Reliefdaten: https://maps-for-free.com ("MFF-maps are released under Creative Commons CC0") sowie © https://www.openstreetmap.org/copyright
© 2017 Peter E. Burkhardt. Alle Rechte vorbehalten, außer gekennzeichnete Werke. Ausgabe Web. Hinweise bitte an www.pegons-web.de/Aktuelles
Schon jahrelang war es mein Traum, in der Sierra Nevada auf dem höchsten Berg Spaniens zu stehen. Es gibt noch eine Sierra Nevada in Kalifornien (USA) und eine Sierra Nevada in Mexiko, die aber beide für mich erst recht unerreichbar sind. Sierra Nevada bedeutet soviel wie "Schneebedecktes Gebirge", die spanische ist aber in den Sommermonaten schneefrei. Das Hochgebirge verläuft vom Osten nach Westen entlang der südlichen Mittelmeerküste und bietet aufgrund der sanften Hänge hervorragende Wintersportmöglichkeiten. Aber nur, wenn auch genügend Schnee da ist. Schon in 1995 musste die Alpine Skiweltmeisterschaft wegen Schneemangel auf das folgende Jahr verschoben werden. Da halfen auch die vielen Bittgottesdienste und Prozessionen nicht.
Weitere Großveranstaltungen folgten, so zum Beispiel auch die Mountainbike-Weltmeisterschaften 2000. In Vorbereitung dieser Sportveranstaltungen wurde viel gebaut (z.B. der Wintersportort Sol y Nieve). Es entstanden neue Hotels und Appartementanlagen. Viele Wege wurden zu Straßen ausgebaut und teilweise neu angelegt. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Sierra Nevada zu einem Ziel nicht nur für Bergsteiger, sondern auch für normale Touristen. Das Vorhaben der Lokalpolitiker, die Sierra Nevada zu einem Touristenmagnet werden zu lassen, ist teilweise gelungen.
Die einst einsame naturbelassene Bergregion mit vielen Tier- und Pflanzenarten, die nur dort vorkommen, wird heutzutage zusehends den zerstörerischen Gefahren ausgesetzt, die der Massentourismus mit sich bringt (780.702 Besucher in 2015 lt. Website des Spanischen Umweltministeriums). Man hat versucht, die Belastung durch den Tourismus gering zu halten, wobei es galt, die wirtschaftlichen Interessen der angestammten Land- und Forstleute zu wahren. Deshalb wurde schon 1989 die Sierra Nevada als Naturpark festgelegt, 1999 wurde der Nationalpark deklariert. Es traten zum Schutz der Natur viele Beschränkungen in Kraft, so auch ein Fahrverbot für private Fahrzeuge in den höheren Regionen.
Sierra Nevada im Winter (02/2014) mit Mulhacén (rechts) 1
Original-Beschreibung: Sierra Nevada desde el refugio de El Hornillo
(Urheber Juanjosepascua, 2014, © nach CC BY-SA 3.0es)
Sierra Nevada im Sommer 2017
Sierra Nevada in Spanien mit meinem Traumziel 2
Mein Interesse galt deshalb schon lange den über 3000 Meter hohen Gipfeln der Sierra Nevada, weil sie im Gegensatz zu den Alpengipfeln aufgrund der sanften Anstiege im Sommer ein relativ leichtes Ziel darstellen. Es sind keine alpinen Erfahrungen nötig. Insgesamt 23 "Picos" erreichen die 3000-Meter-Marke. Natürlich ist besonders der Mulhacén, der höchste Berg mit 3482 Metern, ein Muss für jeden Bergfreund. Der Berg ist der höchste des spanischen Festlands.
1 Sierra Nevada im Winter (02/2014) mit Mulhacén (rechts), Urheber Juanjosepascua, 2014.
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alcazaba,_Punta_de_la_Cornisa_y_Mulhac%C3%A9n_3.479_m.jpg, Lizenz:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/es/deed.en, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Foto-Weitergabe zu gleichen Bedingungen
2 Sierra Nevada in Spanien mit meinem Traumziel,
Reliefdaten: https://maps-for-free.com ("MFF-maps are released under Creative Commons CC0") sowie © https://www.openstreetmap.org/copyright
Der Name Mulhacén kommt vom maurischen König Muley Hacén (spanische Bezeichnung, arabisch: Abu l-Hasan Ali ibn Sa'd), der von 1464 bis 1485 (mit Unterbrechung) das Emirat Granada beherrschte. Er soll sich in eine Sklavin seiner Frau verliebt haben. Er bekehrte die Geliebte zum Islam und machte sie zu seiner Auserwählten mit dem Namen Zoraya. Die Frau des Königs stachelte daraufhin den ganzen Hof gegen den König an, so dass dieser aus Granada auf die Festung Mondújar floh. Für seine Liebe gab er sein Königreich auf. Doch sein Glück währte nicht lange. Kurze Zeit später verstarb Muley Hacén im Jahre 1485. Anhänger des Königs und seine Zoraya brachten den Leichnam auf den höchsten Gipfel der Sierra Nevada, um ihn dort zu begraben. Schon zu Lebzeiten hatte der König verfügt, dort beerdigt zu werden, wo er dem Himmel am nächsten sei, nämlich auf der höchsten Erhebung seines Landes. Seitdem trägt dieser Berg den Namen des maurischen Königs. Das Grab des Königs wurde niemals gefunden.
Ob Legende oder nicht, der Berg heißt Mulhacén und nimmt auf jeden Fall Bezug auf die wechselvolle Geschichte Andalusiens. Die mystische Anziehungskraft ist groß, nicht nur als höchster Berg, der bezwungen werden muss, sondern auch als Wallfahrtsort und vor allem als Synonym für göttliche Größe. Welche Bedeutung der Mulhacén für den Feiertag "Maria Schnee" am 5. August eines jeden Jahres hat, erfuhr ich allerdings erst später. Dieser Feiertag war ein Glücksfall für meine Besteigung.
Ich bin nie auf wirklich hohen Bergen gewesen. Aber schon die 2571 Meter hohe Edelweißspitze in Österreich (Nähe Großglockner in den Hohen Tauern) hatte mich begeistert. Dort war ich in den 90-iger Jahren regelmäßig vom oberbayerischen Dorf Aschau aus als "Fremdenführer" tätig, um unseren ostdeutschen Besuchern nach der Wende die alpinen Berge zu zeigen. Es bestand ja eklatanter Nachholbedarf im Kennenlernen der früher für DDR-Bürger unerreichbaren Gebiete. Für uns war es jedes Mal ein willkommener Ausgleich zum harten Berufsalltag. Wandern in die hohe Bergwelt kam nicht in Frage. Mit dem Auto war die Auffahrt im Sommer kein Problem, allerdings mit Mautgebühren.
Rechts hinten der Mulhacén, Ansicht vom Veleta aus 3
Original-Beschreibung: El Mulhacén desde el Veleta
(Urheber Miguel Ángel Hontanilla Pozo, 2014, © nach CC BY-SA 3.0es)
Nordkante des Mulhacén, etwas für Extrem-Bergsteiger 4
Original-Beschreibung: Cara norte del Mulhacén desde la pista de Sierra Nevada (Urheber Carlos Serra, 2007, © nach CC BY-SA 3.0)
Edelweißspitzhaus in Österreich, Hohe Tauern (1994)
Großglockner, 3798 m, höchster Berg Österreichs (1994)
3 Rechts hinten der Mulhacén, Ansicht vom Veleta aus, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:El_Mulhacén_desde_el_Veleta.JPG, Lizenz:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/es/deed.en, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Foto-Weitergabe zu gleichen Bedingungen
4 Nordkante des Mulhacén, etwas für Extrem-Bergsteiger, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mulhacen_north_face.JPG, Lizenz:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Foto-Weitergabe zu gleichen Bedingungen
Später genoss ich im Juni 1997 die Höhenluft auf der 2962 Meter hohen Zugspitze als höchster Berg Deutschlands. Auch diesen Berg "bezwang" ich nur mit Hilfe der Technik, nämlich mit der Bayerischen Zugspitzbahn von Garmisch-Partenkirchen aus. Den zu Fuß über verschiedene Klettersteige möglichen Aufstieg hatte ich damals niemals ernsthaft in Erwägung gezogen.
Die 3000-Meter-Marke hatte ich also nie erreicht, schon garnicht zu Fuß und mit Anstrengung. Deshalb waren auch Luftprobleme wegen der Höhe kein Thema. Einzig das Wandern in den Bergen des Chiemgau forderte und förderte ein wenig die körperliche Fitness.
Es war 2010, als ich, nun schon in Rente, auf die verrückte Idee kam, den höchsten Berg Spaniens zu Fuß erobern zu wollen. Im Rahmen einer Portugalreise nach Sagres wollte ich auf dem Rückweg zwar nicht unbedingt auf den Mulhacén steigen, aber den mir damals bekannten Startpunkt, das Bergdorf Trevélez, wollte ich sehen. Vor allem wollte ich wissen, wie sich die Ausgangshöhe von 1480 Meter bei Belastung anfühlt. Bis zum Gipfel wären es dann noch rund 2000 Höhenmeter gewesen. Mein Plan war, wenigstens eine kleine Bergwanderung zu machen, um meine körperliche Leistungsfähigkeit zu testen.
Die Realisierung des Plans endete in einem Desaster. Schon kurz nach der Ankunft fiel uns beim Rundgang im etagenweise gebauten Trevélez auf, dass der Blutdruck stieg und eigenartigerweise zu wenig Luft in die Lunge kam. Das würde vorübergehen, dachten wir (meine Frau und ich). Vielleicht war es auch nur die Anstrengung der bisherigen Fahrt von Sagres bis hierher (in Etappen natürlich). Wir mieteten uns also in ein kleines Appartement ein, voraussichtlich für drei Nächte. In den nächsten zwei Tagen würden wir kleine Wanderungen machen und dann wieder abreisen.
Doch die Wanderungen fielen aus. Zum Leidwesen unseres Vermieters David Disney (empfehlenswert!) reisten wir schon am kommenden Morgen wieder ab. Wir hatten beide massive Kreislaufprobleme, hoffentlich würde es uns weiter unten besser gehen. Und das war auch so, nach einer halben Stunde Fahrt abwärts waren die Kopfschmerzen weg. Ja und nun? In mir kreiselte es. Sollte ich wirklich die Höhe nicht vertragen? War ich trotz meiner Frühverrentung schon so kaputt gespielt?
Auf der Zugspitze am Kreuz, 2962 m (15.6.1997)
Die österreichischen Alpen von der Zugspitze aus (1997)
Trevélez (Oktober 2010)
Ich konnte mir das alles nicht erklären. Dass wir aber beide die Probleme hatten, gab mir zusätzlich zu denken.
Übrigens, die weitere Reise Richtung Deutschland, die wir in Miami Platja an der Costa Daurada nochmals mit einem 9-tägigen Badeurlaub unterbrachen, verlief ohne weitere gesundheitliche Probleme. Was nun? Die Mulhacén-Besteigung hatte ich auf Eis gelegt, vorläufig.
Es war 2016 auf der Dune du Pilat in Frankreich. Wieder hatte ich selbst Anfang Oktober bei klarem Wetter bei nur geringer Anstrengung Luftprobleme.
Zu Hause angekommen und nach Abgleich mit meinem Hausarzt begann ich, die bisher recht seltenen Fahrradausflüge in tägliche Trainingseinheiten zu wandeln. Das heißt, jeden Tag setzte ich mich aufs Radl und absolvierte einen kleinen Rundkurs von ca. 18 Kilometern. Auch im Winter blieb ich eisern, außer an wirklich durchgängigen Regentagen und bei nicht fahrbarem Schnee. Der Schlüssel ist die Regelmäßigkeit. Zunehmend besserte sich meine Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig verlor ich natürlich an Gewicht, bis zum August 2017 etwa 12 kg. Das ist für mich sehr viel, bin ich doch kein Freund von Diäten usw. Essen muss sein, schmecken soll es auch und hungern will ich schon garnicht.
Also bleibt nur die Bewegung, die in meinem Fall Bauchspeck abbaute und gleichzeitig verschiedene Muskelgruppen aufbaute. Es ist unglaublich, wie schnell der Muskelumfang schwindet, wenn die Bewegung fehlt.
Bald hätte ich es vergessen: Gegen Fitness-Studios habe ich auch etwas. Schon die Gebühren stoßen mich ab, obwohl ich zugeben muss, dass eine angeleitete sportliche Betätigung durchaus vorteilhaft ist. Da ich aber außer dem Übergewicht sonst recht gesund war (und bin), ist das Radl-Fahren die beste übers Jahr durchgängig praktizierbare Methode, den Alters-, Fernseh- und Computerspeck gering zu halten. Sehr gerne gehe ich auch Schwimmen, aber wegen des Chlors und der Fußpilze nicht mehr in Hallenbäder. Bleibt also die Straße.
Dune du Pilat an der französischen Atlantikküste (2016)
Seit 2003 mein treuer Trainer. Es hat sich gelohnt.
Meine Strecke führt schnell raus aus der Stadt und dann über Dörfer, einige Hügel und Waldgebiet zurück. Dabei kann ich mich erholen, beobachte die Veränderungen im Laufe der Jahreszeiten und treffe auch immer wieder Leute, die genauso verrückt sind wie ich. Ich betone den angenehmen Teil des Radl-Fahrens deshalb extra, weil eine sportliche Betätigung keinesfalls zu einem widerwilligem "Muss" ausarten darf. Was man im Leben tut, sollte immer Spaß machen, übrigens auch so eine Erkenntnis, die bei mir erst im Laufe der Jahre reifte.
So, nun habe ich genug geschwatzt, aber vielleicht helfen dem einen oder anderen solche Infos. Im August dieses Jahres 2017 war es dann soweit: Die in 2010 auf Eis gelegte Mulhacén-Besteigung musste endlich Realität werden. Nach nun 7 Jahren fühlte ich mich voller Tatendrang, insgeheim aber doch mit Respekt vor der Höhe von fast 3500 Metern. Im Vorfeld sammelte ich im Web einige Infos und erfuhr so, dass das Bergdorf Capileira im Gegensatz zu Trevélez der bessere (bequemere) Ausgangspunkt ist. Will man von Trevélez (1480 m) zum Mulhacén, sind noch 2002 Höhenmeter zu überwinden, ab Capileira (1420 m) allerdings 2062 HM.
Capileira (1420 m), für mich der ideale Ausgangsort, da man mit dem eigenen Auto noch weiter auf einen 730 Meter höher gelegenen Parkplatz fahren kann, um dann zum Mulhacén zu wandern.
Früher, bevor die Sierra Nevada Nationalpark wurde, konnte man sowohl von Granada aus als auch von Capileira aus mit Privatfahrzeugen bis unterhalb des Mulhacén fahren und hatte dann nur noch etwa 400 Höhenmeter zu Fuß zu überwinden. Jetzt ist es privat nur noch möglich, ab Capileira den Camino de la Sierra entlang (Schotterstraße) bis zum Hoya del Portillo zu fahren. Das sind rund 9 Kilometer. Auf dem Parkplatz Hoya del Portillo endet die Fahrt an einer Schranke, die von einem Park-Rancher bewacht nur für berechtigte Fahrzeuge geöffnet wird. Wichtiger als die 9 Kilometer sind aber die rund 730 Höhenmeter, die so mit dem Auto überwunden werden können. Der Parkplatz liegt auf 2150 Meter. Zum Mulhacén-Gipfel sind es dann noch rund 1330 Höhenmeter (Wegstrecke 14 km).
Capileira bzw. der oberhalb liegende Parkplatz ist also als Startpunkt wesentlich günstiger, zumal ab Trevélez der Aufstieg nur zu Fuß möglich ist. Aber eine weitere Information machte mir Hoffnung, den Mulhacén-Gipfel noch einfacher zu erreichen.
Vor einigen Jahren wurde ein Shuttle-Service eingerichtet, der den Wanderer von Capileira aus über den erwähnten Camino de la Sierra mit einem Kleinbus am Morgen bis in eine Höhe von 2700 Meter bringt. Bis zum Mulhacén sind es dann nur noch 782 Höhenmeter. Nach Besteigung des Mulhacén wird der Wanderer am späten Nachmittag wieder abgeholt. Die Besteigung dauert lt. Berichten anderer Bergwanderer etwa 2,5 Stunden, zurück ca. 2 Stunden. Die Buszeiten sind so eingerichtet, dass genügend Zeit bleibt. Buskarten sind in einem kleinen Büro gegenüber der Capileira-Gemeindeverwaltung zu reservieren, wobei im Sommer besonders an den Wochenenden reger Andrang sein soll.
Diese Info hatte mich endgültig überzeugt, dass auch ich die Besteigung schaffen müsste. Dass wieder einmal alles anders kommen würde, konnte ich nicht ahnen. Diesmal kam es aber noch günstiger als ich dachte und mit Erlebnissen, auf die ich mit Erstaunen zurückblicke und die unvergessen bleiben.
Schranke und Ranger-Häusl auf dem Parkplatz Hoya del Portillo. Hier auf 2150 Meter endet die Fahrt von Capileira aus. Der Parkplatz ist kostenlos. Bis zum Mulhacén-Gipfel muss man dann noch 14 km laufen (1330 Höhenmeter).
Der Shuttle-Bus bringt seit einigen Jahren den Bergwanderer von Capileira aus bis in 2700 Meter Höhe. Das ist 550 Meter höher als der Parkplatz an der Schranke. Bis zum Mulhacén sind es dann nur noch 782 Höhenmeter.
Das Gemeindehaus in Capileira an der Hauptstraße.
Gegenüber dem Gemeindehaus ist das Touristen-Häusl, in dem man einen Platz für den Shuttle-Bus reservieren kann.
Anmerkung:
Die Fotos habe ich natürlich erst gemacht, als ich in Capileira ankam. Wie alles aussehen würde, wusste ich im Vorfeld nicht. Im nächsten Abschnitt beginnt die eigentliche Reise.
Chemnitz > A72-A9 > Abzweig A70 (Dreieck Bayreuth/Kulmbach) > A70 > Bamberg > Schweinfurt > A70-A7 > Würzburg > A3-A81 > Leonberg > A8 > Pforzheim
Gestern war Samstag. Ich hatte noch alle Hände voll zu tun. Das Auto-Packen ist zwar schon fast Routine, doch vergessen will man ja auch nichts. Leider habe ich es bis zum heutigen Tage noch nicht geschafft, eine vernünftige Check-Liste zu machen. Vornweg gesagt, es kam, wie es kommen musste. Die Trekking-Stöcke blieben im Keller. Ich hätte sie in den Bergen gut gebrauchen können.
An einen 10-Liter-Wasserkanister aus dem Baumarkt habe ich aber gedacht. Er hat einen Ablaufhahn, so dass das Abfüllen von Trinkflaschen besser funktioniert. Man kann den Kanister auf die PKW-Ladekante stellen und die Flasche drunter halten. Den obligatorischen Aldi-Einkauf und das Tanken hatte ich auch noch gestern erledigt.
Heute zum Sonntag war ich schon früh viertel vor fünf aufgestanden und um 6 Uhr in Chemnitz losgefahren. Normalerweise starte ich nie so früh. Doch M. aus Pforzheim hatte darauf bestanden, dass ich spätestens 11.30 Uhr zum Rouladen-Essen zu erscheinen hätte. Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.
Die Fahrt war ohne Stau, aber auch ohne große Pause. Ich hatte ja Termindruck, fast wie früher, als ich laufend zu Kunden unterwegs war. Das Wetter spielte mit, zwar nicht immer mit Sonne, aber ohne Regen.
Leider hatte ich dieses Mal die Route über Bamberg/Schweinfurt/Würzburg genommen. Das Navi hatte nicht berücksichtigt, dass Teile dieser Strecke noch nicht zur Autobahn ausgebaut sind. Schon vor vielen Jahren sollte alles eine Autobahn sein. Zwischendurch hat man aber mit dem Ausbau wieder aufgehört. Warum ist mir schleierhaft, jedenfalls ist das Fahren auf Landstraßen bei dichtem Verkehr nicht so schön. Überholen ist nur auf den wenigen dafür vorgesehenen Überholspuren möglich. Ich werde diese Route nicht mehr nehmen. Die Alternative über Nürnberg ist günstiger, obwohl im Einzugsgebiet von Nürnberg besonders früh und abends auch alles voll ist. Staus sind die Folge, nicht zuletzt wegen zur Zeit (2017) einiger Baustellen. Auf der anderen Seite kann man sich eigentlich über jede Baustelle freuen, da es dann zukünftig an der entsprechenden Stelle nur besser werden kann.
Trotz der Zuckelei auf der A70 war ich überpünktlich in Pforzheim, es war 11.10 Uhr, als ich bei M. und R. klingelte.
Sonntag nachmittag waren Besuche angesagt, Montag war Ruhe- und Gartentag. Meine Freunde staunten nicht schlecht, als ich von meinem Vorhaben berichtete, nun doch die Bergbesteigung in Angriff zu nehmen. Ich hatte nur erzählt, dass ich wandern gehen würde. Immerhin lagen rund 2.250 Kilometer vor mir (eine Strecke), bevor ich in "mein" Wandergebiet kommen würde.
Im Garten in Pforzheim gibt es immer etwas zu naschen.
Die Zucchini für das Mittagessen am Dienstag.
Der Montag verging wie im Fluge, nicht ohne Diskussion über mein Vorhaben. Für den nächsten Starttag hatte ich mir vorgenommen, nicht allzu spät loszufahren. Zum zeitlichen Verlauf legte ich mich nicht fest, es würde sowieso anders kommen, als gedacht.
Erstrebenswert war es allerdings, nicht gerade am Wochenende in Capileira anzukommen, da der Shuttle-Bus dann vielleicht voll wäre. Eine Vorbestellung per E-Mail wäre zwar auch möglich gewesen, doch das war mir zu riskant.
Ich weiß auf meinen Reisen nie, wann ich wo wielange bin.
Pforzheim > A8-A5 > NW-Umfahrg. Ettlingen > A5 > Grenze Deutschland/Frankreich > 500-N63 > N-Umfahrg. Hagenau > Pfalzburg > N4 > Saarburg > N4-N333-A33 > Lunéville > Neufchâteau > Langres > N-Umfahrg. Dijon > A38 > Autun > Luzy > N7-D707 > Moulins (F1-Hotel Moulins Sud)
Um schnellstmöglich mein Ziel zu erreichen, hatte ich im Vorfeld die kürzeste Strecke festgelegt (ohne Maut natürlich). Damit das Navi keine andere Route vorschlägt, hatte ich Wegpunkte eingegeben. Leider ist es mit meinem schon etwas älteren Garmin-Navi nicht möglich, die ganze Route zu programmieren. Es zeigt dann an, dass nicht genügend Speicher zur Verfügung stünde. Ich habe zwar eine große Speicherkarte drin, aber die Routen werden offensichtlich im internen Navi-Speicher abgelegt. Übrigens ist deshalb auch die Anzahl der Routen begrenzt.
In der Praxis bedeutet das, man muss sich bei langen Fahrten immer von einem Wegpunkt zum nächsten hangeln. Das heißt, ist eine Teilstrecke gefahren, gibt man zur Weiterfahrt den nächsten Wegpunkt an. Das ist nicht weiter problematisch, wenn die Wegpunkte als Favoriten gespeichert sind. Dadurch kann man sich das Programmieren der Routen sparen. Allerdings muss man darauf achten, dass zum einen ein Wegpunkt möglichst an einer Stelle liegt, wo man halten kann (am besten ein Parkplatz), und dass zum anderen der Wegpunkt auch auf der richtigen Seite in Fahrtrichtung liegt. Erwischt man nämlich die Koordinaten auf der Gegenfahrbahn (z.B. auf Autobahnen), leitet das Navi prompt bis zur nächsten Ausfahrt und wieder zurück auf die andere Seite. Einmal ist mir das schon passiert.
Die Wegpunkte dürfen bis etwa 800 Kilometer auseinander liegen (getestet). Ist die interne Datenmenge für die aktuelle Route zu groß, meldet das Navi, dass es weitere Berechnungen erst bei Annäherung zum Ziel durchführt. Das Navi berechnet eine lange Route im zweiten Teil also nur grob und spezifiziert dann den Rest der Route, wenn gefahrene Daten gelöscht werden können und somit wieder genug Speicherplatz frei wird. Aber ich wähle den Abstand der Wegpunkte sowieso nicht so groß, um dem Navi eine eindeutige Route vorzugeben.
Die Tankquittung wies 9.43 Uhr aus. Es war also doch wieder später geworden, als gedacht. Das Navi führte mich durch Pforzheim durch, obwohl ich mit Umweg auch die Auffahrt Süd hätte nehmen können. Die Stadt war voll, 10 Minuten Stau inbegriffen. Endlich auf der Autobahn A8 und dann A5 Richtung Freiburg ging es flott voran. Die Sonne schien auch, ich war zufrieden — und erwartungsvoll.
Ich hatte eine Strecke programmiert (siehe obiger Kasten), die meiner Meinung nach günstig sein müsste, ohne große Stadtdurchfahrten. Das bedeutet aber, es geht oft über Landstraßen. In Frankreich ist das zwar kein Problem, aber die Kreisverkehre und langsamen Ortsdurchfahrten hindern doch merklich am schnellen Vorwärtskommen. Einen Teil der Strecke kannte ich vom vorigen Jahr, als ich die Frankreich-Tour zur Düne und zur Klosterinsel Saint Michel machte.
Schon in Höhe Baden-Baden wechselte ich die Länder, d.h. ich nahm den Abzweig Richtung Frankreich und fuhr gewissermaßen "oben herum". Die Alternative wäre der Grenzübergang bei Freiburg gewesen. Leider verschwand die Sonne hinter einer Wolkenschicht, die aber keinen Regen entließ. Mein Mittagessen-Parkplatz an der D421 sah deshalb wenig freundlich aus, kurz vor 13.00 Uhr ging es weiter
12.54 Mittagspause irgendwo an der D421 in Frankreich
Die Punkte habe ich mittels Google-Map ermittelt. Man sollte genügend weit hineinzoomen und die Satelliten-Ansicht benutzen. Die Koordinaten eines Punktes werden angezeigt, wenn man mit der rechten Maustaste auf die entsprechende Stelle klickt und aus dem sich öffnendem Menü den Punkt "Was ist hier?" auswählt. Daraufhin erscheinen die Koordinaten auf dem Bildschirm.
Auch nach der Mittagspause wollte und wollte es mit dem Wetter nicht besser werden. Ab und zu war sogar die Straße nass, und ich musste mit Licht fahren. Die Fahrt ging zeitweise über Autobahn, meist aber über Landstraßen bzw. ausgebaute Autostraßen. Gegen halb vier machte ich nochmal Rast, der Kaffee und ein Apfel munterten mich wieder auf.
Die Zeit verging recht schnell. Es war schon die Dämmerung zu spüren, als ich in die Nähe von Moulins kam. Eigentlich hatte ich ja vor, die Kathedralen von Moulins wenigstens zu fotografieren, und die Kathedrale von Souvigny wollte ich diesmal unbedingt von innen sehen. Voriges Jahr war ich daran vorbeigefahren, wusste aber vorher auch nichts von ihr. Heute war sowieso alles zu spät. Ich brauchte ein Bett. Kurzerhand programmierte ich als nächstes Ziel das F1-Hotel im Süden Moulins. Vielleicht würde ich es noch schaffen, mich einzuchecken. Wie lange das genau möglich ist, wusste ich nicht.
Es war 21.21 Uhr, als der Drucker meine Anmeldung ausspuckte. Es war wieder die etwas ältere Dame am Schalter, die mir schon einmal recht unfreundlich vorkam. Diesmal hatte sie offensichtlich bessere Laune (oder keine Kopfschmerzen?), jedenfalls fragte sie nur nach einer Reservierung und wenig später hatte ich die Anmeldung mit meinem Zimmer-Code in der Hand. Glück gehabt, ein Bett hatte ich. Der Preis war gegenüber dem letzten Mal auf fast 40 Euro gestiegen, eigentlich für mich zu viel. Die F1-Hotels haben vor Jahren mit Zimmerpreisen von 20 Euro geworben (2 Personen möglich), jetzt fast das Doppelte.
Es mag sein, dass die Wirtschaft nur bei einer gewissen Inflationsrate floriert, aber die Null-Zins-Politik des Herrn Prof. Draghi ist meiner Meinung nach nicht das richtige Mittel, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Herr Draghi wird wohl eher daran interessiert sein, dass die italienischen Banken mit ihren faulen Krediten nicht Pleite gehen. Die Zentralbank (EZB) kauft ja genügend auf und lässt Geld drucken ohne Ende. Die Ersparnisse des kleinen Mannes schrumpfen deshalb immer mehr, ohne dass er nur einen einzigen Cent davon ausgibt. So, dass musste einmal gesagt werden. Es ist zwar bloß meine unbedeutende Meinung, aber mir gefällt es eben auch nicht, wenn ich für mein weniges Geld immer noch weniger bekomme.
15.31 Auch meinen Kaffee musste ich ohne Sonne trinken.
Adresse: HotelF1 Moulins Sud, ZI Michelet, Le Petit Godet, 03400 YZEURE France (46.53250, 3.34976)
Die spartanische Einrichtung bleibt ...
... und der Preis verdoppelt sich.
F1-Hotel Moulins Sud > D707 > Moulins > D945 > Souvigny > D73-D11 > Gipcy > D11 > Cosne-d'Allier > D94-A714/E62-N145/E62 > NO-Umfahrg. Montluçon > N145/E62 > Parkplatz Aire de Nouhant (46.28321, 2.39933, östlich von Nouhant) > N145/E62 > N-Umfahrg. Gouzon > N145/E62 > N-Umfahrg. Guéret > N145/E62 > S-Umfahrg. La Souterraine > N145/E62-A20/E9-N520 > W-Umfahrg. Limoges > N520-N21 > SO-Umfahrg. Bergerac > D933 > Eymet > D933 > Miramont-de-Guyenne > D933-D132 > Marmande D933 > Casteljaloux > D933 > Houeillès > D933-D933N > Saint-Justin > D933N-D932-D932E > SO-Umfahrg. Mont-de-Marsan > D824 > S-Umfahrg. Tartas > D824 > N-Umfahrg. Dax > D824 > Sant-Geours-de-Maremme > D12-D261 (nach Adour-Überquerung) > D261-Parkplatz (43.49328, -1.36523) am Fluss Adour > D261-D161-D257-D22 > Landstraße nach Somocap > D250 > Ustaritz > D88 > Souraïde > D918 > S-Umfahrg. Espelette > D918-D20-D4 > Dantxaria > Grenze > Dantxarinea > N121B > Ordoqui > N121B > Oronoz-Mugaire > N121A-PA30 > O-Umfahrg. Pamplona > PA30 > südlich von Pamplona auf die AP15 > N121 > Noáin > N121 > Caparroso > N121-Parkplatz (42.28370, -1.66101), 7 km südlich von Caparroso
Heute früh war es erst 6 Uhr, als ich das F1-Hotel verließ. Ich hatte nur ein paar Stunden geschlafen, es war selbst in der Nacht sehr warm und die kalte Dusche um Mitternacht brachte auch nur für den Moment Abkühlung. Da ich um 4.30 Uhr keinen Schlaf mehr fand, stand ich kurz nach 5 schon wieder unter der Dusche. Frühstück, dabei TV-Nachrichten vom CNN, und vor allem der Kaffee brachten mich wieder in Gang.
Ich habe einen kleinen 220V-Reise-Tauchsieder aus DDR-Zeiten, der sich hervorragend fürs Frühstück im Zimmer eignet. Zwar ist das angebotene Hotel-Frühstück sehr günstig, ich glaube nur 3,50 Euro, aber ich habe keine Lust, im sogenannten Breakfast-Room, der im F1-Hotel nur ein erweitertes Stück vom Empfangsraum ist, unter den meist berufstätigen Übernachtungsgästen ohne Kommunikation den Hotel-Kaffee zu schlürfen. Früh haben es sowieso alle eilig, und Französisch kann ich auch nicht.
Die Scheiben vom Auto waren innen und außen undurchsichtig feucht, es hat eine Weile gedauert, bis ich einigermaßen freie Sicht hatte und losfahren konnte. Dichter Bodennebel kroch langsam durchs Gelände, kein schönes Fahren. Die Temperatur von 15° C änderte daran auch nichts.
Mein Vorhaben, die Kathedralen in Moulins zu besichtigen oder auch nur zu fotografieren, war hinfällig. Bis Souvigny änderte sich am feuchten und nebligen Morgenwetter nicht viel, so dass auch dieser Fototermin ausfiel. Immerhin, die Spitze der Kathedrale in Souvigny habe ich gesehen, gewissermaßen im Vorbeifahren. Die Kirche werde ich ein anderes Mal besichtigen.
Auf der Landstraße D11 lässt es sich gut fahren, langsam löste sich der Nebel unter dem Einfluss der ersten Sonnenstrahlen auf, und die Sicht wurde immer besser.
Es ist schön anzusehen, wenn in den Tälern der Nebel dahinzieht und darüber die Sonne mit ihrem lachenden Gesicht die Nacht endgültig vertreibt. Die Gegend ist von der Viehzucht geprägt, teilweise auch bewaldet. Ich sah einige Hinweisschilder auf Campingplätze und auf Übernachtungsmöglichkeiten. Das als Naturschutzgebiet ausgewiesene Areal scheint touristisch sehr attraktiv zu sein, bei der schönen Landschaft kein Wunder. Das Vieh ist über Nacht auf der Weide, allerdings sah ich hier nur weiße Kühe, im Gegensatz zu Deutschland, wo in den Niederungen meist schwarzweißes und in den Bergen braunes Vieh gehalten wird.
Angesichts des ruhigen Dahingleitens bei zwischenzeitlich voller Sonne verflüchtigten sich die mir nachts selbst gemachten Vorwürfe, dass ich diese Reise in Angriff genommen hatte. Wer ist schon so verrückt und fährt über 5.500 Kilometer, nur um auf einen Berg zu steigen. Aber ich weiß genau, ich hätte mich in Anbetracht des kommenden Winters geärgert, wenn ich nicht gefahren wäre. Man muss die Dinge angehen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Den Zeitpunkt glauben wir planerisch selbst zu bestimmen, aber weit gefehlt, Zeitpunkte, Wendepunkte, Wegentscheidungen oder auch Handlungsstufen haben im Leben bezüglich ihres Auftretens so komplexe Auslöser, dass die eigene bewusste Bestimmung eine völlig untergeordnete Rolle spielt. Es ist höchstens eine minorisierte Mitbestimmung, der man aber keine allzu große Bedeutung beimessen sollte. Es ist oft nur ein unterschwelliges Gefühl, das sich im Ergebnis aber doch durchsetzt. Manche nennen es Bauchgefühl, andere reden von Türen, die sich öffnen. Ich meine, die Natur, sprich die Evolution der Spezies Mensch, bestimmt, was zu tun ist.
Inzwischen auf der N145/E62 fahrend hatte ich massiv mit Müdigkeit zu kämpfen. Auf dem nächstmöglichen Parkplatz würde ich halten. Kaum gedacht, kündigte er sich an: Auf dem Schild stand "Aire de Nouhant". Gerade einmal 90 Kilometer war ich seit heute früh gefahren. Der Ort Montluçon liegt vom Parkplatz aus etwa 15 Kilometer weiter nordöstlich.
Sofort erkannte ich das Terrain. Es war der PKW/LKW-Platz, auf dem ich in 2016 eine seltsame Beobachtung gemacht hatte (siehe Reisebericht Frankreich 2016). Das sollte mich aber nicht davon abhalten, vom Fahrersitz in mein Bett zu kriechen. Sofort packte mich der Zustand, in dem man nicht sündigt.
8.55 Uhr zeigte mein Schiebehandy. Ich hatte bestimmt eine Stunde geschlafen. Um mich herum waren noch mehr Überland-Reisende, die offensichtlich die ganze Nacht hier verbracht hatten. Eine Familie mit 2 Kindern kam aus der Schweiz. Ich war aber zu sehr mit mir und meinem Kaffee-Aufbrühen beschäftigt, so dass ich im Moment kein Gespräch versuchte. Später, nachdem ich Wasser aufgefüllt hatte, waren sie weg.
Der Parkplatz eignet sich hervorragend zum Übernachten. LKWs stehen weiter oben auf einem separaten Platz, aber man kann sich sicher auch mit dem PKW dorthin zurückziehen. Man steht dann weiter weg von der Überlandstraße, man hat es ruhiger. Insgesamt ist der Platz gut ausgestattet: Trinkwasser, Toiletten, Info-Häusl, Tische und Bänke, weiträumig und viel Grün. Maximal sind 7 Tage Aufenthalt erlaubt. Als Ersatz für das nunmehr 40-Euro-F1-Hotel in Moulins werde ich diesen Schlafplatz bei passender Gelegenheit in jedem Falle nutzen.
Parkplatz Aire de Nouhant, 15 km südlich von Montluçon
Weitere Schlafgäste, darunter eine Schweizer Familie
Freie Trinkwasserstelle auf dem LKW-Parkplatz
Viel Grün und ordentliche Sitzgruppen
Ja, ich benutze immer noch eines dieser altmodischen Samsung-Handys mit Minibildschirm, der verschiebbar die Tastatur abdeckt. Noch vor kurzem hatte ich sogar noch ein Klapphandy. Wegen nicht mehr beschaffbarem Akku musste ich dieses jedoch schweren Herzens entsorgen. Das neue Schiebehandy ist auch nicht ganz neu. Ich bekam es vom Erben eines vertragssüchtigen Zeitgenossen geschenkt, der reihenweise Handyverträge abgeschlossen hatte und zwischenzeitlich verstorben ist. In die Werbefalle mit den 1-Euro-Handys und 2-Jahres-Verträgen tappen viele, mir scheint, besonders unerfahrene ehemalige DDR-Bürger. Der Mann hatte fast immer unterschrieben, wenn auf dem ins Haus geflatterten Werbepapier ein Unterschriftfeld mit deutlich sichtbarem Kreuz war. Die monatliche Belastung von mehreren hundert Euro, die der Mann resultierend aus solchen Verträgen hatte, spricht für sich. Dabei war er nicht mal Technik-Freak und wusste auch sonst nichts mit den herumliegenden Handys anzufangen.
Im weiteren Verlauf meiner Fahrt, die problemlos über Autobahnen und Landstraßen führte (mautfrei), wurde die Temperatur immer höher. Der Bordcomputer zeigte 32° C an. Die Klimaanlage hatte ich nur zeitweise laufen, irgendwo muss man ja sparen. Laut Bedienungsheft des Dacia braucht sie etwa 0,2 Liter je 100 Kilometer. Und nun kam, was seit längerem nicht mehr aufgetreten war: Das Navi stieg aus. Aus unerfindlichen Gründen stürzte es ab und fuhr erneut hoch. Ein Navi ist ja auch nur ein kleiner Computer und verhält sich wie ein normaler PC zu Hause am Schreibtisch. Allerdings haben die Navi-Entwickler mit Absturzfehlern gerechnet, sonst wäre nicht der automatische Neustart programmiert. Wegen der Flash-Speicher gehen aber keine Daten verloren, nach kurzer Satelliten-Orientierung und Neuberechnung weiß das Navi wieder, wo es ist und wie es weitergeht. Ich vermute, dass die Abstürze etwas mit zu hoher Umgebungstemperatur zu tun haben.
Einen weiteren Navi-Fehler musste ich feststellen. Plötzlich wurde angezeigt, der Akku sei schwach, man solle laden. Dabei fiel mir der helligkeitsreduzierte Bildschirm auf. Das passierte während der normalen Fahrt. Das Navi wird über das Autobordnetz versorgt und die Akkus dürften eigentlich nicht schwach werden. Sollte auch hier ein Temperaturfehler vorliegen? Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass die Navi-Lithium-Akkus eine interne Temperaturüberwachung haben, die bei zu hoher Temperatur anspricht und die Akkus bzw. das ganze Navi so vor einer möglichen Brandgefahr schützt. Bekannt sind ja die Probleme, die es mit Smartphones gab, die plötzlich in Flammen aufgingen.
Ich vermutete deshalb einen Temperaturfehler, weil mit eingeschalteter Klimaanlage und damit niedrigerer Auto-Innenraumtemperatur das Navi scheinbar nicht so oft auszufallen schien. Sicher bin ich mir aber nicht, ob ein Zusammenhang besteht. Das wackeln am Anschluss des Navi-Steckers hatte keine Auswirkung. Es hätte ja auch sein können, dass durch einen Wackelkontakt die Stromzuführung unterbrochen wurde. Das Problem konnte ich bis heute noch nicht lösen.
Da ich gerade von Fehlern berichte: Der Bordcomputer des Autos spinnt auch manchmal. Ebenfalls bei Hitze passierte es, dass der Bordcomputer plötzlich vom Radio-Hören auf den gesteckten Audio-Stick umschaltete.
Man hörte dann den Song, der zuletzt gespielt wurde. Die Umschaltung erfolgte aber nicht in den Listenmodus, den ich normalerweise eingestellt habe, sondern immer in den Playermodus, in dem die Playertasten und gegebenenfalls das MP3-Künstler-Foto zu sehen sind.
In einem anderen Fall habe ich erlebt, dass der Bordcomputer (einschließlich Navi) ganz abgeschaltet war (In diesem Modus wird nur die Zeit angezeigt.) und plötzlich wie von Geisterhand die Stick-Songs abspielte, natürlich im Playermodus. Na prima, dachte ich, da will jemand, dass ich Musik höre.
Auch hier könnte es sein, dass der Bordcomputer ein Temperaturproblem hat. Die Fehler traten nämlich nur bei hoher Innenraumtemperatur auf. Die eingeschaltete Klimaanlage verminderte auch hier (vermutlich) die Fehlerhäufigkeit. Das Ganze ist nervig. Da die Garantiezeit 3 Jahre beträgt, hätte ich noch die Chance eines kostenlosen Austauschs des Bordcomputers.
Mir kam aber noch eine andere Fehlerursache in den Sinn. Dass es mit erhöhter Temperatur zu tun hat ist klar, denn in Deutschland ist keiner der beschriebenen Fehler bisher aufgetreten. Aber es könnte beim Bordcomputer der gesteckte Stick selbst sein. Es könnte ja sein, dass sich der Bordcomputer ganz normal meldet, sobald ein Stick gesteckt wird. Hat nun der Stick einen sporadischen Fehler, denkt der Computer, es wurde der Stick entweder gezogen oder gesteckt und verhält sich entsprechend. Das habe ich aber noch nicht ausprobiert.
Ich müsste einerseits das normale Verhalten beim Entfernen und Stecken des Sticks prüfen und andererseits bei hoher Temperatur ganz ohne Stick fahren, oder aber einen zweiten Stick herrichten (mit Songs bespielen). Vielleicht hat der derzeit benutzte Stick tatsächlich einen Temperaturfehler. Laut Auskunft eines Verkäufers bei Saturn, dem ich die ganze Geschichte erzählt hatte, würde es schon mal vorkommen, dass Flash-Speicher temperaturempfindlich seien.
Wie ich selbst feststellen musste, werden auch normale Sticks am PC relativ heiß, wenn große Datenmengen geschrieben oder gelesen werden. Auch hier habe ich das Problem noch nicht gelöst, während ich hier schreibe liegt ein neuer 16-GB-Slim-Line-Stick auf dem Schreibtisch.
Es ist nach 17 Uhr geworden. Ich war in der Nähe von Bayonne am Fluss Adour, der durch Bayonne in den Atlantik fließt. Zeit wäre es, Rast zu machen. Wer weiß, wann sich wieder eine Gelegenheit in so schöner Umgebung bieten würde.
Am Flussufer sah ich ab und zu Angler sitzen, auch Wohnmobile standen in Ufernähe. Im Wasser waren nur wenige, vielleicht ist die Strömung stark. Am gegenüberliegenden Nordufer ist Waldgebiet, vereinzelt sind auch Häuser zu sehen.
Der Fluss Adour fließt durch Bayonne in den Atlantik.
Die Gegend ist dünn besiedelt, der Fluss fischreich.
Die Gegend ist Naherholungs- und Feriengebiet.
Das Flussufer ist frei begehbar, parallel dazu die D261.
Die Gegend ist relativ dünn besiedelt und sicherlich auch ein Naherholungsgebiet für die Gestressten aus Bayonne. Ich war froh, dass ich die Großstadt Bayonne weiträumig umfahren hatte. Nur so entkommt man der wenig Natur bietenden Autobahn bzw. Autostraße.
Ständig das Flussufer absuchend fand ich endlich eine geeignete Raststelle. Hinter Büschen versteckt war eine Haltebucht, die mindestens zwei Wohnmobilen Platz bietet. Tisch und Bänke auf der Wiese und sogar eine kleine Holzterrasse über dem Wasser luden mich unwiderstehlich ein, Brotzeit zu machen und auszuruhen. Eine kleine Feuerstelle zeugte davon, dass hier manchmal ausgiebig Halt gemacht wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass man die Nacht am Ufer verbringen kann. Gegen ein kleines Zelt dürfte niemand etwas haben, zumal die Wiese zur Straße hin durch Büsche abgegrenzt ist. Notfalls kann man aber auch im Auto schlafen und hat dann am Morgen den Komfort der Möblierung und den herrlichem Ausblick auf den Fluss.
Kleiner Rastplatz direkt am Fluss (43.49328, -1.36523)
Eine Hecke schirmt den Rastplatz von der Straße ab.
Als ich einparkte, waren noch zwei Jungs mit dem Radl am Ufer. Sie verzogen sich aber bald, so dass ich allein war. Jetzt hörte ich endlich wieder das leise Rauschen der Bäume und vereinzelt das Rufen (oder Schimpfen?) eines Vogels. Nebenan kam ein Pick-up aus dem Grundstück und fuhr ziemlich zügig Richtung Westen. Das flache Gebäude nebenan dient wahrscheinlich gewerblichen Zwecken, bewohnt ist es nicht. Auch von dieser Seite her sind also bei Nutzung als Schlafplatz keine Störungen zu erwarten.
Blick stromaufwärts, die Quelle liegt in den Pyrenäen.
17.41 Brotzeit in wunderbarer Umgebung bei super Wetter
Rechts die D261, auf der ich kam. Sie führt nach Bayonne.
Bei Kaffee, den Weintrauben und fast schon wie üblich bei Dauerwurst und Brot genoss ich in Ruhe den Blick aufs Wasser. Wieder einmal bestätigte mir diese Situation, wie schön das Leben sein kann. Manchem mag das zu einfach, um nicht zu sagen, zu primitiv erscheinen. Mir gefällt das aber, meiner Seele (sollte es sowas geben) auch. Einheit von Körper und Geist bei maximaler Ausgeglichenheit in Verbundenheit mit der Natur ist erstrebenswert. Es sind wichtige Elemente für ein zufriedenes Dasein.
Am liebsten hätte ich am Fluss übernachtet, doch die vor mir liegende Strecke wollte noch weiter verkürzt werden. Es war noch zu früh, schließlich hatte ich mir für diesen Tag als Ziel Spanien vorgenommen. Wenigstens die Grenze wollte ich hinter mich lassen. In Spanien würde ich schon einen geeigneten Schlafplatz noch vor Einbruch der Dunkelheit finden. Es ist etwas umständlich, wenn man bis in die Nacht hineinfährt und erst dann auf einem geeigneten Platz landet. Ich checke gern auch die Umgebung ab, um die Eignung als Schlafplatz festzustellen.
Rechts (im Schatten) eine verlassene Feuerstelle
Der Tisch ist nicht mehr so jung, teils wie seine Benutzer.
Eine halbe Stunde am Fluss, und die Fahrt ging weiter.
Kurz nach dem Rastplatz führte meine Route weg vom Fluss in Richtung Süden in die Berge. Es ist das Vorgebirge der Pyrenäen. Ich wusste, mich würden viele kleine Ortschaften, Kurven und Hügel erwarten, bevor es dann über einen der Pyrenäenkämme und die französisch-spanische Grenze auf die besser ausgebaute N121B ging. Die schmalen Straßen sind der Preis, wenn man Bayonne, Autobahn und Maut meidet. Der Lohn ist aber die Natur. Ab und zu verschwand die Sonne schon hinter einem Berg, dann wieder strahlte sie hell mit rötlichem Schimmer, vielleicht um mir den Weg zu zeigen.
Die Fahrt war zwar etwas zeitraubend, aber angenehm. Dank des Navis gibt es auch bei so vielen kleinen Dörfern, Kreuzungen und schmalen Straßen keine Probleme. Zweimal musste ich feststellen, dass die Navi-Ansagedame rechts mit links verwechselte. Es sind eben auch bei neuesten Karten-Updates immer wieder Fehler enthalten. Man bemerkt aber den einmaligen Irrtum der Ansage, da mehrmals auf eine nötige Abbiegung hingewiesen wird.
Die bewaldete von Wiesen und Gehöften unterbrochene Pyrenäenlandschaft ist wahrlich reizvoll. Schon allein wegen der schönen Umgebung hätte ich das Zelt aufschlagen und bleiben wollen. Geeignete Stellen lassen sich in dieser Gegend leicht finden. Hier würde sich lohnen, während der Fahrt die Videokamera laufen zu lassen.
Den französischen Grenzort Dantxaria, auf der spanischen Seite Dantxarinea, erreichte ich gegen 19 Uhr bei vollem Sonnenschein. Wenig später bietet die Fernstraße N121A mehr Komfort und schnelleres Vorwärtskommen. Doch auf der Südseite der Pyrenäen hatte sich eine Wolkenwand angestaut, allerdings bei höherer Temperatur, jetzt 25 Grad, als in Frankreich. Zwar regnete es nicht, aber Sonne ist mir doch lieber. Man wird verwöhnt, wenn man im Süden unterwegs ist. 19.48 Uhr hatte ich bis Pamplona noch 38 Kilometer zu fahren.
Es ging durch zwei längere Tunnel. Ich bin immer wieder froh, Licht am Ende des Tunnels zu sehen (wie im Leben auch). Bei Ohrenknacken wegen der Luftdruckunterschiede und jetzt strahlend blauem Himmel war Pamplona nicht mehr weit. Die Wolken waren restlos weg, wahrscheinlich nur ein Pyrenäen-Stau. Kurz nach 20 Uhr zeigte das Thermometer immer noch 24 Grad.
Die Pamplona-Umfahrung hatte problemlos geklappt, nicht wie das letzte Mal im Vorjahr, als ich wegen einer verpassten Umgehungsstraße mitten durchs Zentrum geführt wurde.
Spanien war so, wie ich es gewohnt und wieder erwartet hatte: sonnig, warm, gute Straßen und relativ wenig Verkehr. Nun wurde es aber langsam Zeit, einen Schlafplatz zu finden. Meine Augen tasteten ständig die rechte Umgebung ab, um eine geeignete Stelle zu finden. Parkplätze gab es zwar reichlich, aber nur als kleine Einbuchtung, auf der man nachts keine Ruhe hat.
Spanische Pyrenäen, Rundreise im September 2001
Linás de Broto, Pyrenäen im September 2001
Trotz des zur Neige gehenden Tages nahm die Temperatur zu, es waren jetzt um 20.43 Uhr 31°C. Manche Autos kamen schon mit vollem Licht.
Kurz nach 21 Uhr fand ich dann 7 Kilometer hinter Caparroso in einem kleinen Waldgebiet eine günstig erscheinende Stelle. Wie sich später herausstellte, ist es zwar auch eine Ab- und Zufahrt zur N121, die nachts zusätzlichen Verkehr vermuten ließ. Doch es blieb ruhig. Hinter dem Waldstreifen war es heller, ich ging vielleicht 50 Meter, um die Umgebung zu erkunden. Es waren nur Felder, keine Gehöfte oder Ähnliches.
Einen Steintisch mit Terrazzo-Platte und Betonbänke hatte man für mich auch hingestellt. Dahinter war es günstig, die Nacht zu verbringen. Nach der langen Fahrt seit heute früh 6 Uhr leistete ich mir eine Linsensuppe mit eingebrocktem Brot und zur Geschmacksabrundung den Restbestand der harten Wurst. Kaffee wollte ich nicht mehr trinken, ein Cappuccino war mir lieber. Man gönnt sich ja sonst nichts.
So in meiner freien Natur-Küche beschäftigt störte mich plötzlich mit lautem Geknatter ein riesiger Tanklastzug, der weiter vorn auf dem Parkplatz hielt. Das kann ja heiter werden, dachte ich. Der Fahrer stellte den Motor ab und machte sich mit aufgeklappten Führerhaus am LKW-Innenleben zu schaffen. Vielleicht wollte er auch hier übernachten? Vielleicht war es sogar ein Deutscher? Das musste ich herausfinden. Ich ging hin und stellte mit einem Seitenblick auf das Nummernschild fest, es war ein Spanier. Trotzdem sprach ich ihn an. Er wolle nicht übernachten und warte hier auf den Gegenzug. Er merkte an meinem fragenden Gesicht, dass ich nichts verstanden hatte. Umständlich aber im Ergebnis doch erfolgreich versuchte er, mir klar zu machen, dass hier Tanklastzüge zu einer weiter hinten liegenden Chemiefabrik fahren und aufeinander warten müssen, da die Straße zu schmal für Gegenverkehr ist.
Das wird eine nicht ruhige Nacht, dachte ich. Nun gut, einen anderen Schlafplatz zu suchen war zu spät. Zurück an meinem Betontisch war inzwischen die Suppe heiß und ich genoss das warme Essen. Von den Bäumen kamen komische Geräusche, es hörte sich an wie laute Grillen oder so. Langsam, aber sicher wurde es Nacht. Der Mond spendete etwas Licht. Ich war noch nicht in meinem Himmelbett gelandet, da kam vom Hinterland der erwartete Tanklaster. Die Fahrer unterhielten sich kurz, dann verschwanden beide LKWs in der Dunkelheit.
Schlafplatz, gerade noch rechtzeitig vor der Nacht.
7 km südlich von Caparroso (42.28370, -1.66101)
Das war der letzte Tanklastzug, dann Ruhe in der Nacht!
Auf der schmalen Straße stand anschließend eine Staubwolke, die sich nur langsam auflöste. Es war windstill und ich war allein.
Bei der zwar etwas nachgelassenen aber immer noch angenehmen Temperatur machte ich eine Ganz-Körper-Katzenwäsche mit zwei Flaschen Chemnitzer Wasser. Im Kanister war noch genügend Vorrat, der aber im trockenen Spanien auch nötig ist. Das Autoinnere hatte sich noch nicht abgekühlt, so dass ich bei laufendem Motor mit der Klimaanlage nachhelfen musste. Die Nacht war schwül, aber ruhig. Kein Laster störte mich, nur ein einziges Mal hörte ich einen PKW vorbeifahren. Die Anstrengung des Tages ließ mich recht gut schlafen, wohlwissend, dass ich morgen die Sierra Nevada sehen würde.
N121-Parkplatz > N121 > Castejón > N113 > Cintruénigo > N113 > Valverde > N113 > Ágreda > CL101 > Ólvega > CL101 > Gómara > CL101 > A15 Almazán > A15 Medinaceli > A2/E90 > Torremocha del Campo > A2/E90 > N204 > Sacedón > CM2000 > Talsperre Buendía > CM2000 > kurz vor Carrascosa del Campo auf A40 > Santa Cruz de la Zarza > A40 > Ocaña > A4/E5 > Manzanares > Santa Cruz de Mudela > A4/E5 > Almuradiel > A4/E5 > A44/E902 > Granada > A44/E902 > Abfahrt Ri Tablate auf A-348 > Lanjarón > A-348 > auf A-4132 kurz vor Órgiva > A-4129 > Capileira > auf Camino de la Sierra bis Parkplatz Hoya del Portillo (Schranke, 36.96854, -3.33296)
Es war schon fast hell, der Himmel leuchtete im zarten Gelb-Rosa aus östlicher Richtung. Wie spät ist es? Noch schlaftrunken tastete ich nach meinem Handy, kurz nach halb 7. Noch ein wenig ausruhen, dachte ich, geradeso, als wenn ich die ganze Nacht gearbeitet hätte. Irgendein Traum war im Kopf und doch konnte ich mich nicht erinnern. Langsam begriff ich Wirklichkeit und Erlebtes von gestern. Wie eine Katze streckte ich meine Glieder, soweit es die beengten Verhältnisse im Auto zuließen. Heute würde ich bis zu den großen Bergen fahren.
Beim Öffnen der Tür schlug mir angenehm frische kühle Luft und gleichzeitig das eigenartige Grillengeräusch aus den Baumwipfeln entgegen. Es mussten viele, sehr viele Tierchen sein, ein Morgenkonzert der besonderen Art. Halleluja, ich lebe, ich muss dringend für kleine Jungs, ich habe steife Knochen, ich habe Kaffeedurst und Appetit auf die Rosinenschnecke, die noch irgendwo in meiner Lebensmittel-Plastikbox liegen müsste. Eins nach dem Anderen, dachte ich.
Um in die Gänge zu kommen, also um richtig munter zu werden, joggte ich zwei Runden um den Parkplatz. Nun ist zwar Joggen nicht gerade meine Lieblingssportart, aber es half. Die Dusche mit einer Flasche Wasser spülte alles weg, was nicht auf die Haut gehörte (hoffentlich). Kein Auto, kein Mensch zu sehen, ich hätte aber jetzt auch niemand haben wollen.
Das zirpende, zischende und schabende Geräusch in den Kronen der Kiefern war übrigens auch wieder da. Es soll sich um Singzikaden handeln, eine mehrere Zentimeter große Insektenart (ähnlich Grillen oder Heuschrecken), deren Männchen um die Gunst der Weibchen werben. Die Weibchen bleiben ruhig. Der Gesang dient auch zur Festsetzung von Reviergrenzen oder als Abwehrgeräusch bei Gefahr. Zusätzliche Geräusche entstehen durch schabende oder klickernde Flügelbewegungen. Die Zikaden sammeln sich oft in großer Zahl in Bäumen und Sträuchern, besonders in der Dämmerung oder morgens.
Kein Lüftchen war zu spüren, einerseits wegen des Waldes ringsum, andererseits wahrscheinlich sowieso wegen dem ausgedehnten Hochdruckgebiet über Spanien. Langsam stieg die Sonne über das begrenzende Gebüsch neben der N121, und zunehmende Wärme wurde spürbar. Von der eigentlich rege befahrenen Straße war nichts zu hören. An diesem schönen Morgen regte sich bei mir wieder das Hochgefühl der Naturverbundenheit gepaart mit Tatendrang, ich spürte Freude und Lebenslust.
Jogging auf dem N121-Parkplatz am frühen Morgen
So mein Herr, ich bitte zum Frühstück Platz zu nehmen.
Ich war frisch gemacht, und auch frisch gemacht war schnell der Kaffee. Den Wasserkocher hatte ich vor meinem Marathonlauf schon angesteckt. Der Betontisch war schnell gedeckt, wie gewohnt mit meinem karierten Wischtuch als Tischdecke, dem Kaffeetopf und allem anderen, was man so braucht. So mein Herr, ich bitte Platz zu nehmen. Die Rosinenschnecken, ich hatte noch zwei gefunden, waren tatsächlich noch genießbar, trotz der heißen Tage.
Klatsch, anstelle der nervigen Mücke blieb ein hässlicher Fleck an der Seitenscheibe. Es sollte nicht der letzte gewesen sein. Nachts hatten sie mich zwar in Ruhe gelassen, jetzt störten mich aber die kleinen Viecher. Vielleicht sind sie aber auch erst heute früh ins Auto gekommen.
7.43 Donnerstag früh: N121, dann N113. Es wird wärmer.
7.59 Valverde de Ágreda an der N113
Es war halb 8 geworden, mindestens die nächsten 10 Kilometer würde ich noch auf der angenehmen N121 fahren. Wenige Kilometer weiter sah ich etwa 6 Leute auf dem Felde schuften. Sie trugen große dunkelgrüne Melonen zu einem kleinen Laster. Sie mussten schon zeitig angefangen haben, wahrscheinlich wegen der kommenden Tageshitze. Nach dem letzten Wetterbericht in Pforzheim sollten es im Landesinneren über 40°C werden.
In Spanien ist das Fahren auf so ziemlich allen Straßen angenehm. Schlaglöcher sind kein Thema. Der Belag scheint bei dem warmen Klima sehr lange zu halten. Frostaufbrüche wie in Deutschland dürfte es kaum geben.
Das Straßennetz in Spanien wurde seit der EU-Mitgliedschaft vollkommen umgekrempelt. Meistens wurden anstelle der alten schmalen Landstraßen mit oft vielen Kurven ganz neue Straßen mit gerader Streckenführung angelegt. Alte Straßenstücke sind ab und zu noch zu sehen. Sie dienen oft auch als Parkplatz oder sie werden für den örtlichen Verkehr genutzt (Landwirtschaft).
Auch die Autobahn-Anschlüsse sind bemerkenswert großzügig dimensioniert, meistens auf jeder Autobahnseite ein separater Kreisverkehr für die Zubringer-Straßen. Staus gibt es, zumindest auf dem Lande, so gut wie nie. Allerdings ist auch die Bevölkerungsdichte und damit die Verkehrsdichte viel geringer als in Deutschland.
Kurz nach 9 Uhr fuhr ich auf der Autobahn A15 Richtung Medinaceli bzw. Madrid, ein sehr entspanntes Fahren bei noch wenig Verkehr. Die Sonne an meiner linken Seite tat ihr Bestes, um dem Wetterbericht zu genügen.
8.08 Auf der N113 nahe Ágreda
An der CL101: Sonnenblumenfelder soweit das Auge reicht
9.02 Auf der Autobahn A15 Richtung Medinaceli/Madrid
Bei Programmierung der Madrid-Umfahrung war mir aufgefallen, dass ich auch an Torremocha vorbeikommen müsste, ein Dorf in dem wir auf unserer Spanienrundreise im Jahre 2001 schon einmal übernachtet hatten.
Genau um 10 Uhr war es dann soweit. Geradeso, als wenn ich einen alten Bekannten getroffen hätte, so berührte mich das Schild mit dem Schriftzug Torremocha del Campo und dessen Silhouette auf der rechten Seite. Diesmal kam ich vom Norden, damals aus Richtung Süden, wir waren von Ávila aus auf der Heimfahrt in Richtung Pyrenäen. Schon in einem Ort weiter südlich hatten wir versucht, ein geeignetes Restaurant oder Hostal zur Übernachtung zu finden, aber es war vergebens. Zwar standen wir vor einem riesigen Objekt mit vielen Fenstern und "Hotel" stand auch dran. Keine 5 Sekunden brauchten wir, um zu entscheiden: Das ist nichts für uns. Es war uns schon immer ein Grauen, in großen Hotels abzusteigen. Meist wird für die Nacht viel verlangt und wenig geboten. Sauna, Fitness-Studio, Pool, Tennisplatz und Wohlfühl-Oasen wurden von uns noch nie genutzt, müssen aber in solchen großen Häusern mitbezahlt werden. Wir fuhren also auf der A2/E90 weiter Richtung Norden in der Hoffnung, recht bald etwas Geeignetes zu finden. Ich muss dazu sagen, Übernachtung im Auto kam damals nur im Notfall in Frage.
Von der Autobahn aus kaum erkennbar lockte uns ein Schild "Restaurante". Meistens haben diese auch ein Bett. Ein Dorf empfing uns, wo sich Fuchs und Hühner Gute Nacht wünschen. Wenige leere gassenartige Straßen, keine Geschäfte, eine baubedürftige uralte Kirche, zwei kläffende Hunde und heiße flimmrige Luft: Das ist, an was ich mich erinnere. Krasses Gegenteil: der Chef und Inhaber des Restaurants. Sein spanischer Redeschwall prasselte auf uns herab wie das Wasser eines Sturzbaches. Bestimmt schon Mitte 60 versuchte er, uns gestikulierend und wie ein Känguruh hin- und herspringend die Vorzüge seines Hauses nahe zu bringen.
Ohne dass wir gefragt hätten, rannte er erst hinter einen kleinen Verschlag und dann mit dem Schlüsselbund voran die Treppe hinauf. Er dachte wohl, das Geschäft seines Lebens zu machen, und die "Turistas de Alemania" würden 4 Wochen bleiben. Ich denke, er hatte unser deutsches Nummernschild gesehen.
9.56 Torremocha del Campo, in 2017 fahre ich vorbei.
Torremocha del Campo (Spanienrundreise 2001)
Hauptsache ein Bett, wir hatten zwei (2001).
Ein mit Vierkantstahl künstlerisch gestaltetes Doppelbett, ein in Spanien übliches Holzbett, ein Nachtschränkchen mit Lampe der 50-iger Jahre, ein 4-türiger Einbauschrank, 2 Stühle und eine Anrichte mit kleinem Fernseher (natürlich noch mit Bildröhre): Das war die Ausstattung des geräumigen Zimmers.
Und das Bad? Nirgends konnte ich die Tür entdecken. The Bathroom? Er stutzte, lief auf den Flur und zeigte uns ein separat zugängliches, offensichtlich neu hergerichtetes Badezimmer mit ungewöhnlich großen Ausmaßen, alles im braunen Ton und bis zur Decke gefliest. Ständig erläuterte er uns dabei irgend etwas. Wir verstanden kein Wort, waren aber zufrieden.
Eine Sache brannte mir noch auf den Nägeln, wohin mit dem Auto? Ich wagte, nach einer Garage zu fragen. Es dauerte, bis er wusste, was ich wollte. Ruckzuck verschwand er wieder in seinem Verschlag hinter dem Tresen, um mich mit einem anderen Schlüsselbund winkend über den Hof in eine Art Scheune zu dirigieren. Zweimal drehte er den riesenlangen Schlüssel im Schloss. Das große einflügelige Holztor knarrte und schliff über den Schotter des Hofes. Drinnen war es trotz der noch strahlenden Sonne ziemlich düster. Der Raum war riesengroß, gestützt mit Holzsäulen und hatte kein einziges Fenster.
Auf dem gestampften Lehmboden standen weiter hinten mehrere Fahrzeuge. Das Licht durch die offene Tür verriet, dass der Boden nicht immer so trocken war. Tiefe Reifenspuren wiesen auf den letzten Regenguss hin. Er musste meine skeptischen Blicke bemerkt haben. Todo sin cargo, gratis! Na gut, dachte ich, es würde heute und morgen nicht regnen. OK! Das Problem Garage wäre also auch geklärt. Wenig später stand unser Omega Caravan in Sicherheit.
Irgendwie ahnte ich aber, dass er mit einem längeren Aufenthalt rechnete. Nicht umsonst versuchte er, uns seine Speisekarte zu erklären. Dem musste ich Einhalt gebieten. Kurz entschlossen zückte ich mein Portemonnaie, um gleich Kasse zu machen. Die Enttäuschung stand ihm im Gesicht. Für die eine Nacht waren 5.000 Pesetas (30,05 Euro) fällig, ohne Quittung und ohne Frühstück. Er schien schlagartig kein Interesse mehr an einer Beköstigung zu haben. Uns war das recht so, wir wollten, wie sonst auch, sowieso nur ein Bett mit Dusche.
Kurios war nur, dass am nächsten Morgen keiner auffindbar war, der uns das Scheunentor aufgeschlossen hätte. Es war schon halb 9. Auf dem Hof war ein älterer Mann damit beschäftigt, halb vertrocknetes Gras von einem flachen gummibereiften Deichsel-Wagen zu ziehen. Solche Wagen kenne ich aus meiner Kindheit. Auch wir hatten beim Bauer den Einspänner (Wagen für 1 Pferd) zum Futter holen benutzt. Das war allerdings in den 50-iger Jahren.
Erstaunlicherweise begriff der Mann mein auf deutsch-englisch vorgetragenes Anliegen sofort. Laut rufend zitierte er eine etwas dickliche Frau herbei, die schon mit dem Schlüsselbund in der Hand heranschlurfte. Nicht ohne dauernd irgend etwas zu reden öffnete sie das Tor. Ein großer weißer Pick-up stand dort, unser Omega dahinter. No hay problema! Der Alte zwängte sich in den Pick-up, startete mit jämmerlich mühsam drehendem Anlasser den Motor und machte den Weg für unser Auto frei. Er schien guter Laune zu sein. Buen viaje y adiós! (Gute Reise und Auf Wiedersehen!) Im Hof packten wir die Taschen ins Auto und verschwanden. Den Chef sahen wir an diesem Morgen nicht.
Im Nachhinein war mir die Frage nach einer Garage etwas peinlich. Ich glaube nicht, dass man in so einem kleinen Nest irgendwelche Einbrüche oder Ähnliches befürchten muss. Die Spanier stellen ihre Autos über Nacht an jeder Ecke ab. Wir hätten den Omega auch gut auf dem Hof stehen lassen können. Der Pick-up war wahrscheinlich wegen der geladenen Gasflaschen in die Scheune gestellt worden.
Die Erinnerungen an den Torremocha-Aufenthalt im Jahre 2001 beschäftigten mich noch eine Weile. Bei mehr Zeit im Gepäck hätte ich gerne einen Abstecher ins Dorf gemacht, doch wozu eigentlich? Für eine Rast war es noch viel zu früh. Die Sierra Nevada lockte mehr als alle Nostalgie.
Ab und zu schaute ein Stier vom Hügel herab, zwar nur aus massivem Eisenblech, aber imposant, drohend und vielleicht auch nur neugierig, was der Fremde mit dem deutschen Nummernschild hier wohl will. Das uralte Symbol spanischer Lebensart verkörpert Bodenständigkeit, Kraft, Mut und Macht. In der Gestalt des Stieres findet der Stolz der Spanier seinen Ausdruck. Man mag zu Stierkämpfen stehen wie man will, sie sind und bleiben eine bedeutsame Kultur des spanischen Volkes.
Allgegenwärtig sind die Symbole spanischer Lebensart.
Gleich zwei Namen weckten in mir Erinnerungen. Es waren der Wegweiser nach Trillo, dessen Atomkraftwerk vor ein paar Jahren in der spanischen Presse wegen seiner Störfälle großen Raum einnahm, außerdem das kleine Schild mit der Jakobsmuschel. Ich hätte hier keinen "Camino de Santiago" vermutet. Er quert die Nationalstraße N204, auf der ich fuhr, und führt direkt durch den Ort Gárgoles de Abajo. Der Weg heißt an dieser Stelle Camino Fuente Leones. Es ist einer der vielen Zubringer zum Hauptpilgerweg in Nordspanien. Vor 8 Jahren (2009) hatten wir im April den Camino kennengelernt, waren in Santiago de Compostela in der Kathedrale und sogar am "Ende der Welt", am Leuchtturm Fisterra. Ich dachte wehmütig zurück, als ich das Schild mit der Jakobsmuschel sah.
Zu dem linksseitig direkt an der N204 liegenden Dorf Gárgoles de Abajo gehört die kleine Kapelle Ermita de Santa Lucia, die an der Überquerung des Jakobsweges rechts von der Hauptstraße steht (Richtung Süden). Die Stelle ist geeignet, inne zu halten und Rast zu machen. Einen Pilger habe ich aber nicht gesehen.
Es ist von hier aus noch ein weiter Weg bis zum Ziel. Auf der Route über León sind es bis Santiago de Compostela rund 730 Kilometer. Erst dann kann man in der Kathedrale die Skulptur des Heiligen Jacobus (der Ältere) berühren und um Hilfe bitten.
Wer darüber hinaus sein bisheriges Leben zurücklassen will, um Neues zu beginnen, muss nochmals rund 85 Kilometer dranhängen. Am Ende der Welt, dem Kap Fisterra an der atlantischen Küste Costa de Morte, ist Kilometer Null des Caminos. Hier am Cabo Finisterre (spanische Bezeichnung) verbrennt der Pilger seine Wandersachen, entledigt sich so seines alten Lebens oder seiner bisherigen Sorgen, zieht dann Neues an, um gereinigt und mit frischer Kraft und neuem Mut sein weiteres (neues) Leben zu meistern.
10.00 Auf der A2/E90 lässt es sich super fahren, mautfrei.
10.41 Gárgoles de Abajo mit Abzweig nach Trillo (5 km)
In Gárgoles quert einer der Jakobswege die N204
Von Gárgoles bis Kap Fisterra sind rund 815 km zu pilgern.
Dieser westlichste Zipfel Spaniens ist der Ort, an dem die Sonne "stirbt", jedoch mit der Gewissheit, dass sie "neu geboren" wird, täglich. So wird berichtet. Die Sonnenuntergänge sind phantastisch. Selbst bei Nacht und klarem Himmel wird man nicht enttäuscht. Einer Legende nach soll bei Vollmond die im Meer versunkene Stadt Duxo auftauchen und ein bizarres Bild am Nachthimmel projizieren. Schon die Kelten, Römer und schließlich die Jakobspilger haben dies erleben dürfen, so sagt man.
Kein Wunder, dass der Pilger an diesem Ort spirituelle Erfahrungen macht und neue Kraft für seine Zukunft mitnimmt.
Kernkraftwerk Trillo am Fluss Tajo (Urheber "schoella", 2014, © nach CC BY 3.0) 5
Ein paar Kilometer weiter sah ich das Kraftwerk im herrlichsten Sonnenschein. Es liegt am Fluss Tajo, wohl wegen des nötigen Kühlwassers. Nun, ich bin zwar kein Freund von Kernkraftwerken, aber imposant sieht die Anlage schon aus. Man muss wissen, dass hier auch die abgebrannten Elemente, der Atommüll, gelagert werden dürfen. Seit 1988 produziert das Werk und hat schon mehrere Container auf einer entsprechend ausgewiesenen Fläche abgestellt. Die Genehmigung, die alten Brennelemente außerhalb des Atommeilers zu lagern, ist bemerkenswert fahrlässig. Aber so wie in Deutschland auch wissen die Betreiber einfach nicht, wohin langfristig mit dem Müll.
Meiner Meinung nach ist die ganze Atompolitik schief gelaufen. Nicht nur in Europa, sondern auch weltweit wurde eine Technologie favorisiert, deren Folgen nicht bis zum Ende durchdacht und berücksichtigt wurden. Selbst wenn ein Atomkraftwerk mit relativ hoher Sicherheit betrieben werden kann, bleibt nach wie vor die ungeklärte Entsorgung des radioaktiven Atommülls.
Auch der Rückbau altersschwacher bzw. technisch nicht mehr zeitgemäßer Kernkraftwerke ist ein großes Problem.
Ich bin überzeugt, dass ein Kraftwerk mit entsprechend hohem Aufwand (sowohl Gebäude als auch Sicherheitstechnik) absolut risikofrei betrieben werden kann. Auch der Standort hat entscheidenden Einfluss auf die Sicherheit.
In Meeresnähe, in Erdbebengebieten, an Flüssen, auf unsicherem Untergrund, in dichtbevölkerten Gebieten und in politisch unzuverlässigen Gesellschaften haben Kernkraftwerke eigentlich nichts zu suchen.
Aber wie so oft entscheidet nicht die Sinnhaftigkeit eines Bauvorhabens, sondern die Kostenfrage. Auch an den Gebäuden und an der Sicherheitstechnik wird oft gespart. Das kann ich behaupten, ansonsten hätte es bisher nicht so viele bedrohliche Störfälle gegeben. Es ist unfassbar, dass z.B. wegen des Ausfalls von Kühlwasserpumpen das ganze Werk stillgelegt werden muss. Wo bleibt da das Prinzip der Redundanz? Wieso können sich in irgendwelchen Reaktorwänden Risse bilden?
Das alles ist aber nur der kleinere Teil des Übels. Die ungefährliche Entsorgung der strahlenbelasteten, nicht mehr benötigten Materialien, wie alte Brennelemente, alte technische Ausrüstung und alte verstrahlte Bausubstanz ist das viel größere Problem. Es ist einfach nicht lösbar. Wohin mit dem radioaktiven Müll? Alles strahlt noch hunderte von Jahren. Auf der Erde ist kein sicherer Platz vorhanden, das zeigt die in Deutschland endlose Suche nach Endlagerstätten.
Und im Weltraum, in dem ja durchaus ganze Kernfusionsreaktoren durch den Orbit sausen (z.B. die Sonne), können wir unseren Müll noch nicht entsorgen. Dazu fehlt auf absehbare Zeit die geeignete Raketentechnik (Oder auch nur das liebe Geld?).
5 Kernkraftwerk Trillo am Fluss Tajo, Urheber "schoella", 2014. Quelle: http://de.nucleopedia.org/wiki/Datei:Trillo_2014-08-13_cut.jpg, Lizenz:
https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Foto-Weitergabe zu gleichen Bedingungen
Übrigens, der Rückbau eines Atomkraftwerks soll derzeit das Mehrfache des Neubaus kosten bei völlig unbefriedigendem Ergebnis (Entsorgungsproblem bleibt).
Angesichts dieser in ihrer Gesamtheit nicht ausgereiften Technologie hätte keines der Atomkraftwerke dieser Welt jemals gebaut werden dürfen. Nun gut, die Menschen machen Fehler. Dass aber gewonnene Erkenntnisse nicht bei neuen Entscheidungen berücksichtigt werden, ist der absolute Gipfel. Deutschland, sprich die deutsche Bundesregierung, ist Vorreiter in Sachen falscher Entscheidungen wider besseren Wissens.
Noch kurz vorher hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke mit der Atomindustrie besprochen und beschlossen, trotz der Erfahrungen mit dem Tschernobyl-Unglück in der Ukraine. Dann kam der Reaktorunfall in Japan. Plötzlich spielte die Wirtschaftlichkeit eines Meilers überhaupt keine Rolle mehr. Ausstieg aus der Kernenergie war jetzt angesagt. Die lieben Steuerzahler würden schon alles richten. Das Vorantreiben der Nutzung sogenannter erneuerbaren Energien (Wind, Sonne, Wasser) ist zwar im Grundsatz richtig, kostet aber viel Geld, wenn es schnell gehen soll.
Anstatt die alten Kraftwerke rentabel weiter zu betreiben und die Gewinne daraus für die neuen Energietechnologien zu reservieren (und nicht nur den Aktionären zu lassen), wurden einige Kraftwerke von heute auf morgen stillgelegt. Kein Gedanke wurde verschwendet, dass die sowieso verstrahlte Substanz nicht entsorgbar ist. Kein Gedanke wurde verschwendet, dass die Kraftwerksbetreiber sich rächen würden für die entgangenen Gewinne.
Es war ja abzusehen, dass sich die Atomindustrie letztlich ihrer Verantwortung entziehen würde. Den Rückbau, die ungeklärten Müllprobleme und die Entwicklung und Einführung neuer Technologien zur atomfreien Energiegewinnung bezahlen, wie kann es anders sein, die Steuerzahler. Dr. Schäuble hat da Übung.
Die Kanzlerin hat eine historische Chance verpasst. Ich hätte zwar keine neuen Atomkraftwerke zugelassen (auch keine sich im Bau befindlichen), hätte aber die alten Kraftwerke so gut wie möglich modernisiert (sicherer gemacht), hätte die Laufzeiten bis zur verantwortbaren Grenze verlängert, hätte die Braunkohle nicht mehr verbrannt sondern für die chemische Industrie aufgespart, hätte die Überschüsse aus dem billigen Atomstrom für die Lösung der Rückbau- und Atommüll-Problematik verwendet und hätte außerdem die Gewinne aus der Atomindustrie schrittweise in neue Technologien gesteckt, um die verfehlte Entwicklung der Energiegewinnung aus spaltbarem Material ein für allemal zu stoppen. Und das alles, ohne den armen Mann auf der Straße dafür zur Kasse zu zwingen.
Wie gesagt, die Fehler der Vergangenheit rückgängig machen, geht nicht. Es geht aber, gleiche Fehler nicht nochmal zu machen. Es geht auch, bezüglich eines durch vergangene Fehler verursachten Problems neue Fehler zu vermeiden. Die Prioritäten der Bundesregierung scheinen woanders zu liegen, letztlich aber nicht im Sinne meines Geldbeutels und der Zukunft meiner Kinder.
So, nun hatte ich Dampf abgelassen. Leider fragt mich keiner. Mir ging beim Fahren durch das schöne Spanien noch viel mehr durch den Kopf.
Hoffentlich verschwinden solche Kühltürme eines Tages.
10.51 Die Nationalstraße N204 ist gut ausgebaut.
Über die vielen Ungereimtheiten der derzeitigen Politik unserer verehrten Kanzlerin möchte ich aber lieber an dieser Stelle schweigen. Schließlich war ich auf dem Weg zum Objekt meiner Sehnsucht, zum höchsten Berg Spaniens.
An das leise Knurren des 3-Zylinders verbunden mit dem Singen des Turbos, wenn es einmal etwas schneller ging, hatte ich mich schon lange gewöhnt. Meine Lieblingsmusik überdeckt die Motorgeräusche, so dass das Cruisen mit dem Dacia fast so schön ist wie früher mit dem Omega. Rechts von mir musste irgendwo Madrid sein, vielleicht 100 Kilometer bis zum Zentrum. Ich hätte absolut keine Lust gehabt, mich durch den Großstadtverkehr zu quälen. Allerdings, das sei vorweggenommen, wäre es auch nicht so schlimm gewesen, da die zentrumnahe Stadtumfahrung als mautfreie Autobahn ausgelegt ist und problemlos um den Madrider Stadtkern herumführt. Auf dem Rückweg musste ich zwar höllisch aufpassen bei den in dichter Folge kommenden Abfahrten die Richtige zu erwischen, doch zeitsparend ist die Stadtautobahn tatsächlich. Das wusste ich jetzt aber alles noch nicht.
Durch meine Umfahrung quer zu allen Madrid-Zubringern kam ich auf wenig befahrenen Straßen in eine wunderschöne Landschaft mit Flusstälern und Talsperren. N204 und CM2000 sind tatsächlich mit einer deutschen sogenannten "Ferienstraße" vergleichbar. Hinter jeder Biegung gibt es neue überraschende Ausblicke, selbst vom Auto aus und ohne anzuhalten eine Wohltat für die Seele. Die riesigen und endlos scheinenden Sonnenblumenfelder waren jetzt verschwunden. Kiefernwälder und offene landwirtschaftliche Flächen wechselten sich ab. Verstreut waren auch ab und zu kleine Anwesen sichtbar, bei denen ich mir unweigerlich die Frage stelle, von was die Leute wohl leben.
Linker Hand waren ab und zu in einem langgestreckten baumlosen Tal Wasserpfützen zu sehen. Näheres konnte ich wegen des Waldstreifens am Straßenrand nicht erkennen. Anhalten war nicht möglich, die N204 ist hier wegen der vielen Kurven oft mit Schutzplanken gesäumt. Doch da, eine Tankstelle, dachte ich. Es war einmal. Die Tanksäulen verrostet, das Gebäude halb verfallen und an den Rändern des Platzes jede Menge Unrat. Trotzdem schien das Objekt bewohnt zu sein.
Hinter der nächsten Kehre wurde der Blick frei auf das grüne Tal mit den Wasserpfützen, über die das Viaducto De Entrepeñas führt. Ich hielt an, eine kleine Kiesgrube bot mir die Gelegenheit. Was so alles am Straßenrand und in der spanischen Wildnis wächst, ist schon erstaunlich. Selbst eine anhaltende Trockenheit macht vielen Pflanzen nichts aus. Vor allem Distelgewächse und dornenbewehrte Sträucher kommen mit wenig Wasser aus. Ich staune immer wieder, was diese Flora für schöne Blüten hervorbringt.
N204 als deutsche "Ferienstraße"
N204 kurz nach der Tankstelle am Embalse de Entrepeñas
Man muss näher hinschauen, um Schönes zu entdecken
11.05 Hinten die Kies-/Sandgrube (40.59881, -2.72379)
Was der fehlende Regen allerdings für die ganze Region bedeutet, ist am fast ausgetrockneten Flussbett zu sehen. Im eigentlich recht tief eingeschnittenen Tal ist nur noch ein Rinnsal vorhanden, in dem die Reiher stehen, um doch noch hier und da einen Fisch zu ergattern.
Vielleicht ist es im Sommer hier immer so? Die Talränder beweisen, dass der Wasserstand manchmal bis an die Bewaldung reicht. Die Wasserfläche muss riesig sein, falls genug Regen fällt. Auch die Höhe der Brücke zeigt, dass hier nicht nur ein Bach fließt. Gegenüber sind einige von hier aus schön anzuschauende Anwesen zu sehen, von denen wohl ein herrlicher Blick über das Tal möglich ist. Wer hier gebaut hat war klug und wahrscheinlich auch nicht ganz so arm.
Bebauung am See von Entrepeñas. Im Sommer ist es hier sicher genau so schön wie am Meer, doch im Winter?
Die verlassene Tankstelle von der Seeseite aus
Im weiteren Verlauf Richtung Süden erweitert sich das Wasser (sofern vorhanden) zum Embalse de Entrepeñas, ein großer See, der jetzt rechter Hand in Fahrtrichtung liegt. Verschiedentlich gibt es Hinweise, dass dieses Gebiet touristisch genutzt wird. Am See habe ich sogar beleuchtete Wege gesehen, natürlich waren am Tag die Lampen aus. Vermutlich ist diese schöne Gegend ein Naherholungsgebiet für viele Leute aus der Millionenstadt Madrid.
Der Embalse de Entrepeñas ist fast ausgetrocknet.
Im flachen Wasser stehen nur noch ein paar Fischreiher.
Wenige Kilometer weiter erwartete mich eine Talsperre, die den See Embalse de Buendía staut, der in direkter Verbindung zu dem Flusstal steht, an dem ich vorhin gehalten hatte. Talsperre und See sind nach dem Ort Buendía genannt, der etwa 4 Kilometer südlich der Talsperre liegt. Der Stausee speist den weiter nördlich gelegenen Embalse de Entrepeñas, in dem fast kein Wasser war. Offensichtlich wird von der Talsperre nur wenig Wasser weitergeleitet.
Der Parkplatz am südlichen Ende der Talsperre gab mir Gelegenheit, eine richtige Pause und vor allem Fotos zu machen. Schließlich ist nicht nur die Sierra Nevada, sondern auch der Weg dahin, mein Ziel.
Bei mehr Zeit im Gepäck wäre ich am liebsten in der Gegend geblieben. Einen Schlafplatz hätte ich hier leicht gefunden und eine Wanderung entlang des Sees wäre sicherlich mit einem Sprung ins Wasser zu verbinden gewesen. Denn diese Talsperre war, im Gegensatz zum vorigen See, noch gut mit Wasser gefüllt.
11.39 Wenig später kam ich an die Talsperre von Buendía.
Am Ende der Staumauerstraße ist links ein Parkplatz.
Der Bau erfolgte noch während der Franco-Diktatur.
Hier ist schon lange kein Wasser mehr übergelaufen.
Klar und still ruht der See, so sagte ein Dichter.
Embalse de Buendía
Ich genoss die Ausblicke, trotz der brütenden Mittagshitze. Vom See her wehte ein kaum wahrnehmbares Lüftchen. Die Berge (eigentlich Hügel) rechts und links der Staumauer versperrten dem leichten Wind den Weg. Schon nach wenigen hundert Meter Wanderung am See entlang wurde mein T-Shirt nass. Nach Rückkehr von der Foto-Session musste ich die Unterwäsche wechseln, kaum zu glauben wie die Spanier bei dieser Hitze arbeiten können. Ich sah nämlich Straßenbauer am Rand der Staumauerstraße die Fußwegkante erneuern.
Auf dem kleinen Parkplatz kam mir bei meiner Umkleideaktion ein junger Mann mit Angel und Köcher entgegen, was mich aber nicht weiter störte. Im Gegenteil, endlich die Gelegenheit nutzend, mit einem Menschen sprechen zu können, fragte ich ihn nach dem Fangergebnis. Er meinte, es sähe schlecht aus. Die Fische wären zu klein, er habe sie wieder in die Freiheit entlassen. Der junge Mann war allein unterwegs, mit einem Mini-Bus und viel Gepäck. Neugierig wie ich bin, hatte ich ihm beim Verstauen der Angelsachen zugeschaut. Ich meine mich erinnern zu können, dass am Auto ein Madrider Nummernschild war.
Anzumerken ist, dass viele jüngere Spanier zwar kein Deutsch, dafür aber das Englische einigermaßen beherrschen. Zumindest reicht es für eine belanglose Unterhaltung.
Hoffentlich bringt der Winter wieder mehr Wasser.
Schade, kein Tisch und Sitzgelegenheit (40.39718, -2.78394)
Schmierereien sind ein gesamteuropäisches Problem.
Am gegenüberliegenden Seeufer standen zwei Autos mit Bootswagen direkt am Wasser, im Wasser zwei Leute, die sicherlich nicht so schwitzten wie ich. Es ist schon erstaunlich, dass die Spanier bis zum Ufer fahren dürfen. Der Stausee war ja nur zu etwa einem Viertel gefüllt, und als Trinkwasserreservoir dient er sicherlich auch. Sie mussten also mehrere hundert Meter von der Straße aus hinabgefahren sein.
Den recht freien Umgang mit der Natur habe ich in Spanien vielerorts gesehen. Sogar von Verbotsschildern lassen sich die Spanier nicht abhalten, übrigens die Portugiesen noch weniger. Ich habe das Gefühl, als Deutscher (allgemein als Ausländer) sollte man es den Einheimischen nicht nachmachen. Die regionale Gendarmarie taucht manchmal wie aus dem Nichts auf.
Andererseits macht gerade diese noch verbliebene Freiheit den Reiz des naturnahen Reisens durch Spanien und Portugal aus. Übertriebene Reglementierung, wie vielerorts in Deutschland zu erleben, ist genauso schädlich wie der allzu sorglose Umgang mit der Natur.
Oberhalb der Staumauer sind offensichtlich nicht mehr genutzte Gebäude und Fördereinrichtungen zu sehen. Es sieht so aus, als wenn dort der Berg abgetragen wurde, um das Gestein für die Staumauer zu gewinnen. Die Staumauer ist zwar oberflächlich aus Beton, aber vielleicht hat man das Innere mit den Felsen gefüllt.
Spanien hat 356 Talsperren (Stand 2015), die von Buendía ist mit über 1.600 Kubikmeter Stauvermögen eine der größeren. Allerdings gibt es schon länger das Problem der ungefüllten Wasserspeicher. Der Wasserbedarf besonders im Süden Spaniens ist durch Intensivierung von Landwirtschaft und Gemüseanbau stark gestiegen. Anstatt Meerwasser zu entsalzen, werden die sowieso schon mageren Reserven der Flüsse weiter ausgebeutet, aus Kostengründen. Das Wasser aus Meeresentsalzungsanlagen ist fünfmal so teuer wie das Wasser aus dem Fluss Tajo.
Die Konflikte ums Wasser verschärfen sich weiter. Zentralspanien, mit dem größten Wasserverbraucher Madrid, will die eigenen Wasserressourcen vor dem Zugriff aus dem Süden (Andalusien, Valencia, Murcia) schützen. Politische Dispute sind die Folge. In Anbetracht der allgemeinen Erwärmung bei gleichzeitig weniger Niederschlägen ist eine zukunftssichere gerechte Wasserverteilung dringendst erforderlich.
Autoverkehr und Badefreuden am Talsperrengewässer
Presa de Buendía, Blick Richtung Norden (CM2000)
Oben am Berg die nicht mehr genutzte Anlage
Der Berg wurde abgetragen und zum Bau verwendet.
Das Haus war zu, die Parkplätze daneben gesperrt.
Der Angler aus Madrid ist schon wieder weg.
Die Straße führt zum Fuß der Talsperre (nicht öffentlich).
Im Nachhinein habe ich gelesen, dass die ganze Gegend tatsächlich als Erholungs- und Freizeitgebiet erschlossen ist. So gibt es ganz in der Nähe einen Kajak- und Kanuverleih, auch Fahrräder und sogar Pferde kann man mieten. Geführte Wanderungen, zu Fuß, mit Rad oder auf dem Pferd, werden ebenfalls angeboten.
In der näheren Umgebung der Talsperre Buendía gibt es 3 Campingplätze:
Ich selbst habe keinen der Campingplätze gesehen. Vielleicht komme ich noch einmal in diese Gegend und kann das Bad im See nachholen. Die Navi-Daten habe ich ja jetzt.
Nicht zum Klettern, schön schaut's trotzdem aus.
Ich hatte mich doch ein Stück reingewagt.
Nicht oft gelingt so ein Schnappschuss.
Die bisher noch recht gut ausgebaute Landstraße CM2000 zweigt im dem kleinen Ort Garcinarro nach rechts ab und ist plötzlich überhaupt nicht mehr schön. Sie wird schmaler, ist sehr holprig mit Teer belegt und Seitenbegrenzungen gibt es auch nicht mehr. Ich war schon etwas erschrocken, hatte ich doch bisher beim Überlandfahren nur positive Erfahrungen gemacht. Natürlich gibt es auch die sogenannten "unbefestigten" Straßen, mir besonders in Küstennähe bekannt, doch von diesen "Wegen" erwartet man sowieso nicht, dass sie glatt geteert und für zügiges Fahren tauglich sind. Die CM2000 hinter Garcinarro (Ri Süden) hat offensichtlich noch keine EU-Unterstützung genossen.
Auf meiner Route scheint es keine günstigere Verbindung zur A40 zu geben. Dort musste ich hin. Dass ich unbedingt Madrid weiträumig umfahren wollte, dafür konnte das Navi auch nichts. Es hatte also richtig gewählt. Und so holperte ich mit vielleicht 50 durch die Lande.
Dafür wurde ich aber mit einem Anblick belohnt, den man in Deutschland so nirgendwo findet. Riesig erscheinende Sonnenblumenfelder säumten die Straße, zwar teilweise schon in der zweiten Hälfte des Pflanzenlebens, aber immer noch schön anzusehen. Ich hielt an, um dran zu riechen und um Fotos zu machen. Mein Ärger über die Straße war verflogen. Im Gegenteil, ich war jetzt froh, so ländlich unterwegs zu sein.
In der Folge fuhr ich noch durch die Dörfer Mazarulleque und Vellicca, dann kam schon kurz vor Carrascosa del Campo die A40-Auffahrt Richtung Madrid. Einerseits freute ich mich, dass es jetzt wieder flott vorwärts ging, andererseits hatte mir die Landfahrt gefallen.
Nun ging es zügig vorwärts. Das Stück Autobahn in Richtung Madrid bis südlich von Ocaña war schnell erledigt, danach war die Europa-Route A4/E5 an der Reihe, die schnurstracks Richtung Süden führt. Ich bin froh, dass die ganze Strecke einschließlich der folgenden A44/E902 über Granada hinaus mautfrei ist. Es ist eine der wenigen längeren Strecken in Spanien, auf der man keinen Wegzoll entrichten muss.
Südlich von Madrid ist das Land flach, ähnlich der Leipziger Tieflandsbucht. Die A4 verläuft dementsprechend geradlinig, ohne Sehenswertes, oft sogar langweilig. Der Verkehr ist mäßig, manchmal sieht man vor und hinter sich kein einziges Auto. Die Sonne brannte auf die sowieso schon vertrockneten steppenähnlichen Felder. Die Hitze hatte in diesen Nachmittagsstunden ihren vermeintlichen Höhepunkt erreicht: 37°C. Ich kann mir nicht so richtig vorstellen, bei solcher Hitze ohne Klimaanlage unterwegs zu sein. Offene Autofenster sind für mich ein Grauen, sie produzieren sowieso nur heiße Zugluft und ermöglichen keine wirkliche Abkühlung. Außerdem ist mir der Lärmpegel zu hoch, von den Abgasen ganz schweigen, die ins Auto gelangen.
Die regionale Straße CM2000 ist hier noch nicht saniert.
Endlich Autobahn, durchgehend bis Granada
Von der A4 jetzt auf der A44/E902 Richtung Costa Tropical
Lange war keine Gelegenheit, vernünftig Rast zu machen. Mir zog es schon wieder die Augen zu. Da hilft dann auch keine laute Musik mehr, da hilft nur Schlaf oder Kaffee. Endlich, genau 15 Uhr steuerte ich einen Parkplatz an. Der war neu angelegt und sah jämmerlich aus: Kein Schatten, keine Toiletten, überall Unrat und Notdurft-Reste, riesengroß und fast ohne Fahrzeuge. Man hatte zwar Bäumchen gepflanzt und für sie sogar zwei große Wasserbehälter, ähnlich Zementsilos, mit automatischer Bewässerung installiert, aber für den Rastenden war wenig getan worden. Von einem Sanitärhäuschen mit Trink-Wasserhahn wie in Frankreich konnte man nur träumen. Ich sah aber auch keine Baustelle, so dass ich hätte annehmen können, es sei alles noch nicht fertig. Man hatte an der A4 einfach nur einen großen Parkplatz mit viel Teer und Bordsteinkanten ins flache Land gesetzt. Übrigens auf der anderen Seite der Autobahn in Gegenrichtung sah es genau so aus. Was mögen sich die Planer da wohl gedacht haben? Jedenfalls war das Ganze völlig an den Bedürfnissen (im wahrsten Sinne des Wortes) der Reisenden vorbei gebaut.
Ich stellte mich also, genauso wie vor mir alle anderen (an den Papierresten zu sehen), an den umgebenden Eisengitterzaun, setzte später mein Kaffeewasser auf und bereitete mich trotz aller Hitze und Widrigkeiten sitzend auf der Kofferraumkante auf meine Mahlzeit vor. Auf eine der Betonbanken konnte man sich nicht setzen. Erstens waren sie viel zu heiß und zweitens dermaßen mit Dreck, Vogelkot und anderem verschmutzt, dass es mich ekelte. Eine Flasche Wasser über Kopf und Oberkörper brachte etwas Erfrischung. Die Luft stand. Das Navi-Thermometer zeigte jetzt 41°C, der höchste Wert, den ich auf meiner ganzen Reise gemessen hatte.
Der Kaffee vertrieb die Müdigkeit etwas, die irgendwo in Frankreich gekauften Frikadellen waren noch genießbar, das Kastenbrot aus Chemnitz aber steinhart. Geschmeckt hat es trotzdem, man kann ja titschen.
Ohne mich weiter aufzuhalten fuhr ich bis vor zur Autobahnauffahrt und gab Gas, dabei bemerkte ich noch aus den Augenwinkeln eine Frau am Zaun hockend. Schnell weg hier. Ich bin zwar sonst nicht so empfindlich, aber ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass man sich an einer so wichtigen Autobahn-Nord-Süd-Verbindung (Autovia de Andalucia, A4 ca. 5 km nach Puerto Lápice) solche miesen Parkplätze leistet.
In Deutschland gibt es zwar auch viele alte Parkplätze ohne Toilette und eingezäunt. Da ist aber wenigstens viel Grün und meistens Buschwerk oder ein Stück Wald vorhanden, wo man das Dringendste erledigen kann. Wie schon an anderer Stelle berichtet: Frankreich ist in dieser Beziehung vorbildlich, übrigens auch die Schweiz.
Etwas frischer trudelte ich in der spanischen Nachmittagshitze weiter in Richtung Granada. Noch etwa 275 Kilometer, dann würde ich die Alhambra sehen, wenigstens aus der Ferne, so hoffte ich. Im September 2001 auf unserer Spanienrundreise hatten wir die Königspaläste früherer Zeiten besucht und waren begeistert.
In Gedanken versunken musste ich plötzlich runter von der Autobahn. Der weitere Verlauf war gesperrt, zusätzlich stand ein Verkehrsführer mit Kelle und bedeutete mir, die Abfahrt zu nehmen. Ja und nun? Das Navi meckerte natürlich, Umleitungsschilder gab es auch nicht, Autos, denen ich hätte hinterherfahren können, ebenfalls nicht. Ich war allein in dieser Pampa, das Navi schien das Gleiche zu fühlen. Es machte mir den in dieser Situation wenig hilfreichen Vorschlag, doch wieder auf die Autobahn zu fahren.
Die Spanienkarte wollte ich nicht erst rauswühlen. Da ich nicht genau wusste, wo ich bin, hätte sie mir sowieso nichts genutzt. So nahm ich einfach eine der abgehenden Straßen Richtung Westen, was natürlich gründlich daneben ging. Ich landete nach etwa 4 Kilometern in einem Dorf mit etwa 10 Häusern, danach wurde die Straße zum Feldweg. Also drehte ich eine Ehrenrunde um die kleine Kirche, fuhr zurück und versuchte die Ostrichtung. Diesmal hatte ich mehr Glück. Nach rund 2 Kilometern gab es einen Abzweig Richtung Süden. Die Straße führte im Bogen wieder zurück zur Autobahn und dann parallel zu dieser. Die Autobahn war leer. Nichts deutete auf einen Unfall oder so etwas hin.
Túnel de Zarzalejo, 75 km vor Granada
Ab und zu durchschneidet die A44 ein paar Berge.
Wenige Kilometer weiter zwischen Monte la Sierra (rechts) und dem Naturpark Sierra Mágina (links gelegen)
Nach einigen Kilometern sah ich den Grund der einseitigen Sperrung. Eine dampfende Teermaschine erneuerte den Belag. Eigentlich war das keine große Sache, aber ein paar vernünftige Umleitungsschilder hätte ich schon erwartet. In Spanien geht es auch ohne. Nun gut, mein Navi führte mich später wieder zurück auf die Autobahn.
Westlicher Teil von Granada, Ansicht vom Wachturm der Alhambra aus. (2001, Spanienrundreise)
Inzwischen fuhr ich auf der A44, die kurz vor Bailén von der A4 abzweigt. Würde man auf der A4 weiterfahren, käme man nach Córdoba und schließlich nach Sevilla. Ich war gespannt, was ich von Granada sehen würde. Die Autobahn verläuft teilweise durch Stadtgebiet, natürlich nicht durch die alte Kernstadt, sondern am westlichen Rand. Da die Alhambra etwas erhöht am Fuße des Sierra-Nevada-Vorgebirges liegt, sollte sie zu sehen sein. Das dachte ich.
Der Verkehr hatte zugenommen, zwar kein Stau, aber zum Trödeln und Schauen ungeeignet. So konnte ich nur einen flüchtigen Blick auf die hochgelegenen Mauern der Alhambra werfen. Die Alhambra ist eine Festung und enthält gleichzeitig eine Reihe von Palästen, die den jeweils herrschenden Königen als Residenz dienten. Dazu zählt auch der Palacio de Carlos V., in dem sich heute ein Museum und die älteste Gemäldegalerie Spaniens befinden. Die ehemalige Sommerresidenz des Emirs, der Generalife (Garten bzw. Paradies), liegt oberhalb der Alhambra.
Fahrt durch Granada ohne Stau und Hektik
Sicht auf Teile der Alhambra, rechts der Wachturm 6
Original: View the Alhambra, (Alcazaba, the fortress), taken from Albaicin, Granada, Spain (Urheber Jebulon, 2009, © nach CC BY-SA 3.0)
Beleuchtungsmasten, bestimmt nachts sehenswert
Ich kann mich noch gut erinnern, als wir 2001 auf unserer Rundreise die Alhambra suchten. Mit dem Reiseführer in der Hand sprach ich irgendwelche Passanten an, um den Weg zu erfragen. Komischerweise landeten wir in einer schmalen Seitenstraße. Ich dachte schon, man hat uns verschaukelt. Als ich aber dann einen Bäckerladen mit großem deutschen Schild entdeckte, wurde mir alles klar. Die Leute hatten mich nicht verstanden und an den Deutschen verwiesen. Die schon ältere Verkäuferin (wahrscheinlich die Chefin) erklärte uns akzentfrei im erkennbaren thüringisch den Weg. Wie meistens im Ausland war es eine Wohltat, einen Landsmann (in diesem Falle eine Landsfrau) zu treffen. Thüringen ist ja fast schon Sachsen. Wir fanden den Weg dann nahezu problemlos, damals noch ohne Navi und mitten durch Granada. Die Fahrt heute dagegen war ein Kinderspiel. Es ging einfach geradeaus Richtung Süden. Für die Stadt Granada hatte ich sowieso keine Zeit.
6 Sicht auf Teile der Alhambra, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Grenade_Albaicin_Mirador_san_Nicolas.JPG, Lizenz:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Foto-Weitergabe zu gleichen Bedingungen
Granada und meine Gedanken an die Alhambra mussten Platz machen für mein eigentliches Ziel, die Sierra Nevada. Kurz nach der Abfahrt von der A44 in Richtung Lanjarón begannen die Serpentinen der Berge. Die kleine Straße A-348 (trotz des "A" keine Autobahn) schlängelt sich an den Südhängen der Sierra Nevada entlang, zuerst nach etwa 6 Kilometern durch das Bergdorf Lanjarón, dann folgt nach weiteren 9 Kilometern die Kleinstadt Órgiva.
Schon von weitem hat man einen schönen Blick auf die Stadt, besonders auf die Pfarrkirche Parroquia de Nuestra Señora de la Expectación aus dem 16. Jahrhundert, die durch ihre Zwillingstürme auffällt (36.90093, -3.42386). Vor dem Bau der christlichen Kirche hatte auf gleichem Grund eine Moschee gestanden, deren Grundstein wohl um 1000 nach Christi gelegt wurde.
Auch soll Órgiva und dessen zauberhafte Bergkulisse Inspirationsquelle zahlreicher Maler und Schriftsteller sein. Oberhalb der Stadt gibt es zwei Hippie-Siedlungen, deren Aussteiger und Künstler hauptsächlich aus England und Deutschland stammen. Eine dieser in den 70-iger Jahren entstandenen Kommunen liegt direkt an der Grenze zum Nationalpark Sierra Nevada. Im Schutzgebiet wäre dies nicht möglich.
Einen Besuch hatte ich mir für später vorgenommen, doch jetzt wollte ich erst einmal Capileira erreichen, es war schon 16.30 Uhr. Noch war ich nur 450 Meter über dem Meeresspiegel (Órgiva), Capileira liegt dagegen in 1420 Meter Höhe.
Granada ist vorbei, vor mir die Sierra Nevada
Blick von der Bergstraße A-348 aus auf Órgiva
Órgiva mit den Zwillingstürmen der katholischen Kirche
Cueva de Sortes an der A-4132 (36.91479, -3.42832)
Nach 16 Kilometern und 1000 Meter höher liegt Capileira.
Kurz bevor man in die Stadt kommt, zweigt links die A-4132 ab, die in die Berge führt. Man kommt an einer Höhle mit dem Namen Cueva de Sortes vorbei, deren Bedeutung ich aber bis heute nicht herausfinden konnte. Das kleine Steinhaus davor deutet auf einen Eremiten hin, vielleicht war die Höhle schon in früheren Zeiten Zufluchts- oder Wohnort der Bergbewohner. Gegenüber der Höhle ist ein genügend großer Platz zum Halten, Gelegenheit also, Fotos zu machen. Lange hielt ich mich nicht auf, ich wollte weiter. Bis Capileira waren es noch 16 Kilometer Bergfahrt.
Fährt man von Órgiva aus in die Berge, erreicht man zuerst das Bergdorf Pampaneira, dann Bubión und schließlich Capileira. Das ist das letzte Dorf, bevor die unbewohnten endlos erscheinenden Berge der Sierra Nevada beginnen.
Alle drei andalusischen Dörfer gehören zur Provinz Granada. Die Gebirgsregion heißt Alpujarras. Der Name geht auf den arabischen Ausdruck "al-bugscharra" zurück, was "Land aus Gras" oder auch "Land der Weide" bedeutet. Die Dörfer sind als "Conjunto histórico" klassifiziert, das heißt als schützenswertes Ensemble an Gebäuden. Das betrifft vor allem die Ortskerne mit der über hunderte von Jahren gewachsenen Bausubstanz. Man kann nur hoffen, dass dieser Schutz bestehen bleibt, denn die Schönheit solcher Bergdörfer ist schnell dahin, wenn sich moderne Hotelbauten, Appartement-Anlagen und sonstige Bettenburgen breit machen.
Pampaneira und Bubión (oben) sind schon zu sehen.
Die drei Dörfer kleben gewissermaßen an der rechten Talseite (Schlucht von Poqueira) der Flüsse Rio Poqueira und Rio Naute wie Schwalbennester übereinander am Hang. Der hintere Teil des Tals wird vom Rio Mulhacén markiert, der in Nähe der Laguna de Caldera entspringt. Links davon streckt der Veleta (3392 m) seine Nase in den Himmel, rechts davon der Mulhacén, mein ersehntes Ziel.
Pampaneira (unten rechts), Bubión (oben rechts), Capileira (oben links)
Ich habe von den Ortschaften sowohl bei der Anfahrt (3.8.) als auch bei der Abfahrt (6.8.) eine ganze Reihe Fotos gemacht. Im Folgenden sind diese Fotos für jeden Ort zusammengefasst, und zwar vom Tal beginnend so, wie ich sie bei der Anreise gesehen habe.
Die Gemeinde Pampaneira liegt in 1060 Metern Höhe, wobei man die Höhenangabe nicht so genau nehmen muss, da sich die Häuser und damit auch die Straßen meist terrassenförmig am Hang befinden. Pampaneira (lateinisch pampinarius = Weinblatt bzw. Weinberg), sowie Bubión und Capileira auch, sind mit ihren weißen Flachdachhäusern maurisch geprägt. Im 16. Jahrhundert war diese Gegend das letzte Rückzuggebiet der Mauren in Spanien. Doch schon im 8. Jahrhundert siedelten hier die Berber. Erst in jüngerer Zeit kamen die Christen zurück.
Pampaneira, Bubión (oben rechts), Capileira (oben links). Links ist die Poqueiraschlucht (Barranco del Río Poqueira).
Für die nicht viel mehr als 300 Einwohner (2016) zählende Gemeinde Pampaneira ist neben der Weberei der Tourismus die wichtigste Einnahmequelle. Es werden farbige Teppiche, Läufer, Decken und Stoffe produziert. Im Herbst findet jährlich die in der Region bedeutendste Messe für Kunsthandwerk, Landwirtschaft und Touristik statt. Natürlich gibt es jede Menge kleine Läden, in denen Souvenirs, Kunstgegenstände, Teppiche usw. angeboten werden. Übernachten kann man in zahlreichen Privatunterkünften, im Hotel, im Hostal oder in einem Restaurant mit entsprechendem Zimmerangebot, je nach Vorliebe und Geldbeutel.
Pampaneira erhielt in den Jahren 1977 und 1978 jedesmal den Nationalen Tourismuspreis für die Verschönerung und Verbesserung der spanischen Dörfer.
Wie die weiter oben liegenden Dörfer auch, ist Pampaneira ein guter Ausgangspunkt für Wanderungen in die umliegenden Berge. Im Tourismusbüro kann man sich zu den Möglichkeiten und Wanderstrecken informieren.
Pampaneira, der obere (rechte) Teil
Pampaneira, mittlerer Teil mit dem großen Parkplatz
Pampaneira am 6.8.2017 morgens um 10 Uhr. Die Poqueiraschlucht liegt größtenteils noch im Schatten.
Die Pfarrkirche Parroquia de la Santa Cruz stammt aus dem 16. Jh. Bemerkenswert der gotischen Kirche ist die Holzdecke im Mudéjar-Stil.
Wie in den meisten Bergdörfern ist die Ortsmitte um die Kirche herum dicht bebaut. In der rauhen Bergwelt musste man eng zusammenrücken. Die neueren Siedlungen sind dem Tourismus geschuldet aufgelockerter, verbrauchen dafür aber auch mehr Natur und fressen sich in die bisher unbebaute Bergwelt hinauf.
Pampaneira mit der Pfarrkirche Parroquia de la Santa Cruz
Bubión, vom darunter liegenden Dorf Pampaneira aus gesehen. Nur Capileira liegt noch etwas höher.
Mit etwa 300 Einwohnern (in 2016) ist Bubión auch nicht größer als das weiter unten liegende Pampaneira. Es liegt auf etwa 1300 Metern Höhe und ist der ruhigste der drei Orte, weniger Souvenirläden, weniger Bars und weniger Hotels.
Der Name Bubión geht auf "bovium" zurück, das bedeutet "Platz der Ochsen". Der Hintergrund ist mir unbekannt. Vielleicht wurden hier tatsächlich Ochsen gehandelt.
Interessant ist das kleine Heimatmuseum, untergebracht in einem typischen Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert (Museo Casa Alpujarreña, Plaza de la Iglesia 1). Gezeigt werden Haushaltgegenstände, Werkzeuge und Kleinmöbel.
Bubión, Ortskern mit der Kirche
Die Kirche aus dem 16. Jahrhundert hat einen massiven Turm, der um 1570 als Schutzburg und zur Verteidigung gegen die Spanier genutzt wurde.
Früher waren die Bergbewohner fast alle Bauern und Viehzüchter und in dieser abgelegenen Region auch Selbstversorger. Schon die Mauren hatten an den geschützten Berghängen Zitronen-, Orangen-, Mandel- und Maulbeerbäume gepflanzt. Bis heute hat sich ein Teil davon erhalten. Außerdem spielt die Viehzucht eine Rolle. Schafe, Ziegen und Kühe finden selbst in höheren Regionen ihr Futter.
Neben dem Tourismus ist auch hier die Weberei eine erwähnenswerte Einnahmequelle. So webt z.B. Nade Favreau, eine Dorfbewohnerin, noch heute (Info von 2014) auf zwei alten Webstühlen. Die kleine Weberei nennt sich Taller del Telar. Früher standen in vielen Häusern solche Webstühle. Die Frau webt Stoffe, Tücher, Schals und anderes auch aus hochwertigen Materialien wie z.B. Seide und Baby-Alpaka. Auf Nachfrage kann man etwas zur Webstuhltechnik erfahren. Natürlich kann man wie in den anderen Dörfern auch hier bunte Teppiche (Jarapas), Läufer und Decken kaufen.
Das buddhistische Kloster am Berg Atalaya gegenüber Bubión ist eng mit dem Ort Bubión verbunden. Interessant dazu ist die folgende Geschichte.
Bubión, im Tal Pampaneira. Am Berg Atalaya rechts in 1600 m Höhe befindet sich das Kloster Osel Ling. Die Schlucht rechts und unterhalb von Bubión ist die Poqueiraschlucht (Valle del Poqueira bzw. Barranco del Poqueira), die bis zum Pico del Veleta (bergauf links) und den Mulhacén (rechts) reicht. Am Fuß der Schlucht im Tal liegt die Stadt Órgiva.
In Bubión wurde am 12. Februar 1985 als 5. Kind der buddhistischen Eltern María und Paco ein Junge namens Osel (bedeutet auf Tibetisch "Klares Licht") geboren. Die Eltern hatten schon 1978 auf dem Atalaya, einem Berg gegenüber Bubión (jenseits der Poqueiraschlucht), ein Kloster gegründet. Diesem Kloster hatte der Dalai Lama den Namen Osel Ling gegeben (nach anderen Quellen "O Sel Ling"). Deshalb erhielt auch der Junge aufgrund seiner heiteren freundlichen Art den Namen Osel.
Ohne jetzt auf die ganze Geschichte einzugehen sei nur Folgendes vermerkt: Die Eltern María und Paco kamen 1986 mit dem kleinen Osel (einjährig) nach Neu Delhi, um dort den Dalai Lama zu besuchen. Dieser bestätigte, dass Osel die Reinkarnation des verstorbenen Lehrers Lama Yeshe sei. Yeshe war in den 1970er Jahren der buddhistische Lehrer der Eltern María und Paco gewesen.
Der kleine Osel wurde daraufhin auf Reise um die Welt geschickt, um viele seiner Wirkungsstätten und ehemaligen Schüler aus seinem früheren Leben zu besuchen. Später war er im tibetischen Kloster Sera in Indien und kam schließlich als achtjähriger wieder nach Hause, nach Bubión. Als heranwachsender junger Bursche kehrte Osel nochmals ins Kloster Sera zurück. In späteren Jahren ist er aber wieder nach Spanien gekommen, soll seine Robe abgelegt haben und auf der Insel Ibiza leben.
Soweit die Geschichte um Osel, der als Wiedergeburt als Sohn der Kloster-Gründer María und Paco auf die Welt kam. Das buddhistische Kloster Osel Ling wird heute, nachdem auch die letzte Nonne das Kloster verlassen hatte, als Meditations- und Schulungszentrum genutzt. Das Kloster ist relativ schwer erreichbar, mit dem Bus fahrend soll man auf der Bubión gegenüberliegenden Bergstraße an der Haltestelle Padre Eterno (kleine Kapelle) aussteigen, um dann zum Kloster in 1600 Meter Höhe aufzusteigen.
In Bubión gibt es einen buddhistischen Laden (in Nähe des Geburtshauses des Osel), in dem man nähere Informationen zum Kloster erhalten kann. 7
7 Geschichte zu Osel aus Bubión, Quelle: http://www.bghh.de/html/den_wald_vor_lauter_baumen_nic.html mit Kontaktadresse zu Osel Ling
(Buddhistische Gesellschaft Hamburg e.V., Beitrag: "Auf den Spuren des Klosters Osel Ling in Andalusien", Autor: nicht angegeben)
Capileira war das dritte und gleichzeitig letzte der Bergdörfer auf meinem Weg zum Mulhacén. Nach rund 850 Kilometern seit meinem Start heute früh wollte ich baldmöglichst schlafen. Ich hatte keinen Nerv mehr, mir das Dorf näher anzuschauen. Schon allein die Tatsache, dass nur weiter oben am Ortsende ein Parkplatz zu finden war, hielt mich von einem Rundgang ab. Die Hauptsache war jetzt ein geeigneter Schlafplatz. Es gibt zwar in Capileira zwei große kostenlose Parkplätze, die aber erstens voll waren und zweitens für eine Übernachtung sowieso nicht in Frage gekommen wären.
Capileira in 1420 Meter Höhe, die Bergstraße A-4129 endet hier. Links der alte Ortskern, rechts neuere Siedlungen
Capileira, Neusiedlung mit zweifelhafter Architektur
Capileira wird ebenfalls als ein weißes Dorf bezeichnet, auch hier sind die Häuser alle weiß getüncht, meist nicht höher als zwei Stockwerke und mit Flachdach. Manchmal dient das Dach des unteren Hauses als Terrasse für das nächste obere Haus am steilen Hang. Trotz der zwangsweise dichten und terrassenförmigen Bauweise bietet sich eine außerordentliche Vielfalt der kleinen Häuser, Gassen und Plätze. Die Hauptstraße A-4129 von Bubión kommend durchzieht das Dorf bis zum oberen Ortsende und ist immer wieder Anhaltspunkt und Richtschnur, wenn man Capileira erkundet. Viele kleine Läden bieten, wie in den anderen beiden Dörfern auch, Souvenirs und Kunstgegenstände an, aber auch die bunten Teppiche, Läufer usw. sowie andere typische Produkte der Region (z.B. langhaarige Decken). Das meiste Lebensnotwendige ist auch vorhanden, so z.B. eine Apotheke, ein kleiner Supermarkt, eine Poststelle, eine kleine Touristeninformation und sogar eine Pizzeria. Eine Tankstelle hat der Ort nicht, die nächste ist 4 Kilometer weiter unten.
Insgesamt schien mir, dass hier mehr los ist als z. B. in Bubión. Als höchster Ort ist Capileira der ideale Ausgangspunkt für Wanderungen in die höhere Bergwelt. Da eine direkte Busverbindung zwischen Granada und Capileira besteht, ist es auch ohne Auto kein Problem, eine Bergtour zu machen. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es viele, überall werden Unterkünfte angeboten. Der Ort liegt als zweithöchstes Dorf Spaniens auf rund 1420 Meter Höhe, noch höher thront Trevélez an der anderen (östlichen) Seite des Berges.
Capileira ist eines der schönsten Bergdörfer Andalusiens. Wer hierher kommt, hat seinen Grund: die Berge!
Die Einwohnerzahl hält sich auch hier in Grenzen. Mit 520 (in 2016) sind es etwas mehr als in Bubión bzw. Pampaneira. Aber auch hier war, wie in den anderen Bergdörfern, die Bevölkerungszahl in den letzten Jahren rückläufig. Die meisten Leute, die man in den Gassen, Läden und Bars sieht, sind bergliebende Touristen.
Neben der Kirche Santa María la Mayor im typischen Alpujarra-Baustil könnte auch das Völkerkundemuseum Pedro Antonio de Alarcón interessant sein.
Kirche Santa María la Mayor aus dem 18. Jahrhundert
Capileira in der hier typischen Terrassenbauweise
Einheimische werden weniger, Gäste dafür immer mehr
Capileira dehnt sich langsam auch in die Berge aus.
Capileira mit dem typisch trotzig wehrhaften Kirchturm
Übrigens, Capileira kommt von "capillaria" (Kopf mit Haaren). Das bezieht sich auf die Höhenlage des Ortes. Vor allem von einer weiter oben gelegenen Parkmöglichkeit (großer Platz, nicht als Parkplatz ausgewiesen) hat man einen herrlichen Blick auf das Poqueira-Tal und den gegenüber Capileira liegenden Bergrücken, der letztlich im Pico del Veleta seinen Abschluss hat.
Um noch einmal auf das historisch belassene Ensemble der Häuser zurückzukommen, es ist bemerkenswert, mit welchem Nachdruck die örtlichen Behörden den Bestrebungen mancher Bauherren stand halten, die größere Hotels mit vielen Stockwerken in die Landschaft setzen wollen. Zwar ist die Gegend sowieso als Nationalpark ausgewiesen, doch die Erfahrung andernorts zeigt, dass extrem gewinnorientierte Wirtschaftsbosse oft soviel Einfluss auf die politisch Verantwortlichen haben, dass selbst die strengen Nationalpark-Vorschriften ignoriert oder kunstvoll mit Hilfe von Ausnahmegenehmigungen umgangen werden.
Trotzdem sind in Capileira neuere Wohn- und Appartementsiedlungen zu sehen, die zwar in der Höhe und in der Form der restlichen Altbausubstanz nahe kommen, die aber aufgrund der uniformen Bauweise als Fremdkörper wirken. Jedenfalls ist das mein Eindruck. Es hat noch nie schön ausgesehen, wenn ein Haus wie das andere aussieht, selbst wenn das einzelne Haus dem historischen Baustil nachempfunden ist.
Diese Siedlungen, auf die ich mich beziehe, liegen am unteren Ortseingang und am oberen Ortsausgang von Capileira. Von der Straße aus erscheinen die übereinandergestapelten Häusergruppen garnicht so groß, man denkt es sind kleine zweigeschossige Häuser ähnlich der alten historischen Bauten. Die Sicht vom Tal bzw. von weiter oben offenbart aber, dass es sich um terrassenförmig gestockte Häuser mit teilweise 4 Etagen handelt. Zwar mögen die Bewohner oder Feriengäste alle einen herrlichen Ausblick haben, aber meiner Meinung nach hätte man das Ganze etwas aufgelockerter und historisch angepasster bauen können. Bloß gut, dass keine wirklichen Hotel-Hochhäuser die Landschaft verschandeln, wie das oft am Mittelmeer der Fall ist.
Vereinzelt sieht man sogar noch Häuser mit speziellen Flachdächern, die an Berbersiedelungen in Nordafrika erinnern. Die Dächer sind mit Tonscherben, Gras und Lehm abgedeckt. So hat sich bis heute uralte Baukunst erhalten.
Gäbe es den Tourismus nicht, müsste in Capileira überhaupt nicht neu gebaut werden. Die Bevölkerungszahl ist seit Jahren rückläufig. Normale Wohnungen sind deshalb eigentlich genügend vorhanden. Platz brauchen nur die Gäste, meist aber nur in den Sommermonaten.
Ich hatte also nach der langen Fahrt das Auto am Ortsausgang von Capileira abgestellt und musste ein ganzes Stück zurücklaufen, um zum Touristen-Häusl zu kommen. Hoffentlich war noch ein Platz im Shuttle-Bus frei. Vielleicht könnte ich dann schon morgen am Freitag frühzeitig mit dem Bus bis zum Mirador de Trevélez fahren. Die verbleibenden 782 Höhenmeter bis zum Mulhacén-Gipfel (3486 m) würde ich bestimmt schaffen. Es war schon 5 Minuten nach 20 Uhr. Hoffentlich ist überhaupt noch jemand da, dachte ich.
Die Tür ging wider Erwarten auf und sofort empfing mich spanischer Redeschwall, aber der galt nicht mir, sondern dem Telefon. Eine etwas untersetzte Frau bestimmt schon an die 60 schien mit spanischem Temperament irgendjemand von irgendetwas überzeugen zu wollen. Sie bedeutete mir, bitte warten. Was blieb mir auch anderes übrig. Ich sah mich um. Es sah zwar nicht unordentlich aus, aber aufgeräumt auch nicht. Auf dem Tisch lag eine Liste mit Namen, eingetragen in die Spalten der nächsten Tage. Vielleicht ist das die Busliste, dachte ich. Das Telefonat zog sich hin. Keine Spur vom typisch veränderten Tonfall, wenn man ein Gespräch beenden will. Ich begann, im Prospektständer zu wühlen, alles auf Spanisch.
In Gedanken kratzte ich mein mieses Englisch zusammen, um der kommenden Herausforderung gerecht zu werden. Doch für ein Busticket sollte es reichen. Langsam schien das Gespräch dem Ende zuzugehen, nachdem sich unsere Blicke mehrmals kreuzten. Und tatsächlich, sie begrüßte mich. Irgendwie erinnerte sie mich an meine Mutter. Ich wollte gerade ansetzen, da klingelte ihr Handy wieder. Sie nahm an und wetterte dem Anrufer irgend etwas entgegen. Diesmal hörte es sich nicht sehr freundlich an. Das kann ja heiter werden, dachte ich. Dann kam sie demonstrativ um den Tisch herum und hatte Zeit für mich.
Capileira. Camino de la Sierra am oberen Ortsausgang
Das Info-Häusl steht gegenüber dem Gemeindeamt.
Capileira. Information, Kartenverkauf und Bushaltestelle
Capileira. Servicio de Interpretación de Altas Cumbres
Obwohl wir uns zweisprachig unterhielten, sie im flotten Spanisch, ich im jedes Wort überlegenden Englisch, wusste sie sofort, was ich wollte. Sie wies mit dem Zeigefinger auf die besagte Liste und zählte für die nächsten Tage (einschließlich Montag) die Namen einzeln durch. Alles besetzt. Komischerweise war in der Samstagsspalte nur ein schräger Strich. Sollte am Samstag kein Bus fahren, fragte ich mich.
Ich versuchte ihr klar zu machen, dass ich nur ein paar Tage da sei. Nach einigem Hin und Her zum Ausräumen der Verständigungsprobleme hörte ich von ihr so etwas wie "privato car". Aha, dachte ich, jetzt macht sie mir ein Angebot, dass mich jemand privat mit dem Auto hochfährt. Ich verstand nur noch Bahnhof, und viel Geld wollte ich sowieso nicht ausgeben. Frustriert verabschiedete ich mich, nicht ohne mir ein englisches Prospekt zu den Wanderwegen der Sierra Nevada mitgeben zu lassen. Karte und Wandertabelle mit Entfernungen, Höhenmetern und Wegzeiten waren genau die Informationen, die ich noch brauchte, leider ohne Busticket.
Capileira, festlich geschmückt für den 5. August
Capileira kurz vor dem oberen Ortsende
Es war inzwischen knapp vor 21 Uhr und immer noch herrlichster Sonnenschein. So mag ich das. Trotzdem musste ein Schlafplatz her, weiter oben würde ich vielleicht etwas finden. Auf dem Weg zum Auto fiel mir auf, dass Frauen dabei waren, an verschiedenen Stellen quer über die Straße Girlanden mit dreieckigen Fähnchen zu spannen. Sie standen dazu auf den Terrassen der Häuser, einige benutzten Leitern, weiter unten stand eine Art Kranauto mit Korbausleger. Es sah ganz danach aus, dass für ein Fest geschmückt wurde. Ich hatte keine Ahnung, für was. Später sollte mir das aber klar werden.
Capileira, Camino de la Sierra (hier noch geteert)
Capileira. Irgendwo am Hang jenseits des Tales befindet sich das buddhistische Kloster Osel Ling.
Nach dem Ortsausgang spürt man noch nichts vom Camino de la Sierra, der Schotterstraße zum höher gelegenen Parkplatz Hoya del Portillo, die Straße ist noch geteert. Einige Haltebuchten bieten Gelegenheit, die Aussicht auf Capileira zu genießen und vor allem Fotos zu machen. Nach einer weiteren Kehre, nun ohne Bebauung an der Straße, begann das Desaster. Zu dieser Zeit war ich allein auf dem Weg und konnte jeder größeren Unebenheit und Ansammlung von Schottersteinen ausweichen, ohne jemand zu behindern. Ich fuhr langsam, immer die Gegend abtastend, um einen geeigneten Schlafplatz zu finden. Die Staubwolke hinter mir kroch genauso bergan wie ich. Am schlimmsten waren waschbrettartige Querrillen über die gesamte Straßenbreite, die jedesmal das Auto durchschüttelten. Die armen Vorderradantriebe, dachte ich.
Immer noch bei Sonnenschein und gefühlten 30 Grad nahm ich eine Kehre nach der anderen, nie wissend, was hinter der nächsten Kurve kommt. Das Grün des Kiefernwaldes sieht hier sogar im Sommer recht frisch aus. Offensichtlich bringen die warmen aufsteigenden Mittelmeerwinde genügend Feuchtigkeit mit. Obwohl bis zum angepeilten Parkplatz nur etwa 9 Kilometer zu fahren sind, zieht sich die Auffahrt hin. Ursprünglich geplant, vorher ein Plätzchen zu finden, musste ich begraben.
Ich hatte überhaupt keine Vorstellung von dem Platz mit der Schranke, ich war deshalb auch nicht enttäuscht. Dass aber extra ein kleines Häuschen für den Schrankenwärter hingebaut worden war, überraschte mich schon. Das Häusl dient gleichzeitig als Informationsstelle, in manchen spanischen Prospekten als Informationszentrum bezeichnet, was natürlich weit übertrieben ist. Der Park-Rancher, wie der Mann offiziell genannt wird, war aber nicht mehr da. Ein paar Autos waren abgestellt, wahrscheinlich von Bergwanderern, die irgendwo in der Wildnis übernachteten.
Mir wäre es zwar lieber gewesen, wenn es Parkbuchten gegeben hätte oder wenn der Platz etwas bewaldet gewesen wäre, aber es stand nur die nackte verstaubte Parkfläche zur Verfügung. Ich stellte mich an das obere Ende und erkundete erst einmal die nähere Umgebung. Ein Weg führte mich zur Área Recreativa, was wohl soviel heißt wie "Bereich der Erholung". Dort war ein Gebäude mit Toiletten (verschlossen), außerdem im Wald Tische und Bänke sowie ein vielleicht früher einmal gefüllter Pool, der jetzt vertrocknet und teilweise mit schilfähnlichem Gras zugewuchert war. Es machte alles einen ungepflegten Eindruck. Offensichtlich war die Anlage schon in den neunziger Jahren gebaut worden, als die Sierra Nevada als Nationalpark deklariert wurde. Die regelmäßige Pflege und Wartung war mangelhaft, ersichtlich unter anderem an den gefüllten Papierkörben und dem Unrat, der hier und da Wald und Wege zierte.
Wenigstens konnte man sich hinsetzen, windgeschützte Sitzflächen aus Stein mit Überdachung gibt es auch. Nach meiner langen Reise vom Norden bis in den Süden Spaniens brauchte ich erst einmal Ruhe, vor allem etwas zu Essen und dann eine Dusche, die ich natürlich nur ersatzweise in Form meiner Wasserflaschen hatte. Zeit blieb nicht viel, man merkte, die Sonne wollte sich auch langsam schlafen legen.
Zurück am Auto hatte ich mit den Fliegen und Mücken zu kämpfen, die massenweise vom Inneren meiner Schlafburg Besitz ergreifen wollten. Man konnte keine der Türen auflassen. Die Ursache der Fliegeninvasion war schnell auszumachen. Hinter dem Geländer in etwa 3 Meter Tiefe hatten manche der Parkplatzbenutzer ihre Abfallgrube entdeckt und reichlich genutzt. Überall lagen Papier, leere Dosen und Flaschen. Was noch dazwischen war, konnte man nur erahnen, die Fliegen und anderes Kleingetier müssen ja schließlich auch von etwas leben. Ich überlegte schon, den Standort zu wechseln, doch wohin? Die Fliegen- und Mückenplage ist erfahrungsgemäß abends bei Dämmerung besonders groß, fast immer ist es dann nachts vorbei.
Parkplatz Hoya del Portillo in 2150 Meter Höhe
Hier ist das Ende der privaten Autowelt.
Trotz August erstaunlich wenig Autos
Es gibt schönere Schlafplätze, ich war trotzdem zufrieden.
Ich packte so schnell wie möglich alles zusammen, was ich brauchte, meistens vergisst man sowieso irgend etwas. Meine Speisekammer (Plastikkiste) unterm Arm und mit dem kleinen Rucksack auf dem Rücken, in dem das Wasser, die Toilettenartikel und die Schlafwäsche verstaut waren, lief ich wieder hinauf zum "Erholungsbereich". Dort war schon die Kühle der Nacht zu spüren, die Luft war fliegenfrei und die Sonne spendete immer noch genug Licht für meinen Abendbrottisch.
Wegen der Steine unbenutzter Weg nach oben
Herrliche Aussicht Richtung Südwesten
Nachdem ich fürstlich mein letztes hartes Würstchen mit in Cappuccino eingetitschtem Brot verspeist hatte, überkam mich so eine Müdigkeit, dass ich doch glatt auf der noch sonnengewärmten Steinbank ein Nickerchen machte. Insgesamt 860 Kilometer Fahrt hinterlassen Spuren. Die rotgelbe Dämmerung ließ auch den Wald brennen. Die Spitzen der Kiefernadeln glänzten rotkupfern, als wenn sie jeden Moment in Flammen aufgehen würden. Unwillkürlich musste ich an das heimische Kaminfeuer denken, in dem wir früher regelmäßig den Weihnachtsbaum verbrannt hatten. Trotzdem war mir die Natur hier draußen lieber.
Mich zog es ins Bett. Die Dusche aus der Flasche brachte nochmal etwas Frische, mit der ich es dann zumindest ins Auto und in den Schlafsack schaffte. Nebenan hatte sich auch ein Wanderer eingefunden und war gerade dabei, im Auto seine Stirnlampe auszumachen. Es war inzwischen etwa halb elf (hochdeutsch 22.30 Uhr).
Oberhalb ist die "Área Recreativa", ohne Parkplatz-Feeling.
Auch hier singen manchmal die Zikaden.
Toilette und alles andere war geschlossen.
Was würde wohl der morgige Tag bringen? Buskarte hatte ich ja keine, also musste ich von hier aus zu Fuß los. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nichts merkte. Nämlich, dass ich nichts von der Höhe merkte, immerhin liegt der Parkplatz auf 2150 Meter. Keine Luftprobleme, keine sonstigen Probleme, im Moment nur sehr müde. Wenn das so bleiben würde (ich meine nicht die Müdigkeit), wäre ich mehr als zufrieden. Die Katastrophe vor 7 Jahren in Trevélez durfte sich keinesfalls wiederholen. Ich nahm mir also vor, morgen erst einmal eine Akklimatisierungs-Wanderung zu machen. Wenn das gut gehen würde, könnte ich dann am nächsten oder übernächsten Tag den Mulhacén in Angriff nehmen.
Kaum zu glauben, bis kurz nach 8 Uhr hatte ich fest geschlafen. Die Nacht war ruhig. Jetzt lugten erste Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen hervor. Für das Frühstück nahm ich mir nicht soviel Zeit, da der Rucksack noch zu packen war. Gestern war ich hundemüde in meinen Schlafsack gekrochen, unfähig noch irgendetwas für heute vorzubereiten. Außerdem war es schon dunkel. Heute sollte es nun zum Mirador de Trevélez gehen, mindestens 2 Stunden Weg. Dass es wesentlich mehr werden würde, wusste ich noch nicht.
Der Park-Rancher war auch schon da, ein junger Mann mit verständlichem Englisch. Er meinte, der Bus fährt bis zum Mirador de Trevélez. Von dort seien es noch 2,5 Stunden bis zum Mulhacén. Aber was nützt mir das ohne Buskarte?
Beim Packen musste ich all meine Gedanken zusammen nehmen. Vor allem war ich mir nicht so sicher, was mich erwartet und ich mitnehmen sollte. Jedenfalls nahm ich den kleinen Rucksack, 3 Flaschen Wasser (je 1,5 Liter), ein T-Shirt zum Wechseln, meine langärmlige Windjacke, vorsichtshalber eine leichte Kapuze vom Anorak, etwas Brot mit Käse, Toilettenartikel, Taschenmesser, Pflaster, Verbandszeug, Antibiotika und starke Schmerztabletten. Normalerweise habe ich nie irgendwelche Schmerzprobleme, die Tabletten sind nur für den Notfall gedacht. Bekleidet war ich mit Hut, Stützstrümpfe, dicke Wandersocken, hohe feste Wanderschuhe, lange Jeans und T-Shirt. Das Handy, den Voice-Recorder, den Fotoapparat und die Kamera hatte ich natürlich auch dabei. Allerdings habe ich gelesen, in den höheren Regionen der Sierra Nevada ist kein Handy-Empfang. Das hat sich später bei einem entsprechenden Versuch auch bestätigt.
Inzwischen begann die Sonne, den über Nacht etwas abgekühlten Wald wieder aufzuheizen. Als ich loszog, war es 8.45 Uhr. Der vor mir liegende Weg durch den Kiefernwald ist eine Abkürzung zu den Serpentinen der Fahrstraße. Er mündet am Puerto Molina wieder auf der Straße. Puerto Molina ist ein Aussichtspunkt, umgeben mit einigen großen Felsbrocken und Info-Tafeln. Ich hatte auf dem Rückweg ein paar Fotos davon gemacht.
Wie immer blauer Himmel und Sonne, schon am Morgen.
Heute am Freitag (4.8.) ist mein erster Wandertag.
Das erste Ziel ist der Mirador Puerto Molina.
Da der Aussichtspunkt schon jenseits der Baumgrenze liegt, hat man einen herrlichen Blick in Richtung Süden.
Vor dem Puerto Molina zweigt der Weg links ab und verläuft am Waldrand entlang in Richtung Schutzhütte Refugio Poqueira, die auf 2550 Meter etwas weiter unten in einer Senke liegt. Mein Ziel war aber der Mirador de Trevélez, unweit des Bus-Parkplatzes. Dazu muss man rechts abbiegen, links geht es hinunter zur Schutzhütte. Vom Bus-Parkplatz aus kann man dann auf dem Bergrücken sanft ansteigend bis zu Mulhacén-Gipfel laufen. Soweit die Infos zur Orientierung (siehe auch Karte).
Nach vielleicht 300 Metern bergan musste ich nicht nur meine flotte Gangart zurückschrauben, sondern ich kehrte sogar um. Hatte ich doch glatt meine Sonnenschutzcreme vergessen. Ich hielt sie für unverzichtbar, was sich später bestätigen sollte. Man braucht eben einen Pack-Spickzettel. Ich kehrte also um, packte die Creme ein, nahm noch einen Schluck aus der Flasche und lächelte unschuldig dem Park-Rancher zu, der mein Treiben beobachtete. Hätte ich gewusst wie, hätte ich ihm das Sprichwort "Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Beinen!" nahe gebracht. Doch dazu fielen mir nicht die nötigen Vokabeln ein.
Beim zweiten Anlauf machte ich nochmals einen Schlenkrich über die Área Recreativa, um in der Morgensonne einige Fotos zu schießen. Auch jetzt waren die Toiletten verschlossen, offensichtlich muss man den Schlüssel beim Park-Rancher holen. Nachts oder spät abends darf man nicht "müssen". So ist das eben. Zelten und offenes Feuer sind in diesem Bereich auch nicht erlaubt, obwohl gerade das Zelten hier eine feine Sache wäre. Das Wasser aus dem Hahn in der Wand sei kein Trinkwasser, so der Hinweis auf einem Schild. Ich frage mich nur, wo kommt das Wasser her? Eine Wasserleitung hier hoch gibt es nicht, also muss es von den Bergen kommen. Dieses Wasser ist aber in der Regel gut trinkbar, da es gefiltert oberhalb jeder Zivilisation aus dem Berg kommt. Vielleicht steht das Schild auch nur da, um möglichen Schadenersatzansprüchen aus dem Weg zu gehen.
Schade ist auch, dass die Hinweise nur in Spanisch zu lesen sind. Die Piktogramme helfen zwar, aber zusätzlich Englisch wäre besser.
Inzwischen war es 9.30 Uhr geworden. Jetzt endlich begann mein Abenteuer, es ging mit Rucksack in die Berge! Vorläufig führte der Weg nur durch Wald, stetig bergan. Ich musste mein Tempo dem Luftbedürfnis der Lunge anpassen. Nur wenige hundert Meter später war kein Wasser mehr im Mund, die Luft schien extrem trocken zu sein. Ich verfiel in einen schleppenden Gang, den man nur als 72-Jahre-Oldtimer-Schleppschritt bezeichnen kann. Sicherlich war die Höhe schuld, obwohl ich keinerlei Atemnot oder Kreislaufprobleme hatte.
Ein junges Ehepaar (?) kam mir entgegen, kurzärmelig, in kurzen Hosen und Sandalen, nichts auf dem Kopf. Sicherlich waren sie nur auf einem Kurztrip, ich würde niemals so in die Berge gehen. Der Wanderweg ist mit zwei waagerechten Streifen gekennzeichnet, ein weißer oben, ein gelber darunter. Das ist eine gute Hilfe. Oft gabelt sich der Weg, ohne die Markierung wäre es ungleich schwieriger.
Die Toiletten sind verschlossen.
Gute Hinweise, leider nicht wenigstens 2-sprachig.
Der Weg steigt sanft, aber stetig bergan.
Die Wegmarkierung an Steinen und Bäumen ist hilfreich.
Zwei Dinge fielen mir auf. Erstens, ich hatte meine Wanderstöcke zu Hause gelassen, und zweitens, eine Mückenschutzcreme sollte man auch dabei haben. Die Viecher sind lästig, wenn der Wind von den Bäumen aufgehalten wird. Im offenen Gelände gibt es keine Probleme. Es geht ja weniger um einen Mückenstich, sondern mehr um die Möglichkeit der Übertragung von Krankheiten. Jedenfalls nahm ich mir vor, meinen Notfallbeutel um einen Mückenschutz zu ergänzen.
Auf einer größeren Lichtung war eine Art Unterstand zu sehen. Man könnte gut darin übernachten, was sicherlich auch manchmal geschieht. Ich machte eine kurze Rast und cremte mich erst einmal ein. Jetzt vermisste ich auch ein leichtes langärmliges Hemd oder sowas Ähnliches, außerdem begann die Sonne, mir in den Nacken zu brennen. Vielleicht gibt es in Capileira eine Mütze mit Nackenschutz, dachte ich. Ich sollte mich darum kümmern. Ich muss auch noch ins Informationsbüro wegen der Sache mit dem Bus.
Langsam lichtete sich der Wald und die Bäume wurden kleiner. Die sogenannte Baumgrenze schien nicht mehr weit zu sein. Ab und zu verschnaufte ich, weniger wegen der Luft, sondern vielmehr um Fotos zu machen. Auf der linken Seite liegt das Poqueira-Tal, das den langen Mulhacén-Rücken von den umgebenden Bergen trennt. Man hat eine herrliche Aussicht auf die Berge, bis zum Pico del Veleta hin. Die rechte Seite des Pfades ist nicht so interessant. Hier steigt das Gelände an. Irgendwo da oben muss die Fahrstraße sein.
Unterstand als Unwetterschutz oder zur Übernachtung.
Nicht geräumig, aber bei Unwetter besser als im Freien
Der Wald wird lichter, die Baumgrenze ist nicht weit.
Berge auf der linken Seite des Poqueira-Tals. Es könnte der Pico Tajo de los Machos sein.
Noch gibt es Gras und Bäume, weiter oben ist alles kahl.
Den Weg links hinunter darf man nicht verpassen, ansonsten landet man wieder auf der Fahrstraße.
Man kommt, wie weiter oben schon beschrieben, links des Aussichtspunktes Puerto Molina vorbei, der an der Fahrstraße liegt. Wegen der Abkürzung durch den Wald sind es vom Hoya del Portillo (Parkplatz mit der Schranke) bis hierher nur 1,5 Kilometer. Es gibt einige Schilder. Wichtig ist, dass man sich vorläufig Richtung Refugio Poqueira hält. Der Weg führt zwar wieder einige Meter talwärts und außerdem in bewaldetes Gebiet, aber dafür meidet man den etwas trostlosen und wenig Abwechslung bietenden Marsch entlang der Fahrstraße.
Vom Parkplatz bis hier 1,5 km, zur Poqueira-Hütte 7 km
Zum Aussichtspunkt Puerto Molina an der Straße 250 m
Ein ganzes Stück ist der Weg noch breit genug für ein Fahrzeug, ein Rancher war an mir vorbeigefahren und nach einiger Zeit zurückgekehrt. Nicht viel später erreichte ich seinen Wendeplatz.
Diese Bergwelt ist im Sommer und im Winter schön. Wir dürfen nicht vergessen: Kleiner Mensch vor großer Natur!
Genug Platz, in der Einsamkeit Ruhe zu finden.
Der Wald wird immer lichter, rechts die Baumgrenze.
Ab und zu sprang vor mir eine Grille oder auch Grashüpfer über den Weg. Die Tierchen waren aber wesentlich größer als jene, die es in Deutschland gibt. Außerdem sehen sie nicht grün, sonder graubraun aus. Besonders auffällig ist die Größe, schätzungsweise bis zu 4 Zentimeter. Es gibt sogar Kunstflieger darunter. Nicht alle haben Flügel, aber die Flieger schaffen 4 bis 5 Meter, vielleicht auch mehr. Zirpen oder andere Geräusche habe ich nicht gehört, vielleicht sind die andalusischen Grillen nicht so vorlaut.
Ein schöner Abschnitt, fast wie der Wald im Erzgebirge
Der Weg ist hier noch fahrbar, Staus gibt es aber nicht.
Glück zeigt sich auch, wenn man trotz Hitze lachen kann.
Einer der großen Grashüpfer, er war etwa 4 cm lang.
Die Richtung stimmt, aber der Mulhacén ist es nicht.
An einem kleinen Bach, der vom rechten Bergrücken kam, war es etwas grüner und vielfältiger. Ich musste einfach vom glasklaren Wasser kosten. Es war eiskalt. Gelesen hatte ich im Vorfeld, dass man das Bergwasser unbedenklich trinken kann, da es oberhalb jeglicher Ansiedlung entspringt. Eine bessere Filteranlage als die zig Meter dicken Stein- und Sandschichten der Berge gibt es nicht. Ich wette, das Sierra-Nevada-Wasser ist besser als das weithin bekannte und gelobte kalkarme Chemnitzer Talsperrenwasser.
Staunend beobachtete ich auch kleine Tierchen im Wasserlauf. Offensichtlich trocknen die kleinen Bäche niemals aus. Immerhin war Hochsommer. In den höher gelegenen Lagunen, die immer Wasser führen, soll es jede Menge kleine Krebstierchen geben. Leider war es mir nicht vergönnt, an so einem kleinen See stehen oder gar darin baden zu können.
Auffällig waren auch die relativ vielen Schmetterlinge, die ich in den verschiedensten Farben und Musterungen beobachten konnte. Mir ist bloß nicht ganz klar, von was die Schmetterlinge in dieser Höhenlage leben. Blüten, die Nektar enthalten könnten, sah ich nur wenige.
Das Berggras fühlt sich relativ hart an, hat meist keine breiten Halme, sondern ist oberflächensparend zu dünnen Stängeln zusammengerollt. Dadurch wird die Verdunstung minimiert.
Der Mulhacén liegt hinter diesem Berg.
Mein Weg mit der weiß-gelben Markierung
Dieser Berg müsste der Alto del Chórrillo sein (2721 m). Oben auf der Straße fährt bis dorthin der Shuttle-Bus.
Das Ende des Poqueira-Tals, hier gibt es nur noch Berge.
Mit Legeröhre am Hinterleib ist die Grille etwa 4 cm lang.
Dieser Art Grille begegnete ich mehrmals. Sie schienen die Sonne zu genießen, denn flüchtig waren sie nur, wenn ich ihnen zu nahe kam bzw. wenn sie die Bodenerschütterung meiner schweren Wanderschuhe spürten. Der vermeintlich lange Stachel am Hinterleib ist die Legeröhre für die Eier. Die Tierchen sind also ungefährlich. Trotzdem ist es ungewohnt, wenn einem solche kleinen Monster über den Weg laufen.
Kein Mensch weit und breit, große Tiere sowieso nicht
Die kleine Rampe in der Mitte ist der Pico Veleta.
Veleta vom Süden aus. Vom Norden ist die Ansicht wegen der höheren Abbruchkante noch spektakulärer.
Den Pico del Veleta konnte man früher bis zur Spitze von Granada aus mit dem Auto erreichen. Prinzipiell ist das heute noch so, aber in 2550 Meter Höhe am Parkplatz Hoya de la Mora ist auch hier eine Schranke, die nur für Autos mit Sondergenehmigung geöffnet wird. Für das Fahrrad ist die Strecke frei. Im Winter, wenn die Skilifte in Betrieb sind, kann der Veleta auch bequem von einer Skistation aus per Lift erreicht werden.
Für mich käme sowieso nur eine Besteigung im Sommer in Frage. Interessant wäre es schon, auch diesen zweithöchsten Gipfel der Sierra Nevada bezwingen zu können. Der Veleta ist nur 86 Meter niedriger als der Mulhacén. Es soll viele Steinböcke geben. Manche Bereiche des Veleta-Gebietes sind selbst für Bergwanderer gesperrt, zum Schutz der Natur.
Mehrere Bachläufe überquerten meinen Weg.
Die Sierra Nevada gilt als sehr wasserreich.
Selbst bei größter Hitze trocknen die Bäche nicht aus.
Das Wasser fließt ins Tal zum Río Poqueira.
Wie es mit einer Übernachtung aussieht, weiß ich nicht. Jedenfalls soll das erleuchtete Granada vom Veleta aus faszinierend ausschauen. Auch die Stadt Salobreña am Mittelmeer ist zu erkennen. Bis Pradollano fährt von Granada aus ein Bus (Haltestelle Alberue Universitario an der gleichnamigen Hütte mit 59 Schlafplätzen in 2505 Metern Höhe). Mit Voranmeldung kann man dann noch mit einem Shuttle-Bus bis auf 3100 Meter fahren. Es ist die höchste Bushaltestelle Europas. Der Skilift fährt bis 3300 Meter.
Aber das sind, selbst jetzt während ich dies schreibe, alles noch Hirngespinste. Im Moment war ich noch auf Akklimatisierungstour und wusste noch nicht einmal, ob ich den Mulhacén jemals erreichen würde.
Unterhalb des Puntal de Laguna Larga (Mitte) ist die Poqueira-Hütte, rechts der Mulhacén II, ganz links der Pico Veleta
Schutzhütte Refugio Poqueira, ganzjährig bewirtschaftet
Refugio Poqueira, Sept. 2011, 1996 gebaut, 87 Schlafplätze
(Urheber Torobravo, 2011, © nach CC BY-SA 3.0) 8
Das Refugio Poqueira ist eine schön gelegene Hütte am Westhang des Mulhacén, die bei längeren Bergtouren als Zwischenstopp genutzt werden kann. Die Hütte ist staatliches Eigentum und wird von der Federación Andaluza de Montañismo betrieben. Der ganzjährige Betrieb ist besonders im Winter interessant. Mit 7 Schlafräumen, einem Speisesaal mit Kamin, den Toiletten und Duschen und der Terrasse handelt es sich um eine für die Region komfortable Unterkunft. Allerdings darf man nicht den Komfort einer größeren Hütte des Deutschen Alpenvereins erwarten. Fließend warmes Wasser gibt es nur auf Anfrage. Die durchgehende Bewirtschaftung bezieht sich hauptsächlich auf die Küche, eine Küche zur Selbstversorgung ist auch vorhanden. 87 Schlafgäste haben Platz.
Die umliegenden Berge und darüber hinaus sind in Tagestouren bequem erreichbar. In unmittelbarer Nähe liegen der Mulhacén II (auch Mulhacén falso genannt), der Königsberg Mulhacén, der Pico del Púlpito, der Morra Hoyos del Veleta, im Norden der Puntal de Laguna Larga und der Puntal de la Cornisa und südlich der Alto del Chórrillo, um nur einige zu nennen. Etwas weiter weg lockt im Nordwesten der Pico Veleta mit seinem gleichnamigen Skigebiet an dessen Westflanke. Übrigens, der Veleta lässt sich auch mit dem Bike bezwingen. Man muss nur die Bergstraße GR411 in Richtung Granada fahren und dann die gut ausgebaute Auffahrt zum Veleta nehmen.
8 Refugio Poqueira, Urheber Torobravo, 2011. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:110921_Refugio_Poqueira.jpg, Lizenz:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Foto-Weitergabe zu gleichen Bedingungen
Lohnenswert sind, den vielen Berichten im Web zufolge, Wanderungen zu den vielen kleinen Lagunen, die bedingt durch das Schmelzwasser jeweils einen kleinen Bergsee bilden, der im Frühjahr stark anwachsen kann. Besonders die Siete Lagunas (die 7 Lagunen, Cañada de Siete Lagunas) nordöstlich vom Mulhacén in Verbindung mit der Laguna Hondera, die südlich davon in einem Hochtal liegt, sind Wanderziele mit abwechslungsreicher Umgebung. Etwas südlich von der Hondera-Lagune kann man, vom Mulhacén kommend, über einen Geröllhang hinunter steigen und findet sich dann an einem sehr schönen idyllisch gelegenen See wieder, nur etwa anderthalb Stunden vom Mulhacén entfernt in 2890 Metern Höhe.
Im Frühling grünt und blüht es überall, trotz der Schneefelder, die oberhalb noch im Abschmelzen sind. Das Umfeld des Sees dient auch als Weideland. Die feuchten Wiesen (Borreguiles) sind eine fruchtbare Abwechslung im Gegensatz zur umliegenden kargen felsigen und vor allem trockenen Bergwelt. Zwei kleine Bäche stürzen vom See abfließend über eine hohe Geländeschwelle hinunter und bilden als Wasserfall die Chorreras Negras. Mit einem weiteren Bachzufluss ergibt sich dann weiter unten der Río del Culo de Perro (frei übersetzt: der Hunde-Arsch). Man kann am Fluss talwärts wandern, muss dann irgendwann nach rechts den Fluss überqueren und abbiegen, um schließlich in Trevélez zu landen (siehe Karte im Anhang).
Von den Lagunen wusste ich noch nichts. Heute hatte ich bei Hitze und müden Knochen aufgrund der doch anstrengenden langen Anfahrt mächtig zu kämpfen, mein gestecktes Ziel zu erreichen.
Plötzlich kam Unruhe in meine einsame und stille Bergwelt. Schon von Weitem hörte ich das Trapsen schwerer Schritte. Hinter einem Hügel kamen drei Wanderer hervor, die im Eiltempo an mir vorbei talwärts stapften, als wenn unten der Bus warten würde. Alle waren langärmlig, hatten Mützen mit Nackenschutz auf, trugen Sonnenbrillen und schwere Rucksäcke mit Iso-Matte und Zeltrolle. Ein Mädel war auch dabei. Das waren richtige Bergwanderer, wie man sie sich vorstellt. Sie waren bestimmt schon mehrere Tage unterwegs. Ehe mir etwas eingefallen wäre, wie ich am besten eine Konversation beginnen könnte, war der Spuk auch schon vorbei. Sie stürzten den Weg hinunter, mich zwar freundlich grüßend, aber sonst kaum beachtend.
Ich sah ihnen nach. Dann war wieder Ruhe. Vorwärts gerichtet tastete mein Blick die Bergkante ab, dort wo Fels und Himmel sich treffen. Was um des Himmels Willen brachte mich dazu, mir diese Strapaze anzutun. Ich musste unwillkürlich an Hape Kerkeling denken, der im "Ich bin dann mal weg" vom roten Sofa zu Hause schwärmte, als auch ihm der Weg des Jakobus mehr als Mühe bereitete. So ist der Mensch. Jeder Weg zum außergewöhnlichen Ziel liefert Zweifel, die überwunden werden müssen. Wir brauchen die Mühe, um in der Überwindung Bestätigung und letztlich Glück zu finden.
Wie von selbst setzten sich meine Beine in Bewegung, um mich langsam und monoton im 72-Jahre-Oldtimer-Schleppschritt weiter bergan zu bringen. Noch ein Roman fiel mir ein: "Soweit die Füße tragen" (oder so ähnlich). Natürlich war ich nicht als deutscher Kriegsgefangener unterwegs und schon garnicht auf dem Weg vom ostsibirischen Gefangenenlager nach Hause, aber man denkt eben manchmal an solche dramatischen Geschichten, wenn der eigene Körper ähnlich zu schmerzen scheint. Ich war glücklich, hier zu sein. Und den Mulhacén würde ich auch noch schaffen, bestimmt!
Einen Vorteil hatte die Höhe, mit jedem Meter mehr wurde die anfängliche Hitze erträglicher. Dafür begann meine rechte Kreuzseite zu schmerzen, wahrscheinlich war das Nachtlager nicht optimal gewesen. Die trockene Luft ließ mich öfter trinken als sonst. Auch meine Lippen begannen zu brennen, dem ich mit Salbe begegnen musste. Und trotzdem, die Faszination der Bergwelt ließ die Beschwerden in den Hintergrund treten, geradeso wie eine Schmerztablette den lummernden Zahn.
Gerade dachte ich über die Einsamkeit dieser Welt nach. Schon seit einiger Zeit war außer einem Adler, der seine Runden zog, nichts Lebendiges zu entdecken. Das kann schön, aber auch beunruhigend sein.
Meinen Blick auf die Fußspitzen gerichtet änderte sich urplötzlich diese vermeintliche Einsamkeit. Kaum 20 Meter vor mir standen Pferde auf dem Weg. Einfach so, ruhig auf mich wartend.
Was nun? Ich habe zwar keine Angst vor Pferden, schon als 9-jähriger bin ich beim Fuchs unterm Bauch durchgekrochen. Der Fuchs war ein großer rotbrauner Hengst beim Bauer, dem ich manchmal half, den Stall zu misten. Dafür bekam ich pro Tag eine Mark oder auch einen Korb voll Äpfel, den ich dann stolz nach Hause zu meiner Mutter schleppte.
Seltene Ausnahme war die Einladung zum Mittagessen, die ich aber regelmäßig dadurch zu umgehen suchte, dass ich erst nachmittags nach der Schule zum Misten kam. Der Mittagstisch war nämlich nur mit einer großen Schüssel in der Mitte bestückt, aus der sich dann alle ringsum mit dem Löffel bedienten. Natürlich hat der "Bauer", wie auch seine Frau ihren Mann nannte, jedes Vorrecht aufs Suppenfleisch gehabt und genutzt. Ich war so etwas von zu Hause nicht gewohnt und versuchte, solche Mahlzeiten zu umgehen.
Wie gesagt, Angst vor Pferden habe ich nicht. Doch diese Überraschung in der freien Bergwelt ließ mich vorsichtig sein. Langsam, ohne äußerliche Hemmung oder Unruhe zu zeigen, schritt ich weiter auf die Gruppe zu. Besonders der Leithengst schaute mir prüfend in die Augen, denke ich wenigstens, und war wahrscheinlich selbst gespannt, wie dieser menschliche Typ da reagieren würde. Er stand so auf dem Weg, dass ich eigentlich nicht hätte vorbei gekonnt. Rechts war der Hang ziemlich steil ansteigend, links vom Weg war es abschüssig und deshalb ebenfalls unwegsam.
Das kann ja heiter werden, dachte ich mir. Komischerweise sah das Pferd auch noch ähnlich dem Fuchs aus meiner Kindheit aus. Na gut, dann kennen wir uns eben. Mit Herzklopfen ging ich auf den Hengst zu (ich musste). Vielleicht 2 Meter vor mir trat er etwas beiseite, gerade soviel, dass ich ohne ihn zu streifen an ihm vorbeikam. Ich muss zugeben, auch der Hengst hatte fast keine Wahl, zu schmal war der Weg an dieser Stelle. Die Stuten und ein Fohlen auf der Wiese unterhalb des Weges beobachteten das Ganze.
Geschafft! Ich war vorbei. Ich spürte im Rücken, er blickte mir hinterher. Erst nach etlichen Metern getraute ich mich, zurück zu schauen. Tatsächlich, der Hengst und alle anderen sahen mir hinterher, als würde da gerade ein guter Freund gehen. Vielleicht waren die Tiere auch nur traurig, in der Einsamkeit keine richtige Abwechslung gehabt zu haben. Vielleicht hatten sie von mir ein Leckerli erwartet. Vielleicht waren sie auch nur neugierig oder im schlimmsten Fall ungehalten, dass ich durch ihr Territorium gelaufen war.
Erst jetzt getraute ich mich, die Tiere zu fotografieren. Weiter unten war eine größere Kuhherde zu sehen. Es lief also noch mehr Vieh frei herum. Kühe sieht man ja in den deutschen Alpen ebenfalls ohne erkennbare Umzäunung durch die Gegend ziehen. Aber dass Pferde so frei rumlaufen, war für mich schon etwas Besonderes.
Mein Stehenbleiben betrachtete die Größte der Stuten wohl als Einladung. Sie kam auf den Weg herauf und begann, mir hinterher zu laufen, alle anderen hinter sich her ziehend. Mir war es mulmig zumute. Ich dachte die Begegnung abgehakt zu haben, nun suchte das Viehzeug meine Nähe. Etwas schneller laufend als vorher versuchte ich, die Verfolger loszuwerden.
Das Pferd scheint mich auszulachen oder es drohte: Lass dich hier nicht wieder blicken! Leider verstehe ich die Pferdesprache nicht. Das laute Wiehern und diese Grimasse dazu muss etwas bedeuten, aus Spaß am Leben macht ein Pferd sowas nicht. Oder doch?
Oberhalb der Kuhherde sind Unterstände und Stallungen. Es könnte sein, dass das Vieh auch im Winter hier oben ist. Am Hang sind auch ein paar Bergziegen zu erkennen, offensichtlich domestizierte Hausziegen. Die Poqueira-Hütte ist nicht weit. Es könnte sein, dass alles zusammengehört.
Die mir vermeintlich nachlaufenden Pferde hatten Besseres vor. Ich irrte mich diesmal gewaltig. Sie kamen zwar ein Stück hinterher, aber nur, um an einer günstigen Stelle bis zu der Kuhherde hinabsteigen zu können.
Jetzt konnte und musste ich mich erst einmal hinsetzen. Im Mulhacén-Flusstal (Der Fluss heißt hier auch Mulhacén wie der Berg, weiter unten heißt er Rio Naute und noch weiter unten Rio Poqueira.), also im Mulhacén-Tal, wird Viehzucht betrieben. Ich hatte das nicht vermutet. Eher hatte ich oberhalb der Baumgrenze eine öde Steinwüste erwartet. Das reichliche Grün selbst im heißen August war dann doch überraschend. Ein Stück weiter oben sah ich die Hütte Refugio Poqueira und ganz oben die Spitze des zweithöchsten Berges der Sierra Nevada, des Veleta. Nun fehlten eigentlich nur noch ein paar wilde Bergziegen. Ich sah aber keine. Weit oben am Veleta soll es viele davon geben.
Mir wurde bewusst, in welcher traumhaften Bergwelt ich mich befand und warum ich eigentlich hier war. Der Mulhacén-Gipfel war nicht zu sehen, er ist von hier aus durch den vorgelagerten Mulhacén II verdeckt.
Die Weiden im Hochgebirge der Sierra Nevada beginnen dort, wo die für die Alpujarras typischen Terrassen aufhören. Während auf den Terrassen Gärten mit Obstbäumen vorherrschen und auf kleinen Feldern Landwirtschaft betrieben wird, bestimmen weiter oberhalb von Capileira die Schaf- und Kuhherden das Bild. Die auch im Sommer nicht austrocknenden Bäche und Bergflüsse des Poqueira-Tals sorgen für anhaltende Feuchtigkeit auch bei Hitze und fehlendem Niederschlag. Somit wächst oberhalb der Baumgrenze nicht nur das harte Igelpolstergebüsch, sondern es überstehen auch saftigere Gräser die Sommermonate. Natürlich wird das Futter mit jedem Höhenmeter immer spärlicher, aber bis zur bewirtschafteten Poqueira-Hütte war selbst im August alles noch grün.
Beeindruckt haben mich natürlich die Pferde, frei und unbehindert, wie man oft selbst sein möchte. Doch auch die Kühe sind sehenswert. Sie haben noch Hörner, so wie es zur Zeit meiner Kindheit allgemein üblich war. Ich hatte in jungen Jahren beruflich selbst engen Kontakt mit einer (meiner) Kuhherde und hatte nie Probleme damit. Keine Kuh setzt ihre Hörner gegen Menschen ein, wenn sie sich nicht verteidigen muss (abgesehen von speziell aggressiv gezüchteten spanischen Rindern). Innerhalb der Herde sind die Hörner ein wichtiges Mittel, um die Rangordnung und damit den Frieden zu bewahren.
Nun ist es in den meisten intensiv betriebenen Viehwirtschaften allerdings so, dass die Hörner der Jungtiere samt Wurzel ausgebrannt werden, um angebliche Verletzungen innerhalb der Herde zu vermeiden. Ein Wahnsinn! Man behauptet, das Entfernen tut nicht weh. Hoffentlich finden die Tierschützer einen Weg, dass diese Unsitte eines Tages verboten wird.
13.18 Uhr am Indicador Refugio Poqueira. Links geht es zur Poqueira-Hütte, geradeaus die alte Bergstraße GR411 (jetzt für PKW gesperrt), die am Mulhacén vorbei zum Pico del Veleta führt und rechts der Fußweg zum Mulhacén. Der Mulhacén liegt hinter dem in Bildmitte sichtbaren Berg, der sich Mulhacén II nennt.
Aus dieser Richtung kam ich.
Parkplatz für den Shuttle-Bus
Bergstraße GR411, rechts der Weg zum Mulhacén
Parkplatz-Schild
Mein Pfad mündete auf dem Fahrweg, der zum Refugio Poqueira führt und vom Bus-Parkplatz kommt. Ich musste also rechts abbiegen, um an die Weggabelung zu gelangen, an der die Hinweisschilder stehen (Indicador Refugio Poqueira). Nach wenigen hundert Metern hatte ich mein heutiges Ziel erreicht. Der Bus-Parkplatz ist ein Stück freie Fläche, die man vom leicht ansteigenden Gelände abgegraben hatte. Die Höhe beträgt hier 2705 Meter.
Gesperrte Bergstraße, nur Bikes sind erlaubt.
Die Fahrstraße vom Schranken-Parkplatz, auf dem mein Auto stand, führt noch weiter in die Berge. Früher konnte man mit dem Auto bis an den Fuß des Mulhacén fahren. Dort liegt auch das Refugio Vivac de la Caldera. Der Aufstieg zum Mulhacén war dann über den relativ steilen Westhang in vielleicht einer halben Stunde möglich. Seitdem die Sierra Nevada Naturschutzgebiet wurde, ist die Straße gesperrt.
Kurz vor dem Bus-Parkplatz zweigt rechts der kleine Trampelpfad zum Mulhacén ab. Man kommt zuerst zu der Höhe Alto del Corillo, dann zum Mulhacén II, einem kleineren Vorgipfel und dann endgültig zum Mulhacén. Wer nach Norden weiterlaufen wollte, hätte ein Problem. Die Gipfelhöhe endet mit einem hunderte Meter tiefen Felsabbruch. Dies alles wusste ich zwar, jetzt hatte ich aber erst einmal andere Probleme.
Die durchgeschwitzten Sachen mussten trocknen, das Reserve-T-Shirt im Rucksack hätte nicht gereicht, selbst die Windjacke war auf dem Rücken nass. Die Schilder an der Weggabelung eignen sich hervorragend als Kleiderständer, wenige Schritte hin ist auch ein Stein für die Brotzeit.
Wer will, könnte auf der GR411 bis zum Veleta fahren und dann auf der Nordseite hinunter nach Granada. Ohne Übernachtung ist das aber kaum zu schaffen. Nach rechts zum Mulhacén geht's nur zu Fuß.
Die Schilder taugen auch als Trockenständer.
Man sollte nichts so ablegen, warum? Siehe weiter unten!
Im Web wird berichtet, dass die Biker hier ihr Fahrrad anschließen, wenn sie den Mulhacén besteigen. Sie kommen dann nicht den abkürzenden Weg, den ich gegangen bin, sondern die Fahrstraße herauf, so wie der Bus fährt. Mietstationen gibt es in fast jedem Bergdorf. Wenn ich mir es richtig überlege, wäre das auch eine Option für mich. Allerdings müsste ich dann das Auto schon in Capileira stehen lassen, oder man packt das Bike aufs Autodach und fährt zum Schranken-Parkplatz. Jedenfalls spart man sich dann den langen Fußmarsch von dort bis zum Shuttle-Bus-Parkplatz.
Die Brotzeit genoss ich, Rucksack und Fototasche hatte ich neben mir abgelegt. Warum erwähne ich das? Es wird noch bedeutsam werden. Allzu lange konnte ich nicht so mit nacktem Oberkörper sitzen bleiben. Die Sonne wärmte zwar nach wie vor hervorragend, sie brannte aber auch. Es waren trotz der Höhe gefühlte 22°C. Mich störte aber der zugige Wind, der über den flachen Kamm strich.
Lange war ich nicht allein. Zwei Radl-Fahrer kamen vom Tal, ein Franzose mit seinem Sohn. Sie hatten die Räder im fast 30 Kilometer entfernten Pampaneira ausgeliehen und dachten, von hier aus nach Trevélez zu gelangen. Sie wussten nicht, dass der abschüssige Pfad dorthin unmöglich mit dem Bike zu bewältigen ist. Nachdem wir gemeinsam die Karte studiert hatten, verschwanden sie wieder.
Keine 5 Minuten später tauchten ganz oben auf dem Mulhacén-Pfad zwei Punkte auf. Das ist ja wie auf dem Leipziger Hauptbahnhof, dachte ich (eine Redensart aus meiner Jugendzeit). Doch was die beiden Holländer zu berichten hatten, nährten meine Zuversicht, auch auf den Mulhacén zu gelangen. Morgen am Samstag sei Feiertag und man könne mit dem Privatauto bis eben hierher fahren. Wieso? Jeder? Ja, jeder. Es sei der Feiertag Maria Schnee, der einzige Tag, an dem dies möglich sei.
Kathedrale in Morella, Spanien (2001)
Maria Himmelfahrt in Morella (15.8.2001)
Rom, Platz und Basilika Santa Maria Maggiore, Gemälde 1744 von Giovanni Paolo Pannini. (© nach Gemeinfrei) 9
Am 15. August wird in Spanien, so wie in vielen Ländern weltweit, Maria Himmelfahrt gedacht. Wir hatten während unserer Spanienrundreise im Jahre 2001 das Marien-Fest miterleben dürfen.
Vor der Kathedrale in Morella sammelte sich ein kirchlicher Zug mit der Maria, die von 6 Leuten getragen wurde. Erst jetzt ging uns ein Licht auf: Heute war der 15. August, Maria Himmelfahrt. Immer mehr Leute kamen herbei. Bald würde die Prozession beginnen.
Die Glocken der Kathedrale wurden leiser. Nun hörte man auch aus dem Inneren die letzten Töne der Orgel. Draußen setzten die Bläser ihre Instrumente an die Lippen. Kraftvoll, fast unerwartet, erklang eine getragene, uns unbekannte Kirchenmelodie. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung, mit Maria an der Spitze, der Kapelle und den hinterher strömenden Gläubigen. Wir liefen ein Stück mit. Für uns war das natürlich ein schönes Erlebnis.
Zusätzlich zum 15. August wird in Andalusien der 5. August gefeiert. Es ist ein katholischer Gedenktag, der zwar ebenfalls weltweit bekannt ist und an die Feier der Neueinweihung der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom am 5. August 432 erinnert, der aber für die Sierra-Nevada-Region eine besondere Bedeutung hat.
Die Basilika Maria Maggiore ist die größte der über 40 Marienkirchen Roms. Der Legende nach wurde sie nach dem sogenannten Schneewunder am Morgen des 5. August 358 unter Papst Liberius gegründet. Der heutige Bau stammt von 432, dem Ende des Pontifikats Cölistins I. (Papst 422 bis 432). Die Weihe fand am 5. August 434 durch Papst Sixtus III. statt, also genau nach 76 Jahren der Erstgründung aufgrund des Schneewunders. Allerdings ist umstritten, ob der Vorgängerbau tatsächlich genau an der heutigen Stelle der Basilika gestanden hat. Bei Ausgrabungen wurden keine Hinweise darauf gefunden.
9 Rom, Platz und Basilika Santa Maria Maggiore. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Giovanni_Paolo_Pannini_-_The_Piazza_and_Church_of_
Santa_Maria_Maggiore.jpg, Ölgemälde 1744, ital. Maler 1691-1765 (Herkunft/Fotograf www.wga.hu/html/p/pannini/maggiore.html). Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos: Frei von bekannten Beschränkungen durch das Urheberrecht (© nach Gemeinfrei, Public domain)
Gründung von Santa Maria Maggiore in Rom (Schneewunder), Gemälde etwa 1517-1519 von Mathis_Gothart_Grünewald. (© nach Gemeinfrei, Public domain) 10
Dem kinderlosen römischen Patrizierpaar Johannes und seiner Frau ist in der Nacht zum 5. August 358 die Madonna (Maria) erschienen (nach anderen Quellen 352). Die Madonna versprach dem Paar, dass der Wunsch nach einem Sohn in Erfüllung gehe, wenn ihr zu Ehren eine Kirche an der Stelle errichtet werde, wo am nächsten Morgen Schnee liege.
Daraufhin begaben sich Johannes und seine Frau zu Papst Liberius und erfuhren, dass der Papst den gleichen Traum hatte. Und tatsächlich, an diesem Sommermorgen war die höchste Stelle des Esquilinhügels in Rom weiß vom Schnee.
Papst Liberius ordnete den Bau der Kirche an, bezahlt vom Ehepaar, dessen Kinderwunsch in Erfüllung gegangen war.
Das Schneewunder in Rom inspirierte die Andalusier zur abgewandelten Legende, dass beim ersten Schnee auf dem Mulhacén Kinderwünsche in Erfüllung gehen. Auch deshalb ist der Mulhacén Wallfahrtsort und wird am 5. August des Jahres von vielen Einheimischen der Sierra Nevada bestiegen (Anmerkung: Um zu schauen, ob Schnee liegt?). Bei der Prozession wird die Marien-Statue mitgeführt, um sie dann auf dem Gipfel aufzustellen. Auch sollen alle Kinder der Sierra Nevada so früh wie möglich den Gipfel besteigen, und zwar aus eigener Kraft. Das geschieht oft schon im Alter von 9 Jahren. Jedem Erstbesteiger wird der Segen erteilt, und er ist fortan in den würdigen Kreis der Sierra-Nevada-Andalusier aufgenommen. Entsprechendem späteren Kindersegen dieser jungen Leute steht dann nichts mehr entgegen. So wurde mir die auf den Mulhacén bezogene Bedeutung des Festes erklärt.
Santa Maria Maggiore ist eine der vier Patriarchalbasiliken Roms. Es gibt da noch den Petersdom, San Paolo fuori le Mura und San Giovanni in Laterano. Allen vier Basiliken ist gemeinsam, dass die katholische Kirche jedem Gläubigen bei einem Besuch der vollkommene Ablass gewährt wird. Man soll beim Besuch andächtig das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis sprechen.
Der Besuch kann am Titularfest der Kirche, an jedem kirchlichen Feiertag oder auch einmal im Jahr an einem beliebigen Tag erfolgen. (siehe www.heiligenlexikon.de, Artikel Maria Schnee)
Doch auch für jeden Nichtgläubigen ist ein Besuch lohnenswert, allein schon wegen der einzigartigen Mosaiken an Wänden und Fußboden. Näheres steht unter www.vatican.va/various/basiliche/sm-maggiore/ge/storia/introduzione.htm.
10 Gründung von Santa Maria Maggiore in Rom (Schneewunder).
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Mathis_Gothart_Gr%C3%BCnewald_003.jpg, Ölgemälde etwa 1517-1519 von Mathis_Gothart_Grünewald, deutscher Maler etwa 1475-1528 (Herkunft/Fotograf The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei.) Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Weitergabe des Fotos: Frei von bekannten Beschränkungen durch das Urheberrecht (© nach Gemeinfrei, Public domain)
Statue of the Virgin, Pico Veleta, Sierra Nevada, Spain.
(Urheber Jebulon, © nach CC BY-SA 3.0) 11
Monument of Our Lady of the Snows in Sierra Nevada, Spain. Urheber Slaunger 2014, © nach CC BY-SA 3.0 12
Diese Skulptur der Maria Schnee steht auf der Nordseite der Sierra Nevada. Von Granada über Pradollano führt eine Straße bis ins Skigebiet und dann weiter zum Pico del Veleta. Direkt an dieser Straße oberhalb von Pradollano steht die Virgen de las Nieves (Heilige Jungfrau des Schnees), die in Spanien auch als Nuestra Señora de las Nieves verehrt wird. Noch häufiger ist der Titel Virgen Blanca (Weiße Jungfrau).
Man kommt mit dem Privatauto bis zu einer Schranke, die Weiterfahrt ist nicht erlaubt. Vom nahe gelegenen Parkplatz aus sind es aber weniger als 2 Kilometer bis zum Monument. Leider habe ich keine Info finden können, wann und von wem das Monument errichtet wurde. Um das herauszufinden, sollte man selbst hinfahren.
Für mich wäre interessant, ob diese Schranke am 5. August, dem Maria-Schnee-Feiertag, ebenfalls geöffnet ist (so wie von Capileira aus). Vielleicht ist es dann auch hier möglich, bis nahe des Veleta mit dem Privatauto zu fahren. Aber das ist nur ein frommer Wunsch von mir, auch dazu habe ich im Web keine Infos gefunden.
Da die Straße für Biker freigegeben ist, zieht es jährlich viele Radsportbegeisterte in diese Region. Allerdings ist das nur in den Sommermonaten möglich, im Winter ist das Gebiet fest in der Hand der Skifahrer. Der Veleta (3392 m) ist der höchste Punkt Europas, den man mit dem Fahrrad auf normaler Straße erreichen kann. Die Steigung ab Pradollano beträgt durchschnittlich 6,5 %, eine für trainierte Fahrradsportler noch gut zu bewältigende Herausforderung. Belohnt wird man mit herrlichen Ausblicken (wie eigentlich überall in der Sierra Nevada) und der Gewissheit, es geschafft zu haben.
Wenn ich mir das nebenstehende Monument so anschaue, trifft "Maria mit dem Kinde" genau meine Empfindung. Anmutig, fast grazil, das Kind beschützend, gleichzeitig oben thronend und mit dem Gewand den Fels (die Erde) umfassend steht Maria über uns. Sie will sagen: Seht her, so wie ich mein Kind beschütze, so sollen die Menschen die Erde schützen, in Frieden und im Gleichklang mit der Natur.
11 Statue of the Virgin, Pico Veleta, Sierra Nevada, Spain. Urheber Jebulon.
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Virgen_de_la_Nieves_y_Veleta.JPG, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en,
Zuschnitt/Farbanpassung/Himmelblau-Montage: Peter E. Burkhardt, Foto-Weitergabe zu gleichen Bedingungen
12 Monument of Our Lady of the Snows in Sierra Nevada, Spain. Urheber Slaunger 2014.
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Our_Lady_of_the_Snows_Sierra_Nevada_Seen_from_downhill_2014-08-07.JPG, Lizenz:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en, Zuschnitt/Farbanpassung: Peter E. Burkhardt, Foto-Weitergabe zu gleichen Bedingungen
14.23 Uhr. Jacke und T-Shirt waren trocken, auch meine Kräfte waren zurückgekehrt. Meine Gedanken hingen am Bericht der Holländer zum Maria-Schnee-Feiertag. Wenn es tatsächlich möglich wäre, morgen mit dem Auto bis hier hoch zu fahren, wäre das super. Habe ich es bis hierher geschafft, würde der Rest bis zum Mulhacén von hier aus auch zu schaffen sein.
Mein nächstes Ziel, der Aussichtspunkt zum Bergdorf Trevélez, liegt schon auf dem Rückweg vom Bus-Parkplatz aus. Doch erst einmal musste ich meinen kleinen Rucksack buckeln und noch ein paar Fotos machen. Schon beim Aufnehmen des Rucksacks meinte ich, Käfer davonlaufen zu sehen. Absolut erschreckt habe ich mich, als ich den Fotoapparat aus der Tasche zog. Eine mächtige Grille hatte es sich in der Fototasche bequem gemacht. Sie hielt still, wahrscheinlich extra für mich als Fotomodell. Respekt flößte mir der Stachel ein. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es nur eine ungefährliche Legeröhre dieses weiblichen Tieres war. Die männlichen Grillen haben dieses Organ natürlich nicht.
Nachdem ich das Tierchen im Kasten hatte, nahm ich schnell die Fototasche von der Schulter. Sie musste wohl bemerkt haben, dass ihr neuer Unterschlupf nicht von Dauer sein konnte. Mit Windeseile raste sie aus der Tasche in das nahe Gras. Ich holte erst einmal tief Luft. Nun untersuchte ich auch meinen Rucksack. Bloß gut, dass alle Reißverschlüsse dicht verschlossen waren. Ansonsten hätte ich vielleicht noch mehr Besucher gehabt.
Neben bzw. halb unter dem Stein, an dem ich die Sachen abgelegt hatte, fand ich dann noch mehr Vertreter dieser Grillenart. Sobald sie von mir gestört wurden, rannten sie davon. Ich machte mir so meine Gedanken. Zelten in dieser Gegend ist also auch mit gewissen Risiken verbunden, gemeinsam mit Tieren aufzuwachen. Auf jeden Fall sollte man einen vernünftigen Unterboden haben und alles dicht verschließen, denn erfahrungsgemäß suchen auch die Tiere nachts die Wärme im Zelt. Mit Eidechsen habe ich das schon erlebt.
Blick Richtung Südosten. Trevélez liegt im Tal.
Die Grille in meiner Fototasche, etwa 5 cm lang
Die Wegmarkierung hinunter nach Trevélez
3 Stunden bergab, die es in sich haben (1220 Höhenmeter)
Bis zum Mirador sind es vom Bus-Parkplatz aus nur ein paar hundert Meter auf der Straße Richtung Capileira. Rechts liegt die Spitze des Chórrillo (2721 m), links gegenüber geht der Pfad nach Trevélez ab. Die 3 Stunden auf dem Schild sollte man nicht ernst nehmen. Vor allem hochzu dürfte man für die 8 Kilometer bei 1220 Höhenmetern wesentlich mehr brauchen. Der Pfad ist steil, bei Hitze eine Herausforderung.
Blick in Richtung Norden, rechts der Pfad der am Mulhacén II vorbei zum Mulhacén führt, links die Bergstraße GR411. In der Senke, von der ich gekommen bin, liegt der kleine Parkplatz des Shuttle-Busses (nicht sichtbar).
Blick nach Norden, links oben der Pfad zum Mulhacén
Am Horizont die Berge im Norden der Sierra Nevada
Zugang zum eigentlichen Aussichtspunkt auf Trevélez.
Das Trevélez-Tal, einige Häuser sind erkennbar
Der Aussichtspunkt hinüber ins Tal mit dem Rio Trevélez und weiter auf die Berge im Osten eignet sich nicht nur für Fotos, sondern vor allem für eine Pause, um in Ruhe die Bergwelt zu genießen. Bei guter Sicht (und guten Objektiven) entdeckt man später Dinge auf den Fotos, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen wären.
Von Trevélez sieht man nur den nördlichsten Zipfel. Sicher ist die Ansicht besser, wenn man ein paar hundert Meter den Wanderweg hinunter in Richtung Trevélez läuft. Ich war zu faul dazu und begnügte mich mit dem Panorama vom Mirador aus.
Nördliches Trevélez-Ende mit den Terrassen
Die Zufahrt im Trevélez-Tal (A-4132 von Busquistar aus)
Sierra Nevada im Südosten, flach und ohne Bäume.
Trevélez im Oktober 2010, Anfahrt durchs Trevélez-Tal. Der Weg zum Mirador führt über die hochgelegenen Terrassen hinauf zum Gipfel (links im Bild). Man kann aber auch im Tal am Fluss Trevélez entlang wandern und gelangt so über die Laguna Hondera auch zum Mulhacén.
Von Trevélez ist nur ein kleiner Teil zu sehen.
Blick nach Süden. Hinter dem Horizont ist das Meer.
Felsen sind selten, man sollte aber auf dem Weg bleiben.
Schon in der Vorgeschichte zu dieser Reise erwähnte ich unseren Besuch in Trevélez im Jahre 2010. Damals hatte mir die Höhenluft Probleme bereitet. Aus heutiger Sicht ist mein Wunsch groß, den Ort noch einmal zu besuchen. In 1480 Metern Höhe gelegen ist er der ideale Startpunkt für Wanderungen entlang des Rio Trevélez zu den 7 Seen (Siete Lagunas) oder sogar bis hinauf zum Mulhacén. Aber auch Trevélez selbst hat einiges zu bieten, allein schon die Ortslage und Architektur. An den Berg geklebt erklimmen mehrere Ortsteile den ziemlich steilen Hang. Ich hatte versucht, mit dem Auto nicht über die Hauptstraße, sondern von der Kirche aus in den obersten Ortsteil zu gelangen. Ich hatte mit dem schweren Omega keine Chance. Die engen Straßen sind zu steil, das Umdrehen waghalsig, auf keinen Fall empfehlenswert, es nachzumachen.
Es war genau 14.43 Uhr, als ich wieder auf der Straße stand, um den Busspuren talwärts zu folgen.
Straße Richtung Capileira am Prado Llano vorbei (2577 m)
Blick ins Trevélez-Tal, viel Bäume und Gärten
Am Horizont der Südosten der Sierra Nevada
Der Wald zeigt an, das Hochgebirge liegt hinter mir.
Der Rückweg ist wenig aufregend, aber mit super Aussicht.
Die Bus-Spur führt mich zurück zur Schranke.
Der Molina-Mirador ist nicht mehr weit.
Hinter dieser Kurve liegt der Molina-Mirador.
Auf der Straße zurückzulaufen hatte zwar den Vorteil, nicht zweimal den gleichen Weg zu gehen. Doch der Hinweg auf der gegenüberliegenden Seite des Bergrückens, den ich heute Vormittag genommen hatte, war wesentlich abwechslungsreicher. Hier an der Straße ist kaum Vegetation. Nur ganz wenige buschartige Bäume stehen am Straßenrand. Würde ich die Strecke nochmals laufen, würde ich auf jeden Fall den Weg oberhalb des Poqueira-Tals nehmen.
Der Mirador ist zwar informativ, aber leider nur für Spanisch-Kundige. Mindestens Englisch würde ich mir wünschen.
Es war genau 16.32 Uhr. Keine 2 Stunden habe ich gebraucht, um vom Mirador de Trevélez bis hierher zu kommen. Von dem Puerto Molina hatte ich keine Vorstellung, eigentlich eine ganz ordentliche Anlage. Allerdings muss man Spanisch beherrschen. Nicht um die Aussicht zu genießen, sondern um die dazugehörigen Informationen lesen zu können. Manches auf den Tafeln war auch schon verwittert und deshalb sowieso nicht erkennbar.
Wie aus dem Nichts tauchte der Bus über mir auf.
Voll besetzt, sie waren sicher alle auf dem Mulhacén.
Ich bin mir trotzdem sicher, sie waren alle auf dem Mulhacén. Ich hatte das noch vor mir.
In Nähe des Waldes wurde es wieder heiß. Der Wald hält den leichten Wind ab und sofort brennt die Sonne. Da kam mir ein junges Paar entgegen. It´s too late for the Mulhacén. Mein Konversationsversuch wurde belohnt. Sie wollten nicht zum höchsten Berg, sondern auf den Veleta. Das war ja noch ein ganzes Stück weiter. Sie hatten schwere Ausrüstung dabei und wollten demzufolge in den Bergen übernachten.
Nun gut, mein Weg ging abwärts. Bis zum Parkplatz brauchte ich nur 30 Minuten. Abwärts geht es eben doch schneller. Außerdem stand dort mein Auto und Hunger hatte ich auch. Das es heimzu schneller geht, kenne ich von den Pferden. Ich hatte doch früher als junger Bursche beim Bauer mitgeholfen und durfte schon ganz zeitig, ich war 9 oder 10, das Pferdegespann führen. Frühmorgens, als es auf das Feld ging, waren die Pferde unwillig, besonders der große Fuchs. Außerdem musste man das Gespann genau dirigieren. Die Pferde konnten ja nicht wissen, auf welchen Schlag (Feld) es gehen sollte. Abends dagegen war alles kein Problem. Sobald es Richtung Stadt ging, hätte man auch absteigen können. Das Gespann wäre dort gelandet, wo es hinsollte, nämlich auf dem Hof des Bauern.
Eigentlich hat so ein Bus im Schutzpark nichts zu suchen.
Kurz vor der Abkürzung durch den Wald kam der Shuttle-Bus. Ich sah ihn zum ersten Mal. Natürlich ist es bequemer, mit dem Bus hochzufahren. Ich war aber, trotz der Strapazen, die ich bis hierhin auf mich genommen hatte, stolz auf mich, gelaufen zu sein. Der Bus hatte ein ziemliches Tempo drauf und war voll besetzt. Komisch, oben bin ich keiner Seele begegnet (außer den Holländern und den Leuten aus der Schweiz). Es ist aber auch so, dass sich die Bus-Leute in den Weiten der Berge recht dünn verteilen können.
Der Weg zurück zum Auto fällt leichter.
Nicht nur Hunger trieb mich abwärts. Mein Hals war schon ein Weilchen unangenehm trocken. Die zwei Flaschen (3 Liter) waren leer. Mehr hätte ich aber auch nicht mitschleppen wollen. Angesichts der Bäche weiter oben hat man eigentlich genügend Wasser zur Verfügung. Ich hatte aber nur davon gekostet.
Meine Knie schmerzten, obwohl ich sonst keine Probleme damit habe. Es ist aber so, dass beim Abstieg die Belastung sehr groß ist. Wie schon gesagt, Wanderstöcke sind wichtig zur Entlastung. Das Parkplatz-Wachhäusl war besetzt. Ich musste den Rancher fragen wegen der Fahrt mit Privatauto.
Lange Zeit zum Verschnaufen blieb mir nicht. Ich hatte ja noch vor, nach Capileira runter zu fahren, meine Essensvorräte waren nahezu erschöpft. Der Rancher bestätigte tatsächlich: Ab 20 Uhr heute ist die Schranke offen, bis 19 Uhr am morgigen Tag. Allerdings morgen ab 12 Uhr nur noch runterzu. Etwa um 10 Uhr wird morgen die Maria-Statue auf dem Berg sein und eine Art Predigt abgehalten.
So habe ich wenigstens den Rancher verstanden. Ich nahm mir vor, nochmals zum Info-Häusl in Capileira zu gehen, um mehr zu erfahren.
Einen Parkplatz in Capileira zu bekommen, war wieder nicht so einfach. Nur fast am oberen Ende des Ortes fand ich an der Straße eine Lücke. Zumindest war es nicht ganz so weit bis zum Ortskern. Doch wo ein Supermarkt sein sollte, wusste ich nicht. Ich sprach Leute an, die wie Touristen aussahen. Die konnten mir auch nicht helfen. Erst der Inhaber eines Taschen- und Hutladens wusste, was ich wollte und wies mir den Weg.
Der einzige Supermarkt im Ort ist ein relativ kleiner Laden (gemessen an deutsche Verhältnisse), versteckt gelegen und vollgestopft mit Waren aller Art. Die einzige Kasse übersieht man fast. Weiter hinten ist eine Art Fleisch- und Käsestand. Zwei Knacker blinzelten mir zu. Ich hatte Appetit drauf und nahm sie mit. Wie sich später herausstellen sollte, war das ein Fehler. Die Würstchen stanken furchtbar (für meine Empfindung) und landeten im Müll. Sie waren nicht schlecht, sie rochen einfach ganz unangenehm nach Talg und altem Schwein. Na ja, andere Länder, andere Geschmäcker. Das schwarze Kastenbrot dagegen sah super aus und hat auch super geschmeckt. Vielleicht stammte es von einem deutschen Bäcker? Es war nicht verpackt, die Herkunft konnte ich nicht feststellen. Zwei Baguettes und etwas Käse kamen noch hinzu, das war alles. Weintrauben fand ich nirgends.
Am oberen Ortsausgang fand ich noch einen Parkplatz.
Typisch andalusisches Flair
Die Wasserstelle, hinten der Hinweis zum Supermarkt
Durchgehende Öffnungszeiten, sogar während der Siesta
Hier holen auch die Einheimischen das Wasser.
Das Touristen-Häusl befindet sich fast in Ortsmitte gegenüber dem Gemeindehaus. Vor dem Häusl ist auch die Haltestelle für den Shuttle-Bus, der früh die Mulhacén-Besteiger hochfährt und nachmittags alle wieder zurückbringt.
Appartements und Bars gibt es an jeder Ecke.
Das Gemeindehaus gegenüber dem Touristen-Häuschen
Offen 11 bis 14 und 17.30 bis 20 Uhr, im Winter zu.
Die Hauptstraße talwärts Richtung Bubión
Touristen-Häusl (Bus-Tickets), Calle Barranco de Poqueira
Bus-Service: Servicio de Interpretación de Altas Cumbres
Trotz Saison ist nicht immer alles besetzt.
Am Info-Häusl fließt auch ständig Wasser aus einem nicht verschließbaren Kupferhahn. Vorsichtig wie ich bin, suchte ich nach einem Schild. Kein Hinweis auf Trinkwasser! Ein älterer Andalusier, wie üblich in der Sonne auf einer Bank sitzend, gab mir zu verstehen, dass alles Wasser aus den Bergen käme. Ich hatte mir das schon gedacht. Denn Wasser aus der Leitung würde man bestimmt nicht den ganzen Tag laufen lassen. Der Alte sah faltig und verwittert aus. Aber er war freundlich, lachte sogar und schien froh zu sein, dass sich jemand mit ihm unterhielt.
Unterhalten ist absolut übertrieben, doch er konnte ein paar Brocken Deutsch. Das ist in dieser Bergregion für Einheimische ungewöhnlich.
Während ich noch bei dem Alten stand, zeigte sich plötzlich die Frau aus dem Info-Häusl. Hoffentlich haut die nicht ab, dachte ich. Es hätte ja sein können, dass sie Feierabend machen will. Nein, sie kam rüber, hatte mich erkannt und fing alleine an, mir zu erklären, was morgen ablaufen sollte. Ich verzweifelte fast an meinen Sprachschwierigkeiten. Hätte ich bloß ein paar Worte mehr Spanisch gelernt. Um mir etwas zu zeigen, zog sie mich in ihre Hütte. Dort hatte sie eine alte Karte aus der Region liegen. Sie beschrieb mit dem Finger genau, was ich durch meine heutige Wanderung eigentlich schon kannte. Das mit dem Privatauto bestätigte sie. Auch die Zeiten stimmten mit der Auskunft des Park-Ranchers überein.
Ich solle mich gut eincremen. Was? Will die mir jetzt etwa noch Sonnencreme verkaufen? Nein. Sie sah wohl mein gerötetes Gesicht und machte sich offensichtlich Sorgen. Sie zeigte auf die Arme, die Hände, auf die Stirn und auf die Wangen. Mein Eindruck, dass sie fast wie meine Mutter war, verstärkte sich noch. Ich denke, sie ist eine gute Seele. Schade nur, dass ich ihr das nicht sagen konnte.
Zurück am Auto verstaute ich erst einmal meine Einkäufe und kramte ein paar leere Flaschen und den Kanister heraus. Ich musste ja wieder zurück, um Wasser zu füllen, allerdings in Nähe des oberen Parkplatzes. Dieser Parkplatz liegt etwas versteckt, oben abgehend von der Hauptstraße. Man muss eine recht steile Straße hinunterfahren, für mich nicht so prickelnd. Für das bequeme Wassertanken könnte man aber auf dem kleine Platz vor dem Wasserbecken parken.
Eine Einkaufsstraße parallel zur Hauptstraße
Capileira liegt abseits und hoch in den Alpujarras. Vielleicht sind deshalb nicht so viele Touristen hier.
Dieser Parkplatz nahe der Wasserstelle war immer voll, allerdings auch kostenlos und ohne Parkzeitbeschränkung.
Der obere Teil der Hauptstraße, die in den Camino de la Sierra führt und letztlich zum Parkplatz mit der Schranke.
Die Appartement-Preise bewegen sich im vernünftigen Rahmen, für mich aber trotzdem nicht akzeptabel.
An der Wasserstelle war ständig Betrieb. Teilweise musste man warten, bis der Hahn frei war. Die Leute, dem Aussehen nach Dorfbewohner, füllten nicht nur ihre Flaschen, sondern auch recht große Kanister. Um ohne Leute Fotos machen zu können, musste ich ein Weilchen warten.
Nach dem Einkauf fuhr ich unverzüglich wieder hoch.
Hier erfuhr ich, wie ich zum Supermarkt komme.
Im Nachhinein muss ich sagen, Capileira ist eigentlich das schönste der drei Bergdörfer neben Pampaneira und Bubión. Das Dorf ist klein, recht sauber und die Häuser sind durchweg alle gepflegt und im guten Zustand. Irgendwelche Müll- und Dreckecken habe ich nicht entdecken können, im Gegensatz z.B. zu Pampaneira. Natürlich beurteilt man alles oft nur aus touristischer Sicht. Die wirklichen Probleme der Bewohner bleiben sowieso im Verborgenen.
Mir ist aufgefallen, dass hier oben trotz der Saisonzeit relativ wenige Leute unterwegs waren. Immerhin war ich in den Abendstunden beim Einkauf. Da kommen erfahrungsgemäß die Bewohner und Gäste aus den Häusern, da dann die andalusischen Sommertemperaturen erträglicher sind. Aber aufgrund der Höhe war es sowieso nicht so warm.
Angenehme Temperaturen, saubere Bergluft, überschaubare Zahl von Touristen, reizvoll anzusehende Siedlungen ober- und unterhalb des Dorfes, ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten in kleineren Häusern, die herrliche Aussicht ins Poqueira-Tal und der sehr günstige Startpunkt für Sierra-Nevada-Wanderungen — all das sind Vorzüge von Capileira, die ich für erwähnenswert halte. In den anderen mir bekannten Dörfern, z.B. auch in Trevélez, ist wesentlich mehr los und es ist wesentlich mehr Verkehr. Dadurch erscheint mir manche zwar schön gelegene Ortschaft schon nicht mehr so attraktiv. Früher war es sicherlich überall ruhiger, aber jetzt kommen viele Touristen mit dem Bus in die oberen Regionen, um vielleicht nur Souvenirläden zu stürmen oder auf die Berge aus der Nähe zu schauen. Den Mulhacén besteigen oder auch nur Wandern ist den Meisten zu anstrengend.
Rechtzeitig gegen halb 8 (19.30 Uhr) kam ich vom Einkauf in Capileira zurück. Der Parkplatz Hoya del Portillo war voll mit PKWs, Wohnmobilen und Geländewagen. Vor der Schranke standen schon einige PKWs und warteten. Der Park-Rancher würde um 20 Uhr die Schranke öffnen, und dann war genug Zeit bis zum Sonnenuntergang, um am endgültigen Ende der Fahrstraße in 2700 Meter Höhe einen Schlafplatz zu suchen. Warum also dieses Drängeln, der Erste zu sein? Staubwolken auf dem Camino de la Sierra kündigten noch mehr Autos an. Bald würde der Platz überlaufen. Instinktiv reihte auch ich mich in die Kolonne ein und war so der 6. oder 7. vor der Schranke. Wie vorteilhaft das war, merkte ich erst später.
Die letzten Minuten vor 8 war ein gespanntes Erwarten, fast wie beim Formel-1-Start. Es heulten aber keine Motoren, im Gegenteil, es lag eine seltsam feierliche Stimmung in der Luft. Jeder der Anwesenden verhielt sich ruhig, man schwatzte miteinander, manche zurrten nochmals das Gepäck auf dem Dach fest, selbst die zahlreichen Jugendlichen und Kinder verhielten sich artig wie beim sonntäglichen Kirchgang. Irgendwie schienen sich alle zu kennen.
Die meisten waren als Familie unterwegs und vermutlich aus der Region. Die Autos waren bepackt mit allem, was man zum Campen und Wandern braucht: Zelte, Schlafsäcke, Decken, Klappstühle, vereinzelt sogar kleine Tische, Nahrungsvorräte, Kocher, Grillgeräte, Rucksäcke und vieles andere.
Noch ist die Schranke zu, in wenigen Minuten nicht mehr.
Mir schien, manche wollten eine ganze Woche in den Bergen verbringen. Dabei mussten alle Fahrzeuge bis spätestens 19 Uhr des nächsten Tages wieder diesseits der Schranke sein. Das heißt, keiner durfte motorisiert in den Bergen bleiben.
Mein Blick suchte auf den Nummernschildern nach einem D, oder wenigstens ein F, doch vergebens, nur E. Sollte ich tatsächlich der einzige Ausländer sein? Natürlich könnten auch von Touristen benutzte Mietwagen dabei sein, aber danach sah es nicht aus.
Hinter mir hatte sich ein Camper ähnlich einem VW-Bus eingereiht. Es war ein jüngeres Ehepaar (oder auch nicht). Aus Gepäck, Ausrüstung, der fest eingebauten Schlafgelegenheit und dem naturnahen Aussehen der Beiden schloss ich, dass sie nicht aus der Region kamen und schon längere Zeit unterwegs waren. Dass ich mich nicht irrte, sollte ich später erfahren. Türenschlagen einiger Autos unterbrach den Versuch, meine Neugierde schon jetzt zu stillen.
In Kolonnenfahrt wird heute die Sierra Nevada gestürmt.
Oberhalb des Waldes wird es wieder hell.
Es kam Bewegung in die Kolonne. Der Schlagbaum war oben und die ersten Fahrzeuge hoppelten und schaukelten den Schotterweg hinauf. Der mir bekannte Rancher an der Schranke begrüßte auch mich, geradeso, als sei ich als Gast zu seiner Party eingeladen.
Vornweg fuhr ein Auto der Parkverwaltung und gab das Tempo vor. Mir tat mein Dacia leid, teilweise ragte Naturfels flach aus der mit Schotter belegten Straßendecke, auch hatten an manchen Stellen Sturzbäche Rinnen in die Fahrbahn gespült. Mein Tempo war entsprechend gering und ich hatte schon Bedenken, die ganze Reihe hinter mir aufzuhalten. Das war aber nicht der Fall. Der Abstand zum Bus hinter mir vergrößerte sich sogar. Ich konnte mir also Zeit nehmen. Das war auch nötig. Je weiter wir die kurvenreiche Strecke hinaufkamen, desto schlechter wurde der Fahrweg. Mein Vorhaben, unterwegs aus einer Hand Fotos zu schießen, musste ich aufgeben. Nur mit kurzen Blicken streifte ich die wunderschöne Berglandschaft um mich herum, die Straße forderte all meine Aufmerksamkeit. Außerdem wälzten sich Staubwolken talwärts, nur wenig vom Wind abgetrieben. Die etwa 8 Kilometer lange Strecke führte anfangs über kurvenreiche Serpentinen durch Wald, dessen Bäume immer kleiner wurden.
Oberhalb der Baumgrenze ab dem Mirador Puerto Molina (Aussichtspunkt mit Info-Tafeln) ist die Straße relativ gerade und folgt dem Kamm des Loma de Piedra Blanca. Zum Ziel, der kleine Parkplatz des Mini-Busses (Environmental Interpreting Service), sind rund 400 Höhenmeter zu überwinden.
Am Wegweiser zum Refugio Poqueira wurde jedes einzelne Auto gestoppt, musste umdrehen und sich in die Schlange am Straßenrand einreihen. Ich hatte gedacht, dass der Bus-Parkplatz genutzt wird, aber das war nicht der Fall. Später war mir auch klar warum. Ein Auto kam nach dem anderen, weit mehr, als unten auf dem Schranken-Parkplatz gestanden hatten. Es schien, als sei die ganze Region aufgebrochen, um auf den Mulhacén zu gelangen. Das dies nicht übertrieben ist, stellte sich am nächsten Tag heraus. Soweit ich zurückblicken konnte, war die Straße zugeparkt.
Doch ich will der Reihe nach erzählen.
Die Parkordnung, am Horizont der Mulhacén II
Blick Richtung Osten, mein Schlafsack im Auto wartet.
Für das vorschriftsmäßige Parken sorgte eine Park-Rancherin. Sie passte genau auf, dass zwischen den Fahrzeugen nicht zu große Lücken blieben und dass auch wirklich hart am Rand geparkt wurde. Ich stand deshalb ziemlich schräg, musste das aber akzeptieren. Bloß gut, dass mein Platz bei der Anfahrt weit vorn im Autokorso war, entsprechend weit vorn stand ich jetzt auch an der Weggabelung. Vor mir (bzw. hinter mir, wir standen ja schon in Richtung Rückfahrt) zählte ich 10 Autos.
Die junge Frau war nicht die einzige, die sich um das Einparken kümmerte. Längs der immer länger werdenden Autoschlange postierten sich noch andere Helfer. Ordnung muss sein, dachte auch ich. Offensichtlich hatten die Rancher in vergangener Zeit nicht so gute Erfahrungen mit der Disziplin ihrer Auto-Gäste gemacht.
Ich kann mir gut vorstellen, dass auch bei den Spaniern nicht immer jeder einsieht, dass Parkplatz oft ein rares Gut ist. In den Dörfern wird sowieso geparkt, wie es am bequemsten ist, nicht unbedingt nach Vorschrift.
Weiter zurück sah ich, wie ein Auto auf der schmalen Schotterstraße wenden wollte. Das wurde sofort unterbunden. Der recht junge Fahrer hätte zumindest mit einer Achse von der Straße in die kärgliche Vegetation gemusst. Das wusste ein lautstark rufender und wild gestikulierender Rancher zu verhindern. Brav fuhr der junge Mann mit dem Auto an mir vorbei bis zur Wendemöglichkeit, um dann zurückzukommen und sich ordnungsgemäß an das Ende (eigentlich Anfang) der inzwischen stark gewachsenen Autoreihe zu stellen.
Den ganzen Vorgang beobachtete ich zusammen mit der Park-Rancherin. Sie war sichtlich interessiert, mit mir ein paar Worte zu wechseln. Ihr Deutsch hätte sie nur während des Studiums gelernt. So ganz nebenbei erfuhr ich, dass sie Mathematik lehren würde. Alle Achtung, dachte ich. Allerdings verriet sie mir nicht, wo. Vielleicht in Granada? Jedenfalls staunte sie, dass ich als Ausländer und auch noch mit dem eigenen Auto hier oben gelandet war. Das ist also doch relativ selten. Scheinbar sind die Spanier am Vorabend des 5. August bzw. am Tag der Wallfahrt unter sich.
Anfänglich hatte ich mir Gedanken gemacht, wo denn die vielen Leute schlafen würden. Jetzt wurde das Rätsel gelöst: Überall! Manche bereiteten ihr Lager im Auto vor, andere bauten ihr Zelt auf und wieder andere schliefen einfach unter freiem Himmel im Schlafsack auf den mitgebrachten Unterlagen. Doch Schlafenszeit war noch lange nicht. In der zunehmenden Dämmerung wurden Sitzgelegenheiten und Tische aufgebaut, einige warfen den Gasgrill an, andere bildeten schon kleine Runden, um sich das mitgebrachte Abendessen schmecken zu lassen.
Mir fiel auf, dass alles in Ruhe, fast feierlich vonstatten ging. Ich mit meinem Kanten Brot, dem Wasser und ein wenig harte Wurst kam mir, gelinde gesagt, ärmlich vor. Das musste wohl auch von dem Pärchen des Klein-Busses bemerkt worden sein, die ebenfalls ihre Utensilien für das Abendessen aufgebaut hatten. Sie sprachen mich an und kurz darauf saßen wir zu dritt im spärlichen Gras mit einem kniehohen Tisch vor uns. Ich solle mein Essen für morgen aufsparen, sie hätten auch für mich etwas. Mir war es recht so.
Erwartungsvoll, aber ausgesprochen mühsam, versuchte ich, die Zeit bis zum gedeckten Tisch mit sinnvoller Konversation zu überbrücken. Mein grottenschlechtes Englisch wurde aber zumindest ansatzweise verstanden. Ich erzählte ein wenig mein Woher und Wohin. Die Beiden hatten ähnliche Ansichten wie ich, waren viel unterwegs und kannten alle Städte in Spanien und Portugal, in denen ich auch schon mal war. Erstaunt war ich, dass sie auch schon die Frauenkirche in Dresden besichtigt hatten.
Noch überraschter war ich allerdings, als eine Flasche Rotwein geöffnet wurde, deren Inhalt in einer schönen Kristall-Karaffe landete. Innerlich schämte ich mich fast, dass ich selbst unterwegs den Wein schon direkt aus der Flasche getrunken hatte. Gläser standen nun auch da. Auf dem kleinen Gasgrill lagen 3 in Alu-Folie eingewickelte Päckchen. Ich hatte keine Ahnung, was drin sein könnte.
Langsam werden es immer mehr Zelte für die Nacht.
Ob ich Fleisch essen würde, was ich selbstverständlich bejahte. Die Päckchen entpuppten sich als eine Art Pastete, allerdings war die Teighülle dem Fladenbrot der Tuarek vergleichbar. Das Innere schmeckte um so besser. Es waren vorgebratene sehr pikant zurechtgemachte Schaffleisch-Streifen. Es schmeckte vorzüglich, der Wein dazu, die Sierra-Nevada-Luft und dazu noch Gitarrenklänge, die aus einem der Zelte kamen. Nie hätte ich gedacht, an diesem Tag so zu Abend speisen zu können. Seltsam, seit langem vermisst überkam mich ein Gefühl des Glücks.
Inzwischen war die Sonne hinter den Bergen verschwunden. Das Restlicht tünchte alles ringsum mit rosaroter Farbe. Man hörte ab und zu ein Lachen, aber sonst war Ruhe. Hier und da durchbrach Kopflampenlicht die Dämmerung, manche hatten sogar außen am Zelt kleine Leuchten befestigt.
Die Nacht zog herauf und mit ihr die Sterne. Mich umschauend gewahrte ich die schemenhaften Abgrenzungen der Berge gegen den Himmel. Es war fast unwirklich. Ich saß in der Sierra Nevada in 2700 Metern Höhe, hatte überraschend eine vorzügliche Mahlzeit gehabt und konnte die Luft der Freiheit atmen. Das Beste war aber, ich fühlte mich eingebunden in eine Gemeinschaft, die morgen zum Mulhacén-Gipfel pilgern würde, um der Heiligen Jungfrau des Schnees zu gedenken.
Gedankenverloren blickte ich in den Sternenhimmel. Meine Gastgeber schwiegen übrigens auch. Es war wie eine Besinnung auf das eigene Sein, auf die Kleinheit des Irdischen im Gegensatz zum Großartigen der Natur (oder Gottes, je nach Glauben). Ich hätte nie gedacht, dass es immer noch so viele Sterne gibt. Wie ich schon in anderen gering besiedelten Gebieten erlebte, drang nur wenig Licht aus den Städten in den Himmel. So wurde das Leuchten der Sterne nicht überdeckt. Nur aus Richtung Nordwesten war ein schwacher Schein auszumachen, der wahrscheinlich von Granada kam.
Langsam verloschen die Lichter in den Zelten, kühl wurde es auch. Zwar wehte kein Wind, doch es zog, als würde irgendwo eine Tür offen stehen. Schnell war unser Essplatz aufgeräumt. Gegen 23 Uhr kroch ich in meinen Schlafsack. Morgen würde mein großer Tag sein. Ich nahm mir vor, frühzeitig loszugehen.
Mitten in der Nacht legte mir ein Mann seine Hand auf meine Schulter. Er hatte einen Umhang an, ähnlich wie der Wetterschutz eines Schäfers. Seine breite Hutkrempe machte alles dunkel. "Du wirst es schaffen, nur Mut, lauf nicht zu schnell." Seine tiefe Stimme klang warm und beruhigend. Die Berührung schreckte mich trotzdem auf. Traumtrunken hörte ich noch ein gerade vorbeigefahrenes Auto. Es war wohl ein Nachzügler.
Ich musste raus. Ziemlich kalt, dachte ich. Die Sterne blinkerten immer noch. Sonst konnte ich kein Licht entdecken. Ganz weit vorn glaubte ich die Silhouette eines Hundes zu sehen. Ich vermied es, meine Stirnlampe anzuknipsen. Schnell krabbelte ich wieder in meine Burg. Mich störte das unvermeidliche Türzuschlagen. Den Schlafsack bis über den Kopf gezogen versuchte ich mit Mühe, den Traum zurück zu holen. Es hatte sich angehört wie eine Besprechung oder Versammlung, die sich mit mir beschäftigte. Ich muss noch sehr jung gewesen sein, vielleicht noch ein Kind, da meine Mutter auch dabei war. Zu mehr Erinnerung reichte es nicht. Was sollte das wohl bedeuten?
Nun, ich hatte keine Sorge, denn wie immer in meinen Träumen war nichts Beunruhigendes geschehen. Alpträume kenne ich nicht. Und trotzdem, wer hatte mir ein Zeichen gegeben und Mut gemacht? Mein Vater kann es nicht gewesen sein, den kenne ich nicht, ich musste ohne ihn auskommen. Seltsam. Die Müdigkeit forderte wieder ihr Recht.
Ausgeschlafen fühlt sich anders an. Vom Türenknallen oder auch aus Vorfreude wurde ich wach. Noch in Dunkelheit fand ich zuerst die Stirnlampe nicht, dann das Handy nicht, um auf die Uhr zu schauen. Viertel nach 6. Die Nacht war weg, meine Müdigkeit nicht. Der gestrige Tag mit der stundenlangen Wanderung, der Einkauf in Capileira und schließlich die Fahrt hier rauf mit dem langen Abend hatten Spuren hinterlassen. Einen Moment zögerte ich, doch dann ging alles ganz schnell. Ein Topf Kaffee mit Brot und Honig musste aber sein. Genau eine Stunde später war ich wanderfertig.
Die Sonne versteckte sich immer noch hinter den Bergen der östlichen Sierra Nevada. Es war jetzt hell genug, den Weg hätte ich nicht verfehlen können. Trotzdem lagen ungewisse Stunden vor mir. Nun also war der Augenblick gekommen, die Show konnte beginnen. Ich fühlte mich ein wenig wie der Marathonläufer am Start.
Vor und hinter mir reihten sich die Wandertrupps in den schmalen Pfad ein. Die meisten waren zu zweit, aber auch Einzelne wie ich strebten nach oben. Alle benutzten den gleichen Pfad, der zumindest anfangs sanft ansteigend dem langgestreckten Bergrücken folgt. Langsam lief ich mich ein, bemüht, die Hast einiger an mir vorbeiziehender Leute nicht zu übernehmen. Ich hatte mein Schritt-für-Schritt-Tempo gefunden, so wie mir es der Mann mit Hut und Umhang aufgetragen hatte. Ich musste lächeln, als ich an seine Mahnung dachte.
Nach vielleicht 100 Höhenmetern lohnten sich Fotos. Die Autoschlange reichte bis zur Wegbiegung. Es waren also noch eine ganze Menge Autos gekommen, vielleicht noch in der Nacht oder heute früh. Über 70 Stück konnte ich zählen, man hat ja sonst nichts zu tun. Die meisten Zelte waren verschwunden. Wahrscheinlich waren auch die restlichen Zelte leer, die vereinzelt im Gelände standen. Ich hatte nämlich den Eindruck, dass bis auf wenige Ausnahmen alle anderen schon sehr viel früher aufgebrochen waren.
Die Sonne ist noch hinter dem Loma del Mulhacén.
Diesen alten Herrn im blauen Polohemd sah ich noch oft.
Der Weg auf dem Loma del Mulhacén ist relativ flach.
Unterhalb sah ich einen Mann mit weißem Schnauzbart, Rucksack und Wanderstöcken hochkommen. Er lief wie ich, langsam, mit Blick auf den Boden gerichtet, jeden Schritt mit Bedacht setzend. Er war bestimmt ein ganzes Stück älter als ich. Ab und zu blieb er stehen, um zu verschnaufen. Mein Interesse an ihn war geweckt, sofort als ich ihn sah. Wir sollten uns später noch mehrmals treffen, ein Stück zusammen gehen und miteinander sprechen. Das ahnte ich aber jetzt noch nicht.
Mitte Pico del Veleta (3396 m), rechts daneben der Cerro de los Machos (3329 m) und der Collado del Lobo (3119 m)
Der Weg führt am Mulhacén II vorbei (links im Bild), dem kleinen Bruder des Pico de Mulhacén, der dahinter liegt.
In einer Verschnaufpause auf einem der Steine (Bild rechts, wo die Leute sind) traute ich mich, den alten Herrn mit dem blauen Polo-Hemd anzusprechen. Ich musste wissen, wie alt er ist. Dass die Kommunikation schwierig werden würde, war mir klar. Trotzdem, nach meinem "Hola" (sehr viel mehr kann ich nicht auf spanisch) lächelte mir ein wirklich in die Jahre gekommenes furchengezeichnetes Gesicht freundlich entgegen. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, nahm deshalb einen seiner Wanderstöcke in die Hand und zeichnete eine "72" in den Dreck und zeigte dann auf mich. Er war etwas überrascht. Ich spürte förmlich, wie sein Hirn rasselte. Dann grinste er mich an, zerstörte mit energischem Fußwischen mein Werk, malte eine "84" hin und lachte zum Abschluss laut.
Ich bekundete ihm mit zwei hochgestreckten Daumen meine Hochachtung und klopfte ihm auf die Schulter. Mit einer ausladenden Geste zeigte er auf die umliegenden Berge, dann auf sich, dann auf mich und plötzlich, im Nachhinein kann ich es immer noch nicht fassen, umarmte er mich. Das Ehepaar neben uns hatte alles mit angesehen und freute sich. Mein neuer Freund im Polo-Hemd begann zu erzählen, natürlich auf Spanisch. Der Mann daneben half mir. Ich verstand nur: jedes Jahr und Tradition (auf Englisch). Demzufolge war der alte Mann nur auf seinem alljährlichen Trip, nicht mehr und nicht weniger. Alle Achtung!
Der Blick zurück offenbart, dass die Autoschlange bis weit hinter die Wegkurve reicht. Links der Mirador Trevélez.
Hinter der Kurve der GR411 die Felsen des Mirador de Trevélez. Ganz hinten rechts sind immer noch Autos zu sehen. Kurz vor dem Mirador (Blickrichtung links) führt ein Weg hinunter nach Trevélez, ca. 6 km (1220 Höhenmeter, 3 h)
Der Mann im Polo-Hemd beweist, dass es nicht eine Frage des Alters ist, Dreieinhalb-Tausender zu bezwingen. Es ist, natürlich neben der allgemeinen Gesundheit und Fitness, eine Frage der mentalen Stärke. Immerhin ist man etwa 6 Stunden in einer Höhe unterwegs, wo es durchaus Probleme wegen der etwas dünneren Atmosphäre geben kann. Die trockene Luft und die brennende Sonne müssen auch bewältigt werden.
Das Wichtigste ist, genügend Wasser dabei zu haben. Man merkt garnicht, wie schnell man eine Menge Wasser verliert. Vorteilhaft ist natürlich, dass der Anstieg allmählich erfolgt. Größere Steigungen gibt es auf der ganzen Strecke nicht. Aber wenn man schwach in den Knien ist, kann auch schon eine Stufe von 50 Zentimeter ziemlich anstrengend sein.
Solche Stufen gibt es nur wenige, aber man muss drüber weg. Ein Ausweichen ist in dem Steinlabyrinth meist nur schwer möglich. Der größte Teil des Weges ist aber glatt und ohne Schwierigkeit begehbar. Voraussetzung ist natürlich festes Schuhwerk. Bei einigen vor allem jüngeren Leuten habe ich flache leichte völlig ungeeignete Schuhe gesehen, die ihren Namen nicht verdienen. Mit solchen Latschen in die Berge zu gehen ist leichtsinnig.
Bis zum Mittelmeer sind es nur etwa 60 Kilometer. Es ist hinter dem Gebirge am Horizont.
Teilweise führt der Weg im Zickzack durch Steinfelder. Im Winter, wenn Schnee liegt, ist der Weg nicht leicht zu finden. Da helfen dann die Steinmännchen zur Wegmarkierung. Verlaufen kann man sich aber nicht, solange man auf dem Bergrücken bleibt, dessen Ende der Mulhacén ist.
Die Gefahr einer Verzerrung, Verstauchung oder sonstigen Verletzung ist nicht nur viel zu groß, sondern in dieser Abgeschiedenheit auch nicht leicht zu händeln.
Mulhacén II, ein Steinhaufen, den man auf dem Weg zum Mulhacén links liegen lässt, 122 Hm vor dem Mulhacén.
Die letzten Meter vor dem Gipfel sind besonders steinig, für Mensch und Tier eine Herausforderung.
Ich hätte nicht erwartet, dass so viele Mulhacén-Bezwinger das Pferd zum Aufstieg benutzen. Man darf ja nicht vergessen, dass sie von ganz unten kommen, zumindest von Capileira aus. Pferdetransporter habe ich nur wenige gesehen. Die Strecke, die Pferd und Reiter zurücklegen müssen, ist also mindestens 23 km lang, mit Rückweg 46 km. Das ist sicherlich auch für die trainierten trittsicheren andalusischen Pferde eine enorme Belastung.
Dass dann Ross und Reiter auf glatten Strecken an mir im Galopp vorbeistürmten ist erst recht bemerkenswert. Schließlich atmen die Pferde genau nur die dünne Höhenluft wie wir selbst.
Es scheint eine Tradition zu sein, zu reiten. Ich hatte zwar vom Park-Rancher erfahren, dass die Marien-Statue mit dem Pferd nach oben gebracht wird. Dass aber aus reinem Vergnügen geritten wird, konnte ich mir nicht vorstellen. Auch ist mir unklar, ob die Reiter wirklich alle Besitzer der Pferde sind. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, sich ein Pferd zu mieten. Allerdings müsste man dann nicht nur sehr gut mit Pferden umgehen können, sondern auch sich des Risikos eines Zwischenfalls bewusst sein.
So begrüßten mich viele, sehr freundlich und mit vollem Stolz für's Video.
Letzte Anstrengung vor dem Gipfel. Das verfallene Haus auf dem Berg ist schon zu sehen. Es wird eng da oben.
Auf dem Gipfel des Mulhacén befindet sich anstelle eines Kreuzes eine kleine Marienstatue, gesichert mit Eisentor.
Die Mühsal des Aufstiegs war vergessen. Das Glücksgefühl, es geschafft zu haben, überdeckte meine Kreuzschmerzen und das Brennen der Füße. Noch gestern hatte ich insgeheim Zweifel, bis hierher zu kommen. Und nun war ich hier, auf dem höchsten Berg des spanischen Festlandes, auf dem Gipfel, auf dem irgendwo das Grab des maurischen Königs Muley Hacén sein soll. Zehntausende Pilger und Wanderer haben seit dem 15. Jahrhundert diesen Berg erklommen, aus religiösen Gründen oder auch nur aus Freude an der Natur. Ich war nun auch einer davon.
Ähnlich der buddhistischen Tradition, in den Bergen des Tibet Gebetsfahnen anzubringen, waren auch hier bunte Stoffstreifen, Schals und sogar Kleidungsstücke am Eisengitter angebunden. Zwar sind wir nicht im Himalaya, doch auch hier sind es Symbole des Glaubens als Vermittler unserer Gebete mit dem Himmel.
Die große Lagune, davor die GR411, rechts daneben das Refugio Vivac de la Caldera auf 3065 m Höhe.
Westlich vom Mulhacén bietet sich ein grandioser Blick auf den Veleta und die vorgelagerte große Caldera mit der Lagune, die niemals austrocknet. Gleich neben dem See ist eine steinerne Schutzhütte, die 1994 gebaut wurde. Sie bietet max. 20 Personen Schutz vor Wind und Wetter. Schlafen kann man auf mit Holz abgedeckten Steinbänken. Sogar eine Art Hochbett aus Holz ist vorhanden, auf dem mehrere Leute Platz haben.
Im Winter ist die Steinhütte manchmal völlig im Schnee vergraben, so dass man den Eingang suchen und freimachen muss. Im Sommer wird das Refugio besonders bei schlechtem Wetter gerne genutzt, um zwischen Veleta und Mulhacén eine Übernachtung einlegen zu können. Service gibt es keinen, man ist auf sich selbst angewiesen.
Es hatte Mühe gekostet, das Gipfelplateau einen Augenblick für das Foto freizuhalten. Zu viele Leute, zu wenig Platz.
Ich hatte einen freundlichen Helfer, der nicht nur Fotos von mir machte, sondern es sogar mit lautem Rufen geschafft hat, den Gipfelstein einen Augenblick frei zu halten. Zeitweise waren bis zu 10 Leute auf dem Plateau.
Die unterhalb aufgestellte Marien-Statue war ebenfalls ständig umringt. Leider kam ich etwas zu spät hier oben an, es war schon 10.45 Uhr. Ich habe gerade noch den letzten Teil der Ansprache (oder auch Predigt) miterleben dürfen. Obwohl ich natürlich kein Wort verstand, ergriff mich trotzdem ein seltsames Gefühl der Verbundenheit mit dem Schöpfer dieser Welt, in der auch ich ein winziges Teil sein durfte.
Das mit dem Schöpfer ist nur symbolisch gemeint, da ich nicht an Gott als Person glaube, aber als gemeinschaftliches menschliches Erbe in Achtung und Ehrfurcht vor dieser Welt, die nur vorübergehend die unsere ist.
Später, die meisten Leute waren mit Erinnerungsfotos beschäftigt, half mir "mein Fotograf", ein Spanier vielleicht auch schon in meinem Alter, Kontakt mit dem "Prediger" aufzunehmen. Als dieser erfuhr, dass ich zum ersten Mal auf dem Mulhacén war, wurde auch mir als Erstbesteiger sein Segen zuteil. Seine Hand auf meiner Schulter sprach er zwar nur wenige Worte, für mich aber bewegend wie zur Trauung vor nun fast 50 Jahren.
Ich musste erst einmal zu mir kommen und in Ruhe nachdenken. Am Nordrand des Berges fand ich einen geeigneten Platz etwas abseits vom Trubel. Die Brotzeit und das Panorama vor mir waren Balsam für die Seele.
Mulhacén-Nordkante. Vor dem felsigen Amphitheater des Puntal de la Caldera mit der Lagune verläuft die GR411.
Welchem Zweck die Hausruine einmal erfüllte, ist mir nicht bekannt. Sicherlich ein altes Refugio vor dem Wetter.
Ein weißer Hengst etwas abseits und offensichtlich sehr müde. Ein Stein muss als Bindepflock herhalten.
Mir kam die alte chinesische Legende vom alten Mann und seinem Pferd in den Sinn. Einem armen alten Chinesen war sein schöner weißer Hengst weggelaufen, der aber wenige Tage später mit ein paar wilden Stuten wiederkam. Die Mühe seines einzigen Sohnes, die Stuten für die Arbeit auf dem Hofe gefügig zu machen, endete in einem Fiasko. Der Sohn brach sich beim Sturz vom Pferd beide Beine und wurde zum Krüppel. Deshalb musste er aber nicht zur Armee, während alle anderen Söhne des Dorfes eingezogen wurden.
Der alte Mann konnte also seinen Sohn behalten. War das ein Unglück oder Glück? Immer wenn dem alten Mann etwas geschah urteilte die Dorfgemeinschaft sofort, ob das Ereignis gut oder schlecht sei. Der alte Mann hingegen meinte immer nur: Seht einfach, was ist. Ob es gut oder schlecht ist, wird die Zukunft zeigen.
Der alte Chinese lebte also immer genau in seinem Hier und Jetzt, nicht in der Zukunft und schon gar nicht in der Vergangenheit. Genau das fehlt uns heute oft: frei sein von den Zwängen, die die Vergangenheit hinterlässt und frei sein von den Ängsten, die mit dem Blick auf die Zukunft geschürt werden und damit frei sein, das Hier und Jetzt bewusst erleben und genießen zu können.
Dazu passt die chinesische Weisheit: (Verfasser unbekannt)
Der Eilige malt das Morgen schon heute. Der Weise sieht das Heute — so wie es ist.
Näheres zur Legende vom alten Mann und seinem Pferd siehe auch
Diplomarbeit 2018 zum Mental-Training, Autor: Kristin Köhler (www.pegons-web.de/1phil.html)
Langsam ebbt der Besucherstrom ab. Wer jetzt noch kommt, muss bald wieder gehen, da abends die Schranke schließt.
Etwas ausgeruht und mit mir zufrieden begann ich gegen halb zwölf, wieder hinabzusteigen. Mir kamen immer noch Leute entgegen, allerdings jetzt wesentlich weniger. Zwar sollte die Schranke bis heute Abend offen sein, aber vor dem morgigen Tag wollte ich mir noch etwas Ruhe gönnen.
Morgen würde ich, so war mein Plan, zum Meer fahren.
Nur noch Wenige laufen bergwärts. Ich bin auf dem Rückweg und sehe schon weit unten die Autos stehen.
Im weiten Bogen überquerte ein Hubschrauber den Mulhacén-Rücken. Erst ziemlich in meiner Nähe, ich war etwa eine halbe Stunde beim Abstieg, hörte ich sein Knattern. Sofort dachte ich an einen Notfall. Die Beschriftung konnte ich nicht erkennen, er war zu weit weg. Die gelungenen Fotos habe ich auch nur dem Teleobjektiv zu verdanken. Im Video ist zu erkennen, dass der Hubschrauber in einer Senke nahe des Wanderweges landete, aber immer mit laufendem Motor und langsam drehenden Flügeln.
Ein Mann rannte von einer etwa 30 Meter entfernten Wandergruppe zum Hubschrauber, dann wieder zurück. Kurz darauf schleppten zwei Leute einen dritten offensichtlich nicht mehr gehfähigen Mann zum Hubschrauber. Die Besatzung zog ihn an Bord. Wieder nur wenige Sekunden später hob der Hubschrauber ab und flog mit hoher Geschwindigkeit Richtung Süden.
Es musste sich um eine eilige Rettung handeln. Näheres zu dem Fall erfuhr ich auch später nicht. Wahrscheinlich war der Gerettete in einer lebensbedrohlichen Situation. Hoffentlich ist alles gut ausgegangen.
Hilfesuchende haben in den Bergen schlechte Karten, da meist kein normaler Handyempfang möglich ist. Wenn dann Park-Rancher mit Satelitten-Funk unterwegs sind, wie am offenen Tag des 5. August, kann man von Glück sprechen. Wenigstens geht dann der Hilferuf nicht ins Leere.
Ich muss noch einmal darauf hinweisen, beides ist sehr wichtig. Bei mir machten sich Schmerzen vom Rücken aus, an die ich mich schon gewöhnt hatte, bis in den Bauchraum breit. Das war neu. Zuerst konnte ich mir die Ursache nicht erklären. Sollte ich etwa dehydriert sein? Um das herauszufinden zwang ich mich, etwa einen Liter zu trinken. Das half. Nach kurzer Zeit musste ich nicht nur hinter einen Fels treten, sondern danach verschwand auch ein Großteil der Schmerzen. Erstaunlich, dass ich nicht gemerkt hatte, wie durstig mein Körper war.
Zu den mir fehlenden Wanderstöcken ist nichts zu sagen, sie fehlten einfach. Der Abstieg war wie zu erwarten mühsamer als der Aufstieg. Der Druck in den Knieen war besonders im stufigen Steinfeld mit Schmerzen verbunden. Jetzt sehnte ich mich danach, am Auto die Tür aufmachen zu können.
Soviel Radsportbegeisterte auf einem Haufen hätte ich hier oben nicht erwartet. Die Biker diskutierten heftig miteinander, offensichtlich gab es Meinungsverschiedenheiten zur Route. Teilweise wurde englisch gesprochen. Kinder waren auch dabei. Wohin die Truppe wollte, konnte ich nicht mehr sehen.
Ich selbst hatte es eilig, zum Auto zu kommen. Ich wollte nur noch sitzen und vor allem meine Knie entlasten. Sofort ließ ich den Motor an und zuckelte los. Der Bordcomputer meldete 14.00 Uhr. Bergab hatte ich also nur 2,5 Stunden gebraucht, hochzu waren es 3,5 Stunden (7.15 bis 10.45 Uhr). Trotzdem, immer wieder musste ich daran denken: Ich habe es geschafft! Ich war oben!
Rückblickend war ich ein wenig neidig auf die Reiter. Das wäre wirklich eine Supersache, wenn ich auch mit Pferd unterwegs sein könnte. Ich habe zwar seit vielen Jahren nicht mehr auf einem Pferderücken gesessen, aber irgendwie hat es sich in mir festgesetzt, das auch noch erleben zu wollen. Mit ein paar Reitstunden müsste es doch möglich sein, an meine Erfahrungen mit Pferden aus längst vergangenen Zeiten anzuküpfen.
Zwar ist eine Bergtour auf dem Pferd nicht alltäglich und sicher sind einige Dinge zu beachten. Zum Beispiel kann es bei dem steinigen Weg schnell passieren, dass sich ein Pferd eine Zerrung oder sonstwas holt und dann nicht mehr richtig laufen kann. Bei allen Reitern habe ich zwar Wassersäcke gesehen, aber der Bedarf ist beim Pferd noch größer als beim Mensch. Die Pferde sind ja schließlich keine Wüstenkamele. Also wie gesagt, es ist bestimmt nicht so einfach, mit Pferd auf den höchsten Berg Spaniens zu kommen.
Während ich dies hier schreibe, es ist schon Frühjahr 2018, steht es übrigens fest: Ich nehme Reitstunden in Cordoba. Dorthin hatte mich meine Bergbekanntschaft eingeladen. Die Eltern betreiben einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, der sich mit Weinanbau und Pferdezucht beschäftigt. Ob ich allerdings jemals mit dem Pferd auf den Mulhacén komme, ist noch fraglich. Wenn ich an den 84-Jährigen denke, bleibt mir aber noch ein wenig Zeit. Trotzdem, man soll nichts allzuweit hinausschieben. Schnell bleiben sonst die Träume nur Schäume. Ich bin gespannt, wie sich das alles noch entwickeln wird.
Doch nun zurück zum 5. August 2017. Die wenigen Kilometer zum Parkplatz ließ ich das Auto rollen. Einige hatten es eilig und mussten mich überholen, nicht ungefährlich bei der oft schmalen Straße. Doch meine Nachsicht ließ mich ruhig bleiben. Ich sag dann immer zu mir selbst: Die müssen zum Bus, und der wartet nicht.
Ich würde mich dann erst einmal duschen, mit einer oder zwei Wasserflaschen versteht sich. Übrigens Wasser, morgen den Vorrat in Capileira aufzufüllen sollte ich tun. Am meisten freute ich mich aber auf meine Linsensuppe. Etwas Warmes braucht der Mensch.
Es ist recht uninteressant, hier über den Rest des Mulhacén-Tages zu berichten. Es kam so, wie ich es mir vorgenommen hatte. Die Abendstunden habe ich regelrecht vertrödelt. Die Área Recretiva ist besser als ich dachte. Man kann hier tatsächlich eine Art Camping machen, Bänke und Tische sind genug da. Ich hatte keinen Aufpasser, das soll heißen, ich war der Einzige in dem Gelände. Die Bilder geben einen Eindruck, wenngleich es hier und da der Pflege bedürfte. Mir scheint, dass der Platz nicht so intensiv genutzt wird, wie es die Erbauer in den 90-iger Jahren geplant hatten.
Alle Leute, die vom Berg kamen, machten keinen Zwischenstopp und fuhren durch. Mir war es recht so. Ich hatte mir schon gestern überlegt, hier oben zu nächtigen. Einen besseren Platz kann man sich nicht wünschen. Nachts ist es ruhig und vor Störenfrieden ist man hier oben auch relativ sicher.
Man könnte sogar auf das Schlafen im Auto verzichten und richtig Camping machen. Ich glaube zwar nicht, dass Zelte auf dem Platz erlaubt sind, aber gegen das Schlafen unter freiem Himmel bzw. auf einer der Steinbänke mit Dach über dem Kopf dürfte niemand etwas einzuwenden haben. Warm genug war es. Bei Nacht-Temperaturen von bald 30°C ist der Schlaf im Auto sowieso nicht immer ein Vergnügen.
Was ich entdeckte waren Wildschweinspuren. Es scheinen sich trotz der Trockenheit hier oben einige Rudel herumzutreiben. Vielleicht sind es auch nur die nicht geleerten Abfallkübel, die für die Tiere interessant sind. Jedenfalls lagen neben einem der Kübel Bananenschalen und leere Blechbüchsen. Unmöglich, dass der Müll von alleine aus den Kübeln springt.
Es wurde schon dunkel, als ich den Abwasch erledigte, meine Küche aufräumte und dann Kocher, Geschirr und Sonstiges im Auto verstaute.
Parkplatz Hoya del Portillo > Capileira > Bubión > Pampaneira > A-4132 > Las Barreras (Tankstelle) > A-348 > Órgiva > A-348 > A-346 an der Talsperre "Rules Reservoir" entlang > Vélez de Benaudalla > A-346 > A44 > A7 > E15 > N340/E15 > Calahonda > N340/E15 > Mirador de Calahonda an der N340/E15 (nahe dem Turm Torre del Zambullón) > N340/E15 > Rastplatz Punta del Tajo Justos > N340/E15 > Castell de Ferro (Strand Marina Rincón) > N340a > El Lance > N340a > Casarones (1 km vor La Guapa) > Schlafplatz am Meer (36.73854, -3.30575)
Heute früh war mein erster Gedanke: Geschafft! Ich war also tatsächlich auf dem höchsten Berg der Sierra Nevada Spaniens gewesen. Zufrieden, vielleicht sogar ein wenig stolz, ließ ich den gestrigen Tag durch meinen Kopf wandern. Es war zwar schon 8 Uhr und die Sonne versuchte, über die Bäume zu klettern. Trotz neuer Pläne für den heutigen Tag gönnte ich mir noch ein geruhsames Frühstück auf der Área Recreativa.
Zeit spielte keine Rolle, entweder man hat sie oder man hat sie nicht. Und wenn man sie nicht hat, muss man sie sich nehmen. Eigentlich ist das alles Quatsch. Die Zeit ist wie das Wasser im Fluss, es ist nicht fassbar, nicht fühlbar als Ding, sondern nur spürbar als sich ständig veränderbarer Zustand. Was die Zeit bringt, weiß man nicht. Klar gestellt muss werden, die Zeit selbst bringt sowieso nichts. Auch diese Redensart ist nur ein Ersatz für den ständigen Fluss des Lebens mit nicht vorhergesehenem Ablauf. Der Zeit selbst ist das alles egal. Sie fließt dahin, ohne oder mit uns. Sie schert sich nicht um unsere Gedanken, Pläne und Taten. Sie vergeht von Augenblick zu Augenblick, und doch ist sie immer da.
Wer hätte gedacht, dass ich ausgerechnet am gestrigen Maria-Schnee-Feiertag meinen Aufstieg haben würde. Nichts war geplant, bis vor wenigen Tagen wusste ich überhaupt noch nicht, dass es diesen Feiertag gibt und vor allem, welche Vorteile er mir bringen könnte. Da wäre zuerst die Privatfahrt zum Shuttle-Bus-Parkplatz zu nennen. Auch die vielen Menschen, die zum Gipfel unterwegs waren, gaben mir ein Gefühl nicht nur der Sicherheit, sondern auch ein Gefühl der Gemeinsamkeit, etwas sinnvolles für Körper und Geist zu tun. Höhepunkt waren natürlich die an mich gerichtetetn Worte des Geistlichen auf dem Gipfel, wenige Schritte entfernt von der Marien-Figur. Platt ausgedrückt, es hätte nicht besser laufen können.
Gedankenversunken sinnierte ich vor mich hin. Die Kühle der Nacht war den neu wärmenden
Sonnenstrahlen gewichen. Hier ist es schön, eigentlich viel zu schön, um jetzt weg zu gehen. Die Berge Richtung Süden vor mir und den nächtlichen Kiefernduft in der Nase hätte ich noch lange an meinem komfortablen Holztisch mitten im Wald sitzen können. Andererseits wusste ich das Meer hinter den Bergen, keine 60 Kilometer entfernt.
Kurz nach 9 Uhr rollte ich vom Platz, dem Hoya del Portillo, dem Schranken-Parkplatz. Für die Fahrt auf der steinigen und kurvigen Straße hinab nach Capileira muss man sich Zeit nehmen. Nur an wenigen Stellen gibt der Wald den Blick auf das Tal frei. In Capileira hielt ich mich nicht lange auf. Das Wasser der Sierra vom oberen Brunnen war schnell geholt. Die Sonne schien wie immer, ohne dass ihr eine einzige Wolke in die Quere kam. Der noch über dem Tal hängende Morgendunst hielt mich trotzdem nicht davon ab, ein paar Fotos zu machen.
Noch oberhalb von Capileira, eine kleine Siedlung.
Näher kann man der Natur nicht sein.
Berge der Sierra de la Contraviesa, dahinter das Meer
Oberhalb von Bubión, dem nächsten Ort talwärts von Capileira aus, bot sich wieder eine Gelegenheit zu halten. Ein paar Schritte in eine gesperrte Seitenstraße verschafften mir freie Sicht auf Bubión und gleichzeitig auf den darunterliegenden nächsten Ort Pampaneira. Es ist unglaublich, wie schön diese Gegend ist. Insbesondere der Kontrast der morgendlichen Sonne zum Tal des Río Poqueira, das noch im Schatten lag, lässt die weißen Häuser der Bergdörfer hell leuchten.
Talsperre Embalse de Benina
Bubión, dahinter (unterhalb) das Bergdorf Pampaneira
Ortskern von Pampaneira, oben links der kleine Parkplatz (Übernachtung nicht ausgeschlossen)
Am Ortseingang von Pampaneira bietet ein kleiner Parkplatz die nächste Gelegenheit, den Ort selbst, seine in Serpentinen gewundene Hauptstraße und seine Kirche zu bewundern. Es fällt auf, dass alle Häuser Flachdächer haben. Einige davon werden offensichtlich als Sonnengarten genutzt, die meisten erfüllen allerdings einfach nur ihren Zweck als Dach. Auf dem Parkplatz standen ein paar WoMos, die bestimmt hier übernachtet hatten.
Es war genau 10.43 Uhr, als ich den Motor startete, um vom Parkplatz in Pampaneira weiter bergab zu fahren. Insgeheim hatte ich gehofft, mit Wohnmobil-Leuten ins Gespräch zu kommen. Ein Auto war aus Deutschland, das andere aus der Schweiz. Doch kein Mensch ließ sich blicken.
Als Navi-Ziel hatte ich Castell de Ferro eingegeben, 67 Kilometer von hier. Auf dem Weg nach oben hatte ich eine Tankstelle gesehen, diese musste ich jetzt unbedingt anfahren. Der Sprit wurde knapp. Dort wo die A-4132, die in die Berge führt, auf die A-348 trifft, ist neben dem Hotel Puerta Nazari die kleine Tankstelle Alpujarra Orgiva. Sie ist stark frequentiert, obwohl der Ort Las Barreras nicht groß ist. Wenige Kilometer weiter könnte man in Órgiva genau so gut tanken. Vielleicht ist es auch die Bodega los Arcos gegenüber, die zusätzlich für Kundschaft sorgt. Die Bodega ist eine Art Supermarkt, in dem man sich für die Zeit in den Bergen versorgen kann. Es gibt aber auch Keramik und Andenken-Spittl.
Tankstelle in Las Barreras, mit Waschanlage!
Supermarkt und Keramikladen gegenüber der Tankstelle
Parkplatz an der A-346 mit Sicht auf Órgiva
Die Doppelturm-Kirche in Órgiva hätte mich schon interessiert. Doch ich hatte keine Chance. Alle Straßen in Kirchennähe waren zugeparkt. Nach zwei Runden Suche gab ich auf. Frustriert setzte ich meine Fahrt fort. Vielleicht war ich auch nur von der Einsamkeit der Bergwelt verwöhnt worden. Der Stadt-Trubel in Verbindung mit den vielen Autos bekam mir überhaupt nicht. Ich hatte keine Lust, ewig einen Platz zu suchen oder weit zu laufen, um die Kirche zu sehen. Jetzt, während ich diesen Bericht schreibe, bedaure ich das.
Órgiva, dahinter das Poqueira-Tal, das sich fast bis zum Mulhacén hinzieht. In diesem Tal liegen die Dörfer Pampaneira, Bubión und Capileira.
Mitten in Órgiva die Pfarrkirche Parroquia de Nuestra Señora de la Expectación aus dem 16. Jahrhundert
Am südlichen Berghang gegenüber Órgiva fand sich ein geeigneter Platz mit Sicht auf die Stadt. Das war besser, als in der Stadt nach einem Parkplatz zu suchen. Beim Anblick der Berge hinter Órgiva kam schon wieder Sehnsucht auf, genau dorthin zurückzukehren. Aus diesem Tal der Flüsse Chico und Poqueira war ich gekommen. Hoffentlich war ich nicht das letzte Mal dort, so dachte ich.
Talsperre "Rules Reservoir", überspannt von der Autobahn A44, die von Motril nach Granada führt
Ich bin immer noch auf der Bergstraße A-346 (keine Autobahn), die sich längs des Río Chico hinzieht. Der Fluss ist nur noch ein Rinnsaal. Da er aber von den Bergen der Sierra Nevada mit Wasser versorgt wird, dürfte er im Sommer nicht ganz austrockenen, so wie es das Schicksal vieler spanischer Flüsse ist. Er mündet im angestauten Wasser des Embalse de Rules, eine schön gelegene Talsperre, die auf der einen Seite von der A44, auf der anderen Seite von der N323 gesäumt wird.
Auf der Suche nach einem geeigneten Zugang zur Talsperre kam ich auf einen großen Platz. Von da aus müsste ich ans Wasser kommen oder zumindest eine gute Fotosicht haben. Außerdem war es sowieso Zeit für eine Pause. Ich musste fast einen halben Kilometer laufen, um dann enttäuscht doch wieder umzukehren. Fotos lohnten sich nicht. Weder die Brücken noch das Tal waren gut zu sehen.
Río Chico mit dem Wasser der Sierra Nevada
Parkplatz an der A-346, leider ohne Sicht auf die Talsperre wegen des Waldes
Auf dem Rückweg kam mir eine junge Frau mit der Kamera entgegen. Um ihr den Weg zu ersparen, versuchte ich ihr auf Englisch meinen Misserfolg zu berichten. Im schönsten Köllsch bedankte sie sich. Wir kamen ins Gespräch. Sie und ihr Mann (wahrscheinlich) waren schon drei Tage in Andalusien und gerade dabei, per Mietauto die Gegend zu erkunden. Lange hatte ich kein Opfer gefunden, mit mir zu reden. So kam es, dass ich mein Woher erzählte, dass ich auf dem Mulhacén war und nun auf dem Weg zum Meer. Auch meine Web-Adresse gab ich, allerdings ohne bis heute ein Zeichen zu bekommen. Es war ein typisches Urlauber-Pärchen ohne große Wander-Ambitionen. Die Alhambra in Granada kannten sie aber.
Vorn A44, unten die A-346, auf der anderen Seite die N323
Im weiteren Verlauf meiner Fahrt boten sich dann doch noch Gelegenheiten für ein paar Fotos. Auf der A-346 neben der auf Stelzen gebauten Autobahn kam ich schließlich durch Vélez de Benaudalla. Der Ort ist sicherlich auch sehenswert, doch diese Zeit nahm ich mir nicht, vielleicht auch mangels eines bequemen Parkplatzes. Irgendwie hatte ich auch keine Lust, zu laufen. Die Bergtour von gestern war nachhaltig.
Nach dem Ort Vélez zweigt die kleine Landstraße A-4133 ab, die wunderschöne Ausblicke bietet und auch auf den Karten als Touristenstraße (Ruta del Califato) ausgewiesen ist. Vor Motril wechselte ich nochmals auf die Autobahn A7 und erreichte dann über die Verbindungsstraße GR16 mein eigentliches Ziel, nämlich die Küstenstraße N340.
Die Talsperre Rules Reservoir, hinten die Staumauer
Auf der N340 vor Calahonda
Die N340 führt in einigem Abstand parallel zum Meer am Calahonda-Strand entlang. Der meist breite Sandstrand ist etwa 4,5 Kilometer lang und ist voll in der Hand der Bade-Touristen. Hier hielt ich mich nicht lange auf. Ich war froh, die Ortsdurchfahrt hinter mich gebracht zu haben. Auf der anderen Seite der Bucht mit dem Bootshafen erwartete mich in Richtung Osten der Aussichtspunkt Mirador de Calahonda, von dem man eine Supersicht auf den Ort Calahonda und dessen Strand hat.
Allerdings hatte ich ein ziemlich vermülltes Gelände in Erinnerung. Auf der Rückreise von Portugal im Jahre 2010 hatten wir dort gehalten und Brotzeit gemacht. Ich war gespannt, wie es jetzt dort aussehen würde.
Ich konnte es fast nicht glauben. Man hatte es in den letzten 7 Jahren nicht fertig gebracht, den Müll zu beseitigen. Der Vergleich der Fotos von 2010 und 2017 beweist das: gleicher Müll, in 2017 aber noch mehr! Die Fotos zeige ich hier nicht, es ist sowieso kein schöner Anblick. Warum da nichts von den zuständigen Gemeinden getan wird, ist mir schleierhaft. Am Geld kann es nicht liegen, die jährlichen Einnahmen aus dem Tourismus-Geschäft sind immens.
Trotzdem, die Aussicht war wieder herrlich.
Aussichtspunkt Mirador de Calahonda (36.70244, -3.41027)
Ganz in der Nähe, kaum 200 Meter weiter Richtung Osten, steht die Turmruine Torre del Zambullón. Der historische Wachturm thront ca. 40 Meter über dem Meer. Auch dort kann man gut rasten, allerdings ist der Blick auf die Altstadt von Calahonda (ehemaliges Fischerdorf) etwas verdeckt.
Nächstes Ziel war Castell de Ferro (Eisenburg). Das sich an der Küste hinziehende Dorf mit dem markanten Burgberg war für uns schon im Jahre 2010 ein besonderer Ort. Wir hatten hier auf unserer Rückreise von Portugal ein paar Tage Pause gemacht.
Mein Blick vom Aussichtspunkt Punta del Tajo Justos auf Castell de Ferro und den Strand weckte viele Erinnerungen an diese schöne Reise. Nun saß ich da, schaute auf die Stadt und vergaß dabei fast, dass ich Hunger und Durst hatte. Es war bereits halb zwei.
Castell de Ferro mit dem markanten Burgberg. Blick Richtung Osten. Diese Küste liegt geschützt südlich der Sierra Nevada. Es ist die wärmste Küste Spaniens.
Punta del Tajo Justos mit Blick auf Castell de Ferro
Ich war heute früh nach 9 Uhr auf dem Schranken-Parkplatz oberhalb von Capileira gestartet. Erst jetzt, es ist 13.30 Uhr, gönne ich mir eine karge Kaffeepause.
Heute ist Sonntag. Da ist auch der westliche Teil des Strands gut besucht. Sonntags ist es kein Problem, hier zu parken, trotz striktem Parkverbot. Besonders die Einheimischen wissen das. Dieser Kieselstrand nennt sich Marina Rincón.
Das Hinterland ist voll von Foliezelten.
Der Stadtstrand von Castell de Ferro. Hier sind immer die meisten Leute. Im Hintergrund wie überall südlich der Sierra Nevada die Plastik-Gewächshäuser für das Gemüse.
Dieser Strand südlich des Stadtkerns von Castell de Ferro ist der eigentliche Stadtstrand mit Promenade. Autos müssen allerdings irgendwo im engen Zentrum bleiben. Dieser Strand hat auch sandige Abschnitte. Das ist den meisten Touristen lieber.
Diese Bauruine vor dem Burgberg gab es im Jahre 2010 noch nicht. Damals hatte man begonnen, den Berg abzutragen. Wir wussten nicht, was das werden sollte. Jetzt weiß ich es, leider eine unvollständige Bauruine. Es ist mir sowieso unverständlich, warum man so grob in die Natur eingreifen muss. Immerhin besteht der Berg zu nahezu 100 Prozent aus festem Fels.
Auch hier hat man dem Berg Bauland abgerungen.
Deutlich sind die schlanken Betonstützen zu erkennen, auf denen die Appartements ruhen, maximal 5 Stockwerke. Mir kommt die Bauweise sehr sparsam vor. Auch guter Beton hat seine Belastungsgrenzen. Das geschlossene Erdgeschoss ist entweder Garage oder es bildet die Zufahrt. Mir gefällt das Ganze überhaupt nicht, aber mir muss es ja auch nicht gefallen. Spanische Bausünden gibt es viele.
Ortseingang. Castell de Ferro gehört zu Gualchos.
Oben links der Rastplatz Punta del Tajo Justos
Nach dem Genuss, bei leichter kühlender Brise über dem Meer zu sitzen, drängte es mich nun doch, endlich ins Meer zu kommen. Der Auto-Computer meldete 37°C. Kurze Hose, drunter die Badehose, ein Handtuch und etwas zu trinken — mehr brauchte ich nicht für den mir schon bekannten Kieselstrand. Ich würde sowieso nicht sehr lange bleiben, denn der erträumte Schlafplatz am Meer war noch nicht gefunden.
Marina Rincón (Blick Richtung Osten)
In der Strand-Zufahrt fand ich keinen einzigen Parkplatz. So blieb mir nichts anderes übrig, als das doppelte Verbotsschild am Strand zu ignorieren.
Als ich ausstieg, schlug mir eine Feuerwand entgegen, so fühlte sich der Wechsel vom klimatisierten Auto zur Strandhitze an. Die Kieselsteine waren so heiß, dass ich Badelatschen brauchte. Das Bad im Meer war ein Genuss. Seit vorigem Jahr in Frankreich hatte ich keine Gelegenheit gehabt, Salzwasser zu fühlen und zu schmecken.
Zweimal bin ich ins Wasser, um jeweils eine kleine Runde zu schwimmen. Es gab fast keine Wellen. Doch auf dem Kies war es kaum auszuhalten. Nach der Dusche mit Süßwasser (hätte ich hier eigentlich nicht erwartet) verstaute ich die wenigen Sachen im Auto und fuhr einfach los. Ich hätte hier bei dieser Hitze nicht länger bleiben wollen. Die Klimaanlage brachte Abkühlung.
Mein Plan war, irgendwo in der Stadt zu parken und vielleicht auch einmal der Uferpromenade einen Besuch abzustatten. Ein Eisladen wäre auch nicht schlecht. Pustekuchen! Kein legaler Parkplatz war zu finden.
Was nicht sein soll wird nicht sein, dachte ich und fuhr parallel zum Meer weiter Richtung Osten. Man kommt am Ortsausgang von Castell de Ferro auf die ausgebaute N340 oder man biegt auf die alte N340a ab, die weiter direkt am Wasser entlang führt. Die N340a ist sowieso viel schöner, d.h. naturverbundener. Es ist die Carrera de Almeria. Allerdings ist es oft so, dass alte Straßen eines Tages für den öffentlichen Verkehr geperrt werden, um die Unterhaltung zu sparen.
Süßwasserdusche, ein recht seltener Luxus.
Grillplatz des gegenüberliegenden Restaurants
Zeltplatz am westlichen Eingang von Castell de Ferro
Hier beginnt die Uferpromenade.
Hauptstraße (GR5209), die durch den Ort führt
Am Ortsausgang von Castell de Ferro gibt es an der alten N340a eine kleine Haltebucht, von der man das östliche Ende von Castell de Ferro überblicken kann. Hier findet man gepflegte Touristenanlagen mit einem schönen langen und fast geradlinig verlaufenden Sandstrand. Sogar Laufstege führen über den Sand einige Meter in Richtung Meer. Es scheint, als ob der Strand zu den Hotels bzw. Appartements gehört. Eine Absperrung, wie es für Hotelstrände in Italien üblich ist, konnte ich allerdings nicht entdecken.
Neben meinem Parkplatz führte eine kleine Straße hinunter zu einem größeren Folienhaus. Hier wird jeder Quadratmeter genutzt, um Gemüse für Europa anzubauen. Der Obst- und Gemüseexport ist für Spanien einer der wichtisten Wirtschaftsfaktoren. Vor einigen Jahren gab es noch massive Probleme durch den Einsatz von Pestiziden, die in Restmengen in den Früchten nachweisbar waren. Das soll sich gebessert haben. Doch ob und wieviel wir trotzdem Pflanzenschutzmittel auf dem Teller haben, ist nicht kontrollierbar, zumindest nicht vom Endverbraucher. Glücklich kann Derjenige sein, der in Deutschland seinen eigenen Garten hat und nicht auf spanische Produkte angewiesen ist. Das gilt übrigens ebenso für holländisches Gemüse, das vor Jahren wegen des massiven Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in der Kritik stand. Auch in Holland soll das jetzt nicht mehr so sein. Wer weiß es wirklich?
Castell de Ferro
Ich bin dann die Küstenstraße weitergefahren, immer nach einem geeigneten Schlafplatz am Meer Ausschau haltend. Leider gibt es so gut wie keine Möglichkeit, direkt am Wasser zu parken. Die wenigen Badestellen werden zwar genutzt (hauptsächlich von den Einheimischen), aber das zugehörige Auto steht dann meist oben an der Straße und halb auf der Böschung.
Im weiteren Verlauf kam ich durch den Miniort El Lance (siehe rechtes Bild). Hier war der kurze Strand überlaufen, kein Plätzchen also zum Parken und Schlafen.
Ich wurde langsam unruhig. Wenn hier überall der Fels bis zum Meer reicht, hätte ich schlechte Karten. Ich hätte mir zwar die Gegend schon zu Hause per Google Map anschauen können, doch wer macht das schon? Und außerdem, ein wenig Überraschung braucht der Mensch. Hinter dem Tunnel sollte sie kommen.
Der nächste Ort ließ schon von Weitem vermuten, dass ich hier für heute angekommen sein würde. Das Nest heißt Casarones.
Nach dem Felstunnel hinter El Lance liegt die kleine Ortschaft Casarones, noch vor La Guapa. Mein kurzer Foto-Stopp lieferte, was ich brauchte: einen ruhigen Strand abseits von der Hauptstraße. Ich bog ab und schon war ich in einer anderen, entschleunigten Welt.
Ich fuhr die Uferstraße entlang, links die wenigen Häuser von Casarones, rechts das Meer. Trotz der Saison war es seltsam unbelebt und still, kein Vergleich zu Castell de Ferro, wo kein Parkplatz zu finden war. Das dort übliche Ufertreiben mit kleinen Restaurants, Bars und Cafés fehlte hier völlig. Nicht mal einen Eisladen gab es. Die Hitze war so drückend, ich hätte mir eine Erfrischung geleistet. Der ganz sachte Wind vom Meer her brachte Null Abkühlung. Die Luftfeuchtigkeit musste sehr hoch sein, es war eine richtige Waschhausluft.
Am steinigen Ufer hatten sich Familien breitgemacht. In gewissen Abständen war eine kleine Ansammlung zu sehen, meist viele Kinder und 2 bis 6 Erwachsene. Sie sahen alle nicht nach Andalusiern aus. Es scheint in der Gegend viele Zugereiste zu geben. Meist waren Stühle und Tische aufgestellt sowie große Sonnenschirme. Meine Vermutung bestätigte sich, einige Frauen trugen zwar keinen Vollschleier, waren aber schwarz eingewickelt.
Nach kurzer Fahrt hörten links die Häuser auf. Die befestigte Straße endete an einem ungepflegten Fußballplatz. Ich suchte mir einen Platz direkt an der Böschung zum Strand. Überall waren Hundehaufen, gefährlich, wenn man aus dem Auto steigt. Doch mir blieb nichts anderes übrig, als hier zu bleiben. Für die Nacht brauchte ich ein ruhiges Plätzchen.
Jetzt war erst einmal eine Erfrischung angesagt. Die Sachen ließ ich im Auto. Bloß gut, dass ich mir den wasserdichten Brustbeutel zugelegt hatte. So konnte ich das Auto abschließen und den Schlüssel mitnehmen. Bei einer solchen Umgebung hätte ich das Auto nicht offen lassen wollen, trotz Schwimmen in Sichtweite.
Der Strand war übersät mit großen rundgeschliffenen Steinen. Ich war am hintersten Ende, wo sonst kein Mensch ins Wasse geht. Mir macht so etwas nichts aus. Ich war ja nicht zum Wandern hier, sondern zum Schwimmen. Das Wasser war ziemlich warm, nur bedingt abkühlend. Trotzdem, der Dreck und Schweiß des gestrigen Tages musste runter. Die Duschen aus der Wasserflasche sind nun mal kein Ersatz fürs Bad.
Endlich spürte ich wieder den Salzgeschmack im Mund. Meine Knochen taten mir weh, der Mulhacén-Trip wirkte noch. Ich hatte Hunger und war müde. Bis zur Nacht blieben noch rund 3 Stunden, vorher wollte ich mich nicht zur Ruhe begeben. Im Campingstuhl, die Beine von den leichten Wellen überspült, saß ich schließlich vielleicht eine Stunde am Wasser. Die Luft wurde immer schwerer und zunehmend undurchsichtig. Die Abendsonne zog tonnenweise das Wasser aus dem Meer. Weiter draußen dampfte die Oberfläche, als wäre das Wasser kurz vor dem Kochen.
Ich ahnte schon, das wird eine warme Nacht. Hoffentlich würde ich gut schlafen können, was eigentlich im Auto immer der Fall ist. Dass ich eine außergewöhnlich unruhige Nacht haben würde, stellte sich erst später heraus.
Nach einer nochmaligen Schwimmrunde wollte ich die Gegend weiter hinten erkunden. Ein paar Büsche schienen geeignet zu sein, mir bzw. dem Auto etwas Deckung zu geben. In der Ortschaft musste man nicht unbedingt wissen, dass hier einer übernachtet. Die meisten Leute waren schon weg, der Strand war jetzt fast menschenleer. Mir war es recht so.
Weiter hinten, ich hatte das Auto vorläufig stehen gelassen, tat sich ein ausgetrocknetes Flussbett auf. Was ich da entdeckte, war schon fast gruselig. Ein dickes Rohr führte von einem größeren landwirtschaftlichen Betrieb direkt ins Meer, vermutlich unter Wasser noch ein ganzes Stück raus vom Ufer weg. Wozu dieser Aufwand? Wenig später konnte ich mir einiges zusammenreimen. Ein großer Tanklaster kam und ließ eine dunkle, übelriechende Brühe in das ausgetrocknete Flussbett laufen, so dass der kleine "See" ein Stück oberhalb der Mündung neue Nahrung bekam. Das Abfallwasser fand aber nicht den Weg an der Oberfläche ins Meer, sondern durch das dicke Rohr. Warum wohl?
Es stank nach Gülle oder auch nach anderen tierischen Exkrementen, so genau konnte meine Nase die Zusammensetzung nicht identifizieren. Eine Menge LKW-Spuren deuteten auf regen Verkehr hin. Allerdings hatte ich an diesem Abend kein zweites Fahrzeug gesehen bzw. gehört.
Wenig später kam eine riesige Schafherde, die in den flachen Gebäuden am Flussufer verschwand. Einiges deutete darauf hin, dass auch Schweine in den Ställen gehalten werden. Nun war guter Rat teuer. Eigentlich hatte ich mir einen besseren Schlafplatz vorgestellt. Obwohl, der üble Geruch war durch das nahe Meer nur kurzzeitig da. Die besagte Gruppe von Buschwerk war tatsächlich günstig, dahinter war Platz für mein Auto. Also beschloss ich, hier zu nächtigen. Die Straße war schon weiter vorn zu Ende, hierher würde sich niemand verirren und ich habe meine Ruhe, so dachte ich.
So holte ich also das Auto und rangierte mit der Schnauze bis zur Meeresböschung. Zwar musste ich auch hier aufpassen wegen der Hundehaufen, aber es hielt sich alles in Grenzen. Inzwischen war es dunkel geworden, also Zeit zu schlafen. Die Schwüle war immer noch fast unerträglich. Ich glaube, sie hatte noch zugenommen. Ein Fenster musste einen Spalt offen bleiben. Ich mache das zwar wegen Insekten und auch anderem Ungetier nicht so gerne, aber diesmal blieb mir keine Wahl. Direkt am Strand im Schlafsack wollte ich nicht schlafen, mir kam das zu unsicher vor.
Trotz meiner Müdigkeit sollte ich nicht das Tor ins Land der Träume finden. Schweißgebadet lag ich, mit dem Dürftigsten bekleidet, auf meinem Schlafsack und lauschte gedankenverloren auf das leise Klatschen der Wellen. Die vereinzelten Lichter von vorhin waren nun auch verloschen, der ganze Ort schien schon zu schlafen.
Ich musste wohl doch eingeschlummert sein, denn im Traum hörte ich plötzlich laute Pop-Musik. Es war kein Traum. Nun, hellwach im Auto sitzend, horchte ich in die Finsternis. Der inzwischen recht helle Mond spendete mit einem großen Hof, verursacht durch die Nebelschwaden, etwas diffuses Licht. Die Musik kam von den Häusern. Vielleicht ist es ein Strandfest? Da zwischendurch immer wieder mal Ruhe war, nahm ich an, eine wirkliche Band spielt. Neben Pop erklang ab und zu auch andalusische Musik. An Schlaf war nun erst recht nicht zu denken.
Ich war neugierig geworden. Vielleicht verpasste ich eine günstige Gelegenheit, ein paar schöne Video-Aufnahmen zu machen. Ich zog mir also etwas über, nahm die Kamera und bewegte mich in Richtung Ortschaft. Die wenigen hundert Meter lief ich direkt am Meer entlang, da war es doch ein wenig kühler, und mich konnte von der Landseite niemand sehen.
Im Ort war es ruhig, keine Band weit und breit. Auch in den Häusern, die nahe am Strand stehen, war alles dunkel. Durch ganz wenige Fenster konnte ich das Flackern der Flatscreens ausmachen. In einer Seitenstraße saß ein alter Mann vor dem Haus, ganz so, wie man es in Andalusien am Tage oft sieht. Mein Grüßen mit "Hola" beantwortete er nur mit einem Nicken.
Es war wirklich ein ganz verlassenes, schmutziges und überhaupt nicht attraktives Nest. Touristische Aktivitäten gab es keine. Selbst in einem großen Haus an der Hauptstraße, wahrscheinlich ein Hotel, brannte kein einziges Lichtlein.
Schon auf dem Rückweg, ich lief jetzt auf einer Parallelstraße zum Meer, gewissermaßen in der zweiten Reihe, hörte ich plötzlich wieder die Musik, diesmal Heavy-Metal und noch dazu ziemlich laut. Dem Lärm der Musik folgend kam ich auf die andere Seite des Fußballplatzes, an der ein kleiner Flachbau stand.
Davor saßen und standen vielleicht 10 junge Leute. Die Musik kam aus zwei großen Boxen, vielleicht anderthalb Meter hoch. Daneben auf einem Stuhl stand der Verstärker. Die meisten der Jugendlichen, Mädchen und Jungen, hatten Bier- bzw. Weinflaschen in der Hand. Hier war also eine Party im Gange.
Ich überlegte noch, soll ich wirklich weiterlaufen und damit direkt zu der Truppe gehen oder sollte ich lieber ein Stück zurück und auf der anderen Seite des Platzes zum Auto gehen? Das Zurücklaufen kam mir blöd vor. Was sollte schon sein. Bei uns wird auch gefeiert. So sprach ich mir Mut zu.
Noch gar nicht richtig angekommen winkte einer der Kerle mit der Bierflasche, ich solle hinkommen. Freundlich sind sie, dachte ich. Erst jetzt schienen sie zu merken, dass ich keiner aus dem Ort bin. Ich grüßte, so locker es ging. Die Kamera hatte ich weggesteckt. Man redete auf mich ein und bot Bier an. Ich verstand natürlich kein Wort. Nun versuchte ich meinerseits klar zu machen, dass ich aus Deutschland komme und in der Sierra Nevada wandern war. Mein Englisch verstanden sie, zumindest der Größte von den Jungs, wahrscheinlich auch der Chef der Truppe.
Eines der Mädels, alles langhaarige schlanke Typen, konnte sogar etwas Deutsch. Ich erzählte von meinem Trip auf den Mulhacén, was die Jugendlichen offensichtlich beeindruckte. Inzwischen hatte auch ich eine Flasche Bier in der Hand. Es war ein ziemliches Durcheinander-Gerede, jeder sagte irgendetwas, dazu laute spanische Pop-Musik. Ein Stuhl hatte sich für mich auch gefunden.
Eigentlich war ich jetzt mit der Situation ganz zufrieden. Klar, die Jungs waren nicht mehr 100%-nüchtern, aber durchaus freundlich und friedlich. Ein etwas Älterer, vielleicht Mitte dreißig, schien der Trainer zu sein. Zwischenzeitlich hatte ich erfahren, dass es die Dorfmannschaft war. Übrigens, ich hatte ganz falsch geschätzt. Insgesamt waren vielleicht 25 Leute da, inklusive der Mädels. Im Haus, wahrscheinlich das Klubhaus, saßen auch einige und versuchten lauthals, sich gegenseitig und die Musik zu übertönen.
Zaghaft versuchte ich, den Anlass der Party zu ergründen. Irgendwer sprach etwas von "Winner of the Maria-Football". Ich begriff nichts. Was hatte Fußball mit Maria zu tun? Und wer war Sieger bei was? Nach einigem Hin und Her verstand ich: Die Jungs hatten heute Nachmittag ein Fußballspiel gewonnen, dass zu Ehren der heiligen Maria angesetzt war. Gestern wäre ja schließlich Maria-Day gewesen.
Das hat mich fast umgehauen. Diese jungen Leute spielten tatsächlich zu Ehren des gestrigen Feiertags Fussball. "Why not yesterday?", fragte ich. Nur Sonntags finden Punktspiele statt. Aha, nun war alles klar. Ich war nicht überrascht, dass die jungen Leute ihren Sieg feierten, dass sie es aber auch wegen Maria taten, wunderte mich schon.
Ich fragte: "Do you celebrating Maria Snow?" "Yes, she's the patron saint of our football team. But her name's Virgen Blanca." Der Große, der sich noch ein neues Bier geholt hatte, lachte und nahm einen kräftigen Schluck. Das interpretierte ich als: Egal warum wir feiern, Hauptsache Party.
Die Mannschaft betrachtete also Maria Schnee als Schutzpatronin, und sie nannten sie Virgen Blanca (Weiße Jungfrau). Sie hätten gestern nicht trainieren können (Weil Feiertag war?) und hätten heute trotzdem gewonnen.
Es ist schon bemerkenswert, wie die andalusische Jugend die Moderne bzw. ihren Sport mit der Tradition verbindet. Es scheint damit zu tun zu haben, dass die katholische Kirche in Spanien doch mehr im Volke verwurzelt ist, als es in Deutschland der Fall ist.
Da ich hundemüde war, versuchte ich mich loszueisen. Inzwischen war es schon fast Mitternacht geworden. Es sah nicht so aus, dass die Party bald zu Ende wäre. Nun gut, wenn man jung genug ist, hält man länger durch. Die Jungs versuchten mit Hinweis auf meine noch halb volle Flasche Bier meine Flucht zu verhindern. Für sie war ich die Attraktion des Abends, zumindest eine Abwechslung. Wohl oder übel goss ich das nicht allzu starke Bier hinunter, um mich dann schnellstmöglich verabschieden zu können.
Nun würde ich gut schlafen, dachte ich. Doch es kam wieder einmal anders. Der Tag, bzw. die Nacht war noch lange nicht zu Ende. Wieder lag ich fast nackt auf meinem Schlafsack und versuchte, trotz der dem Erlebten nachklingenden Gedanken, Schlaf zu finden.
Nun ist es ja so, wer unbedingt schlafen will und immer daran denkt, schlafen zu müssen, schläft um so schlechter ein. Man muss einfach die Dinge nehmen, wie sie sind. Es soll Leute geben, die Schäfchen zählen. Andere gehen den Einkaufszettel für den nächsten Tag durch. Wieder andere machen die Terminplanung für die kommende Woche, alles in Gedanken versteht sich. Ich selbst halte von all dem nichts. Sobald ich merke, dass der Geist keine Ruhe findet, stehe ich auf und tue irgendetwas, und zwar so lange, bis der Schlaf mich bei meiner Tätigkeit übermannt. Ich will damit nicht sagen, dass ich z.B. zu Hause am PC auf dem Stuhl einschlafe und es dann nicht mehr bis ins Bett schaffe. Aber es hat sich bewährt, wenn die kreisenden Gedanken um das Schlafen-Wollen durch aktive zielgerichtete und vor allem auch sinnvolle Gehirntätigkeit ausgewechselt werden. Man kommt so von seinem Gedanken-Karussell weg und wird auf natürliche Art und Weise ruhig und müde. Sofortiges Hinlegen in diesem müden Zustand sichert das sofortige Einschlafen. Bei mir funktioniert es jedenfalls. Übrigens, Fernsehen als Ersatzdroge zur Förderung des Einschlafens, hilft nur bedingt. Das haben Wissenschaftler in einer Studie herausgefunden.
Nun, mitten in der Nacht bei immer noch fast 30°C Außentemperatur, im Auto gefühlt über 40°, nach der gestrigen Anstrengung (Aufstieg zum Mulhacén) und der heutigen Aufregung (Club-Party) schlafen zu wollen, war selbst für mich nicht einfach. Ich hätte zwar den Laptop rausziehen können, um noch etwas zu schreiben. Aber dazu fehlte mir die Lust, außerdem wollte ich nicht unbedingt im Auto mit Licht hantieren.
Ich kam aber auf eine blendende Idee. Eine Minute später saß ich wieder am Wasser, die Füße im Wasser, den Hintern im Campingstuhl und die Augen zum Horizont gerichtet, dorthin, wo Neptun und die fliegenden Elfen der Nacht ihre Party haben. Es hatte inzwischen etwas aufgeklart, zumindest war der fast volle Mond jetzt besser erkennbar. Der Nebel hatte sich verzogen. Der Mond spendete soviel Licht, dass ich mein Umfeld recht gut erkennen konnte. Die Wellen schienen etwas stärker geworden zu sein, mir kam es jedenfalls so vor. Wind war trotzdem nicht zu spüren, außer dem Luftzug, der am Meer immer vorhanden ist.
Die Musik hatte auch aufgehört. Offensichtlich war die Party zu Ende, kein Wunder, der Stargast war ja nicht mehr da. Ich musste lächeln. Nach vielleicht 20 Minuten sitzen und Löcher in die Nacht gucken sah ich zwar nicht, aber ich spürte oberhalb der Uferböschung Leute laufen. Komisch ist es schon, dass der Mensch so etwas bemerkt, ohne es zu sehen und dazu noch abgelenkt von den doch recht lauten Geräuschen des Meeres. Man spürt, wenn etwas nicht stimmt oder Gefahr sein könnte. Wahrscheinlich ist dies uns vor vielen tausend Jahren in die Gene gepflanzt worden, als wir noch zur Jagd gingen und von wilden Tieren auch selbst bedroht wurden.
Gerade noch entdeckte ich zwei Köpfe, die in der Senke des Flussbetts verschwanden. Dass es ein Liebespärchen vom Club war, bemerkte ich wiederum eine halbe Stunde später. Sie kamen zurück und direkt am Auto vorbei. Ich lag wieder auf meinem Schlafsack, diesmal das letzte Mal, ohne aufzustehen. Den Rest der Nacht, nur wenige Stunden, verbrachte ich im Tiefschlaf, endlich!
Man hätte meinen können, die Nachtruhe dauert nun bis Mittag. Nein! Ich konnte es nicht fassen. Es war gegen 6 Uhr morgens, als der schwere Tanklaster rückwärts an sein Klo hupte, um sich zu entleeren. Ich hasse diese Warnsignale beim Rückwärtsfahren, insbesondere, wenn sie mich aus dem Schlaf reißen. Durchgeschwitzt war mir nun klar, die Nacht ist zu Ende. Die Erfrischung im Meer tat mir gut. Trotzdem spürte ich Müdigkeit in den Knochen.
Casarones > N340a > Castell de Ferro > N340/E15 > Rastplatz Punta del Tajo Justos > N340/E15 > Mirador de Calahonda an der N340/E15 (Frühstück) > N340/E15 > Calahonda > A7/E15 > La Gorgoracha > A44/E902 > Granada > A44/E902 > Bailén > A4/E5 > Almuradiel > A4/E5 > Santa Cruz de Mudela > Manzanares > A4/E5 > A4/E5 Nähe Aranjuez > A40 > M50 O-Umfahrg. Madrid M50 > A2 > N-Umfahrg. Torrejón de Ardoz > A2 > N-Umfahrg. Alcalá de Henares > A2/E90 > S-Umfahrg. Guadalajara > A2/E90 > Tochemocha del Campo > A2/E90 > Medinaceli > A15/E90 Almazán CL101 > CL101 Gómara CL101 > 1 km zur Tankstelle auf N234 (41.67476, -2.16175) > CL101 Jaray CL101 > Ágreda N113 > N113 Valverde N113 > Castejón > N113 > N121 > Tafalla > PA30 O-Umfahrg. Pamplona > PA30 > N121A > Oronoz-Mugaire > N121B > Ordoqui > N121B > Dantxarinea > N121B > Grenze Spanien/Frankreich > D20 > D918 > Espelette > D918 > Cambo-les-Bains > D10 > D22 > D21 > A64 > D123 Le Bort du Vern D123 > Fluss Adour D12 > Saint-Jean-de-Marsacq > D12 Saint-Geours-de-Maremme D10E > vor Castets auf A63/E70 > Rastplatz Aire de I'Océan Est (43.93735, -1.08867)
Meine Gewohnheit brechend, verzichtete ich vorerst auf das Frühstück, um zurück nach Castell de Ferro zu fahren. Dort würde ich direkt am Kieselstrand mit dem Auto stehen und in Ruhe bei angenehmerer Umgebung meine Morgenmahlzeit genießen. Vor allem ist dort eine Dusche am Strand, so dass ich süßwassergereinigt meine Rückfahrt hätte antreten können. So dachte ich. Die ursprüngliche Planung, noch einige Tage am Meer zu bleiben, hatte ich schon in der Nacht verworfen. Ich hätte zwar gerne noch etwas faulenzen wollen, aber man muss Prioritäten setzen. Mich zog es in Richtung Heimat. Mein großes Ziel, der Berg, war erreicht.
Die wenigen Kilometer bis Castell de Ferro legte ich flott zurück, zu dieser Zeit war fast niemand unterwegs. In der Zufahrtsstraße zum Strand war kein Parkplatz für mich frei. Nicht schlimm, dachte ich. Am Wasser zu stehen ist sowieso besser. Ich hatte aber die Rechung ohne den Wirt gemacht. Genau vor den zwei unübersehbaren Verbotsschildern stoppte ich, nicht wegen der Schilder. Vielleicht 20 Meter weiter stand ein Polizeiauto. Zwei Gendarmen lehnten an, bzw. saßen fast auf ihrer Motorhaube und beobachteten mich. Sie schienen nur darauf zu warten, dass ich weiter ins verbotene Land fuhr.
Ich hatte nicht daran gedacht, dass heute Montag ist und die Polizei wieder Zeit hat. Gestern zum Sonntag hatte sich keiner der Ordnungshüter blicken lassen. Dass Sonntags die Luft rein ist, scheinen vor allem die einheimischen Castellaner zu wissen. Wie könnte man es sonst erklären, dass Sonntags der verbotene Strand voll von Autos ist, heute zum Montag aber kein einziges (außer eben der Polizei) dastand.
Notgedrungen wendete ich, immer noch die Blicke der Polizisten im Rücken. In der Nähe war absolut keine legale Abstellmöglichkeit. Mit etwas Ärger im Bauch fuhr ich raus aus Castell de Ferro hoch zum Parkplatz an der N340, dem Punta del Tajo Justos, einem Aussichtspunkt mit Blick auf Castell de Ferro und dem Strand Marina Rincón. Das Polizeitauto stand immer noch da. Auch im weiteren Verlauf Richtung Stadtzentrum sah ich an diesem Morgen nur wenige Leute.
Irgendwo da unten im Wasser musste der Ring liegen, den meine Frau hier vor 7 Jahren (2010) verloren hatte. Vielleicht hat ein verwunschener Fisch das goldene Ringlein gefunden und einer Meerjungfrau geschenkt. Hauptsache der Ring passt, dann bin ich zufrieden und freue mich, wenn das Ringlein eine andere Hand schmückt. In solche Gedanken versunken starrte ich auf das Meer, geradeso, als hätte ich alle Zeit der Welt. Im Grunde hatte ich die auch.
Einen festen Zeitplan für die Rückreise gab es nicht. Aber genau das ist es, was mir so gefällt: Ohne Hast, Zeitdruck und Irgendwann-Irgendwo-Sein-Müssen das Hier und Jetzt geschehen lassen und genießen. Ein chinesisches Sprichwort sagt:
Der Eilige malt das Morgen schon heute, der Weise sieht das Heute — so wie es ist.
Erst am Mirador de Calahonda unweit von der Turmruine Torre del Zambullón hielt ich, um zu frühstücken. Wie schon weiter oben erwähnt, der Aussichtspunkt ist stark frequentiert, teilweise vermüllt und unmittelbar an der Nationalstraße N340 gelegen. Positiv ist die schöne Aussicht auf Calahonda, ein typischer Touristenort. Der lange Sandstrand längs der Urbanisation Ul Farillo und weiter westlich an der Urbanisation La Perla de Andalucía ist zwar schön, aber voll von Badegästen. Es gibt abgesperrte Bereiche, die bestimmten Hotels zugeordnet sind. Schon deshalb und wegen der Massen, vor allem im Sommer, meide ich solche Strände.
Viel Auswahl zum Frühstück war mir nicht geblieben, Brot und Honig reichten. Beim Kochen des Kaffees, den ich heute unbedingt brauchte, hatte ich erst einmal eine kleine Havarie. Die Sicherung der Auto-Steckdose war durchgebrannt. 15 A sind auf Dauer eben doch zu wenig für einen 170-Watt-Kocher. Ich musste den Gaskocher anwerfen. Wie sagt man: Ein Unglück kommt selten allein. Die Gaskartusche wurde leer. Ersatz war natürlich vorhanden.
Spätes Frühstück kurz vor 9 Uhr
Mirador de Calahonda (36.70244, -3.41027)
Letzter Blick auf Calahonda und das Meer
Erstes Ziel auf der Heimfahrt: Granada hinter den Bergen
Etwas wehmütig dachte ich an die Reise im Jahre 2010 zurück. Damals hatten wir auf dem gleichen Stein gesessen, auf die Stadt, den Hafen und die Strände geschaut sowie die Freiheit des Meeres auf uns wirken lassen. Jetzt, da ich nach 7 Jahren in wenigen Minuten wieder weg vom Meer Richtung Norden fahren würde, kam mir der Gedanke, dass auch meine Zeit begrenzt ist. Wie oft würde ich noch hier sitzen können, oder ob überhaupt? Es ist eben wunderschön an der Mittelmeerküste, egal wo man ist. Der Blick aufs Meer vermittelt das Gefühl der Ewigkeit, vielleicht auch die Sehnsucht nach Ferne. Auch in diesem Fall glaube ich, dass dies dem Menschen vor Urzeiten mit in die Gene gegeben wurde. Es hat etwas mit Entdeckergeist und der Suche nach neuen Ressourcen zu tun. Heute haben wir das zwar nicht mehr nötig, und das Fernweh ist bei den Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Aber in mir steckt diese Eigenschaft. Leider habe ich dies viel zu spät im Leben entdeckt.
Erst gegen 9 Uhr konnte ich mich vom Blick auf Calahonda und das Meer losreißen. Für die Heimfahrt würde ich die gleiche Strecke nehmen. Ich brauchte also nur Punkt für Punkt rückwärts im Navi auswählen. Eine erneute Routenplanung war nicht nötig. Madrid wollte ich aber nicht so großräumig umfahren, um Zeit zu sparen. Das Sonnenblumenland würde mich also nicht wiedersehen. Eigentlich schade, die schmalen Straßen auf dem Lande haben auch ihren Reiz.
Kurz nach 10 hatte ich Granada schon hinter mir, nun lag die lange und teilweise eintönige Autobahnfahrt nach Norden vor mir. Wegen der kurzen Nacht wurde ich schon jetzt wieder müde. Irgendwo muss ich Pause machen und eine Stunde schlafen, so dachte ich. Leider sind die Autobahnen A44 und A4 sehr dürftig mit Rastplätzen ausgestattet. Und wenn einer da ist, dann auf jeden Fall flach, ohne Hitzeschutz und ohne Wald.
Gegen 13.00 Uhr erreichte ich die Peripherie von Madrid, ohne bisher Rast gemacht zu haben. Die Ostumfahrung von Madrid (M50) ist, wie viele der Autobahnen um Madrid, 3-spurig ausgebaut. Bei ungewöhnlich dichtem Verkehr hatte ich aber trotz freundlicher Navi-Aufforderung eine Abfahrt zur A2 verpasst. Die nächste Möglichkeit bot sich aber kurze Zeit später. Auf der A2 wurde es dann wieder ruhiger. Nun war es wirklich Zeit, Rast zu machen.
Stunden später, es war schon 16.25 Uhr sah ich ein Tankstellenschild. Jetzt war es Zeit, den Tank voll zu machen. Dem Schild folgend musste ich von der Landstraße CL101 auf die N234 wechseln. Das war ganz in der Nähe von Cardejón, etwa in Höhe von Saragossa bzw. Soria.
Die Tankstelle liegt direkt an der Straße und gewissermaßen auf freiem Feld. Der nächste Ort ist Almenar de Soria, zu dem die Tankstelle gehört. Außer der Tankstelle und der dazugehörenden Bar sind keine Häuser in der Nähe. Ich war der einzige Kunde, aber der Tankwart war auch nicht zu sehen. Sein Büro war leer und überhaupt schien kein Mensch zu Hause zu sein, trotz der offenen Türen.
Nun gut, wenn ich tanke wird schon jemand kommen. Leider ging nichts. Das Abhängen der Zapfpistole bewirkte rein garnichts. Ich versuchte es mehrmals. Hilfesuchend sah ich mich um.
Blick auf die Sierra Nevada. Ich fahre Richtung Granada.
10.03 Auf der A44 in Granada, Abzweig N432
11.16 A4 Ri Madrid, Abzweig N322 (Córdoba bzw. Úbeda)
12.42 Auf der A4 nicht mehr weit bis Madrid. Abzweig in Manzanares nach Argamasilla de Alba (Ri Osten) und Arenas de San Juán.
Die Madrider Stadtumfahrung M50 ist sehr gut ausgebaut, zumindest im Südosten. Auf der Autobahn war zwar viel Verkehr, aber kein Stau. Der teilweise 4- bis 5-spurige Ausbau federt jede Verkehrsspitze soweit ab, dass kein Stillstand entsteht. So lässt es sich auch im Randbereich einer Millionenstadt entspannt fahren.
Na bitte. Ein alter Mann schlurfte heran. Er hatte verwetzte Hosen an, die weitbauchig über dem nicht minder großen Bauch an riesig breiten Hosenträgern hingen. Er hatte zu kämpfen, die wenigen Schritte vom Büro bis zur Zapfsäule zu kommen. Sein lauter und mühsamer Atem war nicht zu überhören.
Hola! Keine Antwort seinerseits. Dann knallte er bei abgehängter Pistole mit dem Bein gegen das Blech der Zapfsäule — siehe da, die Pumpe ratterte und ich konnte tanken. Ob sein verächtlicher Blick mir oder der Säule galt, konnte ich nicht so richtig einschätzen. Jedenfalls schlurfte er sofort wieder zurück, ohne mein Tanken abzuwarten.
Der ist heute aber überhaupt nicht gut drauf, dachte ich. Oder, er hat sein Leben satt. Oder er hat etwas gegen Ausländer im Allgemeinen und Deutsche im Besonderen. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
54 Euro hatte ich zu zahlen. Er saß in seinem Büro, die Beine von sich gestreckt mit vorgewölbten Bauch. Ich gab ihm 55 in die Hand. Sein Kramen in der Hosentasche quittierte ich ihm nur mit einem Abwinken, was bedeutete, er solle den Rest behalten. Der Mann war äußerst wortkarg. Eine Danksagung hatte ich aber auch nicht erwartet. Nach einer Rechnung zu fragen, was ich normalerweise mache, erübrigte sich. Ich wollte nicht, dass sich der Mann meinetwegen überarbeitet.
Schnell verließ ich das Gelände. Auf meiner Weiterfahrt ging mir vieles durch den Kopf. Wie satt muss man sein Leben haben, um so zum Kunden zu sein. Ich kann mir nicht erklären, wie der Mann mit seinem Umsatz über die Runden kommt. Natürlich weiß ich nicht, ob es der Inhaber war oder nur ein Aushilfsopa. Auf jeden Fall war der Sprit billig, etwa 10 Cent weniger als bei anderen Tankstellen.
Der Tankstopp veranlasste mich, mein Navi zu befragen. Bis nach Pamplona, dem nächsten Ziel, waren es von der Tankstelle aus noch ca. 160 Kilometer. Ich würde es also heute bis in die Pyrenäen schaffen. Zwar hatte ich es nicht eilig, doch irgendetwas zog mich heimwärts.
13.07 Der Stier, das Wahrzeichen Spaniens. Mir selbst sind Stierkämpfe suspekt. Doch Traditionen halten sich lange. Den Stier in der Arena besiegt zu haben bedeutet das Höchste, was man als junger Spanier erreichen kann.
15.24 Madrid und Guadalajara liegen hinter mir. Ich fahre von der A2 am Abzweig Medinaceli auf die A15 Ri Soria.
15.46 Soria bleibt links liegen, mein Weg ist die CL101
15.51 auf der CL101. Vor mir lagen viele Kilometer Landstraße. Bei so wenig Verkehr spielt es keine Rolle ob Landstraße oder Autobahn. Vom freundlichen Tankwart in Almenar de Soria wusste ich noch nichts.
Auf den nahezu leeren Straßen kam ich mir vor wie ein einsamer Reiter in der unendlichen Weite der Prärie. Welche Prärie? Ich weiß es nicht. Oft sah ich kilometerweit weder Auto noch Mensch. Die Hitze spürte ich wegen der Klimaanlage nicht. Trotzdem war es ein Ritt durch die Wüste — mit Country-Songs am laufenden Band (Stick).
Mangels Fotos und wenig Erlebtem halte ich mich kurz. Die Rückfahrts-Route war gleich der Hinfahrt vor 6 Tagen. Anzumerken ist nur, dass ich in Pamplona im Norden die Tunneleinfahrt verpasst habe und deshalb auf einem großen Kreisel eine Ehrenrunde drehte. Das war etwa 19.00 Uhr bei noch herrlichem Sonnenschein. Im weiteren Verlauf verließ mich das schöne Wetter. Über den Pyrenäen hingen schwarze Wolken und an der Grenze zu Spanien war dann die Straße nass.
Der Fluss Adour, an dem ich auf der Fahrt nach dem Süden so herrlich rasten konnte, wirkte finster und wenig einladend. Ich war dann froh, auf der Autobahn A63 zu sein, die von Bayonne kommt. Nun würde die Fahrt angenehmer sein, die vielen Kurven auf den kleinen Straßen über die Pyrenäen lagen hinter mir.
Trotzdem wurde es immer später, dunkel war es inzwischen auch schon. Gegen 22.00 Uhr erreichte ich schließlich den Rastplatz Aire de I'Océan Est, auf dem ich die Nacht verbrachte. Dieser Platz ist der erste Rastplatz, wenn man auf der Autobahn von Bayonne aus auf mautfreier Strecke in Richtung Norden fährt. Es war regnerisch, nachts trommelte manchmal ein Schauer aufs Dach. Der Rastplatz ist relativ groß, mit Parkplätzen für LKW und PKW. Es gibt verschiedene ruhige Ecken, wo man ungestört die Nacht verbringen kann.
Rastplatz Aire de I'Océan Est A63/E70 > 20 km weiter Rastplatz Aire d'Onesse-Laharie (44.09300, -0.99663) A63/E70 > A630 W-Umfahrg. Bordeaux A630 > A10/E606 Angouleme A10/E603 > N141/E603 Rastplatz Aire de la Jalette (45.90847, 0.90288) N141/E603 > N-Umfahrg. Limoges > La Souterraine > N-Umfahrg. Montluçon A714 > S-Umfahrg. Moulins > S-Umfahrg. Digoin > N70 Calon-sur-Saone N73 > Dole > N-Umfahrg. Vesoul > Belfort > A36 Mulhausen A36 > Grenze Deutschland A5 > A8 > Pforzheim
Gegen 4.40 Uhr wurde ich munter. Es hatte keinen Sinn, weiter schlafen zu wollen. Ich wusste, das wird nichts. Am Wohmmobil nebenan hantierte auch ein Mensch mit Kopflampe. Ich schälte mich aus dem Schlafsack und stellte mich erst einmal hinters Auto. Es war ziemlich kalt geworden, kein Wetter für's Frühstück. Nur im Jogging-Anzug und ohne weitere Körperpflege ließ ich den Motor an. So ist das manchmal, man muss Wichtiges verschieben und Notwendiges tun.
Die Autobahn war noch nass, der Regen hatte aber aufgehört. Etwa 20 Kilometer weiter kam ich dann zum Aire d'Onesse-Laharie, auf dem ich die Morgentoilette nachholte. Die Dusche aus dem Wasserkanister wirkte Wunder. Hellwach und mit frischen Klamotten ging es weiter. Es war inzwischen etwas heller geworden. Allerdings hätte ich hier nicht übernachten wollen. Es gibt wenig Wald oder andere Rückzugsmöglichkeiten.
Bordeaux wollte ich eigentlich rechts umfahren, also genau so, wie ich gekommen war. Meine doch noch schläfrigen Augen verhinderten das. Ich verpasste den Ost-Abzweig und musste wohl oder übel die Westumfahrung nehmen. Diese Strecke kannte ich noch vom vorigen Jahr. Auf meiner Frankreich-Tour hatte ich ein westlich von Bordeaux liegendes F1-Hotel angesteuert. Zwar hätte ich meinen Irrtum korrigieren können, wäre dann aber gezwungen gewesen, durch die Stadt zu fahren. Das wollte ich nicht, zumal es wegen des finsteren Himmels immer noch ziemlich dunkel war.
Im weiteren Verlauf nördlich von Bordeaux musste ich wegen meiner sturen Mautvermeidung wieder auf eine Landstraße wechseln. So kam ich über die N10 und die N141 zum Rastplatz Aire de la Jalette, etwa 33 Kilometer vor Limoges. Diesen Parkplatz gibt es nur in Ostrichtung, auf der anderen Seite ist Wald. Hier hätte ich auch übernachten können. Jetzt war es 7.11 Uhr, Frühstückszeit.
Nach dem langen Anlauf heute früh und der misslungenen Bordeaux-Umfahrung hatte ich mir den heißen Kaffee wirklich verdient. Der Bord-Computer zeigte 16°C. Wahnsinn, wenn ich an die 40°C in Spanien denke.
Nach 2 Stunden Fahrt sackte mein Kinn auf die Brust. Ich musste unbedingt etwas ruhen. Auf dem nächst möglichen Parkplatz schlief ich sofort ein. Die halbe Stunde reichte, sie tat Wunder. Bei Sonnenschein und guter Laune ging die Fahrt weiter. Mein geheimes Ziel, Pforzheim heute noch zu erreichen, nahm Gestalt an.
7.43 Frankreich, Rastplatz Aire de la Jalette. Es ist regnerisch und relativ kalt. Heißer Kaffee zum Frühstück.
10.14 Die Sonne scheint wieder, hier und in meinem Herz. Eine halbe Stunde habe ich fest geschlafen.
Wichtige weitere Stationen waren Limoges, Montluçon, Moulins, Digoin, Dole, Belfort, Mulhausen und schließlich an Freiburg vorbei über die A5 und A8 nach Pforzheim. Ich beeilte mich, noch anzukommen. Beeilen heißt nicht, ich fahre schnell. Beeilen heißt bei mir: ohne Sehenswürdigkeiten, ohne Trödelei, ohne Aufenthalt eben.
Eine Kirche in Navilly (am Fluss Le Doubs gelegen) war bestimmt sehenswert, leider für mich nur 4 Sekunden beim Vorbeifahren. Das kleine Dorf Navilly liegt an der N73 (Route de Chalon) und ist bestimmt einen kurzen Zwischenstopp wert. Die Kirche heißt Église de l'Assomption de la Vierge. Was das bedeutet, weiß ich nicht. Wenn ich wieder einmal in der Nähe bin, wird der Besuch nachgeholt.
In irgend einem anderen kleinen Dorf war ich ein paar Weintrauben kaufen. Der Laden hat mich an den KONSUM in der DDR erinnert. Deutlich sprangen mir die Regalfächer ins Auge, weil fast nichts drin lag. Der Fußboden war mit Ziegelsteinen (!) belegt, zwar sauber und akurat anzuschauen, aber eben recht ungewöhnlich. Und was mir sofort auffiel, die Verkäuferin trug eine Schürze! Sie war freundlich und bemüht, mir die Trauben in eine recht kleine Papiertüte zu füllen. Diese Tüte war spitz (dreieckig). Es war lange her, dass ich so eine Tüte in der Hand hielt. Mir war das aber alles egal, die schwarzblauen Trauben haben sehr gut geschmeckt. Vielleicht war es ein alternativer BIO-Laden oder nur eine Verkaufsstelle direkt vom Erzeuger.
Erwähnenswert ist noch die Umleitung, die ich wegen eines Brückenbaus fahren musste. Sie führte mich durch schönes Waldgebiet entlang eines Flusses. Leider habe ich dazu keine Aufzeichnungen, habe aber ein paar Fotos gemacht. Hätte ich einen Fotoapparat mit GPS, würde ich jetzt wissen, wo ich war. Es ist zwar auch möglich, die gefahrene Strecke mit dem normalen Verkehrsnavi aufzuzeichnen. Diese Funktion habe ich aber abgestellt, da ich schon einmal Speicherplatzprobleme hatte.
Das Navi hatte 20.00 Uhr Ankunft errechnet, was dann auch ziemlich genau zutraf.
16.10 Viele Kilometer liegen hinter mir.
16.15 Die Umleitung wegen Brückenbau.
16.17 Eine schöne Gegend, ohne Umleitung wäre ich hier nie vorbeigekommen.
16.21
Aus Datenschutzgründen und zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte sind wie immer auch in dieser Web-Ausgabe
bestimmte private Informationen und Fotos nicht enthalten. Dazu gehört auch der Aufenthalt in Pforzheim.
Pforzheim > Leonberg > Heilbronn > Nürnberg > Bayreuth > Chemnitz
Die Heimfahrt war ohne Probleme, diesmal fuhr ich über Heilbronn und Nürnberg. Wie so oft gab es kurz vor Nürnberg einen 20-Minuten-Stau, verursacht durch eine riesige Baustelle. Die Autobahn wird um eine Fahrspur je Richtung erweitert. Aber das kann nur gut sein. In Zukunft dürfte dort der Verkehr um so besser fließen.
Mein langjähriger Traum, den Mulhacén zu bezwingen, war im Jahre 2010 gescheitert. Trevélez hatte mir gezeigt, dass es doch nicht so ohne weiteres möglich bzw. sinnvoll ist, unvorbereitet ins Hochgebirge zu gehen. Man kann sich zwar Ziele setzen, sollte aber auch klug genug sein, das Erreichen eines Ziels realistisch einzuschätzen.
Vor allem muss man mental flexibel genug sein, ein Ziel so oder so oder aber auch überhaupt nicht zu erreichen, ohne daran zu zerbrechen. Das bedeutet, der Weg zum Ziel (nicht nur der Wanderweg) muss im Einklang mit den Fähigkeiten stehen. Das bedeutet, der Weg zum Ziel muss nicht der direkte sein, er kann auch über Umwege erfolgen und er kann aber auch völlig abgebrochen werden.
Der Abbruch auf dem Weg zum Ziel ist kein Scheitern. Im Gegenteil, das Beenden einer begonnenen Sache, ohne am Ziel zu sein, ist eine Form der mentalen Stärke. Voraussetzung ist natürlich, die eigenen Fähigkeiten richtig eingeschätzt zu haben und deshalb zum persönlichen Entschluss gekommen zu sein, die Sache (das Erreichen des Ziels) abzubrechen. Damit hätte man dann sein Ziel trotzdem erreicht, allerdings auf vielleicht halben Wege. Was in so einer Situtation aber geschärft wird, ist die Einsicht, dass man nicht alles erreichen kann und soll, wenn es nicht mit den eigenen Fähigkeiten abgeglichen ist. Realistische Selbsteinschätzung ist ein hohes Gut, Selbstüberschätzung dagegen kann fatale Folgen haben.
Diese mentale Flexibilität, den Weg oder auch selbst das eigentliche Ziel in Frage zu stellen, hat nichts mit dem eigenen Versagen zu tun. Das eigene Selbstwertgefühl wird nicht geschwächt, da es schließlich wichtige Gründe gibt. Diese Gründe zu ignorieren kommt der Selbstüberschätzung gleich.
In meinem Falle des Abbruchs in Trevélez hatte sich ein Zwischenziel gezeigt. Nachdem ich die Ursache, nämlich die fehlende körperliche Fitness, erkannt hatte, blieb als logische Konsequenz, diese Ursache aus dem Weg zu räumen, um so doch noch mein Ziel (den Berg) zu erreichen. Es hat allerdings etwas gedauert und bedurfte eines weiteren Anstoßes im Jahre 2016 auf der Dune de Pilat in Frankreich, das Zwischenziel, nämlich die nötige körperliche Fitness, zu erreichen.
Das Fahrrad-Training in den Folgejahren hatte sich gelohnt. Die Wanderung am Vortage meiner Mulhacén-Besteigung war ein weiterer Test, mein endgültiges Ziel erreichen zu können. Und ich habe es erreicht!
Warum schreibe ich das hier alles? Nun, ich will zeigen, dass es sehr viele Möglichkeiten (Wege) gibt, sich selbst Zufriedenheit zu verschaffen. Zufriedenheit? Ja, das ist Voraussetzung für Glück. Und Glück braucht der Mensch, wenigstens ab und zu.
Auf meiner Web-Site www.pegons-web.de steht unter der Rubrik Philosophie noch einiges mehr zum Thema Mentale Flexibilität, Selbstbild und Selbstwertgefühl. Dort ist auch ein Hinweis zur Dipl.-Arbeit Mental-Training der Autorin Kristin Köhler (© 2018) zu finden. Die Arbeit beschäftigt sich mit Grundlagen und Methoden des mentalen Trainings.