr. Die drei Fahrspuren waren voll, aber es ging recht zügig vorwärts. Hoffentlich würde es ruhiger werden.
Im weiteren Verlauf gab es keine Probleme, die Sonne schien, der Bordcomputer zeigte 22°C. Der Verkehr hatte nachgelassen. Ich konnte mit 90 km/h dahintrudeln. Es ist schon erstaunlich, dass der 3-Zylinder-Dacia-Benzin-Motor (eine Neuentwicklung von Renault) bei vorsichtiger Fahrweise nur 4,1 Liter auf 100 Kilometer braucht.
Erst wollte ich dem Bordcomputer nicht glauben. Später hat sich aber mit Hilfe der Tankquittungen bestätigt, dass über 10.000 Kilometer gemessen bei meiner sparsamen Fahrweise der Durchschnittsverbrauch unter 4,5 l/100km liegt. Mit dem Omega Caravan brauchte ich das Doppelte, allerdings war er auch fast doppelt so schwer und etwas größer, aber eben nicht doppelt so groß.
Es war kurz vor 15.00 Uhr, Kaffeezeit. Quarktasche, Brot, Würstl, Kaffee und Wasser — ich war danach satt und zufrieden. Die Sonne meinte es nicht mehr so gut mit mir. Von der Regenfront war aber weit und breit noch nichts zu spüren. Doch der Wind hatte sich verdächtig rar gemacht. Windstille ist immer ein Zeichen für kommenden Wetterwechsel.
Ich stand auf dem Parkplatz Aire de Maine-de-Boixe EST an der N10 (eine französische Autostraße) etwa 20 Kilometer nach Angoulême. Es ist ein gut ausgebauter 24-Stunden-Parkplatz mit großem LKW-Parkplatz und viel Wald, auf dem man auch im Auto übernachten kann. In Deutschland kenne ich so etwas an einer Bundes- bzw. Autostraße nicht. Allerdings waren die französisch-typischen Steh-Toiletten eine Katastrophe. Auch hier ist wahrscheinlich Reinigungspersonal eine Mangelerscheinung geworden.
Trotz der günstigen Übernachtungsbedingungen konnte ich nicht bleiben. Bis zur Klosterinsel waren es noch 445 Kilometer, für das Autobett also noch viel zu früh.
Meine durchweg guten Erfahrungen beim Autofahren in Frankreich hatten sich auch hier wieder bestätigt. Die Straßen sind gut, es gibt überall viel Platz, Rastplätze sind reichlich vorhanden, und die Franzosen haben es nicht ganz so eilig wie die Deutschen.
Aire de Maine-de-Boixe EST (45.846593, 0.189139)
Etwas zu Essen braucht der Mensch
Mein Ego sagt: Der neue Hut steht mir ausgezeichnet.
Viel Platz und auch Wald zur Übernachtung
Hinter den Büschen ist die N10 (nicht sichtbar)
Südwestlich von Poitiers führte mich das Navi auf oft schmalen Straßen über viele Dörfer. Ich kam durch Lusignan, Benassay, Vasles, Saurais und in Parthenay schließlich auf die N149 Richtung Bressuire. Das mautfreie Fahren kann eben auch kleine Nachteile haben. Mehrfach hatte ich versucht zu tanken. Einmal war mit Bon im Dorfmarkt zu bezahlen, ein anderes Mal musste man irgendetwas eintippen. Französisch kann ich nicht und so musste ich weiter hoffen, bald an eine Tankstelle mit Personal zu kommen.
Um 17.41 Uhr hatte ich noch 273 Kilometer bis zur Insel. Zum Tanken war es höchste Zeit, hoffentlich war an dieser Autobahn eine Möglichkeit. Die Überlandfahrerei hatte ein Ende. Ab und zu regnete es stark. Meine Hoffnug war, dass Saint-Michel nicht buchstäblich ins Wasser fällt. Zwischen Cholet und Nantes kam es dann, wie ich es mir eigentlich nicht wünschte: strömender Regen und fast leerer Tank. Den 9-Liter-Kanister habe ich immer dabei, allerdings ganz unten im Reserverad. Ich war schon im Großraum Nantes. Im starken Verkehr auf einer Autobahn wegen Spritmangel auf dem Randstreifen anhalten zu müssen, ist nicht meine Sache. Man sollte dies sowieso unbedingt vermeiden. Ich musste von der gut ausgebauten E62 abfahren und den Reservekanister bemühen.
Das Freipacken über der Reserveradklappe gestaltete sich nicht so einfach. Zwar hatte der Regen etwas nachgelassen, aber das Gepäck musste raus. Ich war auf einem Parkplatz eines Restaurants gelandet. Auf der angrenzenden Wiese konnte ich die Sachen abstellen, musste sie aber zudecken, denn das Auslaufen eines 9-Liter-Kanisters dauert seine Zeit. Zum Glück habe ich für solche Gelegenheiten eine wasserfeste Zeltabdeckung dabei.
Mit Hilfe des Navis ermittelte ich die nächste Tankmöglichkeit, keine 8 Kilometer vom aktuellen Standort. Wer kann das wissen? Allerdings wäre ich das Risiko, ohne Benzin nachzufüllen zur Tankstelle zu fahren, trotzdem nicht eingegangen. Nicht alle Tankstellen haben durchgehend auf und mein Navi sagt mir die Öffnungszeiten nicht.
Das Navi führte mich zur Elf-Tankstelle in Vertou (47.172921, -1.475132), einem Vorort von Nantes. Es war 19.10 Uhr. Glück gehabt, nach 21.00 Uhr wäre es zu spät gewesen.
Die Nantes-Nordumfahrung war voll, am Freitag kein Wunder. Auf der N137/E3 Richtung Rennes lugte die tiefstehende Sonne am unteren Rand der fast schwarzen Wolkenmasse hervor. Sie stand im Westen über dem nahen Meer mit rotgelbem Horizont. Die Wolken wurden jetzt gewissermaßen von unten angestrahlt, ein unbeschreiblich schönes Schauspiel. Schwefelgelb brachen sich die Strahlen am Regendach und tauchten die Landschaft um mich herum in ein surrealistisch anmutendes Märchenland. So oft wie ich konnte sah ich mich um und links hinüber. Die Bäume waren auf der einen Seite nachtschwarz, auf der anderen Seite wurden sie vom gelbroten Licht angestrahlt. Das Ganze sah aus wie eine mit Scheinwerfer beleuchtete Bühnendekoration. Unglaublich!
Der Verkehr wurde wieder dichter und kam schließlich ganz zum Erliegen, Stau. Nun hatte ich Zeit, den Sonnenuntergang in aller Ruhe zu beobachten. Es war inzwischen 20 Uhr geworden. Das Farbenspiel dieses Sonnenuntergangs war prachtvoll. Von saharagelb über rosa, rot, gelb und türkis war alles zu sehen. Der Stau zog sich in die Länge.
Das Navi, obwohl mit dem aktuellen Verkehrsdienst verbunden, meldete keinen Stau. Die Ursache konnte ich nicht entdecken. Zumindest auf meiner Strecke war auch später kein Unfall oder eine Baustelle zu sehen.
Erst nach fast 2 Stunden ging die Fahrt langsam, dann zügig weiter. Es war natürlich schon stockdunkel, kein Mond, keine Sterne, und ich selbst war hundemüde.
Ein Parkplatz musste her, und der kam. Bei fast strömendem Regen kurvte ich in die hinterste Ecke, weit weg von einigen weiter vorn parkenden Autos. Mit (fast) nichts an, rubbelte ich mir im nachlassenden Regen die Anstrengung der Fahrt vom Leib. Diese Abendwäsche tat gut. Mit Jogginganzug und eingemummelt im Schlafsack verließ ich dank des monotonen Dachgetrommels schnell das irdische Dasein.
Stunden später streifte ein Scheinwerferlicht mein Gesicht, dann war wieder Finsternis und Ruhe. Der Regen hatte aufgehört.
Parkplatz Aire de Puceul (47.531862, -1.635040) > N137 bis Rennes Süd > N136 Ostumgehung Rennes > A84/E3 Ri Norden Liffré > D976 > D43 Courtils > D275 bis Mont-Saint-Michel Parkplatz la Jacotiére Ardevon (48.61242, -1.50355)
Am Morgen weckte mich Vogelgepiepse, kein Gesang. Ein junger Vogel war wohl zu nass geworden. Er hockte im nahen Brombeergebüsch und "weinte" fürchterlich, fast wie um Hilfe schreiend. Doch meine Zähne und der morgendliche Gang hatten Vorrang. Er würde schon noch durchhalten. Ich wusste nicht, ob ich ihm überhaupt hätte helfen können. Eine warme Erbsensuppe und dazu Kaffee brauchte ich selbst dringendst. Der Regen hatte aufgehört. Der neben dem Auto stehende Müllkübel musste als Frühstückstisch herhalten. Meinen Standort zu wechseln hatte ich keine Lust, obwohl weiter vorn Sitzgruppen waren. Mein Klappstuhl reichte.
Beim Essen machte sich das Vögelchen wieder bemerkbar. Ich grapschte das glitschnasse Häufchen mit Mühe aus der Hecke, nicht ohne mich an den Stacheln zu verletzen. Doch das merkte ich erst später. Die Art des Vogels kenne ich nicht, er war etwa so groß wie eine junge Amsel, hatte aber seltsam braun-schwarz-gelbes Gefieder und einen recht langen Schnabel.
Noch liegt bleierne Nässe über dem Aire de Puceul.
Mit dem Tag kam die Sonne, der Vogel war gerettet.
Was nun? Behutsam untersuchte ich Flügel und Beine, konnte aber keine Verletzungen oder einen Bruch entdecken. Das klatschnasse Federvieh mit seinen ängstlichen schwarzen Augen in der Hand haltend überlegte ich erst jetzt, was zu tun sei. Er piepste nicht mehr. Ihm schien es in meiner warmen Hand zu gefallen. Da fiel mir meine Wintermütze ein. Es war garnicht so einfach, sie aus den Tiefen meines permanent im Auto liegenden Kleidungsvorrates mit einer Hand herauszuwühlen. Ich steckte den kleinen Kerl in die kuschlige Mütze und zog die Bänder der Ohrklappen soweit wie möglich zu. Federvieh trocknen geht nicht, man kann keinen Vogel abrubbeln. Was sollte ich also tun, um die Nässe aus den Federn zu bekommen? Einen Fön benutze ich nicht und habe ich nicht.
Mir blieb nichts anderes übrig, als das nasse Elend so gut wie möglich mit der Hand zu wärmen. Ich zog also die Ohrklappen auch noch über meine linke Hand und band alles fest. Das Ding samt Vogel sah nun wie ein Boxerhandschuh aus. Mir kam in den Sinn, manche Leute sollen ja einen Vogel unter dem Hut haben, da sie ihn höchst selten abnehmen. Ich hatte eben den Vogel in der Hand (Man sagt auch: Besser als die Taube auf dem Dach.). Frühstück beenden und Aufräumen musste ich mit der rechten Hand machen. Die Jogginghose gegen die Jeans tauschen ging aber garnicht.
Seltsam, das Lebewesen in meiner Hand war recht ruhig geworden. Ich hatte zwischenzeitlich den abziehenden Wolken nachgeschaut, die steigende Sonne im Osten brachte den blauen Himmel mit. Vorsichtig, es war vielleicht eine halbe Stunde vergangen, öffnete ich meine Hand etwas. Die Federn fühlten sich etwas trockener an. Sofort begann die Piepserei erneut, jetzt aber nicht mehr so ängstlich. Scheinbar wollte auch das Vögelchen den Tag neu beginnen. Versuche, einige Brotkrümchen aufpicken zu lassen, schlugen fehl. Der Vogel wurde immer aufmüpfiger und verlangte nach Freiheit. Seine Kräfte schienen zurückgekehrt zu sein.
Nicht ohne ihm alles Gute zu wünschen entließ ich den kleinen Kerl. Er konnte sogar fliegen, weg war er. Ich war zufrieden. Wenigstens eine gute Tat soll man jeden Tag tun. Das war also erledigt.
Der Parkplatz Aire de Puceul an der N137 ist nur bedingt für eine Übernachtung geeignet. Es gibt zwar wie in Frankreich üblich ein Toilettenhäusl und auch einen extra Parkraum für große LKWs, auf der weiträumigen Fläche stehen aber kaum Bäume. Nur 100 Meter hinter dem Parkplatz liegt die kleine Siedlung La Rinais. Vom Parkplatz in nördlicher Richtung sind es auf der N137 etwa 2 Kilometer bis zum Städtchen Nozay. Der Rastplatz auf der anderen Seite in südlicher Richtung heißt Aire de Stationnement Camping Car.
Doch in der Nacht sind alle Katzen grau, d.h. man kann nicht sofort einschätzen, ob ein Rastplatz geeignet ist. Ich war froh, gestern bei Regen und in der Dunkelheit überhaupt einen geeigneten Parkplatz zu finden. Einige Kilometer vorher in der Peripherie von Nantes hatte ich versucht, auf einem kleinen Parkplatz einen geeigneten Schlafplatz zu finden, aber vergebens. Einerseits war der Platz fast voll und die Nähe des noch freien Platzes zur Toilette schmeckte mir überhaupt nicht. Es wäre bestimmt wegen der Beleuchtung eine unruhige Nacht geworden.
Es ist immer die Frage, zur Übernachtung in einem hell erleuchteten Bereich parken, wo auch ständig Leute unterwegs sind, oder lieber in einer hintersten dunklen Ecke möglichst ungesehen parken. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Ich bevorzuge trotzdem Letzeres.
Natürlich hat mich die ganze Rettungsaktion vielleicht eine Stunde gekostet. Aber was ist schon eine Stunde gegen ein Vogelleben? Für die restlichen 143 Kilometer bis zur Klosterinsel würde ich nicht lange brauchen. 10 Minuten nach 9 fuhr ich vom Platz, voraussichtliche Ankunftszeit 11 Uhr.
Sonne im Herzen und am Himmel, Enyas Song "Ein Tag ohne Regen" vom Stick, trockene Autobahn, wenig Verkehr und die Vorfreude auf Kommendes veranlassten mein biologisches Regelsystem, Glückshormone zu verteilen. Mike Batts Songs aus "Caravans" taten ihr Übriges. Ich hatte ein Hochgefühl von Freiheit und Entdeckerdrang. So müssen sich vor vielen tausend Jahren die Urahnen gefühlt haben, wenn sie neue Jagdgebiete entdeckten. Ich war gespannt, was mich heute erwarten würde.
Aire de Puceul Samstag morgens am 1.10.
Regen adé, die Sonne schiebt über die letzten Wolken.
Auf dem Navi steht: noch 135 km, Ankunft um 11.00 Uhr.
Sehr wenig Verkehr, eine schöne Fahrt bei super Musik vom Stick. Ich habe meine Lieblingssammlung immer dabei, geordnet nach Genres zum Genuss je nach Stimmung und Situation.
Es war kurz nach 10 Uhr, da erschien zum ersten Mal die schwarz-weiß-karierte Flagge auf dem Navi. Sie zeigt das Ziel an, nur noch 61 Kilometer bis zum Mont-Saint-Michel.
Es war Samstag, der 1.10.2016 um genau 11.02 Uhr. Zum ersten Mal erblickte ich die Silhoutte der Klosterinsel Mont-Saint-Michel. Vielen mag der Anblick vertraut sein, ich aber hatte überhaupt keine Vorstellung. Da mein ursprüngliches Ziel viel weiter im Südwesten Europas lag, nämlich das "Ende der Welt" mit dem kupfernen Pilgerschuh des Jakobsweges, hatte dieses "Wunder des Abendlandes" bei den Recherchen im Vorfeld der Reise überhaupt keine Rolle gespielt. Nun lag das hoch bebaute Felsmassiv vor mir, von weitem klein und doch dominant unübersehbar in der flachen Ebene. Erst mit dem Zoom der Kamera konnte ich Einzelheiten erkennen.
Ich habe die Parkmöglichkeit auf der D275 gegenüber einem Landgut genutzt, um diesen Anblick zu genießen. Schon auf den letzten Kilometern hatte ich Ausschau nach einer Übernachtungsmöglichkeit gehalten, hier wurden "Chambres" ab 50 Euro pro Nacht (2 Personen) angeboten. Weitere Schilder sollten folgen. Doch erfahrungsgemäß steigen die Preise, je näher das Objekt an der Touristenattraktion liegt. Schnell verwarf ich den Gedanken, hier zu übernachten.
Erster Blick auf den Mont-Saint-Michel, Entfernung 7 km
Dieses Landgut (Bauernhof) ist zum Gästehaus ausgebaut.
Zimmer (Chambres) zu vermieten (48.62236, -1.45227)
Der große Parkplatz, auf den der Pole verwiesen hatte, entpuppte sich als riesige relativ neu angelegte Parkfläche weit vor dem Ufer gegenüber der Klosterinsel. An Übernachtung im Auto war überhaupt nicht zu denken. Ich war mir auch nicht mehr sicher, ob er diesen Parkplatz gemeint hatte. Wie ich später feststellte gibt es noch ein "Camping du Mont-Saint-Michel", der mit Wasser- und Stromanschlüssen für Wohnmobile und damit fürs Übernachten geeignet ist.
Der Mont-Saint-Michel gibt die Richtung vor.
Mont-Saint-Michel vom Parkplatz aus fotografiert
Nach dem Ziehen des Tickets öffnete sich die Schranke. Preise habe ich nicht gesehen, auch war weit und breit keine Zahlstation. Ich machte einfach, was alle taten: Auto hinstellen und in Richtung Westen laufen, wo die Zugangsstraße zur Insel sein musste.
Auf dem mittleren P stand mein Auto (48.61242, -1.50355).
Vom Parkplatz bis zur Insel sind es etwa 3,5 Kilometer.
Prinzipiell kann man mit dem Shuttle-Bus, mit einer der vielen Pferdekutschen, oder auch zu Fuß zur Insel gelangen. Darüber hinaus ist es möglich, sich ein Pferd oder ein Fahrrad zu leihen. Allerdings weiß ich nicht, wo das Pferd oder auch das Fahrrad bleiben soll, wenn man die Insel besucht. Die halbe Insel ist als Festung von einer Mauer mit Türmen umgeben. Zur Insel dürfen keine Privatautos fahren, nur die Busse bzw. Lieferanten und Angestellte.
Die beiden obigen Fotos einer Info-Tafel zeigen die Verhältnisse vor Ort. Im rosa Bereich fahren die Busse und Kutschen ab (La Place des Navettes). Das große Info-"i" bezeichnet einen modernen Neubau mit Informationsstand, Museum usw. Daneben (die blaue Quadratreihe) sind die Zahlstationen für die Parkplatzgebühr (Caisses de paiement). Weiter oben im grauen Bereich sind einige Restaurants, Hotels und auch der schon erwähnte Campingplatz.
Der linke blaue Streifen ist der kanalisierte Fluss Couesnon, über den mittels eines verschließbaren Tores (Wehr) der Wasserzulauf zum Meer in Abhängigkeit der Gezeiten geregelt wird. Dadurch soll der Versandung der Mont-Saint-Michel-Bucht entgegengewirkt werden. Der oberste schwarze Pfeil kennzeichnet den Weg bzw. die Straße zur Insel entlang des Flusses.
Im rechten oberen Bild ist die Bucht mit Insel dargestellt. Bei Ebbe ist zwischen Insel und Festland kein Wasser, nur Sand (ähnlich dem Watt an der Nordsee). Straße und Weg führen über eine Brücke bis zur Insel.
Weg vom Parkplatz zu den Bussen und Pferdekutschen
Die Kutsche (La Maringote) kostet etwas, der Bus ist frei.
Noch war ich frisch genug, die Kutsche nicht zu nutzen.
Es ist vielfältig, was einem auf dem Weg zur Insel begegnet. Der ganze Komplex dient fast ausschließlich den herbeiströmenden Touristen. Neben Infotafeln mit Fotos der näheren Umgebung gibt es vor allem Restaurants und Hotels. Bloß gut, dass alle Gebäude recht niedrig sind und so einigermaßen ins Landschaftsbild passen. Der Caravan-Parkplatz wird privat betrieben und hat alles, was man braucht. Die Preise kenne ich nicht, günstig dürften die Stellplätze nicht sein. Es gibt auch Zimmer zur Übernachtung im Haus.
Auf den Infotafeln sind teils sehr schöne Fotos zu sehen.
Parkähnliche Grünanlagen sorgen für ein angenehmes Ambiente und im Sommer für schützenden Schatten.
Restaurant und Brasserie. Im Sommer ist bestimmt viel los, ansonsten wären hier nicht so viele Gaststätten.
Wie überall sind auch hier die Preistafeln außerhalb.
Die Kutschfahrt ist sicher schön und auch vorteilhaft für ältere Leute. Besser finde ich aber den Weg zu Fuß.
Ein Raabe, oder ist es eine Krähe? Jedenfalls hielt der Vogel Wache und war neugierig auf jeden, der vorbeikommt.
Die erste Kuh steht vor dem Restaurant La Bergerie.
Ungewöhnlich sind die aufgestellten bunten Rinder aus Plastik. Ob man so ein Vieh auch kaufen kann, weiß ich nicht. Der Sinn dieser Art von Skulpturen erschließt sich mir nicht. Wahrscheinlich ist es eine Ausstellung (Exposition Cow Parade). Auf jeden Fall ist alles recht farbenfroh und dürfte besonders Kindern gut gefallen.
Ein ganzes Stück führt der Fußweg auf dem Uferdamm entlang. Die Straße für Busse und Kutschen ist rechts daneben.
Das Wehr reguliert das Wasser abhängig vom Tidenhub.
Zu Fuß 2.300 Meter in 35 Minuten bis zur Insel, steht auf dem Schild. Das Foto ist sicherlich am Ende der Flut aufgenommen worden, denn sonst führt das kleine Flüsschen Couesnon nicht so viel Wasser. Die Uferdämme müssen den Tidenhub, der manchmal bis zu 15 Meter betragen kann, aushalten können.
Shuttle-Buss (Passeur) zur Insel (kostenlos)
Die Shuttle-Busse sind Zweirichtungsbusse, d.h. sie haben vorn und hinten ein Führerhaus. Dadurch entfällt das Wenden auf dem Vorplatz der Insel. Dort ist bei Flut sowieso kein Platz.
Am Ende des Festlandes ist links das Wehr mit den Wassertoren zu sehen. Bei Flut lässt die Sperre das Meerwasser ins Flußbett fließen. Damit möglichst viel Meerwasser aufgenommen werden kann, wurden Uferdämme aufgeschüttet. Dann wird das Wehr geschlossen. Zeitverzögert öffnen sich die Tore wieder, um bei Ebbe das Meerwasser kontrolliert wieder zurückfließen zu lassen. Dabei wird Sand zurück ins tiefere Meer getragen und somit die Insel im Laufe der Zeit freigespült.
Die Besichtigung der Anlage sparte ich mir für den Rückweg auf. Jetzt wollte ich erst einmal zur Insel. Meine Neugierde war groß.
Im Erdaltertum war die Gegend vor über 500 Millionen Jahren ein Schiefergebirge mit Graniteinlagen. Im Laufe der Zeit schliff sich der Schiefer ab, nur einige Granitspitzen trotzten der Erosion. Das Ende der letzten Eiszeit ließ die Meere anschwellen, so dass vor einigen Jahrtausenden mehrere Inseln entstanden, darunter die später bebaute Felseninsel, auch die 3 Kilometer nördlich davon liegende Insel Tombelaine und der heute im Moor liegende Mont-Dol.
Die erste Bebauung wird auf das 8. Jahrhundert datiert. Damals wurde die Felseninsel Mont-Tombe genannt, was mit dem früheren Aussehen der Insel mit einem grabähnlichen Hügel zu tun hat (französisch "tombe"). Der Name Tombelaine der kleineren Insel ist eine sprachliche Verkleinerungsform von Tombe. Auch diese Insel hat die Form eines Grabhügels.
Eines Tages wird das Gras im Vordergrund wieder verschwunden sein. Durch das raffiniert funktionierende Wehr wird die Felseninsel dann sein, was sie ganz früher schon immer war: eine Insel.
Die wechselvolle Baugeschichte ist eng verwurzelt mit den Herrschaftsverhältnissen im Laufe der Jahrhunderte. Der Mont-Saint-Michel war eine Festung Neustriens (Marche de Neustrie), gehörte nach 867 den Bretonen, ab 933 den Normannen, war Benediktiner-Kloster ab 965 und wurde in den folgenden Jahrhunderten ständig ausgebaut und erweitert. Dazu gehören der Bau der zentralen Klosteranlage (1017 bis 1520) und der Bau der ersten romanischen Abteikirche (1023 bis 1084). Der Ausbau des Klosters im gotischen Stil erfolgte schon im 13. Jahrhundert durch Philippe Auguste, König von Frankreich.
In 1469 erfolgte die Gründung des Ritterordens Ordre de Saint-Michel mit Sitz in der Abtei.
Die Insel Tombelaine unweit vom Mont-Saint-Michel. Bei Ebbe kann man hin und wieder zurück laufen.
Der Mont-Saint-Michel wurde von den Engländern von der kleinen Insel Tombelaine aus belagert (1423 bis 1434), aber nie völlig eingenommen. Allerdings wurde das Dorf am Fuße der Abtei durch die Artillerie weitgehend zerstört.
Im 15. Jh. begann der Niedergang des Klosters. Ernannte Äbte mussten nicht mehr dem Klerus entstammen. Das Kloster wurde nun von weltlichen Klosterherren vom Festland aus regiert. Die Pilgerzahlen gingen im 16. und 17. Jh. zurück und die Einnahmen verringerten sich drastisch. Viele Gelehrte des aufkommenden Humanismus verurteilten die Heiligen- und Reliquien-Verehrung des Mittelalters. Zum Ausgleich mussten die Schätze der Abtei herhalten. Die bauliche Instanthaltung kam zum Erliegen. Schäden an der Klosteranlage wurden nicht mehr repariert.
In Folge der Reformation und der Französischen Revolution (1789 bis 1799) ging es mit dem Mont-Saint-Michel weiter bergab. Die Benediktiner verließen 1790 das Kloster und kehrten erst 1969 zurück. Die Abtei wurde im Zuge der Französischen Revolution von 1793 bis 1863 zum Massen-Gefängnis, trotz des bedenklich schlechten baulichen Zustands. Zeitweise waren in den hohen Kirchenräumen auf 3 Etagen bis zu 600 Mann untergebracht. In fast 70 Jahren sollen so 14 bis 15 Tausend Gefangene ihr erbärmliches Dasein gefristet haben, oft nur kurz wegen der in Gefangenschaft geringen Lebenserwartung. Im Volksmund wurde der Berg "Mont Libre" genannt, das Gefängnis "Bastille de la Province".
1863 wurde das Gefängnis von Kaiser Napoleon III. aufgrund der landesweiten Empörung über die miserablen Haftbedingungen geschlossen.
Ich komme dem Bauwerk immer näher.
Das heutige architektonische Ensemble basiert auf den unterschiedlichen Baustilen der über 1200-jährigen Geschichte.
Die intensive Nutzung als Gefängnis bewahrte den Mont-Saint-Michel, zu einem immer mehr zerfallenden Steinhaufen zu verkommen, nachdem die Zeit als Benediktiner-Kloster vorbei war.
Schon um 1836 hatte die Romantik den Mont wiederentdeckt und machte den Mont-Saint-Michel im positiven Sinne bekannt. Den Grundstein legte der junge Architekt Eugène Viollet-le-Duc, der im Jahr 1835 den Mont-Saint-Michel besuchte und das ganze Ausmaß der Schäden des Bauwerks festhielt. Er und einige einflussreiche Zeitgenossen setzten sich mit Nachdruck für die Restauration ein.
Wenn eines Tages die Wiesen im Mündungsgebiet des Couesnon verschwinden, wird die Schönheit des restaurierten Bauwerks mit der Mystik des Mont im Meer zum Gesamtkunstwerk des Menschen für Gott vereint sein.
Das Bauwerk wurde als architektonischer Schatz erkannt und 1874 zum nationalen Denkmal (Monument historique) erklärt. Es sollten noch 4 Jahre vergehen, bis man mit der Restaurierung begann. Mit großer Beharrlichkeit und hohem finanziellen Aufwand wurde in den folgenden Jahrzehnten nicht nur die Wiederherstellung, sondern teilweise auch der Um- und Neubau vorangetrieben. Das betraf sowohl die Abtei als auch das Dorf sowie die Befestigungsanlagen rings um die Insel.
Die Zahl der Montois (Mont-Bewohner) ist auf ca. 40 geschrumpft — von über 11.000 im Jahr 1850, als die Abtei ein Gefängnis war. Heute ist das Dorf hauptsächlich für die jährlich über 3 Millionen Touristen da.
Im März 2015 war der Steg überflutet. Das Wasser ist besonders hoch, wenn Mond und Sonne in einer Linie stehen.
Große Fehler wurden im Umland der Insel gemacht, die in neuerer Zeit einer Korrektur bedurften. 1878 wurde eine Deichstraße gebaut, die Festland und Insel verband, um unabhängig von Ebbe und Flut den Besuch der Insel zu ermöglichen. Von 1901 bis 1944 gab es auf dem Damm neben der Straße sogar eine Schmalspur-Dampfeisenbahn. Die Umströmung der Insel war unterbrochen. Die Folge war eine noch stärkere Versandung der Inselbucht, wie sie schon vorher zwar langsam aber stetig im Gange war. Schon im 19. Jahrhundert wurden Deiche errichtet, um die natürlichen Salzwiesen in fruchtbare Folder zu verwandeln. Auch dadurch rückte das Festland immer näher an den Mont-Saint-Michel heran. Die Insel wurde gewissermaßen Teil des Festlands, zumindest bei Ebbe.
Seit 2001 ist die Korrektur dieser Fehler im Gange. Der Damm wurde entfernt und 2014 durch einen Stahlsteg ersetzt, der nun vom Meer unterspült werden kann. Gleichzeitig wurde ein Gezeitendamm an der Couesnon-Mündung gebaut, der in Verbindung mit einem steuerbaren Tor seit Juli 2014 ermöglicht, den Tidenhub zu nutzen, um die Bucht vor dem Mont-Saint-Michel wieder freizuspülen. So soll die Felseninsel im Laufe der Zeit wieder zur richtigen Insel werden.
Seit 1979 gehören der Mont-Saint-Michel und die Bucht zum Weltkulturerbe der UNESCO. Auch die kleine Insel Tombelaine steht unter Naturschutz, ist Vogelschutzgebiet und darf während der Brutzeit (März bis Juli) nicht betreten werden.
Traditionell ist der Mont-Saint-Michel schon immer ein Ort für Wallfahrer und Pilger, ab dem 19. Jh. auch für Touristen, gewesen. Während vom gemeinen Volk, das sich eine Pilgerreise zum Mont meist nur unter großen Anstrengungen leisten konnte, nur wenige historische Aufzeichnungen überliefert wurden, sind die Königsbesuche recht gut dokumentiert.
Eine japanische Besuchergruppe war so freundlich.
So unternahm zum Beispiel Ludwig IX. der Heilige im Jahr 1256 und im Jahr 1264 eine Wallfahrt zum Mont-Saint-Michel. Dabei hat Ludwig der Heilige auf den Prunk und die Bequemlichkeiten des Gästesaals (neben dem Rittersaal) verzichtet. Der beim Königsbesuch festlich geschmückte Gästesaal war aufs Modernste ausgestattet. Er hatte schon damals Kamine zur Heizung und Latrinen für die Notdurft. Der König nahm aber seine Mahlzeiten zusammen mit den Mönchen im wesentlich einfacher ausgestatteten Refektorium ein. Ludwig der Heilige hatte übrigens die ersten wirklich wirksamen Festungsanlagen des Mont errichten lassen.
Versiert hat man mich fotografiert und ein Video gemacht.
König Philipp III. der Kühne (in 1272), König Philipp IV. der Schöne (in 1311), König Karl VI. (in 1393 und 1394), König Ludwig XI. die Spinne (in 1462 und weitere), König Franz I. (in 1518 und 1532), Karl IX. (in 1562 kurz vor Ausbruch der Religionskriege) mit seinem Bruder (späterer König Heinrich III.).
Nicht immer trieben religiöse Motive die Könige auf die Insel, sondern es spielten auch oft handfeste machtpolitische Gründe eine Rolle. In einigen Fällen war es auch die vorübergehende Flucht vor Bedrohungen fremder Mächte.
Schon in der Antike gab es im Nahen Osten Wallfahrten, davon zeugt auch die Geschichte der Heiligen Drei Könige. Diese Art der Entlastung der eigenen Seele an besonderen Orten dem Ruf Gottes folgend breitete sich zuerst über Europa und letztendlich über die gesamte religiöse Welt aus. So war es naheliegend, dass auch der Mont-Saint-Michel ein Ort der Heilsbringung wurde. Der Erzengel Michael, so glaubte man, würde den Pilgern das Tor zum Paradies öffnen. Die Felseninsel wird auch als "himmlisches Jerusalem" angesehen, da das wirkliche Jerusalem als Wohnsitz des einen und einzigen Gottes der Juden und Christen für die meisten Pilger unerreichbar war.
Unten mittig die kleine Eingangspforte zur Stadt und zur Abteikirche. Unten rechts der "Turm des Königs".
Der Vorplatz ist bei hoher Flut mit Wasser bedeckt.
In Europa führen 10 Pilgerwege zum Mont. Zwar sind diese nicht ganz so bekannt und bedeutsam wie die Jakobswege zum Heiligen Jakob nach Santiago de Compostela in Spanien, doch die Besucherzahlen des Mont sprechen eine eindeutige Sprache. Allein im Jahr 1368 kamen schon 16.690 Wallfahrer. Dabei war die Reise meist mehr als beschwerlich. Die Übernachtung in Klosterhospizen konnten sich nicht alle leisten. Überfälle, Krankheiten und sogar der Tod waren zu dieser Zeit ständige Begleiter der Pilger.
Früher war der Zugang zwischen den 2 Festungstürmen.
Ähnlich dem Ablass-Handel trieben auch beim Thema Wallfahrt viele Wohlhabende ihre vermeintlich besondere Stellung vor Gott auf die Spitze. Sie ließen "Stellvertreter", meist minderbemittelte, aber anerkannt zuverlässige Menschen, für sich pilgern, um sich nicht den Gefahren der Pilgerreise aussetzen zu müssen. Man sieht, schon damals konnte man sich alles "kaufen", sogar die Buse und den Schlüssel fürs Paradies. Es stellt sich die Frage, ob es heute (2019) wirklich gerechter zugeht.
Das filigrane Stützwerk des Chors (rechts neben dem Kirchturm) zählt zu den schönsten Zeugnissen der Spätgotik.
Wegen Terrorgefahr werden viele Besucher kontrolliert.
Bei Ebbe stehen auch die Festungsmauern im Trockenen.
Ausblick nach Norden und Osten vom nördlichsten Wehrturm aus (Nähe Librairie Siloë)
Die Pfarrkirche aus dem 11. Jh. ist dem Heiligen Petrus gewidmet (Église Saint-Pierre). Sie steht unmittelbar an der oberen Hauptstraße der Stadt und quetscht sich wegen des beschränkten Platzes zwischen die anderen Häuser. Sie wurde mehrmals umgebaut und im 15. Jh. erweitert und aufgestockt. Selbst ein Teil der Straße wurde überbaut. Dadurch entstand eine kleine Gasse, die den mittelalterlichen Charakter der kleinen Stadt unterstreicht.
An der Außenwand ist die Statue der Madonna mit dem Heiligen Kind (15. Jh.) zu sehen. Die weibliche Figur mit Schwert neben dem Eingang kann ich nicht mit Sicherheit zuordnen. Es könnte die Heilige Anna aus dem 16. Jh. sein.
Im Inneren ist vor allem die 1877 feierlich gekrönte Silberstatue des Erzengels Michael mit dem besiegten Drachen bedeutsam. Als im 19. Jh. die Abteikirche nach dem Krieg von 1870 entweiht war, konnten die Pilger nur noch in der Pfarrkirche die Verehrung des Heiligen Michael zelebrieren.
Der Taufstein, wahrscheinlich das älteste Stück in der Kirche, stammt aus dem 13. Jh.
Hinter der Pfarrkirche gibt es einen kleinen Friedhof, den ich aber so wie auch die Kirche nicht besucht habe. Eigentlich wollte ich auf dem Rückweg in die Kirche, doch dazu war dann die Zeit zu knapp.
Die Pfarrkirche Èglise Saint-Pierre
Links: Wahrscheinlich die Heilige Anna, 16. Jh.
Rechts: Die Madonna mit dem Heiligen Kind, 15. Jh.
Die Abteikirche ist, wie schon zu Beginn des 11. Jahrhunderts üblich, in Form eines Kreuzes gebaut. Dazu benötigt man eine glatte Plattform, die auf dem Fels nur mit geeigneten Unterbauten realisierbar war.
Der neuromanische Glockenturm der Abteikirche wurde wegen Baufälligkeit zwischen 1802 und 1897 neu aufgebaut. Der Giebel ist neugotisch, so wie auch die Turmspitze mit der St. Michaelis-Statue aus vergoldetem Kupfer.
Die vergoldete Statue des Erzengels Michael thront seit 1897 in 160 Meter Höhe auf der kupferbedeckten Glockenturmspitze der Abteikirche. Die Statue wurde nun schon das zweite Mal restauriert (1987 und Mai 2016). Sie besteht aus Kupfer, ist 4,5 Meter hoch und wiegt etwa eine halbe Tonne. Sie wurde mit einem Hubschrauber positioniert. Es stellt sich die Frage, wie so ein Bauwerk damals erstellt werden konnte.
Die Statue wurde seinerzeit von der gleichen französischen Metallgießerei hergestellt, die auch die Freiheitsstatue in New York schuf.
Der Erzengel Michael als Feldherr Gottes bezwingt den Rivalen Gottes, den drachengestaltigen Luzifer (Offenbarung des Johannes, Neues Testament). "Wer ist wie Gott?" soll der Feldherr den Widersacher angeherrscht haben, was auf Hebräisch soviel heißt wie "Mi-Ka-El". Der Diener Gottes und Bezwinger des Bösen wird zum Erzengel Michael.
Doch wie kommt der Sakralbau auf die Felseninsel? Dem normannischen Bischof Aubert von Avranches soll im Jahr 708 der Erzengel Michael im Traum erschienen sein. Der Engelsfürst Michael verlangte vom Bischof den Bau eines Sanktuariums (Heiligtum). Der Prälat fürchtete eine List Mephistos und zögerte mit dem Bau. Drei Mal erschien der Erzengel dem Bischof, ohne dass sein Wunsch in Erfüllung gegangen wäre. Erzengel Michael verlor die Geduld und forderte sein Heiligtum mit Nachdruck: Er bohrte dem Bischof den ausgestreckten Zeigefinger in den Schädel.
Bischof Aubert ließ daraufhin auf der Felseninsel das erste Heiligtum in Form einer Grotte bauen. Sie ähnelte einem Heiligtum in Form einer Höhle in Italien. Die frühere Legende besagt, dass der Heilige Michael einem Bischof auf dem Monte Gargano (Ort Monte Sant'Angelom in Apulien, Ferse des italienischen Stiefels) erschien und verlangte, dort ein Heiligtum zu schaffen. Daraus wurde später das bedeutendste Michaelis-Kloster in Italien. Bischof Aubert hatte also ein Vorbild für das neue Heiligtum auf dem Mont.
Um nun das Heiligtum auf dem Mont-Tombe zur Pilgerstätte werden zu lassen, schickte Bischof Aubert zwei Gesandte zum Michaelis-Kloster auf dem Mont Gargano in Italien. Sie sollten um ein paar Reliquien bitten. Die Italiener kamen dem Wunsch nach, und so kehrten die Gesandten mit einer Marmorplatte mit dem Fußabdruck des Erzengels Michael und einem Schleier des Erzengels Michael zum Mont-Tombe zurück. Den Schleier hatte der Erzengel bei einem Erdenbesuch zurückgelassen. Wie wir wissen, ist der Mont-Tombe später zum Mont-Saint-Michel geworden.
Bischof Aubert sorgte also dafür, dass sein geschaffenes Heiligtum zur Pilgerstätte wurde. Eine Gemeinschaft, die sogenannten "Kanoniker", betreuten das neugegründete Kloster und bewirtschafteten die Ländereien, die dem Kloster vom Bischof zugesprochen worden waren.
Original-Beschriftung: L'archange Saint Michel apparait à Aubert, évêque d'Avranches.
Bas-relief réalisé en 1860 par le sculpteur Barré pour le tympan du portail sud de I'église abbatiale Pierre de Caen.
Erzengel Michael erscheint dem Bischof Aubert, Bischof von Avranches (im 8. Jh.).
Basrelief, das 1860 vom Bildhauer Barré für das Tympanon des Südportals der Abteikirche Pierre de Caen angefertigt wurde.
Der Heilige Bischof Aubert starb etwa im Jahr 725 und wurde auf dem Mont-Saint-Michel in seiner Kirche bestattet. Seine Gebeine wurden später im Jahr 1856 in die Kirche Saint-Gervais nach Avranches überführt.
Nach dem Tode des Bischofs Aubert wurde die Gemeinschaft der Kanoniker Opfer einer Intrige des ersten Herzogs der Normandie, der den Beinamen "Ohnefurcht" hatte. Herzog Richard I. bezichtigte die Kanoniker, sie frönten der Völlerei und Unsittlichkeit und seien zu weltlich gesinnt. In Wirklichkeit war aber dem Herzog die Verbindung der Kanoniker zu den Bretonen ein Dorn im Auge. Der Herzog wollte auf dem Mont-Saint-Michel einen zuverlässigen Abt haben, der sich deutlich von der Bretagne abgrenzte.
Ein gewisser Abt Maynard aus Saint Wandrille schien der richtige Mann zu sein. Abt Maynard folgte dem Orden des "Heiligen Benedikt". Fortan führte Abt Maynard mit 12 frommen Mönchen die Geschicke des Mont-Saint-Michel. Die Kanoniker mussten die Insel verlassen, ab dem Jahr 966 hatten die Benediktiner das Sagen.
Die Benediktiner bauten eine Kirche und weitere Gebäude. Das Jahr 966 gilt deshalb als Gründungsjahr der Abtei. Immer mehr Pilger fanden den Weg zum Mont-Saint-Michel. Sie mehrten durch ihre Spenden das Vermögen des Klosters, so dass auch aufgrund der erweiterten Baumaßnahmen am Fuße der Abtei eine kleine Stadt entstand (Die Bewohner lehnen die Bezeichnung "Dorf" ab.). Die Pilgerhäuser waren aus Holz gebaut, was in der Mont-Geschichte die Ausbreitung von Bränden begünstigte. Einige Male beschädigten die Flammen sogar die aus Granitsteinen gebauten Klostermauern.
Die Bautätigkeit während der Benediktiner-Zeit war enorm. Die Kirche wurde nicht nur vergrößert, es entstanden auch ein Refektorium (Einnahme der Mahlzeiten), ein Schlafsaal und weitere Räume, die im Zusammenhang mit dem Pilgerstrom notwendig wurden.
Doch das Bauen auf dem felsigen Granitberg war alles andere als einfach. Die Baumeister lernten zwar bei jeder Erweiterung hinzu, mussten aber auch derbe Rückschläge einstecken. Im Jahre 1103 stürzte die Nordseite des Kirchenschiffs ein. Nur 10 Jahre später beschädigte ein Feuer die Abtei. Das Feuer war in der kleinen Stadt am Fuße des Mont ausgebrochen und breitete sich von Haus zu Haus bis zur Kirche aus. Das wiederholte sich nach weiteren 20 Jahren.
Im Jahre 1433 verwüstete wieder einmal ein Brand einen Teil der Stadt, trotz der Steinhäuser, die als Ersatz für die Holzhäuser gebaut worden waren. Bei jedem Neuaufbau und jeder Erweiterung bemühte man sich aber, die Grundstruktur der kleinen Stadt beizubehalten. Wahrscheinlich blieb den frühen Bauherren und späteren Restauratoren wegen der beengten Platzverhältnisse am Berg garnichts anderes übrig.
Trotz der zahlreichen Brände, Beschädigungen und Einstürze wurden die Baumeister immer mutiger. Sie wagten sich im Laufe der Zeit an Strukturen heran, die bis dahin nicht für möglich gehalten wurden. Früher gebaute Mauern wurden massiv verstärkt, denn sie mussten den Druck der darüber zu bauenden mehrgeschossigen Gebäude aushalten können. So entstand schließlich im Laufe der Zeit ein riesiger Baukomplex, der grob gesehen in drei Ebenen auf den Fels gepfropft ist. Einzelne Gebäude sind sogar 6-stöckig.
Dabei kann zumindest der Besucher oft nicht genau ausmachen, welcher Raum zu welchem Gebäude gehört und wie diese untereinander verbunden sind. Eine Vielzahl von Fensterarten, Türmen, Treppen und Übergängen sind zu sehen. Dazu kommen noch die verschiedenen Baustile der über 1200-jährigen Baugeschichte. An verschiedenen Stellen ist sichtbar, dass weit mehr geplant war, als heute (2019) zu sehen ist. Der Mont-Saint-Michel ist also längst noch nicht fertig, oder?
Man glaubt nicht, in dieser riesigen Kirche so weit oben auf einem spitzen Granitfels zu stehen. Was da die Baumeister sich zugemutet haben, kann heute noch nur bewundert werden. Sämtliche Unterbauten, die Krypten, mussten bis auf den unterschiedlich hohen Fels gegründet werden. Es waren manchmal mehrgeschossige Gebäude nötig, die letztendlich die Last aller darüberliegenden Mauern und zum Schluss die Kirche zu tragen haben.
Die Kirche besteht wie üblich aus dem Chor, dem nördlichen und südlichen Querschiff (Seitenschiffe), der Oberkirche und dem romanischen Hauptschiff (Langhaus). Wohl aus statischen Gründen, d.h. um Gewicht zu sparen, wurde die Langhausdecke anfangs nur mit einer einfachen Holzbalkenkonstruktion gebaut. Das heutige Holzgewölbe stammt aus dem 19. Jh. Das Querhaus und der Chor haben steinerne Tonnengewölbe, die Seitenschiffe Kreuzgratgewölbe.
Spätgotischer Chor von 1521, der an das alte romanische Hauptschiff angebaut wurde. Fertiggestellt hat den 25 Meter hohen Chor der Abt Jean III. de Lamps.
Die Nordseite des Hauptschiffs war im Jahr 1103 aufgrund von Strukturschwächen eingestürzt und begrub den darunter liegenden Schlafsaal der Mönche. Die Mönche hatten Glück, sie waren gerade zur Morgenandacht. Die Wiederherstellung des Hauptschiffs erfolgte wieder im romanischen Stil. Allerdings wäre bald im 19. Jh. die gesamte Kirche in ein romanisches Gotteshaus zurückverwandelt worden. Man wollte alle gotischen Elemente, und damit auch den gotischen Chor, eliminieren. Gott sei Dank kam es aber nicht dazu.
Chapelle Sainte Madeleine
Das Kalksteinrelief der "Vier Evangelisten" zeigt den Apostel Markus mit dem Löwen, Apostel Johannes mit einem Adler, Apostel Lukas mit einem Stier und schließlich Apostel Matthäus mit einem Engel. Es ist eine Arbeit aus dem Jahr 1547 von Pierre de Caen. Das Relief befindet sich im nördlichen Seitenschiff der Abteikirche.
1776 stürzte beim 11. Brand ein Teil der romanischen Joche des 11. Jh. ein. Als Ersatz entstand die Westfassade.
Südfassade mit dem großen Rittersaal-Fenster, darüber die Fenster des Kreuzganges. Links der quadratische Turm des Abts Pierre Le Roy, gebaut um 1400. Im Turm befand sich das Archiv des Abts. Diese Urkundensammlung der Abtei wurde aber 1944 bei der Invasion der Alliierten vernichtet.
Zisterne aus dem 16. Jh. gebaut vom Abt Robert Jolivet, um die Mönche, Soldaten und Bewohner des Berges mit Regenwasser zu versorgen. Der Abt organisierte auch den Bau vieler Befestigungsanlagen, um die Stadt und die Abtei vor den Angriffen der Engländer zu schützen.
1780 von Mauristen gebaute Fassade im Stil der französischen Klassik nach jesuitischen Prinzipien.
Rechts: Turm Gabriel mit Leuchttürmchen. Das Bollwerk wurde 1524 vom Hauptmann Gabriel du Puy de Murinais gebaut. Es hat einen Durchmesser von 16 Meter, enthält 15 Schießscharten. Das Wachtürmchen ist eine im 18. Jh. gebaute Windmühle, die später als Leuchtturm diente.
Die Kaserne "Les Fanils" am Südhang des Mont wurde 1828 auf dem Grund des früheren Abtei-Lagergebäudes gebaut. Man brauchte Platz für etwa 100 Aufseher des Gefängnisses und der Erziehungsanstalt, in der auch Kinder eingesperrt waren.
Unabhängig vom Wetter und nur vom Gebet unterbrochen konnten die Mönche in der rechteckigen Galerie wandeln, meditieren und den Himmel geniesen, da diese Anlage nach oben die anderen Gebäude abschließt. Der Kreuzgang, fertiggestellt im Jahr 1228, ist gewissermaßen der Freizeitpark der Klostergemeinschaft, geschützt vom durchgängigen Holzdach, das auf 137 schlanken Säulen ruht, die in doppelter Reihe rings um den Garten angeordnet sind. Den äußeren Rahmen bilden dicke Granitmauern, an der Westseite ist das Refektorium. Die Dachkonstruktion ist von einem Tonnengewölbe verkleidet. Diese ganze im Grunde leichte Konstruktion war nötig, da der Kreuzgang auf der Spitze des Merveille-Gebäudekomplexes ruht. Ein Steingewölbe mit den nötigen dicken Säulen wäre viel zu schwer gewesen.
Bemerkenswert sind die inneren Säulenreihen mit reich verzierten Symbolen und Figuren aus leicht bearbeitbarem Kalkstein. Das umgebende Dekor stellt Blattwerk und Blumengirlanden dar, das die Üppigkeit der Schöpfung symbolisiert und an das verlorene Paradies auf Erden erinnert. Diese Blütendekoration ist ein häufiges Thema in der gotischen Kunst des 13. Jh.
Der zentrale Garten war schon Anfang des 17. Jh. angelegt worden, musste aber wieder entfernt werden, da Wasser in den darunterliegenden Rittersaal eindrang. Der Abt ließ isolierende Bleiplatten montieren, die aber auch nicht dauerhaft das Problem des durchsickernden Wassers lösen konnten. Der Garten existierte deshalb nur 43 Jahre (1623 bis 1676).
Erst im Jahr 1965 brachte eine neuzeitliche Betonplatte die Lösung. Der jetzige Garten (2019) besteht seit 1966, entworfen vom Pater Bruno de Senneville.
Der Kreuzgang diente neben der Meditation auch als Verbindungsweg zu verschiedenen Gebäudeteilen, wie der Küche, dem Schlafsaal, der Kirche, dem Archiv und dem Refektorium. Das Refektorium schließt sich auf Ebene des Kreuzgangs in östlicher Richtung an.
Kreuzgang, hinten die Westfassade des Refektoriums
Dieser recht einfache Klostergarten besteht erst seit 1966.
Fast alle Säulen wurden bis 1878 ersetzt.
Sehr schönes Blattwerk und Blumen aus früher Zeit
Im Refektorium nahmen die Mönche unter dem Vorsitz des Abtes schweigend ihre Mahlzeiten ein. Es wurde im 13. Jh. gebaut, ist etwa 30 Meter lang und 10 Meter breit. Es ist von einem weiten verkleideten Tonnengewölbe überdeckt, das aus einer Holzkonstruktion aus dem 19. Jh. besteht.
In der nächst tieferen Ebene befindet sich direkt unter dem Refektorium der Gästesaal, der für festliche Anlässe und hochrangige Besuche vorgesehen war.
Der Rittersaal liegt unterhalb des Kreuzganges auf gleicher Höhe des westlich angrenzenden Gästesaales. Der 26 Meter lange und 18 Meter breite Raum ist durch drei Säulenreihen in vier Schiffe geteilt. Das Rippengewölbe erzeugt durch den spitzen Verlauf seiner Bögen ein ganz besonderes Licht-Schatten-Spiel. Der Raum wird durch das riesige bogenförmige Fenster in der Westwand förmlich vom Licht durchflutet.
Die Öffnung sollte ursprünglich der Übergang zu einem dritten Flügel der Merveille sein, der aber nie gebaut wurde. Dieser dritte Flügel sollte wahrscheinlich eine Bibliothek aufnehmen und als Basis für einen darüber liegenden Kapitelsaal (auf Höhe des Kreuzganges) dienen, der demzufolge auch nie gebaut wurde.
Der Rittersaal wird auch als "Kapitelsaal" bzw. "Empfangssaal" bezeichnet und hat wahrscheinlich nie einen Ritter gesehen. Der Saal diente den Mönchen als Arbeitsraum. Ab dem 13. Jh. wurden hier Bücher kopiert. Dazu war der Raum gut geeignet, denn der beheizbare Raum erlaubte Schreib- und Malereiarbeiten auch bei niedrigen Außentemperaturen.
Der 4-schiffige Rittersaal unterhalb des Kreuzganges
2 Kamine spenden Wärme, ein seltener Luxus. Sogar Latrinen standen zur Verfügung, die sich hinter den beiden Kaminen befanden.
Die geschaffenen Werke der Abtei sind teilweise erhalten und werden im nahegelegenen Ort Avranches aufbewahrt. Die Kopie von alten Büchern wurde schlagartig bedeutungslos, als der Buchdruck erfunden wurde. Später diente der Rittersaal deswegen hauptsächlich als Ort des Studiums.
Der Gästesaal (Salle d'hotel) liegt unterhalb des Refektoriums auf gleicher Höhe des östlich angrenzenden Rittersaals. Der festlich wirkende Raum ist durch eine Reihe von sechs schlanken Säulen in zwei Schiffe geteilt. Die hohen schmalen Doppelfenster lassen das spitzbögige Gewölbe sehr plastisch erscheinen.
Der Saal stellte sich früher nicht so nackt dar, wie er heute (2019) ist. Die Wände waren mit buntem Holz verkleidet, die Spitzbögen waren mit Fresken ausgemalt. Der geflieste Fußboden sah nicht so fad aus wie heute. Zum Beispiel wurde für König Ludwig VI. und Königin Bianca von Kastilien der Fußboden mit den Wappen von Frankreich und Kastilien geschmückt.
Die Ausstattung mit den großen Kaminen zeugt von einer gewissen Unabhängigkeit der Gäste vom restlichen Klosterbetrieb. Der Kaminbereich konnte durch einen großen Vorhang abgetrennt werden. Dadurch entstand eine Küche. Der restliche Teil wurde als Speisesaal genutzt.
Gästesaal für Könige und Adlige, unter dem Refektorium
Refektorium (Speisesaal der Mönche), über dem Gästesaal
Der Lastenaufzug wurde im Jahr 1820 zwischen zwei Arkaden des früheren Gebeinhauses gebaut, um die Lebensmittelversorgung der Gefangenen sicherzustellen.
Das Gebeinhaus (auch "Karner der Mönche" oder auch "Friedhof der Mönche" genannt) wurde unter dem Abt Robert de Torigny gebaut. Es bestand aus 4 Arkaden, zwischen denen die aus dem Friedhof ausgegrabenen Gebeine der Mönche gelagert wurden. Wahrscheinlich wurde im 11. Jh. dieses Gebeinhaus auf eine niedrigere Höhe verlegt, um nach oben Platz für die große Treppe der Abtei zu schaffen.
Was mit den vielen toten Gefangenen geschehen ist, bleibt im Verborgenen.
Der Lastenaufzug besteht hauptsächlich aus einem riesigen Rad, in dem einige Männer liefen, um so das Rad in Drehung zu versetzen (vergleichbar mit einem Hamsterrad). Ein um die Achse gewickeltes Seil war über eine Kette mit einem Holzkarren verbunden, der außerhalb des Gebäudes (Südseite der Abtei) auf Führungshölzern und Holzrollen entlangrutschte. Somit konnten Lasten heraufgezogen, aber auch hinab gelassen werden.
Die Hebekraft reichte für bis zu zwei Tonnen Ladegewicht aus. Das war nur durch die Übersetzung des riesigen Trommelrades mit sechs Metern Durchmesser auf den relativ kleinen Umfang der Radwelle möglich. Es muss eine Qual für die Häftlinge und vor allem sehr gefährlich gewesen sein, im Rad kontinuierlich die enormen Kräfte zu beherrschen.
Ein ähnliches Seilwindesystem, allerdings nicht mit einer so hohen Tragkraft, wurde schon im 12. Jh. bis zum Keller des Gästehauses verwendet. Ein weiterer Aufzug wurde im 13. Jh. im Keller der Merveille eingerichtet.
So nutzbringend die Aufzüge auch waren, sie bargen aber auch gleichzeitig ein großes Sicherheitsrisiko. Protestantischen Belagerern war es im 16. Jh. fast gelungen, über eine Aufzugsrampe in die Abtei einzudringen.
Diese Art der Lastenaufzüge war schon unter den Römern üblich. Im Mittelalter wurden solche Aufzüge auch als Hebeeinrichtung beim Bau von Kathedralen verwendet.
Das riesige "Hamsterrad" (Tretrad) des Lastenaufzugs
Durch das Laufen einiger Gefangener innerhalb des Rades wickelte sich ein mit dem Lastenkorb verbundenes Seil um die Radachse. Dadurch wurde der Lastenschlitten den steilen Berg heraufbewegt.
Die Führungshölzer auf der Rampe. Am oberen Bildrand sind die begehbaren Befestigungsmauern zu sehen.
Führungsrolle für das Seil und wahrscheinlich oberer Anschlagsbalken für Kette mit Lastkorb.
Die folgenden Beschreibungstexte halten sich stark an den englischen Text auf den Erklärungstafeln der Stauanlage.
Der Fluss Couesnon ist seit Urzeiten die natürliche Grenze zwischen Normandie (links) und Bretagne (rechts). Der Mont-Saint-Michel ist heute der Normandie zugeordnet, da der Couesnon westlich (rechts) am Mont vorbeifließt.
Die geführten Watt-Wanderungen sind ein besonderes Angebot, das gerne genutzt wird. Man sollte nicht auf eigene Faust im Meer laufen. Man kann von der Flut in Form einer bis zu 50 Zentimeter hohen Welle überrascht werden. Außerdem gibt es da noch die im Sedimentenschlick äußerlich nicht erkennbaren Schlammlöcher. Gerät ein Wanderer hinein, kann er im Bodenlosen versinken. Selbst mit fremder Hilfe kann es schwer werden, einer solchen Falle zu entkommen.
Durch den neuen Staudamm am Fluss Couesnon soll rings um den Mont wieder eine Watt-Landschaft entstehen, die regelmäßig von den Gezeiten überflutet wird. Eine Vegetation, die den Mont bisher zu umkreisen drohte, soll nicht mehr möglich sein.
Durch die Regulierung des Wassers erhält der Fluss durch die neue Konstruktion genügend Kraft, um Sedimente weit entfernt vom Mont ins Meer zurückzuspülen.
Die Wehranlage ist seit Mai 2009 in Betrieb und ermöglicht dem Fluss Couesnon, sein Mündungsbett mit jeder Flut auszudehnen, bis eines Tages die Klosterinsel wieder vom Wasser umgeben ist.
Voraussetzung für die Wirksamkeit der hydraulischen Wehranlage war 2015 die Ablösung der alten Deichstraße durch eine Kombination aus Deichstraße, Brückensteg und überflutbarem Endplatz am Mont. Durch die Brücke werden Sedimentablagerungen vermieden. Das Wasser kann jetzt ungehindert die Insel umspülen.
Wendeschleife vor dem Mont; bei Flut unter Wasser
Blick vom Wehr auf den Mont-Saint-Michel
Seit dem 19. Jh. hatten zahlreiche Einwirkungen des Menschen die Landschaft rund um den Mont in Mitleidenschaft gezogen: Die Kanalisierung des Flusses Couesnon (erstmals 1863) und der Bau von Deichen ermöglichte die Rückgewinnung von Agrarland aus dem Meer. Für die Besucher des Mont wurde schon 1879 ein neuer Fahrdamm gebaut. Von 1901 bis 1944 gab es auf dem Damm neben der Straße sogar eine Schmalspur-Dampfeisenbahn. Die Umströmung der Insel war unterbrochen. Später ermöglichten es Parkplätze vor dem Mont, mit dem Privatauto bis zur Insel (die keine Insel mehr war) zu fahren. Diese Arbeiten verringerten den Tidenhub rund um den Mont. Dadurch stauten sich mehr und mehr Sedimente an, die der Fluss mitbringt und vom Meer kommen. Die Geschwindigkeit des Wasserabflusses aus der Bucht in Richtung Meer verringerte sich. Die Bucht begann, rings um den Mont und darüber hinaus zu versanden.
1969 wurde am Couesnon ein Damm gebaut, der verhindern sollte, dass die Flut in das Flussbett steigt. Immer wieder kam es bei hohem Flutpegel zu Überschwemmungen. Das Fernhalten des Meerwassers vom Fluss führte aber dazu, dass der Fluss seinen Lauf im Mündungsgebiet nicht mehr reinigen konnte, da bei abnehmendem Meerespegel keine zusätzliche Strömung vom Land zum Meer vorhanden war. Es siedelten sich im Mündungsgebiet Pflanzen an, die das Problem zusätzlich verschärften. Hätte man nichts unternommen, wäre die Insel innerhalb von 40 Jahren von einer Vegetation umgeben.
Im Gegensatz zum alten Damm ist die neue Struktur veränderbar. Ein Wehr öffnet sich, um das Wasser in den Fluss fließen zu lassen. Das hydraulich betätigte Wehr hat eine Breite von 72 Metern. Bei jeder Flut werden acht Schleusentore geöffnet, damit sich das obere Flussbett mit Meerwasser füllt und somit der Flusspegel steigt. Das Wasser dringt mehrere Kilometer bis in die Moidrey Bucht vor. Die Schleusentore werden dann geschlossen.
Die Wehranlage flussaufwärts gesehen.
8 hydraulisch betätigte Schleusentore
Schleusentor mit wuchtigem Antriebsrad
Blick flussaufwärts mit dem gestauten Wasser
Das Wasser wird solange gespeichert, bis der Meeresspiegel durch die folgende Ebbe tief genug ist, um eine starke Strömung in Richtung Meer erzeugen zu können, sobald die Schleusentore wieder geöffnet werden. Diese Strömung nimmt nicht nur die Sedimente des Flusses mit, sondern spült zusätzlich die Alagerungen vor dem Mont in tiefere Regionen des Meeres. Mit anderen Worten, das gestaute Wasser spült die Bucht frei. Ab der nächsten Flut wiederholt sich der Vorgang von Füllen-Speichern-Ablassen. Im Laufe der Jahre soll so der Mont wieder eine richtige Insel werden.
Die Tore werden 1,5 Stunden vor der Flut geschlossen. Die erste Flutwelle des Meeres trifft auf die Tore und die Strömung beruhigt sich, während das Wasser steigt. Dadurch werden die seeseitig in die Bucht mitgebrachten Sedimente im Mündungsgebiet des Flusses abgelagert. Die Sedimente gelangen also nicht in den Fluss oberhalb der Tore.
Die Tore werden spätestens 10 Minuten vor dem Höhepunkt der Flut zum größten Teil geöffnet. Der Fluss füllt sich nun durch Überlaufen der Schleusentore mit Wasser, das nur noch wenig Sedimente enthält. Das ist vergleichbar mit dem langsamen Ausgießen eines Wassereimers, dessen Bodensatz im Eimer bleibt. Während des Überlaufens der Tore füllt sich das Flussbett entsprechend der Fluthöhe, aber ohne Sedimente.
Die Tore werden kurz vor der einsetzenden Ebbe geschlossen. Je nach Jahreszeit und Tidenhub sind nun zwischen 70.000 und 700.000 Kubikmeter Wasser im Fluss gespeichert. Je höher das gespeicherte Wasservolumen ist, desto länger dauert es, bis das Wasser wieder freigesetzt ist.
Die Tore werden 6 Stunden nach dem Höhepunkt der Flut nach und nach so geöffnet, dass das gespeicherte Wasser unterhalb der Torflügel in Richtung Meer läuft. Dieses Ablassen geschieht je nach Pegelstand gesteuert so, dass das Wasser ohne Wellenbildung, aber auch ohne Unterbrechungen etwa 2 bis 5 Stunden flussabwärts in das Mündungsgebiet und schließlich ins Meer fließt. Dieser Vorgang ist am Besten geeignet, möglichst viel Sedimente mitzunehmen und damit die Felseninsel freizuspülen.
Tiden-Zyklus der Schleusentore (Fotos einer Info-Tafel)
Neben den 8 Schleusentoren gibt es auch noch 2 Fischschleusen, um Fischen und anderem Getier das ungehinderte Passieren der Wehranlage zu ermöglichen.
In der Vergangenheit ist der Mont-Saint-Michel durch falsche Maßnahmen der Versandung nur knapp entgangen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Wehranlage der Insel endgültig hilft, ein wunderschönes Kunstwerk im Meer zu bleiben.
Zahlstation ist Endstation. Die Parkplatzautomaten stehen noch vor dem Weg zum Parkplatz.
Auf dem Weg zum Parkplatz: Müde, zufrieden, glücklich und mit den Gedanken an längst vergangene Zeiten.
Wunsch der Pilgernden zum Mont ist, mit dem Erzengel Gabriel als Medium zu Gott in Kontakt zu treten, um damit Gehör zu finden, damit sich die Pforte zum Paradies öffnet. Diesem Wunsch, mit Gott in Verbindung zu treten, dient auch die Verehrung von Reliquien.
Die Felseninsel selbst ist dabei die größte und augenscheinlichste Reliquie, obwohl sie von der Natur gemacht ist. Sie ist aber ein Heiligtum geworden. Einige der ursprünglichen Felsen sind innerhalb der Gemäuer freigelegt und nicht bebaut.
Die Zahl der pilgeranziehenden Reliquien wurde seit den Anfängen der heiligen Inselgeschichte immer mal wieder vermehrt, indem die Geistlichen verschiedene Dinge heilig sprachen bzw. deren Echtheit bescheinigten. Auch gab es mehrere Wunder und Erscheinungen im Zusammenhang mit dem Mont-Saint-Michel, die den heiligen Ruf der Insel förderten und festigten.
Bereits im 12. Jh. wurden in der Kirche Notre-Dame-sous-Terre und im südlichen Abtei-Querschiff 49 Reliquien angebetet. Im 13. Jh. soll aus heiterem Himmel ein Stein mit "Jesus" als Inschrift auf den Mont gefallen sein. Unübertroffen sind 246 Überreste von 150 Heiligen, die ebenfalls im 13. Jh. von den Pilgern sogar teilweise berührt wurden, um geheilt zu werden.
Es gibt eine Menge Reliquien, deren Herkunft oft unbekannt ist bzw. deren Wahrhaftigkeit angezweifelt werden darf. Beipiele dafür sind ein Zahn Johannes des Täufers, ein Finger des Heiligen Vinzenz (Hüter der Weinbauern), sogar ein wenig Blut des Heiligen Benedikt, ein Stück der Jesus-Krippe, Haare der Jungfrau Maria, Holzsplitter vom Jesus-Kreuz usw. und so fort.
Allen diesen Reliquien gemeinsam ist die Tatsache, dass sie bei Anbetung oder Berührung gegen fast alle Krankheiten helfen. Das ist ernst gemeint. Denn der Glaube versetzt Berge. Mindestens die Hälfte einer Genesung ist psychisch bedingt. Wer fest daran glaubt, auf dem rechten Weg zu sein, eine Krankheit oder sonstige schwierige Lebenslage zu überwinden, ist zur Hälfte schon geheilt. Den Rest besorgt unser Körper, meistens jedenfalls.
Die bedeutendste Reliquie im Zusammenhang mit dem Mont-Saint-Michel, der durchbohrte Schädel des Bischofs Aubert, ist heute (2019) in der Kirche Saint-Gervais in Avranches (gegenüber der Felseninsel) ausgestellt. Das Loch, das der Erzengel Gabriel im Kopf des Bischofs als Erinnerung an den Kirchenbau hinterlassen hatte, zeugt von der Wahrhaftigkeit der heiligen Überlieferung. In Avranches wird auch ein Arm vom Bischof Aubert aufbewahrt.
Tatsächlich soll Bischof Aubert lange Zeit seines Lebens einen gutartigen Tumor an der rechten Seite seines Kopfes gehabt haben, der nach außen durch eine große Beule sichtbar war.
Neben dem Eifelturm ist der Mont-Saint-Michel die meistbesuchte touristische Attraktion in Frankreich. Neben den religiös motivierten Besuchen gilt vor allem: Man muss dort gewesen sein! Die Folge sind schon zu Beginn des 20. Jh. skrupellose Geschäftemacher, die nicht zögerten, den Besuchern mit Pilgerzertifikaten, Abzeichen, Muscheln, Wachs, Altarkerzen und anderem Schnickschnack das Geld aus der Tasche zu ziehen. Teilweise ist das heute (2019) noch so.
Die wenigen verbliebenen Einwohner auf der Felseninsel leben nahezu alle vom Tourismus. Sie haben die Verdienstflaute nach der Aufgabe als Gefängnisinsel längst überwunden. Allerdings herrscht trotz der vielen Inselbesucher ein harter Wettbewerb zwischen den vielen Geschäften, Restaurants und Hotels. Jeder will, verständlicherweise, soviel wie möglich vom Tourismus-Kuchen abhaben.
Allerdings macht sich auch hier eine gewisse Monopolisierung breit. Zum Unternehmen "La Mère Poulard" auf dem Mont gehören 8 Restaurants und 6 Hotels, mehrere Läden in Paris und Westfrankreich sowie eine Bäckerei, die Kekse der "Mutter Poulard" in 70 Länder exportiert.
Auf dem Festland profitieren vor allem die Hotels und Restaurants vom Tourismus-Boom. Dazu wurde auch die nötige Infrastruktur stetig ausgebaut. Überrascht war ich zum Beispiel vom riesigen Parkplatz auf dem einst landwirtschaftlich genutzten freien Feld.
Mont-Saint-Michel > N175 Avranches > A84 etwa 8 km nach Avranches: Rastplatz Aire de la Baie (48.741124, -1.288602) > A84 > N814 S-Umfahrg. Caen > D613 Lisieux > D613 > D438 Rouen (Stadtdurchfahrt) > A28 bis Parkplatz Aire de Behen (etwa 8 km vor Abbeville)
Was bleibt, ist die Erinnerung. Dies kam mir in den Sinn, als ich 16.40 Uhr vom Parkplatz am Mont-Saint-Michel losfuhr. Die meisten Autos waren schon weg. Mein Navi zeigte an: 725 Kilometer bis Kelmis. Das war heute nicht mehr zu schaffen. Immerhin musste ich dazu noch eine große Strecke in Frankreich zurücklegen und dann quer durch ganz Belgien bis zum Dreiländereck Belgien-Holland-Deutschland fahren.
Bloß gut, dass sich die dicken schwarzen Wolken verzogen hatten. Überhaupt hatte ich heute angesichts des Mont-Besuches Glück. Noch auf dem Weg vom Parkplatz zum Mont heute früh hatte ich Zweifel, vernünftige Fotos mit nach Hause zu nehmen. Doch dann riss kurz vor der Felseninsel der Himmel auf und die Sonne schaute nach mir. Die Fotos vom Mont zeigen zwar, dass ab und zu eine vorwitzige Wolke meinen Besuch eintrübte, aber der Wettermacher, wer auch immer das sein soll, schob immer wieder den beginnenden Vorhang zur Seite und ließ die Strahlen der Sonne mich freudig stimmen.
In den fast 6 Stunden meines mit vielen neuen Eindrücken gespickten Besuches einschließlich Auf- und Abstieg hatte sich in mir eine gewisse Dankbarkeit breit gemacht. Wie soll ich es ausdrücken? Ich war einfach wieder einmal so richtig mit mir und mit der Welt zufrieden, ohne dass ich in solchen Situationen weiß, warum.
An dieser Stelle muss ich aber trotzdem sagen: 6 Stunden sind viel zu wenig, man sollte mindestens 2, besser noch 3 Tage für den Mont-Saint-Michel einplanen. Es blieb für mich viel zu viel Unentdecktes und der Kontakt zu der jetzt dort lebenden "Monastischen Gemeinschaft zu Jerusalem" (Fraternité Monastique de Jérusalem) fehlte sowieso. Zu gern hätte ich einer ihrer Messen beigewohnt. Die Gemeinschaft bestand in 2016 aus 7 Schwestern (Nonnen) und 4 Brüdern (Mönche) und hatte im Jahr 2001 die Tradition der inzwischen nicht mehr tätigen Benediktiner übernommen. Gemeinschaften von Jerusalem wurden in den 70er Jahren auf Initiative des Pariser Erzbischofs Kardinal Marty gegründet.
Eine viertel Stunde nach meinem Start vom Parkplatz des Mont-Saint-Michel bin ich schon wieder auf der A84.
So liebe ich es, schönes Wetter und kein Verkehr.
Die Monastische Gemeinschaft muss man sich nicht so streng vorstellen, wie es die Benediktiner-Regeln verlangen (Beten, Schweigen, Arbeiten). Die Gemeinschaft sucht die Öffentlichkeit, hält öffentlich Messen ab und arbeitet teilweise in weltlichen Berufen außerhalb der Klostermauern. Trotzdem gibt es die Verborgenheit des Ordens in Trennung von der Welt, um das einfache Leben zu praktizieren, um zu beten und um damit Gott nah zu sein. Man kann auch sagen, der Orden verbindet die Welt, den Menschen, mit Gott. Die Schwestern und Brüder zeigen der Welt, was sie im Zwiegespräch mit Gott schon längst erfahren haben. Sie behalten ihren Glauben nicht für sich, sie tragen ihn hinaus ins weltliche Leben.
Gerade sah ich links noch einmal das Meer, ich fuhr auf der N175 in der Nähe von Avranches in Richtung Caen. Den ganzen Tag hatte ich noch nichts gegessen und wie so oft zu wenig getrunken. Ich hoffte nun auf den nächsten vernünftigen Parkplatz.
Der Aire de la Baie etwa 8 Kilometer nach Avanches ist ein recht großer Parkplatz für PKW und LKW mit vielen Bäumen und Tischen, allerdings letztere nur aus Stein. Zuerst schoss ich ein paar Fotos, eine Aussichtsplattform lud mich förmlich dazu ein. Die leichten Hügel, ab und zu mit Baumbewuchs, und die Bauernhäuser in den Tälern weckten in mir Erinnerungen an meine Kindheit. Auch ich bin in einem Dorf mitten in der Natur aufgewachsen. Bis zu 6 Jahren kannte ich die Stadt nicht, ich wusste eher, wie man auf Bäume klettert und die jungen Holztauben (eine kleinere Verwandte der Haustaube) stiehlt, um sie zu Hause fett zu füttern, damit dann die Familie einen kleinen Sonntagsbraten hat. Natürlich hat mein älterer Bruder dabei geholfen, das heißt, er hat mir diese Räuberei erst beigebracht.
Gedankenverloren lief ich zurück Richtung Auto und wurde plötzlich massiv von einer Maschinenpistole und einem Jagdgewehr bedroht. Im ersten Moment bekam ich einen mächtigen Schreck. Zwei Jungs standen vor mir und hielten mir ihre täuschend echt ausschauenden Plastikwaffen entgegen. Bleib ruhig!, dachte ich. Der eine war ein dicker kräftiger vielleicht 13-Jähriger, der andere ein kleinerer schmächtiger Typ von vielleicht 12 Jahren.
Die wollten wohl in der Praxis ihr letztes Ballerspiel nachstellen. Das alles spielte sich direkt am Auto ab. Sie hatten wahrscheinlich auch das deutsche Kennzeichen wahrgenommen und sich vorgenommen, dem Deutschen zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Das ist natürlich nur eine Spekulation von mir, jedenfalls waren die Kinder ungewöhnlich übermütig und respektlos.
Da ich kein Wort Französisch kann und ich mit Deutsch hätte wohl nichts ausrichten können, wies ich nur per unmissverständlicher Handbewegung den Kriegstrupp an, sich zurückzuziehen, d.h. zu verschwinden. Dabei machte ich drohend zwei, drei Schritte auf die Jungs zu. Der Dicke feixte übers ganze Gesicht, der Schmächtige schaute ängstlich drein, sagte etwas zu seinem "Chef" und beide liefen Richtung Toilettenhäusl, nicht ohne vorher noch ein paar Schüsse (laute Knallgeräusche) auf mich abzugeben.
Unglaublich, oder? So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt. Über die wirkliche Motivation für das Verhalten der Jungs kann ich nur spekulieren: Übermut, Spielsucht, Hass? Ich habe keine Ahnung.
Goßer Rastplatz Aire de la Baie, A84 Nähe Avranches
Dieser Blick vermittelt Frieden (Ausblick vom Rastplatz)
Solche Bauernhäuser erinnern mich an meine Kindheit. Unser Hof war zwar ein 3-Seiten-Hof, doch mein Geburtshaus sah fast genauso aus.
Während ich nun meine Mahlzeit herrichtete und froh war, nach der Aufregung selbst wieder ruhig geworden zu sein, beobachtete ich die Beiden weiter. Sie spielten tatsächlich auch am Häusl Krieg oder übten, für was auch immer, einen Überfall. Einer war drinnen im Haus, der andere draußen, geschossen wurde durch ein schmales Lüftungsfenster. Die Knallerei nervte.
Auf dem Platz war ich fast allein, die entfernt parkenden LKW-Fahrer hörten nichts oder sie interessierte das Spiel nicht. Verständlicherweise dehnte ich deshalb meine Rast nicht unnötig aus, vor mir lag sowieso noch eine unbekannte Strecke mit zu dieser Zeit noch unbekanntem Schlafplatz. Die neue Wolkenwand am Horizont versprach auch nichts Gutes.
A28 Parkplatz Aire de Behen (50.043668, 1.762295) > A28 bis nördlich von Abbeville > D928 Marconne > D939 > D83 > D301 > A21 N-Umfahrg. Lens > A21 > A2 Valenciennes > Mons (Belgien) > Charleroi > Namur > Lüttich > Kelmis
Nachdem ich etwa 8 Kilometer vor Abbeville (unweit der belgischen Grenze) und 349 Kilometer nach meiner Abfahrt beim Mont-Saint-Michel bei strömenden Regen den Parkplatz Aire de Behen angefahren hatte, war ich überhaupt nicht in der Lage zu prüfen, ob es richtig sein würde, die Nacht hier zu verbringen. Es war schon dunkel, die wenigen Stellplätze waren leer. Wieder einmal war das Trommeln des Regens meine Schlafmusik.
Am nächsten Morgen merkte ich, so schlecht war der Platz nicht. LKW-Stellplätze gibt es nur wenige, ein wenig Wald ist auch vorhanden und die Autobahn hört man kaum. Neben mir stand auch ein PKW mit Schlafgast, der die Ruhepause offensichtlich noch nötiger als ich hatte. Bei meiner Abfahrt, es war noch früh am Tage, schlief er (oder sie?) immer noch. Der Regen hatte zwar aufgehört, der Himmel war aber total zu. Fotos zu machen hatte ich glatt vergessen.
Den letzten Navi-Eintrag habe ich aus Belgien: 7.50 Uhr, bis Kelmis 133 Kilometer. Das war etwa 90 Kilometer vor Liége. Gestern musste ich in Frankreich teilweise auf sehr schmalen Straßen durch Wald fahren, wahrscheinlich ein Erholungs- oder Naturschutzgebiet (Parc Naturel Régional Scarpe-Escaut bei Valenciennes), denn die Straßen waren als Ferienroute ausgeschildert. Es war schrecklich, die Straßen waren schlecht, man durfte nur 50 bzw. 60 km/h fahren, eigentlich untypisch für Frankreich.
Schon um 10.15 Uhr kam ich in Kelmis an, da war erst einmal ein vernünftiges Frühstück aus dem Kühlschrank angesagt. Alles Weitere bleibt mein Geheimnis, zumindest im Web.
Kelmis ist ein kleiner Ort am Dreiländerpunkt Belgien-Deutschland-Holland. Im Ort wird geschätzt zur Hälfte deutsch gesprochen. Früher hieß der Ort "Altenberg", heute ist er eine der neun Gemeinden, die in Belgien die "Deutschsprachige Gemeinschaft" bilden.
Für Deutsche interessant sind die relativ günstigen Mieten, aber auch die noch erschwinglichen Eigenheimpreise. Dadurch lohnt es sich, in Kelmis zu wohnen und trotzdem im nur 8 Kilometer entfernten Aachen zu arbeiten.
Für mich als Besucher (gewissermaßen als Tourist) ist vor allem der Wald rund um den Dreiländerpunkt interessant, da es sich hier vortrefflich wandern lässt. Der Vaalserberg, auf dem das Dreiländereck liegt, ist zwar nur 323 Meter hoch, bietet aber durch den 50 Meter hohen Aussichtsturm einen herrlichen Rundumblick in alle drei Länder. Der Turm steht auf belgischem Gebiet und nennt sich Baudouin-Turm, benannt nach dem belgischen König Balduin. Die Aussichtsplattform ist für Sportler über Treppen, für weniger mobile Besucher über einen Aufzug erreichbar, natürlich mit Eintrittspreis.
Lütticher Straße, die durch Kelmis führt
Kelmis mit der katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt. Die Kirche ist ein Backsteinbau im gotischen Stil und wurde im Jahr 1865 geweiht. Leider ist auch hier das Kirchentor außerhalb der Gottesdienste verschlossen. Zu Silvester habe ich erlebt, dass die Leute dicht gedrängt sogar die Gänge füllten.
Rundgang ist geprahlt, eigentlich war ich nur an der Jakobskirche, in der Fußgängerzone und am Elisenbrunnen. Am Dom bin ich vorbeigelaufen, die Jakobskirche und das Theater habe ich ebenfalls nur von außen gesehen. Ein paar Fotos will ich hier trotzdem zeigen, unabhängig von der Reihenfolge meines Spaziergangs. Lediglich zur Jakobskirche sind die Infos etwas ausführlicher. Ich finde sie schon wegen des hohen Turms mit der prachtvollen Fassade bemerkenswert.
Turm der Jakobskirche, 87 m hoch, höchster Kirchturm in Aachen, grundlegende Restaurierung zuletzt bis 2008
Statue links vom Portal (Glockenturm)
Die Jakobskirche Aachen untersteht der Schutzherrschaft (Patrozinium) des Apostels Jakobus der Ältere. Sie ist eine dreischiffige Basilika mit zwei Querhäusern. Der Grundstein wurde im Jahr 1877 gelegt, die Weihe erfolgte in 1886.
Nach einer Legende hat Karl der Große die Kirche gegründet, nachdem er von der Befreiung des Jakobusgrabes zurückkehrte. Damit war diese Aachener Kirche die erste deutsche Jakobskirche. In Wirklichkeit geht die Gründung als Jakobskirche auf das 12. bzw. 13. Jh. zurück.
Statue rechts vom Portal (Glockenturm)
Kopf über dem großen Rundfenster (Glockenturm)
Die heutige Jakobskirche wurde als Ersatz für eine damals schon existierende Jakobuskirche gebaut.
Erstmals wird die alte und noch sehr kleine Aachener Jakobuskirche um 1165 christlich und im Jahr 1214 bzw. 1215 urkundlich erwähnt. Die Fertigstellung bzw. das Jahr der Weihe ist unklar. Sie stand unweit gegenüber der heutigen Jakobskirche auf dem höchsten Punkt vom mittelalterlichen Aachen. Der Kirchturm diente Verteidigungszwecken und war Teil der alten inneren Stadtmauer.
Im Jahre 1885 wurde die alte romanische Kirche abgerissen, ebenso ihr Turm und die Stadtmauer. Anderen Quellen ist zu entnehmen, dass die alte Jakobuskirche erst nach Fertigstellung der neuen Jakobskirche niedergelegt (abgerissen) wurde, also frühestens 1886.
Jedenfalls wurde zur Erinnerung im Jahr 1893 auf dem Grund dieser ehemaligen alten Jakobuskirche ein eigenständiges Denkmal im neugotischen Stil errichtet, die noch heute existierende "Kreuzigungsgruppe". Der Entwurf stammt vom Architekten und Kölner Privatbaumeister Heinrich Johann Wiethase (1833-1893). Die Realisierung erfolgte durch die Künstler Wilhelm Pohl und Carl Esser (Firma Pohl und Esser, Bildhaueratelier für christliche Kunst).
Erst im Jahr 2021 wurden vor diesem Denkmal bei Bauarbeiten in nur 50 Zentimeter Tiefe Knochenreste entdeckt. Sie konnten früheren Gräbern in der alten Jakobuskirche zugeordnet werden. Die geringe Tiefe der Knochenfunde erklärt sich aus früheren Abtragungen des Erdreichs im Zusammenhang mit dem Wege- bzw. Straßenbau.
Wessen Gebeine dort gefunden wurden, ist nicht bekannt. Irgendwelche Grabbeigaben fehlten, damit auch irgendein Hinweis auf die bestatteten Personen. Es müsssen aber Heilige gewesen sein oder zumindest hohe Würdenträger, denn einfache Leute wurden (und werden) nicht in einer Kirche bestattet.
Kreuzigungsgruppe Kalvarienberg an St. Jakob in Aachen,
Urheber ArthurMcGill, 2019, © nach CC BY 3.0 2
Kreuzigungsgruppe Kalvarienberg St. Jakob (Ausschnitt),
Urheber ArthurMcGill, 2019, © nach CC BY 3.0 3
2 Kreuzigungsgruppe Kalvarienberg an St. Jakob in Aachen nach der Restaurierung, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Kreuzigungsgruppe_St._Jakob,_Aachen.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
3 Kreuzigungsgruppe Kalvarienberg an St. Jakob in Aachen nach der Restaurierung (Ausschnitt), Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Kreuzigungsgruppe_St._Jakob,_Aachen.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Zum Bau der neuen Aachener Jakobskirche ab dem Jahr 1877 wurden Steine der alten Kirche und Stadtmauer verwendet. Es entstand eine Kirche im neugotisch-romanischen Stil nach Plänen des Architekten und Kölner Privatbaumeisters Heinrich Johann Wiethase (1833-1893) unter der Mitarbeit von E. Linse. Ebenso wurden verschiedene Gegenstände der alten Kirche in den Neubau übernommen, so z.B. der Marienleuchter (maasländische Arbeit aus dem 16. Jh.) und die Jakobusglocke von 1401 (mit Darstellungen des Heiligen Jakobus mit Buch und Pilgerstab). Diese alte Glocke hängt mit vier weiteren Glocken im heutigen Kirchturm.
Die Jakobusglocke läutet jede Viertelstunde. Sie ist seit dem Zweiten Weltkrieg die älteste Glocke Aachens. Eine noch ältere Sturmglocke im Aachener St. Peter wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Der Kirchturm ist mit 87 Metern der höchste Kirchturm in Aachen, höher als der Aachener Dom. Mit dieser Höhe erinnert der Turm an die Dimensionen gotischer Kirchtürme, obwohl seine Einzelelemente auf die Spätromantik zurückgehen.
In 2008 wurde eine grundlegende Restaurierung vom Turmdach und der Fassade abgeschlossen. Zu besonderen Terminen ist eine Turmbesteigung bis auf ca. 60 Meter Höhe möglich. Besonders bei Dunkelheit in der Vorweihnachtszeit ist der Blick auf die beleuchtete Stadt ein faszinierendes Erlebnis.
Das Rundfenster in der Turmkapelle mit dem Thema "Das Lamm im Himmlischen Jerusalem" wurde erst im Jahr 1986 eingebaut. Der Entwurf stammt von Irene Hugot-Rothweiler. Das Fenster besteht aus Antik- und Opalglas in einer Bleifassung.
Der Innenraum der Kirche wurde in den Jahren 1949 bis 1953 nicht nur renoviert, sondern auch stark umgestaltet. Bei der Wiederherstellung des Innenraums wurde auf das alte Gewölbe verzichtet. Die Kirche war im Herbst 1944 durch Bombenangriffe stark beschädigt worden. Die Farbgebung im Turm, Chorraum und unteren Teil der Kirche stammt aus den Jahren 1973/1974. In 1978/1979 wurden auch die Chorfenster erneuert. Weitere Restaurierungen folgten.
Der riesige Turmhelm des 87 Meter hohen Kirchturms
Bis zu dieser Plattform mit den 4 Nebentürmchen in 60 Metern Höhe ist das Besteigen des Turms möglich. In einem der Türmchen wurden schon Wanderfalken beim Nisten beobachtet.
Kirchturm der Jakobskirche
Eingangsportal (Südwestfassade, an der Jakobstraße)
Außerhalb der Gottesdienste ist nur ein Blick durch das Eisengitter möglich.
Blick durch's Gitter. Die Kirche war nicht offen. Die Skulptur (vorn rechts im Bild) ist Jakobus mit dem Pilgerstab.
Christus-Kreuz in der Apsis. Schade, dass keine nähere Besichtigung möglich war.
Kirchturmuhr. Meine Außenbesichtigung ist zu Ende. Ich will noch in's Zentrum von Aachen.
Das Eingangsportal des Kirchturms mit 8 (+2) Rundsäulen und 4 dazugehörige Torbögen
Die relativ dichte Bebauung rings um die Jakobskirche lässt von der Straße aus kein ganzheitliches Foto zu.
Südwestfassade mit dem großen Rundfenster aus dem Jahr 1986 (Glockenturm)
Köpfe über den Torbögen des Glockenturmportals: Die Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes
Die Jakobskirche war schon mit Beginn der Pilgertradition auf dem Weg nach dem spanischen Santiago de Compostela der zweite Haltepunkt nach dem Aachener Dom. Im Mittelalter führte dann der Weg durch das Jakobstor der Stadtmauer, dann der sogenannten Niederstraße folgend über Lüttich, Paris und Tours nach Santiago.
Auch innerhalb der heutigen Jakobskirche weisen viele Bilder, Figuren und Fenster auf die Pilgertradition hin. Besonders zu erwähnen ist die über 600 Jahre alte Jakobusglocke.
Die Jakobskirche hat zwei kleine Reliquien des Heiligen Jakob, einmal im Sockel des Altars und einmal eingefasst in ein kostbares kleines Reliquiar.
Bei den Reliquien des Heiligen Jakob in der Aachener Jakobskirche soll es sich um Knochensplitter handeln. Oftmals, so auch hier, fehlt aber der Nachweis, ob die Reliquien wirklich vom jeweiligen Leichnam stammen. Reliquien können auch Gegenstände sein, die der Heilige besaß, dem die Reliquie zugesprochen wurde. Allgemein ist es aber nicht von Bedeutung, ob alles so genau stimmt, wie es die alten Schriften überliefern. Viel wichtiger ist die Verbundenheit aller Christen, die vor uns, mit uns und nach uns im Glauben an Jesus Christus leben. In diesem Sinne stellt eine Reliquie die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft her.
Es gibt unzählige Pilgerwege, die vom Norden und Osten Europas nach Spanien zum Camino Francés und letztlich nach Santiago de Compostela führen. An einem dieser nordeuropäischen Zubringer liegt Aachen. Hier vereint sich der Weg von Dortmund aus mit dem Weg von Köln, um dann über Lüttich (Liége, Belgien) nach Süden zu führen. Die kürzeste Pilgerroute von Aachen nach Santiago ist 2346 Kilometer lang. Sie führt von Aachen über Lüttich, Reims, Vézelay, Saint-Jean-Pied-de-Port, den Camino Francés entlang nach Santiago de Compostela. Saint-Jean-Pied-de-Port ist Endpunkt des französischen Jakobsweges Via Podiensis und gleichzeitig Beginn des Camino Francés, der in Spanien über Pamplona bis nach Santiago führt.
Jakobskirche in Aachen (50.770708, 6.075295), Blick von der Gerlachstraße aus
Jakobskirche vom Südwesten (Jakobsplatz) aus
Rundbogenfenster in der Apsis nach einem Entwurf von Wilhelm Buschulte. Thema sind die Passionsszenen.
Kilometer Null vom Jakobsweg am Kap Finisterre in Spanien (Fotomontage). Von Aachen bis hier sind es 2435 km.
Wer will, kann von der Kathedrale aus noch weitere 89 Kilometer bis zum ENDE DER WELT am Kap Finisterre laufen. Dort am westlichsten Punkt des spanischen Festlands ist der eigentliche Punkt Null des Jakobsweges. Ein Stein mit der Jakobsmuschel und der Aufschrift 0,00 K.M. markiert diesen Endpunkt (bzw. Anfangspunkt).
Eigentlich heißt der von Karl-Henning Seemann in 1976 geschaffene Brunnen "Circle of money" bzw. "Kreislauf des Geldes". Im Volksmund ist es aber einfach der Geldbrunnen. Er befindet sich auf der rückwärtigen Seite vom Elisenbrunnen, am Ende des Elisengartens (Hartmannstraße). Es handelt sich um eine Figurengruppe, die den Geldkreislauf symbolisiert.
Die Brunnenanlage mit den zugehörigen Brunnenfiguren rund um das Wasserbecken wurde von der Sparkasse Aachen aufgrund ihres 75-jährigen Bestehens gestiftet. Die Figuren am Beckenrand stehen stellvertretend für verschiedene Gruppen von Menschen, die typischerweise unterschiedlich mit Geld umgehen. Es gibt den Geiz, die Gier, die Gönnerhaftigkeit und die Bettelei. Der Bettler steht abseits, wie im Leben.
Auch abseits steht noch ein Vater mit dem Sohn, der wahrscheinlich im Begriff ist, in die Geldgeschäfte eingeweiht zu werden. Es kann natürlich auch sein, dass der Sohn nur zuschaut, was die Menschen alles so mit dem Geld anfangen. Geld wird eingenommen, allerdings nicht immer verdient. Geld wird bezahlt, um etwas zu kaufen, etwas Dingliches oder auch eine Dienstleistung bis hin zur Auflage des Schweigens. Nicht alle können Geld zählen, entweder weil sie schlicht kein Geld besitzen oder weil sie es noch lernen müssen. Geld ist vermeintlich im Überfluss da, aber nur für die Reichen. Geld liegt auf der Straße, aber nur für den, der clever genug ist, es zu erkennen und aufzuheben. Arme, die Geld nötig haben, bekommen es manchmal geschenkt, meistens aber nicht. Wer Geld schenkt, insbesondere Denjenigen, die wenig Geld haben, ist ein Gönner und steigt im Ansehen. Dabei erfolgt die Schenkung leider oft genug nicht, um dem Beschenkten etwas Gutes zu tun, sondern um sich selbst ins gleißende Licht der gesellschaftlichen Anerkennung zu rücken. Oder der Schenkende schenkt nur scheinbar und will nur Steuern sparen. Wer Geld hat, kann viel damit anfangen. Geld verleiht seinem Besitzer Macht. Er ist frei im Tun und in der Bestimmung anderen gegenüber. Er ist von sehnsüchtigen Menschen umgeben, die ebenfalls reich sein wollen. Geld zieht magisch an, wie das Licht die Motten. Doch es hüte sich der Mensch vor zu viel Geld. Reichtum ist nicht der Garant für das Glück. Zu viel Geld verdirbt den Charakter, ein altes Sprichwort.
Die Brunnenanlage wurde im Jahr 2007 saniert. Über die Figuren kann man sich streiten, oder auch nicht. Das Anliegen der Kunst ist nicht immer sofort erkennbar. Die übertriebene Unförmigkeit der dargestellten Menschen gefällt nicht allen Betrachtern, mir auch nicht. Die Gesichter implizieren, dass sich alles nur ums Geld dreht. Aber vielleicht hat das der Künstler so gewollt.
Geld ist also ständig im Fluss, so wie das Wasser im Brunnen, das entgegen dem Uhrzeigersinn in der gleichen Richtung fließt wie das Geld zwischen den Figuren am Brunnenrand. Da das Wasser vom warmen Elisenbrunnen gespeist wird, fließt es auch im Winter. Genau so, wie das Geld im Winter keine Ruhe findet. Der Vergleich reicht noch weiter. Da das Wasser schwefelhaltig ist und entsprechende Dämpfe aufsteigen, ist es genauso anrüchig wie das Geld selbst. Dabei ist Geld nicht schlecht, weil es Geld ist. Es kommt nur darauf an, was es beim Besitzer bewirkt. Auch das Thermalwasser ist nicht schlecht, nur weil es etwas schlecht riecht. Im Gegenteil, es soll gesund sein.
Diese Figurengruppe in der Fußgängerzone zieht nicht nur spielfreudige Kinder, sondern auch Erwachsene magisch an. Es ist ein ausgezeichnetes Fotomotiv mit änderbaren Posen der einzelnen Figuren. Die Puppen haben bewegliche Gelenke, Arme, Hände und Köpfe. Sie können in die verrücktesten Positionen verdreht werden, so dass sich sogar völlig unnatürliche Körperhaltungen ergeben.
Die Idee hatte der deutsche Bildhauer Bonifatius Stirnberg, geboren am 20.02.1933 in Freienohl. Der erste Entwurf einer Skulpturengruppe mit beweglichen Elementen stammt aus dem Jahr 1967, fand aber keine Zustimmung. Erst acht Jahre später wurde der Entwurf Stirnbergs angenommen und konnte als Puppenbrunnen im Jahr 1975 in Aachen realisiert werden.
Aufgrund der Beliebtheit der beweglichen Bronzefiguren bei Groß und Klein erhielt Stirnberg zunehmend Aufträge aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland. Seine beweglichen Skulpturen und Figurengruppen als schmückendes Arrangement verschiedener Brunnen erzählen immer eine Geschichte aus der jeweiligen Stadt oder Region.
Es ist aber vor allem Kunst zum Anfassen im wahrsten Sinne des Wortes und zum Verändern. Das ist eine neue Qualität in der Beziehung zwischen Kunst und Kunstbenutzer. Bei Kunstobjekten, die nur betrachtet werden können, vermisst man oft die Nachhaltigkeit im Erinnern. Stirnbergs Kunst hat dieses Problem nicht.
Warum heißt der Puppenbrunnen so? Nun, Kinder spielen mit Puppen. Sie verändern Ort, Aussehen und Körperhaltung der Puppen. Sie transformieren die eigene Gedankenwelt hinein in die Puppen. Sie lassen die Puppen das tun oder so aussehen, was im Kopf des Kindes präsent ist. Und genau das leisten die Bronzefiguren Stirnbergs zusammen mit dem Benutzer.
Ich habe am Brunnen Kinder beobachtet, die nur so zum Spass die Arme einer Figur in völlig unnatürlicher Art und Weise verdreht haben. Ein Mensch aus Fleisch und Blut hätte sich verrenkt oder sogar verletzt.
Ich habe aber auch Kinder und sogar Erwachsene gesehen, die diese Verrenkungen einfach so wieder rückgängig gemacht haben und sich bemühten, der Figur ein ästhetisch schönes Aussehen zu geben.
Aachener Puppenbrunnen in der Fußgängerzone
Nun stellt sich die Frage, was passiert im Kopf des Kunstbenutzers? Ist die mutwillige Verrenkung einer Figur Ausdruck von Aggressivität oder Frust? Ist das Wiederherstellen einer Figur in eine natürliche Position Ausdruck von Schöngeist oder Mitleid? Was spielt sich zwischen Kunstbenutzer und Kunstobjekt ab? Solche Fragen müssen erlaubt sein.
Einst Kapelle der Aachener Kaiserpfalz, heute Zentralbau des Aachener Doms 4
4 Aix dom int vue cote, Urheber: Velvet, 2014, © nach CC BY-SA 3.0, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Aix_dom_int_vue_cote.jpg, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos zu gleichen Bedingungen
Der Aachener Dom ist Bischofskirche des Bistums Aachen, Schutzpatronin ist die Gottesmutter Maria. Vorgängerbau war die Pfalzkapelle der Aachener Königspfalz, ein im Frühmittelalter üblicher Sakralbau einer Königspfalz. Von 796 bis 805 ließ Karl der Große daraus die Kapelle der Aachener Kaiserpfalz bauen, die noch heute als Oktogon der Zentralbau des Aachener Doms ist.
Auf dem Grund der heutigen Domanlage wurden aber Baureste aus der Römerzeit nachgewiesen, die schon vor Christi Geburt existiert haben müssen. Später wurde an Stelle der römischen Thermenanlage eine christliche Kult- und Begräbnisstätte errichtet. Heute besteht der Dom aus mehreren Bauteilen, die aus unterschiedlichen Stilepochen stammen und so ein recht heterogenes Bild zeichnen.
Entlang der über 2000-jährigen Bebauungsgeschichte ist auch die Funktion der auf dem Domgrund gestandenen Gebäude sehr vielfältig, angefangen von römischen Thermenanlagen über die karolingische Pfalzkapelle, die Münsterkirche des Marienstifts bis hin zum heutigen Bischofsdom. Die Stiftskirche war von 936 bis 1531 Krönungsort römisch-deutscher Könige und ist Mausoleum Karls des Großen.
Der Aachener Dom besteht nicht wie üblich aus einem Lang- und Querhaus zur symbolhaften Darstellung des Kreuzes Jesus Christus, sondern ist im Grunde eine große Kapelle als Zentrum des Doms mit zusätzlich ringsum angeordneten kleineren Seitenkapellen. Ausgehend vom Haupteingang, der sogenannten Wolfstür (Barock), schließen sich im Uhrzeigersinn die Michaels- und Nikolauskapelle, dann die Karls- und Hubertuskapelle, dann die große Chorhalle mit dem Marienschrein, dann die Matthiaskapelle, dann die Annakapelle und schließlich die Ungarische Kapelle an. Die Allerheiligenkapelle befindet sich etwas abseits links neben der Wolfstür.
Dieser ungewöhnliche Gebäudekomplex entstand im Laufe der Zeit, wobei die karolingische Hauptkapelle den ursprünglichen 16-eckigen Kern bildet. Die meisten anderen Kapellen sind im gotischen Stil, die Ungarische Kapelle im barocken Stil ausgeführt. Aber auch die Hauptkapelle wurde ständig an die Erfordernisse und den Geschmack der jeweiligen Zeitepoche angepasst, erweitert, teilweise auch rück- und umgebaut.
Die imposante Kuppel der Domkapelle von außen
Matthiaskapelle, rechts die riesigen gotischen über 25 Meter hohen Fenster der Chorhalle. Wegen der großen Bleiglasfenster wird der Chor auch als "Glashaus von Aachen" genannt. Die heutigen Ornamentfenster stammen aus den Jahren 1949 bis 1951 und zeigen die Heilsgeschichte und den Aufstieg des Menschen zu Gott. Die Fenster werden auch als "leuchtende Vorhänge" bezeichnet.
Matthiaskapelle, älteste erhalten gebliebene gotische Kapelle des Doms (14. bis 15. Jh.), an der Fassade des oberen Stocks der Apostelzyklus mit den 12 Aposteln und zusätzlich die 4 Evangelisten (1865 bis 1867 von Gottfried Götting)
Das zweistöckige Westwerk ist karolingischen Ursprungs und bekam im 19. Jh. einen neugotischen Glockenturm. Die 8 Glocken des Turmes wurden nach dem Aachener Stadtbrand in 1656 neu gegossen, da der Brand den Holzglockenstuhl mit dem mittelalterlichen Geläut vernichtet hatte. Die heutige Marienglocke wurde in 1958 zum letzten Mal erneuert.
Die Vorhalle zum Westwerk bildet heute das Hauptportal der Domkirche. Dieses Bronzeportal ist fast vier Meter hoch und 2,75 Meter breit und stammt aus dem Jahr 800.
Bedeutendes Merkmal des Aachener Doms ist sein Königsthron, der sich in der Pfalzkapelle auf der Westempore, dem sogenannten Hochmünster, befindet. Es ist ein schlichter Stuhl aus Marmorplatten, der über 6 Stufen erreichbar ist (so wie Salomons Thron). Der Aachener Königsthron wird auch Karlsthron genannt. Er wurde vom Kaiser Karl der Große um 790 aufgestellt. Die erste Krönung war wohl im Jahr 813 (Ludwig der Fromme, Sohn des Karl der Große, Selbstkrönung), später im Jahr 936 die Krönung Otto der Große zum römisch-deutschen König usw. Im Laufe der Zeit wurden z.B. von 936 bis 1531 über 30 römisch-deutsche Könige im Aachener Dom gekrönt. Die eigentliche Krönung und Salbung fand am Hauptaltar statt, danach durfte der frisch gekrönte König auf dem Königsthron Platz nehmen.
Der Thronsitz hat seltsamerweise alle Umbauten und Zerstörungen in der Pfalzkapelle schadlos überstanden. Auch sein Standort wurde nicht geändert. Allerdings bekam der Thronsitz während des Zweiten Weltkrieges eine Verkleidung, um diesen wertvollen Kulturschatz vor Feuer und Löschwasser zu schützen. Die Marmorplatten des Throns sollen aus der Grabeskirche in der Altstadt Jerusalems entnommen worden sein. Damit ist der Thron eine Reliquie mit Bezug auf Jesus Christus. Auch deshalb ist die Aachener Thronanlage so wertvoll.
Neugotischer Glockenturm aus dem 19. Jh.
Im Turm sind insgesamt 8 Glocken.
Hauptportal der Domkirche, Zugang vom Domhof aus
Seit 1349 findet alle sieben Jahre die Aachener Heiligtumsfahrt statt. Bei dieser Wallfahrt werden die vier Tuchreliquien verehrt, die sich normalerweise im Marienschrein des Doms befinden und für die Dauer von 10 Tagen den Pilgern gezeigt werden. Es soll sich um die Windel Jesu, das Lendentuch Jesu, das Kleid der Maria (Mutter Jesu) und das Enthauptungstuch von Johannes der Täufer handeln.
Der Aachener Dom ist aber auch Startpunkt für Jakobspilger, die von Köln und vom Norden kommend Richtung Süden ziehen, um letztlich nach 2346 Kilometern die Ruhestätte des Heiligen Jakobus in Santiago de Compostela in Spanien zu erreichen. Zweite Station dieses Pilgerweges ist die Jakobskirche in Aachen. Danach führt der Weg Richtung Lüttich in Belgien, später nach Frankreich und über Saint-Jean-Pied-de-Port, den Camino Francés entlang nach Santiago de Compostela in Spanien.
Heiße Quellen gab es im Aachener Raum schon zur Römerzeit. Historisch ist belegt, dass die Römer das schwefelhaltige Wasser für den Betrieb von Thermen nutzten. Das als Heilwasser geschätzte Thermalwasser wurde im Laufe der Jahrhunderte immer bedeutsamer. Aachen war bereits Ende des 17. Jh. ein Modebad geworden, das von gekrönten Häuptern und anderen Prominenten aufgesucht wurde, so zum Beispiel auch von Peter der Große, von Ciacomo Casanova und von Georg Friedrich Händel.
Der Elisenbrunnen ist ein Wahrzeichen von Aachen und geht auf den Stadtratsbeschluss im Jahr 1819 zurück, in dem der Bau einer neuen Brunnenhalle festgelegt wurde. Der Entwurf des klassizistischen Baues stammt vom Architekten Johann Peter Cremer, überarbeitet von Karl Friedrich Schinkel. Die Bauausführung oblag dem Aachener Privatbaumeister Andreas Hansen. 1828 erfolgte dann die Eröffnung des fast 80 Meter langen Trinkbrunnen-Gebäudes.
Die Benennung Elisenbrunnen erfolgte nach der preußischen Kronprinzessin Elisabeth Ludovika von Bayern. Sie war Tochter des bayrischen Königs Maximilian I. Eine Marmorbüste der Elise wurde 1832 in der Rotunde (Rundbau, Trinkhalle) aufgestellt, später aber aus Sicherheitsgründen durch eine Kopie ersetzt.
Im Zweiten Weltkrieg erfolgte die fast vollständige Zerstörung des Brunnen-Gebäudes durch Bombenangriffe im Juli 1943. Anfang der 50-iger Jahre erfolgte dann der originalgetreue Wiederaufbau, allerdings mit veränderter Nutzung einzelner Gebäudeteile. Das Aachener Bauunternehmen Robert Grünzig hielt sich dabei an die Vorgaben, die der berühmte Aachener Architekt Ludwig Mies van der Rohe gemacht hatte. Die Übergabe des Neubaues erfolgte 1953.
Das heiße mineralisierte Wasser mit seinem hohen Gehalt an Schwefelwasserstoffen wird dem Elisenbrunnen aus der ca. 200 Meter entfernten Kaiserquelle unterirdisch zugeführt. Es ist immer noch ca. 43°C heiß, trotz des relativ langen Weges durch die Rohrleitung von der Quelle bis zum Brunnen.
Im Jahr 2009 erfolgte eine umfangreiche Sanierung des Bodens der Rotunde, da sich statische Mängel und damit eine Einsturzgefahr des sich unter der Rotunde befindlichen Kellergewölbes gezeigt hatten.
Elisenbrunnen Aachen (50.774064, 6.087032)
Restaurant Elisenbrunnen im Elisengarten (deutsche Küche). Die Gaststätte befindet sich in einem separaten Gebäude hinter dem rechten Seitenteil des Elisenbrunnen-Gebäudes.
Der Elisenbrunnen ist mit dem rückwärtigen Teil direkt an bzw. teilweise auf der ehemaligen Barbarossamauer gebaut worden. Kaiser Friedrich I. genannt Barbarossa, ließ im Mittelalter ab 1171 die erste (innere) Stadtmauer von Aachen bauen. Angrenzend befand sich der heute immer noch vorhandene Elisengarten, ein kleiner Park, in dem von 1873 bis 1891 ein zweiter Trinkbrunnen für die Kurgäste vorhanden war.
Das schon Jahrhunderte fließende Heilwasser unterliegt heute dem Arzneimittelgesetz und ist deshalb nur unter Aufsicht zu konsumieren. Der Zugang zum Wasser sollte sogar behördlich ganz gesperrt werden, was natürlich heftigen Widerspruch auslöste. Als Kompromiss gibt es jetzt Hinweisschilder "Kein Trinkwasser". Damit ist wahrscheinlich dem Gesetz Genüge getan, und die Besucher des Elisenbrunnens werden (und bleiben!) trotzdem gesund.
Zwar schmeckt das heiße Heilwasser etwas nach faulem Ei, aber der Glaube versetzt Berge, und ich war meinen Husten am nächsten Tage los. Für den richtigen Durst sollte man aber die eigene Wasserflasche nutzen.
Kelmis > Köln > Bonn > Limburg an der Lahn > Wetzlar > Gießen > Eisenach > Jena > Gera > Chemnitz
Nun ist zwar die Fahrt von Kelmis nach Chemnitz für mich schon bald wie ein Spaziergang ums Haus, diesmal aber nicht. Der Start um 16.30 Uhr und die ersten Kilometer waren noch normal. Dann kam das Desaster. Ab Köln Olpe war AB-Vollsperrung und wegen LKW-Unfall ein Riesenstau. Ich musste Richtung Bonn fahren, dann Siegburg und Limburg, natürlich alles mit Staus oder im Schritt-Tempo. Erst ab Gießen, nach 3 Stunden Verzögerung, war der Verkehr wieder normal.
Lange währte meine Freude nicht, vor dem Tunnel kurz vor Jena war wieder Stopp. Zwischen zwei LKWs eingekeilt stand ich fast im Graben, 4 oder 5 Einsatzfahrzeuge rasten zwischen den Autokolonnen Richtung Tunnel. Wenig später flog ein Hubschrauber über unsere Köpfe. Die Autoschlange hatte ihren Kreislauf auf Null gesetzt, sprich, alle Motoren waren aus. Die etwa 7 Grad draußen krochen langsam ins Auto. Kurz den Motor an, die Heizung auf Maximum, der LKW hinter mir tat's auch.
Die Nacht war stockdunkel, geregnet hat es aber nicht. Plötzlich flammte noch vor dem Tunnel irgendetwas auf, das Feuer schoss mehrere Meter hoch und ließ die Blechkarawane gespenstig erscheinen. Dann war wieder Dunkelheit und Ruhe — lange Zeit. Ein Unfall im Tunnel? Das wäre garnicht gut, für alle.
Später setzte sich die Kolonne wieder in Bewegung. Ich konnte nicht ausmachen, was passiert war. Die Zeit war weg. Doch was ist schon Zeit? Glück hatte ich, mir war ja nichts passiert. Gegen 2 Uhr nachts war ich zu Hause.
Schon die riesige Düne hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und das Glück, vom Dünenkamm aus einen supersauberen Sonnenuntergang zu erleben, ist eben nur Glück.
Dabei ist zwar das visuelle Beobachten ein vordergründig schönes Erlebnis. Es ist aber nur der Auslöser für eine weitreichende Öffnung der eigenen Gedankenwelt im Reflektieren zwischen objektiv ablaufenden Naturvorgängen und subjektiven Empfindungen des eigenen ICHs. Ein ausgereiftes Bild vom Platz, den jeder einzelne Mensch in der wenig beeinflussbaren Flut der Mitmenschen und in der nahezu unbeeinflussbaren Flut des naturellen Seins einnimmt, ist essentiell, wenn das eigene ICH die Lebenszeit unbeschadet und im Einklang mit eben diesem wenig beeinflussbarem Umfeld überstehen soll.
Noch stärker wird meine Sehnsucht, wenn die Fotos vom Mont-Saint-Michel vor mir liegen. Das architektonisch einmalige Ensemble der Klosterinsel lässt sich nicht hinreichend beschreiben, man muss es erleben. Dabei ist ein Tag viel zu kurz. Sollte mein Weg noch einmal zur Insel führen, kommt mindestens noch eine Nacht hinzu (besser 2). Die mehr als 2000 Jahre Geschichte der Abteikirche ist geprägt vom Auf und Ab der christlichen Glaubensgemeinschaft, gepaart mit widrigen unmenschlichen Bedingungen hinter den dicken Mauern, wo selbst Gott nicht immer den armen eingesperrten Geschöpfen Zuversicht und Leben schenkte. Doch die jüngere Vergangenheit zeigt, der Mensch besinnt sich oft genug auf seine selbst aufgeschriebenen Werte, die einem zutiefst humanistischen Menschenbild entsprechen. Denn nur diese Werte garantieren, neben den Risiken, die uns eine veränderte Erdennatur bescheren kann, den Fortbestand der Menschen insgesamt. Ich zweifle nicht, dass der Mensch letztlich Mensch bleiben will.